Beteiligte

Kläger und Beschwerdeführer

Beklagte und Beschwerdegegnerin

 

Tatbestand

I.

Der Rechtsstreit betrifft die Bemessung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 1. Juli 1994.

Der Kläger war bis einschließlich Juni 1994 beschäftigt, erhielt aber in den Monaten Mai und Juni 1994 wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers kein Arbeitsentgelt. Die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) zahlte für diese Monate Konkursausfallgeld (Bescheid vom 12. September 1994). Für die Bemessung des Alg legte die BA das von November 1993 bis April 1994 erzielte Arbeitsentgelt von 17, 20 DM pro Stunde zugrunde. Im Mai und Juni 1994 hatte der Kläger Anspruch auf Arbeitsentgelt in Höhe von 21, 74 DM bzw. 21, 50 DM pro Stunde. Die Klage ist darauf gerichtet, dieses Entgelt bei der Bemessung des Alg zu berücksichtigen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Zeit von November 1993 bis April 1994 als Bemessungszeitraum angesehen und die Klage abgewiesen. Das in den Monaten Mai und Juni 1994 bezogene Konkursausfallgeld sei für die Bemessung des Alg nicht zu berücksichtigen, weil dem Kläger für diese Monate Arbeitsentgelt wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen sei. Die Revision hat das LSG nicht zugelassen.

Mit der Beschwerde macht der Kläger den Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache geltend. Er wirft die Frage auf, ob der Zufluß von Konkursausfallgeld dem Zufluß von Arbeitsentgelt gleichstehe. Diese Frage sei nicht nur in diesem Einzelfall erheblich, wie eine Reihe von anderen Verfahren zeige. Die Ansicht des LSG, der Bezug von Konkursausfallgeld könne nicht in den Bemessungszeitraum einbezogen werden, unterliege Bedenken. Der § 112 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nehme eine zeitliche, nicht aber eine inhaltliche Abgrenzung vor. Wäre nur das im Bemessungszeitraum tatsächlich zugeflossene Geld zu berücksichtigen, so hätte der Gesetzgeber anstelle des Begriffs "erzielt" den Begriff "zugeflossen" verwendet. Auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) habe bisher nicht zu erklären vermocht, weshalb der Gesetzgeber - die in der Gesetzessprache des AFG geläufigen - Ausdrücke "erhalten" oder "bezogen" hier nicht verwendet habe. Es gehe nicht an, Arbeitnehmern das Risiko der Zahlungsunfähigkeit ihres früheren Arbeitgebers aufzubürden. Im Gegensatz zu anderen Lohnersatzleistungen ersetze das Konkursausfallgeld den nicht gezahlten Lohn. Für die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern, deren Arbeitsvertrag korrekt abgewickelt werde, und Arbeitnehmern, deren Arbeitgeber zahlungsunfähig geworden sei, beständen keine sachlichen Gründe. Insbesondere sei nicht einzusehen, inwiefern eine rasche, einfache und endgültige Feststellung des Bemessungsentgelts durch die Berücksichtigung des Konkursausfallgelds beeinträchtigt werde. Diese Ansicht werde durch die Regelung des § 134 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch: Arbeitsförderung - (SGB III) bestätigt. Für die vom LSG vorgenommene Abgrenzung des Bemessungszeitraums seien auch Gründe der Verwaltungspraktikabilität kein sachlicher Grund, denn die Feststellung des Konkursausfallgeldes mache praktisch keine Schwierigkeiten. Nach der neueren Rechtsprechung des BSG sei zwar in nachträglicher Vertragserfüllung gezahltes Arbeitsentgelt bei der Bemessung von Alg zu berücksichtigen. Gleiches müsse aber auch für Arbeitnehmer gelten, die am Ende ihres Arbeitsverhältnisses kein Arbeitsentgelt, wohl aber Konkursausfallgeld in gleicher Höhe erzielt hätten. Richtiger Ansicht nach trete auch durch die Zahlung von Konkursausfallgeld eine wesentliche Änderung ein, die auf den Zeitpunkt des Leistungsbeginns zurückwirke. In diesem Sinne sei die Rechtsprechung fortzuentwickeln.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist nicht zulässig, denn die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht i.S. des § 160a Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dargelegt.

