Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit an den Inhalt rechtskräftiger familiengerichtlicher Entscheidungen. Versorgungsausgleich
Orientierungssatz
Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind ebenso wie die Rentenversicherungsträger an den Inhalt rechtskräftiger Entscheidungen der Familiengerichte zur Durchführung des Versorgungsausgleichs gebunden (zur arbeitsteiligen Aufgabenzuweisung an die Familien- bzw Sozialgerichte vgl BSG vom 8.11.1989 - 1 RA 5/88 = BSGE 66, 53 = SozR 2200 § 1304a Nr 16).
Normenkette
SGB 6 § 76 Abs. 3; SGG § 160 Abs. 2, § 160a; BGB §§ 387, 1587b Abs. 1 Fassung: 2002-01-02; VersAusglG § 48 Abs. 1; VersorgAusglHärteG § 10a Fassung: 1991-07-25; ZPO § 323 Abs. 1
Verfahrensgang
Sächsisches LSG (Urteil vom 05.12.2012; Aktenzeichen L 6 KN 655/12) |
SG Dresden (Entscheidung vom 10.09.2012; Aktenzeichen S 24 KN 244/11) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 5. Dezember 2012 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt S., , beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I. Das Sächsische LSG hat im Urteil vom 5.12.2012 einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von Regelaltersrente ohne Berücksichtigung einer Kürzung aufgrund der im Versorgungsausgleich auf seine geschiedene Ehefrau übertragenen Rentenanwartschaften (3,8200 von insgesamt 32,3048 Entgeltpunkten ≪Ost≫) verneint.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 9.1.2013 beim BSG Prozesskostenhilfe (PKH) für ein beabsichtigtes Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten LSG-Urteil beantragt und um Beiordnung von Rechtsanwalt S. aus D. gebeten. Er trägt vor, das LSG habe die Bestimmungen zur Aufrechnung falsch ausgelegt. Ihm stünden aus abgetretenem Recht Ansprüche seines Sohnes gegen die frühere Ehefrau auf Kindesunterhalt für die Monate November 1996 bis April 1998 in Höhe von monatlich 206 Euro zuzüglich Zinsen zu, die er als fällige und vollwirksame Gegenforderung zur Aufrechnung gestellt habe; aufgrund dessen sei die Kürzung der laufenden Altersrente hinfällig. Im Übrigen werde aufgrund des Versorgungsausgleichs sein notwendiger Eigenbedarf erheblich unterschritten und es liege ein Härtefall vor, da der ungekürzte Versorgungsausgleich zu einem Unterhaltsanspruch des Ausgleichspflichtigen gegen den Ausgleichsberechtigten führe.
II. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG, § 114 ZPO).
Einzig mögliches Rechtsmittel gegen das angefochtene LSG-Urteil ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 160a SGG). In einem solchen Verfahren geht es nicht darum, ob das Urteil des LSG richtig oder falsch ist. Vielmehr darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach Prüfung des Streitstoffs nicht ersichtlich.
Es ist nicht erkennbar, dass eine Zulassung der Revision gegen das vom Kläger angegriffene LSG-Urteil auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bislang nicht hinreichend geklärte Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt. Dass im Rechtsstreit des Klägers solche Rechtsfragen von Bedeutung sind, ist nicht ersichtlich.
Auch der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) könnte nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Denn das LSG ist in der angefochtenen Entscheidung, die im Wesentlichen auf die als zutreffend erachteten Gründe des Gerichtsbescheids aus erster Instanz Bezug genommen hat, nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen. Das gilt auch hinsichtlich der vom Kläger bezeichneten Entscheidungen des BGH (BGH WM 1983, 688; BGH NJW 1959, 1275; BGH NJW 1993, 2105). SG und LSG haben die Argumentation des Klägers - er habe gegenüber dem Anspruch seiner vormaligen Ehefrau auf Übertragung von Anwartschaften auf Altersversorgung aus seiner gesetzlichen Rentenversicherung (vgl § 1587b Abs 1 BGB in der bis zum 31.8.2009 geltenden, im Fall des Klägers gemäß § 48 Abs 1 VersAusglG weiterhin anwendbaren Fassung) die Aufrechnung mit ihm zustehenden Ansprüchen auf Kindesunterhalt erklärt und hierdurch sei deren Ausgleichsanspruch erloschen, mithin seine Altersrente ungekürzt zu zahlen - nicht für durchgreifend erachtet, weil sie die Grundvoraussetzungen einer Aufrechnung (vgl § 387 BGB: insbesondere Gleichartigkeit und Gegenseitigkeit der Forderungen) in dieser Konstellation als nicht gegeben angesehen haben. Das steht weder zu den vom Kläger genannten noch zu anderen oberstgerichtlichen Entscheidungen im Widerspruch.
Soweit der Kläger darüber hinaus unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des BGH (FamRZ 1987, 255) das Vorliegen eines Härtefalls reklamiert, kann er damit im hier zu beurteilenden Verfahren gegen den Rentenversicherungsträger von vornherein nicht durchdringen. Denn Einwendungen gegen eine vom Familiengericht rechtskräftig angeordnete (rechtsgestaltende) Übertragung von Rentenanwartschaften auf das Versicherungskonto des anderen Ehegatten (§ 1587b Abs 1 BGB) können nur im Verfahren vor dem Familiengericht geltend gemacht werden (vgl § 323 Abs 2 ZPO bzw § 10a VAHRG); die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind ebenso wie die Rentenversicherungsträger an den Inhalt rechtskräftiger Entscheidungen der Familiengerichte zur Durchführung des Versorgungsausgleichs gebunden (zur arbeitsteiligen Aufgabenzuweisung an die Familien- bzw Sozialgerichte s bereits BSGE 66, 53, 57 f = SozR 2200 § 1304a Nr 16; s auch Blüggel in juris-PK SGB VI, 2008, § 76 RdNr 58 ff).
Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensfehler feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Soweit der Kläger meint, das LSG habe den Sachverhalt nicht erschöpfend und nicht richtig gewürdigt, beanstandet er die tatrichterliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung (vgl § 128 Abs 1 S 1 SGG); auf einen Verstoß hiergegen kann ein Verfahrensmangel nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in § 160a Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht gestützt werden. Andere Verfahrensmängel sind ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere hat das LSG aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden. Wenn der Kläger an ihr nicht teilnahm, weil sein Antrag auf PKH vom Berufungsgericht mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt worden war, so begründet dies keinen Verfahrensfehler, zumal ihm rechtzeitig vor dem Termin auf Kosten des Gerichts eine Fahrkarte für die Anreise zum LSG übermittelt wurde.
Da die aufgezeigten Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH nicht vorliegen, kommt die Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens nicht in Betracht (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Fundstellen