Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsweg. Streitigkeiten über Beitragszuschüsse für Beschäftigte zur privaten Krankenversicherung und Zuschüsse des Arbeitgebers zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen. Eröffnung des Sozialrechtswegs
Leitsatz (amtlich)
Für den Anspruch Beschäftigter gegen ihren Arbeitgeber auf Beitragszuschuss zur privaten Krankenversicherung sowie für den Anspruch von der Rentenversicherungspflicht befreiter Beschäftigter auf Zuschuss zur berufsständischen Versorgungseinrichtung ist jeweils der Sozialrechtsweg gegeben.
Normenkette
GVG § 17a Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 4, § 17 Abs. 2 S. 1; SGG § 51 Abs. 1 Nr. 5, §§ 177, 202 S. 1; SGB I § 32; SGB IV § 7; SGB V § 257 Abs. 2 S. 1; SGB VI §§ 172a, 172 Abs. 2 Fassung: 1991-07-25; RVO § 405
Verfahrensgang
Tenor
Die weitere Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. April 2022 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Streitig ist der Rechtsweg für eine Klage, mit der die Klägerin von der Beklagten einen Beitragszuschuss zu ihrer privaten Krankenversicherung (PKV) für die Zeit vom 27.2.2014 bis zum 31.7.2021 sowie einen Arbeitgeberzuschuss zur berufsständischen Versorgungseinrichtung für die Zeit vom 27.2.2014 bis zum 31.8.2021 begehrt.
Die Klägerin ist seit 31.1.2014 aufgrund eines sogenannten Honorararztvertrags als Fachärztin für plastische Chirurgie bei der Beklagten tätig. Wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze war sie im streitigen Zeitraum privat gegen Krankheit versichert. Aufgrund eines im sozialgerichtlichen Verfahren über die Statusfeststellung geschlossenen Vergleichs befreite die DRV Bund die Klägerin wegen ihrer seit dem 1.7.2001 bestehenden Mitgliedschaft in der Bayerischen Ärzteversorgung ab dem 27.2.2014 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV).
Am 20.9.2021 hat die Klägerin gegen die Beklagte Klage beim SG Nürnberg erhoben auf Zahlung eines Beitragszuschusses zur PKV in Höhe von 31 644,31 Euro für die Zeit vom 27.2.2014 bis zum 31.7.2021 gemäß § 257 SGB V sowie eines Arbeitgeberzuschusses zur berufsständischen Versorgungseinrichtung in Höhe von 42 093,56 Euro für die Zeit vom 27.2.2014 bis zum 31.8.2021 gemäß § 172a SGB VI, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit. Auf den Antrag der Beklagten, den Rechtsstreit an das Landgericht Nürnberg-Fürth zu verweisen, hat das SG nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 26.1.2022 den Sozialrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit insgesamt an das Arbeitsgericht Nürnberg verwiesen. Es handele sich sowohl bei § 172a SGB VI als auch bei § 257 SGB V um materiell-rechtliche Normen des Arbeitsrechts.
Das LSG hat auf die Beschwerde der Klägerin den Beschluss des SG aufgehoben und den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für zulässig erklärt. Es sei eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung (§ 51 Abs 1 Nr 5 SGG) gegeben. Im Hinblick auf den dem Recht der Sozialversicherung eigentümlichen Zweck des § 257 SGB V habe bereits der gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zu der Vorgängerbestimmung des § 405 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit als gegeben angesehen. Daran habe sich durch die inhaltsgleiche Überführung der Vorschrift in das SGB V nichts geändert. Für den Anspruch auf Beitragszuschuss des Arbeitgebers nach § 172a SGB VI gelte nichts anderes. Beide Normen gingen von dem sozialversicherungsrechtlichen Begriff des Beschäftigten in § 7 SGB IV aus. Die Klägerin stütze ihre Ansprüche auch nicht unmittelbar auf arbeitsvertragliche Regelungen. Die öffentlich-rechtliche Natur des Rechtsstreits werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Beteiligten nicht in einem hoheitlichen Über- und Unterordnungsverhältnis stünden. Dass der Anspruch auf Beitragszuschuss in den alten Bundesländern ursprünglich tarifvertraglich geregelt und erst im Zuge der Herstellung der Deutschen Einheit bundesrechtlich geregelt worden sei, qualifiziere die Norm nicht als arbeitsrechtliche Schutzvorschrift. Der Gesichtspunkt der Sachnähe spreche für die Zuständigkeit der Sozialgerichte, selbst wenn nicht die Voraussetzungen des Klageanspruchs, sondern Einwendungen und Einreden im Mittelpunkt stünden (Beschluss vom 28.4.2022).
Mit der vom LSG zugelassenen weiteren Beschwerde rügt die Beklagte, dass für den Rechtsstreit die Zivilgerichtsbarkeit, hilfsweise die Arbeitsgerichtsbarkeit zuständig sei. Es sei fraglich, ob Grundlage für den geltend gemachten Anspruch das Bestehen eines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses oder ein zivilrechtliches Dienstverhältnis sei. Ob tatsächlich ein "Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis" vorliege, sei erst im Rahmen der materiell-rechtlichen Begründetheit der Klage zu klären und nicht Bestandteil der Vorfrage, welcher Rechtsweg eröffnet sei. Jedenfalls könne erst das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien in Verbindung mit den Normen im Sozialrecht einen Anspruch begründen. Ohne dieses gehe der Anspruch ins Leere. Auch die Höhe des möglichen Beitragszuschusses finde seine Grundlage in der Höhe der zivilrechtlich vereinbarten Vergütung. Insofern liege eine Vergleichbarkeit mit den Ansprüchen auf Entgeltfortzahlung oder Urlaubsentgelt vor, die ebenso in öffentlich-rechtlichen Vorschriften geregelt seien und für die der Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit eröffnet sei. Für ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis fehle es an einem Über- und Unterordnungsverhältnis im Sinne der Subordinationstheorie. Die Rechtsnormen würden auch nicht nur für Träger öffentlicher Gewalt, sondern für "jedermann" gelten (Subjektstheorie). Es liege hier außerdem eine Regelung von Individualinteressen im Rahmen eines privatrechtlichen Dienstverhältnisses und nicht von öffentlichen Belangen vor (Interessentheorie). Auf die Motive des Gesetzgebers könne es insoweit nicht ankommen. Allein die Regelung im Sozialgesetzbuch sei nicht ausschlaggebend. Es bestünden deutliche Unterschiede zu öffentlich-rechtlichen Ansprüchen im Rahmen der Sozialversicherung. Die Klägerin könne über die Geltendmachung der Ansprüche selbst entscheiden, Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstünden dagegen aufgrund Gesetzes und seien von der Einzugsstelle ohne Ermessen geltend zu machen. Dagegen bestimme sich je nach Vertragsverhältnis und Vertragsauslegung, ob der Klagepartei überhaupt der behauptete Anspruch zustehe. Ob eine Behörde gegenüber dem Arbeitgeber Sanktionsmöglichkeiten habe, sei von dem zivilrechtlichen Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber zu unterscheiden.
Die Beklagte beantragt,
den Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. April 2022 aufzuheben sowie festzustellen, dass der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet ist, und den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht Nürnberg-Fürth, hilfsweise an das Arbeitsgericht Nürnberg, zu verweisen.
Die Klägerin stellt keinen Antrag. Sie hält den Beschluss des LSG für zutreffend.
II. Die weitere Beschwerde der Beklagten, über die der Senat ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter entscheiden konnte (§ 12 Abs 1 Satz 2 iVm § 33 Abs 1 Satz 2 und § 40 Satz 1, § 124 Abs 3 SGG), ist nach § 177 und § 202 Satz 1 SGG iVm § 17a Abs 4 Satz 4 GVG statthaft, weil das LSG den Rechtsbehelf zugelassen hat und diese Entscheidung für das BSG bindend ist (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 17a Abs 4 Satz 6 GVG). Sie ist form- und fristgerecht (§ 73 Abs 4, § 173 SGG) eingelegt worden.
In der Sache erweist sich die weitere Beschwerde der Beklagten aber als unbegründet. Nach den für die Bestimmung des zulässigen Rechtswegs maßgebenden Grundsätzen (hierzu 1.) ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten für den Beitragszuschuss zur PKV (hierzu 2.) wie auch für den Arbeitgeberzuschuss zur berufsständischen Versorgung eröffnet (hierzu 3.).
1. Nach § 202 Satz 1 SGG iVm § 17a Abs 2 Satz 1 GVG(in der Fassung ≪idF≫ des Vierten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 17.12.1990, BGBl I 2809) spricht das Gericht, wenn der beschrittene Rechtsweg unzulässig ist, dies aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs. Eine Verweisung des Rechtsstreits ist jedoch nur dann geboten und zulässig, wenn der beschrittene Rechtsweg schlechthin, dh für den Klageanspruch mit allen in Betracht kommenden Klagegründen, unzulässig ist. Anderenfalls entscheidet das angegangene Gericht des zulässigen Rechtswegs nach § 202 Satz 1 SGG iVm § 17 Abs 2 Satz 1 GVG den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden, also auch für ihn rechtswegfremden rechtlichen Gesichtspunkten (BSG Beschluss vom 4.4.2012 - B 12 SF 1/10 R - SozR 4-1720 § 17a Nr 9 RdNr 7 mwN; BSG Beschluss vom 5.5.2021 - B 6 SF 1/20 R - juris RdNr 19).
a) Maßgeblich für die Rechtswegzuweisung ist grundsätzlich der Streitgegenstand, dh der prozessuale Anspruch, der durch den zur Begründung vorgetragenen tatsächlichen Lebenssachverhalt (Klagegrund) näher bestimmt wird. Dieser ist auf der Grundlage des Klagebegehrens und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts zu ermitteln (stRspr; zB BSG Beschluss vom 5.5.2021 - B 6 SF 1/20 R - juris RdNr 22 f mwN). Bei einer Mehrheit von prozessualen Ansprüchen ist für jeden dieser Ansprüche die Rechtswegzuständigkeit gesondert zu prüfen (BGH Beschluss vom 27.11.2013 - III ZB 59/13 - BGHZ 199, 159, juris RdNr 14 mwN). Betrifft das Verfahren demgegenüber einen einheitlichen Streitgegenstand im Sinne eines einheitlichen prozessualen Anspruchs, hat das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit nach § 17 Abs 2 GVG unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu entscheiden.
b) Gemäß § 51 Abs 1 Nr 5 SGG(idF des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes - 6. SGGÄndG - vom 17.8.2001, BGBl I 2144) entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung. Es handelt sich insoweit um eine Auffangregelung für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, die nicht den einzelnen Versicherungszweigen zugeordnet werden können (vgl BT-Drucks 14/5943 S 23 zu Nr 22). Ob eine bürgerliche oder eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt, bestimmt sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (stRspr; vgl zB GmSOGB Beschluss vom 10.4.1986 - GmS-OGB 1/85 - SozR 1500 § 51 Nr 39, juris RdNr 10).
2. Nach § 257 Abs 2 Satz 1 SGB V(idF des Beitragssatzsicherungsgesetzes - BSSichG - vom 23.12.2002, BGBl I 4637) erhalten Beschäftigte, die nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze oder aufgrund von § 6 Abs 3a SGB V versicherungsfrei oder die von der Versicherungspflicht befreit und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind und für sich und ihre Angehörigen, die bei Versicherungspflicht des Beschäftigten nach § 10 SGB V versichert wären, Vertragsleistungen beanspruchen können, die der Art nach den Leistungen des SGB V entsprechen, von ihrem Arbeitgeber einen Beitragszuschuss. Der Rechtsweg vor die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ist für diesen Anspruch eröffnet, weil es sich dabei um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit (nicht verfassungsrechtlicher Art) in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung (§ 51 Abs 1 Nr 5 SGG) handelt. Der Senat hält insoweit an der Auffassung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes fest, die zu der Vorgängervorschrift des § 405 RVO ergangen ist (GmSOGB Beschluss vom 4.6.1974 - GmS-OGB 2/73 - BSGE 37, 292 = SozR 1500 § 51 Nr 2 - juris; vgl BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 12 KR 4/11 R - SozR 4-2500 § 257 Nr 1 RdNr 24; BSG Beschluss vom 10.12.2015 - B 12 SF 1/14 R - SozR 4-1720 § 17a Nr 14 RdNr 15; so auch BAG Beschluss vom 1.6.1999 - 5 AZB 34/98 - juris RdNr 8 f; BAG Urteil vom 21.1.2003 - 9 AZR 695/01 - BAGE 104, 289, juris RdNr 10; BAG Beschluss vom 19.8.2008 - 5 AZB 75/08 - juris RdNr 6; BFH Urteil vom 19.5.2010 - XI R 35/08 - BFHE 230, 279, juris RdNr 20). § 257 SGB V entspricht im Wesentlichen § 405 RVO(vgl BT-Drucks 11/2237 S 227 zu § 266) .
Der Beitragszuschuss soll die Anspruchsberechtigten den versicherungspflichtigen Arbeitnehmern, deren Krankenversicherungsbeiträge zur Hälfte von den Arbeitgebern getragen werden (vgl § 249 Abs 1 SGB V), wirtschaftlich gleichstellen. Dieser Zweck betrifft das Gebiet der Sozialversicherung. Das ist nicht nur der Fall, wenn der Beitragszuschuss zu einer Versicherung zu leisten ist, die - trotz freiwilliger Versicherung - Teil der Sozialversicherung ist (vgl § 257 Abs 1 SGB V). Auch der Zuschuss für eine PKV (vgl § 257 Abs 2 SGB V) unterfällt einem der Sozialversicherung "eigentümlichen Sicherungszweck", wenn die Vertragsleistungen der Art nach den Leistungen des SGB V entsprechen und damit als "Ersatzversicherung" anerkannt sind (vgl GmSOGB Beschluss vom 4.6.1974 - GmS-OGB 2/73 - BSGE 37, 292 = SozR 1500 § 51 Nr 2, - juris RdNr 8 f). Bereits diese über das Verhältnis der Beteiligten hinausreichende Voraussetzung im Interesse des Gesamtsystems der Sozialversicherung unterscheidet die Inpflichtnahme der Arbeitgeber nach § 257 SGB V von dem Arbeitsschutzrecht wie zB das Entgeltfortzahlungs- oder das Urlaubsrecht.
Zuschussberechtigte nach § 257 SGB V sind außerdem nur "Beschäftigte"; durch den ausdrücklichen Bezug auf diesen zentralen Begriff des Sozialversicherungsrechts nach § 7 SGB IV wird die Einordnung in das öffentliche Recht noch deutlicher als früher (§ 405 RVO hatte demgegenüber noch den Begriff des Angestellten verwendet; vgl Grimmke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl, § 257 RdNr 42, Stand 15.6.2020). Die Beschäftigung knüpft zwar regelmäßig an ein Arbeitsverhältnis an, unterliegt jedoch eigenen sozialrechtlichen Voraussetzungen. Schon deshalb handelt es sich bei dem in § 257 Abs 2 SGB V geregelten Anspruch nicht um einen Anspruch "aus dem Arbeitsverhältnis" (so bereits in Bezug auf den Begriff des Arbeitgebers als derjenige, bei dem die "Beschäftigung" stattfindet GmSOGB Beschluss vom 4.6.1974 - GmS-OGB 2/73 - BSGE 37, 292 = SozR 1500 § 51 Nr 2, juris RdNr 6). Ohne ein zugrundeliegendes Vertragsverhältnis zwischen dem Beschäftigten und dem Arbeitgeber kann zwar - wie die Beklagte zutreffend ausführt - der Anspruch nicht entstehen. Auf die Qualifikation des Verhältnisses als Arbeits- oder Dienstverhältnis kommt es jedoch nicht an, soweit jedenfalls eine Beschäftigung vorliegt. Nicht zuletzt wird damit auch eine der Verfahrensklarheit widersprechende Aufsplittung des Rechtswegs verhindert (vgl bereits GmSOGB Beschluss vom 4.6.1974 - GmS-OGB 2/73 - aaO , RdNr 7).