Dieser Zulassungsgrund ist in der Weise darzutun, daß die angestrebte Entscheidung des BSG geeignet ist, die Rechtseinheit zu erhalten oder die Rechtsfortbildung zu fördern. In diesem Sinne ist die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage über den entschiedenen Einzelfall hinaus nach dem Stand der Rechtsprechung und Lehre und ihre Klärungsfähigkeit nach den Gegebenheiten des zu beurteilenden Falles darzulegen (st Rspr vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nrn 7, 13 und 65; BVerwG NJW 1993, 2825f.). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Sie versäumt es, sich mit der Rechtsprechung des BSG auseinanderzusetzen, nach der sich die aufgeworfene Rechtsfrage zwanglos beantwortet (BSGE 40, 40, 42 = SozR 1500 § 160a Nr. 4). Das BSG hat entschieden, für die Abgrenzung des Bemessungszeitraums müsse das strenge Zuflußprinzip gelten (BSGE 76, 162, 165 = SozR 3-4100 § 112 Nr. 22; BSG SozR 3-4100 § 112 Nr. 24). Konkursausfallgeld hat die BA dem Kläger erst am 12. September 1994 bewilligt. Im Rahmen des § 48 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) hat das BSG ferner klargestellt, daß eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen nicht durch die Feststellung des dem Arbeitnehmer im Bemessungszeitraum zustehenden Arbeitsentgelts, sondern nur durch den tatsächlichen Zufluß dieses Entgelts eintrete (BSGE 78, 109 = SozR 3-1300 § 48 Nr. 48). Zwar kann eine bereits entschiedene Rechtsfrage klärungsbedürftig geblieben oder erneut klärungsbedürftig geworden sein. Dazu muß aber die Beschwerdebegründung substantielle Argumente aufzeigen, die der Rechtsprechung entgegengehalten werden oder entgegenzuhalten sind (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 13; BSG Beschluß vom 22. April 1997 - 11 BAr 3/97 - zur Veröffentlichung vorgesehen m.w.N.). Solche Ausführungen enthält die Beschwerdebegründung nicht. Grund für die neuere Rechtsprechung des BSG zu § 112 AFG ist nicht nur - wie die Beschwerdebegründung offenbar annimmt - das Interesse an rascher, einfacher und endgültiger Feststellung des Bemessungsentgelts oder Verwaltungspraktikabilität. Vielmehr soll die an tatsächlich gezahltes Arbeitsentgelt anknüpfende Bemessung von Alg denkbaren Manipulationen entgegenwirken. Der Gedanke, daß Arbeitgeber ein höheres Arbeitsentgelt bescheinigen, als sie tatsächlich geleistet haben oder zu leisten bereit sind, ist gerade für den Bereich der Arbeitslosenversicherung nicht von der Hand zu weisen. Bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses trennen sich die Wege der Arbeitsvertragsparteien, so daß für den nunmehr Arbeitslosen vorteilhafte Arbeitsbescheinigungen nicht mehr zu dauerhaften Belastungen seines bisherigen Arbeitgebers führen (BSG Beschluß vom 2. Februar 1995 - 11 RAr 21/94 -). Mit dieser naheliegenden Erwägung setzt sich die Beschwerdebegründung nicht auseinander.

Der Hinweis auf den am 1. Januar 1998 in Kraft tretenden § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III ist nicht geeignet, die Rechtsprechung des BSG für die Zeit zuvor ernsthaft in Frage zu stellen. Die Regelung bestätigt vielmehr die von der Rechtsprechung herbeigeführte Klärung. Bei Erlaß des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung (AFRG) vom 24. März 1997 (BGBl. I 594) hat der Gesetzgeber nämlich keinen Anlaß gesehen, die genannte Regelung auch in die zahlreichen Änderungen des AFG (Art 11 AFRG) einzubeziehen oder ihr gar für die Vergangenheit Rückwirkung beizulegen. Die Fiktion des § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III, wonach nur wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossenes Arbeitsentgelt als erzielt gilt, kann damit nur ab 1. Januar 1998 Geltung beanspruchen. Für die Zeit zuvor enthält die Vorschrift indirekt eine Bestätigung der Rechtsprechung, die Arbeitsentgelt i.S. des § 112 Abs. 2 AFG nicht als erzielt ansieht, wenn es zwar erarbeitet, aber dem Arbeitnehmer nicht zugeflossen ist. Die Begründung des Regierungsentwurfs stellt dieses vollends klar (vgl. BR-Drucks 550/96 S. 179). Es wäre eigenwillig, diese Rechtslage in Frage zu stellen, nachdem der Gesetzgeber sie grundsätzlich bestätigt, aber Anlaß gesehen hat, sie nur ab 1. Januar 1998 in einem Einzelpunkt neu zu regeln.

Fragen der Ungleichbehandlung verschiedener Arbeitnehmergruppen, die die Beschwerdebegründung andeutet, aber nicht näher ausführt, stellen sich insoweit nicht. Wird die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache aus der Verletzung des Gleichheitssatzes hergeleitet, so sind die wesentlichen Merkmale dieses Verstoßes nachvollziehbar darzulegen (vgl. BVerfG SozR § 160a Nr. 45; BSG Beschluß vom 22. April 1997 - 11 BAr 3/97 - m.w.N.). Auch daran fehlt es hier. Gesetzliche Abgrenzungsmerkmale führen zwangsläufig zu verschiedener Behandlung von Personengruppen. Sind sie - wie hier - sachlich begründet, so stellt sich die Frage einer Verletzung des Gleichheitssatzes nicht. Das gilt erst recht für die unterschiedliche Behandlung von Arbeitslosen, auf die das noch geltende Recht, und diejenigen, auf die § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III anzuwenden ist. Sie ist Ausdruck der begrenzten zeitlichen Geltung spezieller Rechtsvorschriften. Diese Erscheinung war schon häufig Gegenstand verfassungsrechtlicher Prüfung am Maßstab des Art 3 Abs. 1 GG (vgl. dazu BSGE 76, 224, 232 = SozR 3-8120 Kap VIII E III Nr. 5 Nr. 4 m.w.N.). Die Beschwerdebegründung zeigt nicht auf, inwiefern der Gesetzgeber verfassungsrechtlich verpflichtet sein sollte, der Regelung des § 134 Abs. 1 Satz 2 SGB III Rückwirkung beizulegen, oder inwiefern die Rechtsprechung dieser Vorschrift gar eine solche Wirkung entnehmen könnte.

Da die Beschwerdebegründung die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht darlegt, ist die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG entsprechend.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518235

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