Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Krankengeld. Anspruchsentstehung. Tag der ärztlichen Feststellung
Orientierungssatz
1. Der Umfang des Versicherungsschutzes nach dem SGB 5 beruht auf dem im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung wirksamen Versicherungsverhältnis; für den Krankengeld-Anspruch ist dabei weder auf den Beginn der Krankheit noch auf den "wirklichen" Beginn der Arbeitsunfähigkeit, sondern auf die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit abzustellen.
2. Diese Erwägungen gelten in gleicher Weise für die Frage, wann Arbeitsunfähigkeit einen unbeschränkten oder einen beschränkten (= nachgehenden) Anspruch auf Krankengeld auslöst.
Normenkette
SGB 5 § 44 Abs. 1 S. 1, § 46 S. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger war bis zum 31. Dezember 1998 beschäftigt und auf Grund dessen bei der beklagten Betriebskrankenkasse versichert. Vom 14. Dezember 1998 bis zum 6. Januar 1999 (Mittwoch) bescheinigte der behandelnde Urologe Arbeitsunfähigkeit wegen Hämaturie. Am 7. Januar 1999 stellte ein anderer Arzt (Internist) Arbeitsunfähigkeit wegen Virusinfekt und Gonarthrose fest; weitere Bescheinigungen auch eines Orthopäden belegen Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 25. Februar 1999. Im Anschluss an die Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers gewährte die Beklagte Krankengeld vom 1. bis zum 6. Januar 1999; für die Zeit danach lehnte sie die Leistung mit Rücksicht auf die über die Ehefrau des Klägers bei einer anderen Krankenkasse bestehende Familienversicherung ab.
Die Klage hatte insoweit Erfolg, als das Sozialgericht (SG) die Beklagte zur Krankengeldzahlung vom 8. bis zum 31. Januar 1999 verurteilt hat. Für den 7. Januar 1999 und für die Zeit ab 1. Februar 1999 hat das SG den Anspruch verneint und die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Auffassung des SG bestätigt, dass die Mitgliedschaft des Klägers mit dem 7. Januar geendet habe, denn für diesen Tag habe kein Anspruch auf Krankengeld bestanden. Die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit an diesem Tage habe erst zu einem Anspruch auf Krankengeld ab dem Folgetag geführt. Der Kläger habe an einer anderen Krankheit gelitten als vorher, sodass von einem neuen Versicherungsfall auszugehen sei.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger sinngemäß die grundsätzliche Bedeutung der Frage geltend, ob bei lückenlos bescheinigter Arbeitsunfähigkeit, aber wechselnder Krankheitsursache dennoch ein Karenztag ohne Krankengeldanspruch eintrete. Er hält das Ergebnis des LSG vor allem deshalb für unzutreffend, weil er am Karenztag (hier: 7. Januar 1999) mit Rücksicht auf die ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit gehindert gewesen sei, eine Arbeit aufzunehmen oder sich beim Arbeitsamt zu melden, um einen neuen Krankenversicherungsschutz zu begründen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Als einziger Revisionszulassungsgrund wird die grundsätzliche Bedeutung gerügt. Diese kommt dem Rechtsstreit nicht zu.
Die grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nur zu bejahen, wenn eine konkrete, in klarer Formulierung bezeichnete Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dagegen, wenn die zutreffende Beantwortung der Frage nach dem Inhalt der maßgeblichen Rechtsvorschriften bzw dazu vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegen kann (vgl zB BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6 und § 160a Nr 21 S 38).
Der Senat misst dem Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sich die Antwort auf die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Gesetz bzw aus der einschlägigen Rechtsprechung ergibt und keiner Klärung im angestrebten Revisionsverfahren bedarf. Es kann offen bleiben, ob die Beschwerde den Revisionsgrund in dem nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG vorgeschriebenen Umfang dargelegt hat.
