Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen nach dem SGB III. Befreiung von der Krankenversicherungspflicht. Übernahme des Beitrags durch die Bundesagentur für Arbeit (BA). Selbstbehalt für private Krankenversicherung kein Beitrag
Leitsatz (redaktionell)
Der Wortlaut des § 207a Abs. 1 und 2 SGB III lässt die Auslegung, auch ein Selbstbehalt sei ein von der BA zu übernehmender “Beitrag zur privaten Krankenversicherung”, nicht zu. Selbstbehalte sind Teil der Kalkulation der Prämien und damit des Preises der Versicherung. Sie unterscheiden sich von Beiträgen dadurch, dass der Versicherte nicht regelmäßig mit ihnen belastet wird, sondern sie erst nach Inanspruchnahme von Leistungen und damit nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums auftreten können.
Normenkette
SGB III § 207a Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. Februar 2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger bezog ab Januar 2001 Arbeitslosengeld (Alg). Zu diesem Zeitpunkt war er bei einem privaten Versicherungsunternehmen kranken- und pflegeversichert. Die Versicherungsprämien betrugen monatlich für die Krankenversicherung 575,56 DM, für die Pflegeversicherung 74,31 DM. Dabei war in der Prämienkalkulation ein Jahresselbstbehalt des Klägers von 2500 DM berücksichtigt. Die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) übernahm die genannten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 207a Abs 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III). Wäre der Kläger gesetzlich kranken- und pflegeversichert gewesen, hätte die BA für ihn Krankenversicherungsbeiträge von 713,50 DM und Pflegeversicherungsbeiträge von 89,72 DM aufwenden müssen.
Der Kläger beantragte bei der BA eine Auszahlung der Hälfte seines Selbstbehalts im Jahre 2001 von 1.250 DM. Die Beklagte lehnte dies ab, weil Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nur in der Höhe erstattet würden, wie sie dem Versicherungsunternehmen geschuldet werden. Beim Selbstbehalt handle es sich nicht um Versicherungsbeiträge, sondern um eine Modalität des Versicherungsvertrages. Vor dem Sozialgericht hat der Kläger die Übernahme des gesamten, vor dem Landessozialgericht (LSG) die Hälfte des Selbstbehalts beantragt. Klage und Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 19. Februar 2003 Beschwerde eingelegt und sie mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die Beantwortung der vom Kläger als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage, „ob der Selbstbeteiligungsbetrag eines vor Eintritt der Arbeitslosigkeit privat kranken- und pflegeversicherten späteren Leistungsbeziehers Beitrag iS von § 207a Abs 2 Satz 1 SGB III ist”, steht nach dem Wortlaut des § 207a SGB III außer Zweifel. Die Frage ist zu verneinen und damit nicht in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig iS des § 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫ (vgl BSGE 40, 40, 42 = SozR 1500 § 160a Nr 4 S 5). Bezieher von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit und privat kranken- und pflegeversichert sind, haben Anspruch auf Übernahme der Beiträge, die für die Dauer des Leistungsbezugs aus der Arbeitslosenversicherung für eine Versicherung gegen Krankheit oder Pflegebedürftigkeit an ein privates Krankenversicherungsunternehmen zu zahlen sind (§ 207a Abs 1 SGB III). Die BA übernimmt die vom Leistungsbezieher an das private Versicherungsunternehmen zu zahlenden Beiträge, höchstens jedoch die Beiträge, die sie ohne die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung oder in der sozialen Pflegeversicherung zu tragen hätte (§ 207a Abs 2 SGB III).
Der Wortlaut des § 207a Abs 1 und 2 SGB III lässt die Auslegung, auch ein Selbstbehalt sei ein von der BA zu übernehmender „Beitrag”, nicht zu. In der Gesetzesbegründung zu § 207a SGB III – Allgemeiner Teil – wird ausgeführt: „Die Bundesanstalt für Arbeit übernimmt in einem solchen Fall allerdings nur die Beiträge für die private Versicherung bis zu der Höhe, in der sie Beiträge für die gesetzliche Versicherung aufzuwenden gehabt hätte.” (vgl BT-Drucks 13/8012 S 18). Im Besonderen Teil enthält die Gesetzesbegründung ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass § 207a SGB III auch einen Ausgleich für Selbstbehalte durch die BA umfassen sollte (vgl BT-Drucks 13/8012 S 21 zu Nr 25 – § 207a). Die Regelung zur Übernahme von Beiträgen durch die BA kann von der Rechtsprechung auch nicht ausdehnend oder entsprechend auf Selbstbehalte angewandt werden. Ein Selbstbehalt ist zwar Teil der Beitragskalkulation in der privaten Versicherung und bestimmt gemeinsam mit den zu zahlenden Prämien oder Beiträgen den Preis des Versicherungsschutzes. Er unterscheidet sich aber von den Beiträgen wesentlich. Mit ihnen wird der Versicherte regelmäßig und monatlich belastet. Ob er hingegen einen vereinbarten Selbstbehalt zu tragen hat oder nicht, hängt davon ab, ob und in welcher Höhe Krankheitskosten entstehen. Dies steht erst nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres oder eines sonstigen für den Selbstbehalt maßgeblichen Zeitraumes fest. Unter diesen Umständen muss eine etwaige Berücksichtigung von Selbstbehalten bei den von der BA zu übernehmenden Kosten einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung einer gesetzlichen Regelung vorbehalten bleiben, die möglicherweise differenziert ausfallen müsste. Für verfassungsrechtlich geboten hält der Senat eine solche Regelung nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1176631 |
FA 2004, 317 |