Etwas anderes würde gelten, wenn der streitige Anspruch nicht auf § 257 SGB V gestützt würde, sondern ausschließlich auf eine einzelvertragliche Zuschussabrede mit dem Arbeitgeber (vgl BAG Urteil vom 25.4.2013 - 6 AZR 675/11 - juris RdNr 15). Dies ist aber nach den Feststellungen des LSG und auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht der Fall. Ob ein Anspruch auf den Zuschuss nach § 257 Abs 2 SGB V tatsächlich gegeben ist, ist für die Begründung des Sozialrechtswegs unerheblich. Insoweit reicht es aus, dass diese Möglichkeit besteht (vgl BSG Urteil vom 22.5.1985 - 1 RS 1/84 - BSGE 58, 110 = SozR 5755 Art 2 § 1 Nr 6, juris RdNr 10).
Die öffentlich-rechtliche Natur des Anspruchs aus § 257 Abs 2 SGB V wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Beteiligten - Beschäftigter und Arbeitgeber - nicht in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen, sondern einander gleichgeordnet sind. Eine gleichgeordnete Beziehung zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten ist dem Recht der Sozialversicherung nicht fremd; insbesondere werden Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern über die Berechnung und Anrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen von jeher als öffentlich-rechtlich angesehen (vgl GmSOGB Beschluss vom 4.6.1974 - GmS-OGB 2/73 - BSGE 37, 292 = SozR 1500 § 51 Nr 2, juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 10.12.2015 - B 12 SF 1/14 R - SozR 4-1720 § 17a Nr 14 RdNr 15). Erheblich ist insoweit, dass die streitige Verpflichtung dem Einzelnen durch den Staat zur Sicherung öffentlicher Aufgaben auferlegt ist (BSG Urteil vom 27.1.1977 - 12/8 REh 1/75 - BSGE 43, 148 = SozR 2200 § 1385 Nr 3, juris RdNr 11).
Soweit die Beklagte meint, dass § 257 Abs 2 SGB V deutliche Unterschiede zu den kraft Gesetzes entstehenden öffentlich-rechtlichen Beitragsansprüchen aufweise, verkennt sie, dass auch der Anspruch auf den Beitragszuschuss (gegebenenfalls) kraft Gesetzes entsteht. Der Arbeitgeber ist aufgrund seiner gesetzlichen Indienstnahme grundsätzlich verpflichtet, die Voraussetzungen für die Zahlung des Zuschusses festzustellen und diesen an den Arbeitnehmer auszuzahlen. Es gilt das in § 32 SGB I normierte Verbot nachteiliger privatrechtlicher Vereinbarungen (vgl BSG Urteil vom 8.10.1998 - B 12 KR 19/97 R - BSGE 83, 40 = SozR 3-2500 § 257 Nr 5, juris RdNr 22, 26). Parallelen zur gesetzlichen Krankenversicherung bestehen auch hinsichtlich der Höhe des Beitragszuschusses, die sich gemäß § 257 Abs 2 Satz 2 SGB V nach den Beitragssätzen der Krankenkassen (§§ 241, 242a SGB V) und den bei versicherungspflichtig Beschäftigten zugrunde zu legenden beitragspflichtigen Einnahmen bemisst.
3. Das LSG führt zutreffend aus, dass die zu 2. genannten Gesichtspunkte auch die Zuordnung des Anspruchs nach § 172a SGB VI zum Sozialrechtsweg bedingen (zustimmend Stäbler, NZS 2022, 719; aA LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 29.1.2013 - L 18 R 773/12 B - juris).
Nach § 172a SGB VI(idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze vom 22.12.2011, BGBl I 3057) zahlen für Beschäftigte, die nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit sind, die Arbeitgeber einen Zuschuss in Höhe der Hälfte des Beitrags zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, höchstens aber die Hälfte des Beitrags, der zu zahlen wäre, wenn die Beschäftigten nicht von der Versicherungspflicht in der GRV befreit worden wären. Zwar war eine der Norm entsprechende Verpflichtung der Arbeitgeber vor 1992 in Tarifverträgen und Einzelarbeitsverträgen geregelt und wurde die Vorläuferregelung des § 172 Abs 2 SGB VI aufgrund der im Beitrittsgebiet fehlenden tariflichen Regelungen in diesem Bereich erst durch das Renten-Überleitungsgesetz vom 25.7.1991 (BGBl I 1606) zum 1.1.1992 eingeführt, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden (vgl BT-Drucks 12/405 S 119 zu Nr 26). Wie sich an der Einordnung der Vorschrift in das SGB VI unter den Titel "Verteilung der Beitragslast" zeigt, steht jedoch auch diese Arbeitgeberverpflichtung in einem engen sozialrechtlichen Zusammenhang.
Zweck der Bestimmung ist es - anknüpfend an die Regelungen über die gesetzliche Rentenversicherungspflicht - den grundsätzlich kraft Gesetzes in der GRV Versicherten die Absicherung in einem berufsständischen Versorgungswerk zu ermöglichen, ohne dass ihnen dadurch der gesetzlich rentenversicherten Beschäftigten eingeräumte Anspruch auf Tragung eines Teils des Beitrags durch den Arbeitgeber entgeht. Die Arbeitgeber sollen keinen Vorteil daraus haben, dass Beschäftigte in einem berufsständischen Versorgungswerk und damit in einem nach der gesetzlichen Wertung gleichwertigen Versorgungssystem pflichtversichert sind (BAG Urteil vom 17.6.2008 - 3 AZR 753/06 - juris RdNr 28, das ausdrücklich offenlässt, ob der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit wie bei den Arbeitgeberzuschüssen zur privaten Krankenversicherung gegeben ist). Letztlich handelt es sich bei § 172a SGB VI ebenso wie bei § 257 SGB V um einen Zuschuss zu einer "Ersatzversicherung".
Beide Normen sind ihrem Zweck entsprechend ähnlich ausgestaltet. Auch § 172a SGB VI legt den Beschäftigtenbegriff zugrunde und orientiert sich hinsichtlich der Höhe der Beiträge an der (allgemeinen) gesetzlichen Rentenversicherung. Wie § 257 SGB V ist auch § 172a SGB VI als eigenständige sozialrechtliche Pflicht nicht dispositiv (vgl BAG Urteil vom 21.11.2006 - 3 AZR 387/05 - juris RdNr 39). Auch wenn § 172a SGB VI nur Rechte und Pflichten im Gleichordnungsverhältnis und - vergleichbar mit § 257 SGB V - keine Beitragstragung gegenüber der berufsständischen Versorgung, sondern nur einen Zuschuss des Arbeitgebers an den Beschäftigten als Beitragsschuldner regelt (vgl BT-Drucks 17/6764 S 22 zu Nr 10), steht dies der Annahme einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift nicht entgegen (so aber LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 29.1.2013 - L 18 R 773/12 B - juris RdNr 13 zu § 172 Abs 2 SGB VI aF).
Dass die Frage des Beschäftigungsverhältnisses in den Fällen des § 172a SGB VI regelmäßig keine Probleme aufwerfen mag (so LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 29.1.2013 - L 18 R 773/12 B - juris RdNr 15), ist für die Einordnung als zivil- oder sozialversicherungsrechtlicher Rechtsanspruch ebenso wenig von Bedeutung. Auch streitige Einwendungen und Einreden werden von der einmal einschlägigen Rechtswegzuordnung erfasst.
4. Die Kostenentscheidung (zu deren Notwendigkeit vgl BSG Beschluss vom 1.8.2002 - B 3 SF 1/02 R - SozR 3-1500 § 51 Nr 27 S 78, juris RdNr 14 mwN) beruht auf der Anwendung von §§ 193, 183 Satz 1 und 3 SGG. § 197a Abs 1 Satz 1 SGG ist nicht anwendbar, da die Klägerin einen Anspruch auf Sozialleistungen geltend macht (vgl § 11 SGB I; BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 12 KR 4/11 R - SozR 4-2500 § 257 Nr 1 RdNr 28).
Heinz Padé Bergner
Fundstellen
Dokument-Index HI15635443 |