Nach § 44 Abs 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt werden. Außerhalb einer hier nicht einschlägigen stationären Behandlung entsteht der Anspruch gemäß § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V an dem Tag, der auf die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Die Dauer des Anspruchs ist durch § 48 Abs 1 SGB V für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit auf längstens 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren begrenzt; bei zeitlich getrennt entstehenden, unterschiedlichen Krankheiten gilt diese Beschränkung nicht. Der Anspruch erlischt nach § 19 Abs 1 SGB V, wenn die Mitgliedschaft des Versicherten endet. Allerdings gewährt § 19 Abs 2 SGB V aus der Versicherung ausgeschiedenen versicherungspflichtigen Mitgliedern noch einen sog "nachgehenden" Anspruch längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Ob ein nach Maßgabe des § 48 Abs 1 SGB V unbegrenzter oder ein nachgehender Anspruch entsteht, richtet sich nach dem Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Das ergibt sich aus der Rechtsprechung des Senats zur Berücksichtigung des bisherigen Berufs bei der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ("Berufsschutz"). Danach beruht der Umfang des Versicherungsschutzes nach dem SGB V auf dem im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung wirksamen Versicherungsverhältnis; für den Krankengeld-Anspruch ist dabei weder auf den Beginn der Krankheit noch auf den "wirklichen" Beginn der Arbeitsunfähigkeit, sondern auf die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit abzustellen. Denn für die Fortsetzung des Mitgliedschaftsverhältnisses setzt § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V nicht Arbeitsunfähigkeit, sondern einen Anspruch auf Krankengeld voraus, der seinerseits nach § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V grundsätzlich nur auf Grund ärztlicher Feststellung entsteht (BSGE 90, 72, 75 bzw 81 ff = SozR 3-2500 § 44 Nr 10 S 32 bzw 38 ff). Diese Erwägungen gelten in gleicher Weise für die Frage, wann Arbeitsunfähigkeit einen unbeschränkten oder einen beschränkten (= nachgehenden) Anspruch auf Krankengeld auslöst. Davon ist der Senat im Übrigen schon im Urteil vom 7. Mai 2002 (BSGE 89, 254 = SozR 3-2500 § 19 Nr 5) als selbstverständlich ausgegangen. Der dortige Kläger war zum 30. Juni 1999 arbeitslos geworden und hatte sich am folgenden Tag Arbeitsunfähigkeit bescheinigen lassen. In Übereinstimmung mit dem dargestellten Stichtagsprinzip hat der Senat lediglich einen nachgehenden Anspruch geprüft (und bejaht); er hat keinen Anlass für die Prüfung gesehen, ob dem Kläger deshalb ein Anspruch aus der beendeten Mitgliedschaft zustehen könnte, weil sich die am 1. Juli 1999 festgestellte Arbeitsunfähigkeit nahtlos an das am Vortag beendete Beschäftigungsverhältnis anschloss.
Der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich nicht wesentlich von demjenigen im Senatsurteil vom 7. Mai 2002. Der jetzige Kläger war bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zwar bereits arbeitsunfähig und bezog deshalb ab 1. Januar 1999 Krankengeld. Das führte zunächst zur Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V, die jedoch mit dem Ende des Krankengeld-Anspruchs am 6. Januar 1999 endete, weil die Arbeitsunfähigkeit nur bis zu diesem Datum festgestellt worden war. Die am folgenden Tage neu festgestellte Arbeitsunfähigkeit kann den Anschluss an die frühere Mitgliedschaft nicht gewahrt haben, weil sie frühestens am 8. Januar 1999 einen Anspruch auf Krankengeld ausgelöst hat. Ob dafür dieselbe Krankheit oder eine andere ursächlich war, würde in diesem Zusammenhang nur eine Rolle spielen, wenn über die Dauer des Anspruchs nach § 48 Abs 1 SGB V zu entscheiden wäre.
Da dem Fall die vom Kläger behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht zukommt, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen