Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 23.11.1965) |
SG Dortmund (Urteil vom 12.12.1960) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. November 1965 und das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12. Dezember 1960 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat der Beigeladenen zu 1) die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten unter den Beteiligten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob das Blockkraftwerk (BKW) in Marl als knappschaftlicher Betrieb im Sinne des § 2 Abs. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) (Nebenbetrieb der Zeche Brassert) anzusehen ist.
Beide Anlagen gehören der Rheinstahl-Bergbau AG (Beigeladene zu 1) und Revisionsklägerin). Das BKW mit einer installierten Leistung von 150 Megawatt ist in etwa 400 m Entfernung vom Zechenschacht auf einem unmittelbar an das Zechengelände grenzenden und wie dieses der Rheinstahl-Bergbau AG gehörenden Gelände errichtet; vom Zechenplatz ist es durch einen Zaun getrennt. Im Geschäftsbericht 1957 des Unternehmens (vormals Arenberg Bergbau-Gesellschaft mbH) heißt es zu der damals geplanten Anlage:
“Die Grundlagen für das geplante Groß-Kraftwerk in Marl sind die Ballastkohlen der Zeche Brassert …
Durch die Verwertung der ballastreichen und schwer absetzbaren Abfallbrennstoffe und ihre Veredelung in elektrische Energie wird die Krisenfestigkeit unserer Schachtanlage Brassert verstärkt und eine wirtschaftliche Verwertung der Kohlen auf Jahre hinaus gesichert werden.”
Auf die Bitte der Beigeladenen zu 1) um Bestätigung, daß es sich bei dem vor der Vollendung stehenden BKW um einen nichtknappschaftlichen Gewerbebetrieb handele, antwortete die Klägerin, das BKW sei als knappschaftlicher Betrieb i.S. von § 2 Abs. 2 RKG anzusehen, da es als Nebenbetrieb eines knappschaftlichen Betriebes mit diesem räumlich und betrieblich zusammenhänge; für die Angestellten und Arbeiter des BKW sei demnach die Kranken- und Rentenversicherung bei ihr, der Ruhrknappschaft, durchzuführen. Nunmehr hat die Beigeladene zu 1) das Bundesversicherungsamt (BVA), auf Grund von § 2 Abs. 4 RKG zu entscheiden, daß das BKW in Marl kein der Versicherung bei der Knappschaft unterliegender Betrieb sei.
Nachdem das BVA gemäß § 2 Abs. 4 RKG die Stellungnahme der zuständigen obersten Landesbehörde und der Arbeitsgemeinschaft der Knappschaften der Bundesrepublik Deutschland sowie außerdem noch eine Äußerung des Arbeits- und Sozialministers eingeholt und eine Werksbesichtigung veranlaßt hatte, entschied es am 28. Juli 1960, das BKW der Beigeladenen zu 1) sei kein knappschaftlicher Betrieb.
Das BVA begründet diese Entscheidung im wesentlichen damit, das BKW erfülle weder ausschließlich noch überwiegend eine Hilfsfunktion für die Zeche Brassert, es habe vielmehr eine eigenständige Aufgabe. Seine Leistung werde ganz überwiegend der öffentlichen Versorgung zugeführt; der auf die Zeche Brassert entfallende Anteil betrage noch nicht 5 % der Gesamtkapazität. Der Umstand, daß Kohlen der Zeche für das BKW verwertet würden, mache das BKW nicht zum Nebenbetrieb der Zeche, da es auf diese Kohlen nicht angewiesen sei. Zweck und wirtschaftliche Bedeutung des BKW schlössen es hiernach aus, ein Verhältnis von Nebenbetrieb zu Hauptbetrieb anzunehmen. Es fehle aber auch der erforderliche betriebliche Zusammenhang. Das BKW liege auf einem in sich geschlossenen Werksgelände mit eigenem Zugang; eine Verbindung beider Betriebe bestehe im wesentlichen nur aus einer kraftwerkseigenen Bandbrücke zum Zechenturm. Die Personalangelegenheiten würden in eigener Zuständigkeit bearbeitet. Ein Austausch von Arbeitskräften finde nicht statt, verbiete sich auch wegen der völlig andersartigen beruflichen Anforderungen. Beide Betriebe hätten eigene Leiter, die zudem noch jeweils verschiedenen Vorstandsmitgliedern der AG unterständen. Es bestehe kein irgendwie gearbeitetes Abhängigkeitsverhältnis.
Gegen diese Entscheidung erhob die Ruhrknappschaft Klage vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund, mit dem Antrag, den Bescheid des BVA aufzuheben und festzustellen, daß das BKW gemäß § 2 Abs. 2 RKG ein knappschaftlicher Betrieb sei. Nach Beiladung der im Rubrum genannten Beteiligten, von denen sich die Versicherten dem Antrag der Klägerin, die Beigeladene zu 1) und die AOK dem Antrag der Beklagten auf Klagabweisung anschlossen, entschied das SG mit Urteil vom 12. Dezember 1960:
Der Bescheid vom 28. Juli 1960 wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, daß das Blockkraftwerk der Rheinstahl-Bergbau Aktiengesellschaft in Marl ein knappschaftlicher Betrieb ist.
Das SG hat die Anfechtungs- und Feststellungsklage für statthaft und begründet angesehen. Das BKW übe für die Zeche eine wesentliche Hilfsfunktion aus, indem es einen Teil ihrer Kohlenförderung übernehme; hierbei sei es ohne Bedeutung, daß das BKW nicht gerade auf diese Kohle angewiesen sei. Das BKW sei daher als Nebenbetrieb der Zeche anzusehen. Auch sei der räumliche und betriebliche Zusammenhang gegeben. Beide Betriebe lägen unmittelbar nebeneinander.
Durch die kostensparende Benutzung der Bandbrücke sowie die Mitbenutzung der Zechenbahn zum Abfahren der Schlacke werde ein betrieblicher Zusammenhang hergestellt.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht (LSG) die Geschäftsberichte 1957 – 1964 der AG beigezogen und spezifizierte Auskünfte u.a. über die Stromerzeugung, die Energieabgabe an die einzelnen Abnehmer, über Menge und Herkunft der verströmten Kohle sowie über die bestehenden Wechselbeziehungen irgendwelcher Art zwischen den beiden Betrieben eingeholt. In der mündlichen Verhandlung wurden der Bergwerksdirektor der Zeche sowie der Betriebsdirektor des BKW als Zeugen und der Oberbergrat D… als technischer Sachverständiger vernommen. Mit Urteil vom 23. November 1965 hat das LSG die Berufung der Beklagten zurückgewiesen; es hat die Revision zugelassen.
Das LSG hat entschieden, daß als richtige Beklagte die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das BVA, anzusehen sei. Im übrigen führt es aus, die angefochtene Entscheidung des BVA unterliege als rechtsanwendender Verwaltungsakt in vollem Umfang der Nachprüfung durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit. Die Anfechtungsklage sei zulässig, weil die durch den Verwaltungsakt unmittelbar betroffene Klägerin behaupte, durch ihn beschwert zu sein. Allerdings sei für eine zusätzliche Feststellungsklage hier kein Raum; die zusätzliche Feststellung im Urteilsausspruch des SG stelle im Ergebnis nur die zusammenfassende Wiedergabe der sachlichen Entscheidung dar und sei daher überflüssig.
In der Sache selbst habe das SG zutreffend die Entscheidung des BVA, das BKW sei kein knappschaftlicher Betrieb, für rechtswidrig angesehen. Das BKW könne nur dann ein knappschaftlicher Betrieb sein, wenn es als Nebenbetrieb eines knappschaftlichen Betriebes mit diesem räumlich und betrieblich zusammenhänge. Als kannpschaftlicher Hauptbetrieb komme vorliegend die Schachtanlage Brassert in Betracht aus deren Förderung das BKW im Durchschnitt der Jahre 1960 – 1964 rund zwei Drittel seines Kohlebedarfs gedeckt habe. Das BKW kann nicht etwa nur als Betriebsabteilung oder Betriebsbestandteil der Zeche angesehen werden. Vielmehr ständen beide Anlagen als selbständige Betriebsabteilungen innerhalb der AG gleichberechtigt nebeneinander.
Zeche und BKW hätten eigene Leiter, die in keinem Abhängigkeitsverhältnis zueinander ständen. Bei jeweils eigenem Personalbüro beständen auch getrennte Betriebs-, Lohn- und Finanzbuchhaltungen. Zeche und BKW hätten auch je einen eigenen Betriebsrat. Schließlich sei auch der Betriebszweck – nach außen hin – überwiegend auf eine Fremdabnahme der erzeugten Energie ausgerichtet. Diese gewisse Selbständigkeit des Energiebetriebes werde auch nicht dadurch beeinträchtigt, daß das BKW der bergbehördlichen Aufsicht unterstehe. Bei der weiteren Frage, ob der in dieser Weise selbständige Betrieb im Verhältnis zu dem als Hauptbetrieb in Betracht kommenden anderen Betrieb des gleichen Unternehmens als Nebenbetrieb anzusehen sei, handele es sich in erster Linie um eine wirtschaftliche Frage. Fordere man für die Annahme eines Nebenbetriebes stets eine enge Abhängigkeit vom Haubetrieb, so sei diese Voraussetzung hier nicht gegeben, da das BKW auch ohne Brassertkohle auskommen und mit Kohle anderer unternehmenseigener Anlagen oder mit Fremdkohle beschickt werden könne. Eine solche Auffassung finde aber im Gesetz keine Stütze. Nach der Gesetzesbegründung müßten praktische Gesichtspunkte, insbesondere die Bedürfnisse des Betriebs, hier also der Zeche Brassert, als entscheidend für die Einbeziehung von Nebenanlagen in die knappschaftliche Versicherung angesehen werden. Es komme daher darauf an, welche wirtschaftliche Bedeutung das BKW für die Zeche Brassert habe. Es könne aber nicht zweifelhaft sein, daß die Beigeladene zu 1) mit der Errichtung des BKW durchaus praktischen Bedürfnissen ihrer Zeche Brassert Rechnung getragen habe und daß das BKW dem Grubenbetrieb im Interesse seiner Wirtschaftlichkeit wesentlich diene, indem es den Absatz der sonst schwer verkäuflichen, nicht transportwürdigen Ballastkohle gewährleiste. Wenn der Anteil der Ballastkohle an der Gesamtförderung der Zeche Brassert etwa 20 % betragen habe und hiervon gut zwei Drittel an das BKW gegangen seien, so beweise das, daß das BKW eine wesentliche Funktion für den Zechenbetrieb erfülle. Gegenstand des jederzeit auf andere Heizquellen umzustellen. Auch sei die Würdigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Kraftwerks einerseits und der Zeche andererseits durch das LSG anfechtbar. Die in dem angefochtenen Urteil genannten Absatz- und Arbeitnehmerzahlen hätten hierfür keine ausschlaggebende Bedeutung. Maßgabend seien vielmehr die Gesamtverhältnisse, wobei dem wirtschaftlichen Ertrag besondere Bedeutung zukomme. Überhaupt habe das LSG bei Prüfung der Nebenbetriebseigenschaft nicht hinreichend berücksichtigt, daß es dabei um die Einbeziehung in die knappschaftliche Versicherung gehe, für die nach der Begründung zum RKG “praktische Gesichtspunkte, insbesondere die Bedürfnisse des Betriebs als entscheidend angesehen werden.” Derartige praktische Gesichtspunkte und Bedürfnisse, die dazu führen müßten, die Arbeitnehmer des BKW in die knappschaftliche Versicherung einzubeziehen, seien hier jedoch nicht erkennbar. Insbesondere scheide ein Austausch von Arbeitskräften aus. Es käme nur ein Einsatz von wenigen Bauarbeitern in Frage, die zudem dem Zechenleiter nur disziplinarisch unterständen.
Ferner habe das LSG den Begriff des räumlichen Zusammenhangs verkannt, indem es ihn mit räumlicher Nähe gleichsetze. Auch fehle ein betrieblicher Zusammenhang. Es finde kein regelmäßiges technisches Ineinandergreifen beider Betriebe derart statt, daß ohne den Hauptbetrieb eine geordnete Betriebsführung im Nebenbetrieb nicht möglich sei. Der Umstand, daß die Kohle von der Zeche zum BKW auf einer Bandbrücke transportiert werden, verstärke die Lieferbeziehung nicht zu einem betrieblichen Zusammenhang; gleiches gelte von der früheren Mitbenutzung der Zechenbahn. Bei der Heizdampfleitung, der Druckluftleitung und der besonderen Telefonverbindung handele es sich um Einrichtungen von untergeordneter Bedeutung. Die Stromlieferung für die Zeche habe nur zwischen 1,4 bis 3 % des erzeugten Stroms ausgemacht; im übrigen sei das eigentliche Zechenkraftwerk auch nach wie vor in der Lage, den gesamten Strombedarf der Zeche im Bedarfsfall zu decken.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Bei inhaltlich gleichem Antrag rechtfertigt die Beigeladene zu 1) ihre Revision mit im wesentlichen gleicher Begründung. Sie weist noch darauf hin, daß die Belegschaft des BKW nicht den typischen bergbaulichen Gefahren ausgesetzt sei und überhaupt nicht in den Gefahrenbereich der Zeche komme. Insbesondere habe aber das LSG den Begriff “Nebenbetrieb” aus betriebswirtschaftlicher Sicht verkannt. Es sei abwegig, die Nebenbetriebseigenschaft von der Art der verwendeten Stoffe abhängig zu machen. Im vorliegenden Fall besteht weder eine Unterordnung im Sinne der Abhängigkeit in betrieblich-organisatorischer Hinsicht noch eine Abhängigkeit in dem Sinne, daß das BKW ohne die Zeche Brassert nicht bestehen könne. Auch andere Kraftwerke – wie zB das Klöckner-Kraftwerk in Castrop-Rauxel und das BASF-Kraftwerk in Marl – dienten der Wirtschaftlichkeit ihrer unmittelbar benachbarten Konzernzechen, ohne daß sie – auch nicht von der Knappschaft – jemals als deren Nebenbetriebe angesehen worden wären.
Die Beigeladene zu 1) rügt ferner als wesentlichen Mangel des Verfahrens – Verstoß gegen § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) –, daß das LSG ihren Anträgen, ein Obergutachten einzuholen und eine Ortsbesichtigung vorzunehmen, ohne überzeugende Gründe nicht entsprochen habe. Eine Versagung des rechtlichen Gehörs erblickt sie schließlich darin, daß ihr und den beteiligten Sozialversicherungsträgern nicht ausreichend Gelegenheit geboten worden sei, zu den Darlegungen des Sachverständigen, auf die sich dieser eingehend vorbereitet habe, in entsprechender Weise Stellung zu nehmen.
Die Beigeladenen zu 2) – 4) schließen sich dem Antrag der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) an.
Die Klägerin beantragt,
die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, daß auch ihr Feststellungsbegehren zu Recht bestehe. In der Sache selbst hält die Klägerin das angefochtene Urteil für richtig. Die Nebenbetriebseigenschaft des BKW zur Zeche folge daraus, daß beide einer gemeinsamen Hauptverwaltung unterständen, daß das Kraftwerk für die Zeche eine Hilfsfunktion erfülle und daß es sich auf der Produktion der Zeche aufbaue. Der Umstand, daß zwischen Zeche und Kraftwerk kein regelmäßiger Austausch von Arbeitskräften stattfindet, stehe der Annahme eines betrieblichen Zusammenhangs nicht entgegen, da, wie festgestellt, gemeinsame betriebliche Einrichtungen vorlägen.
Die Beigeladenen zu 5) und 6) sind in der Revisionsinstanz nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
II
Die Revisionen sind zulässig und begründet. Der mit der Klage angefochtene Bescheid des BVA vom 28. Juli 1960 ist nicht rechtswidrig; das BKW der Beigeladenen zu 1) in Marl ist kein knappschaftlicher Betrieb.
Wie das LSG zutreffend erkannt hat, handelt es sich bei dieser Entscheidung des BVA nach § 2 Abs. 4 RKG um einen rechtsanwendenden Verwaltungsakt, der in vollem Umfang der Nachprüfung durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit unterliegt. Da sich die Klägerin, die die Arbeitnehmer des BKW für die knappschaftliche Versicherung in Anspruch nimmt, durch diesen Bescheid beschwert befühlt, ist sie auch zu dessen Anfechtung legitimiert.
Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 RKG richtet sich die knappschaftliche Versicherung grundsätzlich nach der Beschäftigung in einem knappschaftlichen Betrieb. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 RKG sind knappschaftliche Betriebe alle Betriebe, in denen Mineralien oder ähnliche Stoffe bergmännisch gewonnen werden. Der knappschaftlichen Versicherung unterliegen also im wesentlichen die mit bergmännischer Arbeit beschäftigten Personen. Die Versicherung stellt sich demnach als eine Berufsversicherung der Bergarbeiter dar; diese Regelung hat ihren Ursprung in dem Gedanken, daß den schwierigen Verhältnissen und Gefahren des Bergbaus und der stärkeren Abnützung der Körperkräfte des Bergarbeiters im Vergleich zu anderen gewerblichen Arbeitern besonders Rechnung getragen werden muß (so Begründung zum Entwurf des RKG, RT-Drucks. 1920/22 Nr. 4394 S. 31). Daß das BKW der Beigeladenen zu 1) kein knappschaftlicher Betrieb nach § 2 Abs. 1 Satz 1 RKG ist, bedarf keiner näheren Begründung. Nach den vom LSG getroffenen Feststellungen über die organisatorische Selbständigkeit der beiden Betriebe innerhalb des Unternehmens der Beigeladenen zu 1) ist es ferner unzweifelhaft und auch unstreitig, daß das Kraftwerk nicht etwa nur ein Betriebsbestandteil der Zeche Brassert ist.
Das BKW könnte daher nur unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 RKG ein knappschaftlicher Betrieb sein. Nach dieser Vorschrift sind knappschaftliche Betriebe auch solche Betriebsanstalten oder Gewerbeanlagen, die “als Nebenbetriebe eines knappschaftlichen Betriebs mit diesem räumlich und betrieblich zusammenhängen”. Bei der Auslegung dieser Vorschrift geht der Senat davon aus, daß es sich dabei um einen komplexen Begriff handelt, der als Ganzes gesehen werden muß, so daß die entsprechende Charakterisierung nur unter zusammenfassender Würdigung der Verhältnisse beider Betriebe insgesamt erfolgen kann. Wenn dabei auch die drei im Gesetz besonders aufgeführten Merkmale – nämlich ein Verhältnis von Nebenbetrieb zu Hauptbetrieb, ein räumlicher Zusammenhang und ein betrieblicher Zusammenhang – in jedem Fall gegeben sein müssen, so können sie doch nicht wie verschiedenartige einzelne Tatbestandsvoraussetzungen getrennt und völlig unabhängig voneinander geprüft und festgestellt werden. Erst die Gesamtwürdigung aller zwischen den beiden Betrieben bestehenden Beziehungen organisatorischer, wirtschaftlicher, räumlicher und betriebstechnischer Art kann unter dem oben genannten Gesichtspunkt – Bedürfnis nach einheitlicher Versicherung – zu der Entscheidung führen, ob ein gewerblicher Betrieb im Sinne des § 2 Abs. 2 RKG als knappschaftlicher Nebenbetrieb eines Bergbaubetriebes anzusehen ist. Die Einbeziehung der Arbeitnehmer dieser Betriebe in die nach ihrer Zwecksetzung für sie wesensfremde bergmännische Berufsversicherung rechtfertigt sich allein aus praktischen Gesichtspunkten. Solche Gesichtspunkte, insbesondere die Bedürfnisse des Betriebs, sollen auch nach der Gesetzesbegründung (s. S. 36/37 aaO) für die Einbeziehung als entscheidend angesehen werden. Damit kann nach Wortlaut und Sinn dieser Begründung aber nicht etwa – wovon das LSG anscheinend ausgeht – gemeint sein, daß überhaupt ein Bedürfnis des einen Betriebes nach Existenz und Tätigkeit des anderen Betriebes besteht, sondern daß besondere betriebliche Bedürfnisse gerade für eine einheitliche Versicherung beider Betriebe sprechen. Die Berücksichtigung betrieblicher Bedürfnisse könnte beispielsweise darin liegen, daß ein betrieblich erforderlicher laufender Austausch von Arbeitskräften nicht durch eine unterschiedliche Versicherungszugehörigkeit erschwert wird. Als einheitliche Versicherung kommt aber, da der bergbauliche Betrieb notwendig der knappschaftlichen Versicherung unterliegt, nur diese in Betracht. Bei der Auslegung des ziemlich unbestimmt gehaltenen § 2 Abs. 2 EKG muß dieser praktische Gesichtspunkt, also das betriebliche Bedürfnis nach einheitlicher knappschaftlicher Versicherung beider Belegschaften, im Vordergrund stehen. Im vorliegenden Fall führt die Gesamtwürdigung aller hierbei in Betracht kommenden Umstände – die tatsächlichen Feststellungen des LSG reichen hierzu aus – zu dem Ergebnis, daß das BKW im Verhältnis zur Zeche Brassert kein knappschaftlicher Nebenbetrieb in diesem Sinne ist.
Sprachlich kann eine Zusammensetzung mit dem Wort “neben” außer einer reinen Zuordnung (so in Nebenmann) auch eine gewisse Abwertung hinsichtlich der Bedeutung ausdrücken (so in Nebensache, Nebengesetz). Bei dem Wort “Nebenbetrieb” kann es nach dem Sprachgebrauch nicht zweifelhaft sein, daß darunter nicht ezwa ein gleichwertig “neben” einem anderen stehender Betrieb zu verstehen ist, sondern ein Betrieb, der einem “Hauptbetrieb” gegenüber eine mehr “nebensächliche” Bedeutung hat, der mehr “nebenbei” geführt wird. Die Nebenbetriebseigenschaft setzt also begrifflich nicht nur eine gewisse Zuordnung, sondern auch eine gewisse rangmäßige “Nachordnung” zum Hauptbetrieb voraus. Das betriebliche Verhältnis von Urproduktion und Weiterverarbeitung allein reicht zur Begründung einer solchen Beziehung zwischen Kraftwerk und Kohlenzeche nicht aus. Anders als etwa in Kokereien und Brikettfabriken wird die Kohle in Kraftwerken nicht weiterverarbeitet, sondern endgültig verbraucht. Die Erzeugung von elektrischer Energie, für die es ja auch ganz andere technische Möglichkeiten gibt, ist daher nicht schon von der Sache her mit dem Bergbau verbunden, vielmehr gehören Kraftwerke einem eigenständigen, dem Bergbau gleichwertigen Produktionszweig an. Das schließt allerdings nicht aus, daß auch Kraftwerke, die nicht als sogen. Zechenkraftwerke organisatorisch in den Tagesbetrieb eines Bergwerks eingegliedert sind und daher schon unter § 2 Abs. 1 Satz 1 RKG fallen, unter besonderen Umständen knappschaftliche Nebenbetriebe nach § 2 Abs. 2 RKG sein können. Solche Umstände sind im vorliegenden Fall aber nicht gegeben.
Wenn auch eine organisatorische Verflechtung der beiden Betriebe, wie das LSG ausdrücklich festgestellt hat, nicht vorliegt, so besteht doch eine wirtschaftliche Verbindung zwischen den beiden Betrieben insofern, als das Kraftwerk – wie auch von vornherein vorgesehen – den Absatz der sonst schwer verkäuflichen Ballastkohle der Zeche gewährleistet. Ob man hierin eine gewisse Hilfsfunktion für die Zeche erblicken will, ist für die Entscheidung der hier anstehenden Frage ohne Bedeutung. Jedenfalls hat das Kraftwerk unter volkswirtschaftlichen wie auch betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten eine eigenständige Bedeutung. Es ist insbesondere, wie das LSG ausdrücklich festgestellt hat, nicht von der Zeche abhängig, da es auch ohne deren Kohle auskommen kann. Die wirtschaftliche Verflechtung der beiden Betriebe ist also nicht von der Art, daß die Arbeitsmöglichkeit und die Arbeitsgestaltung für die Kraftwerksbelegschaft von der Arbeit zur Zeche abhängen und dadurch eine enge schicksalsmäßige Verbindung zwischen beiden Belegschaften entstehen würde. Auch der an sich bestehende räumliche Zusammenhang der beiden Betriebe, der durch den jederzeit zu beseitigenden Zaun nicht wesentlich beeinträchtigt und durch die bestehenden Verbindungseinrichtungen – Bandbrücke, Stichgleise zur Zechenbahn und verschiedene Leitungen – noch verstärkt wird, bewirkt keine solche Verflechtung zwischen den beiden Werken, die es rechtfertigen würde, das BKW als Nebenbetrieb der Zeche anzusehen.
Die weiteren Tatbestände, aus denen das LSG eine betriebliche Verflechtung herleitet, sind ebenfalls nicht geeignet, das Bedürfnis nach einer einheitlichen knappschaftlichen Versicherung beider Belegschaften zu begründen. So sind die Bandbrücke für den Kohlentransport, die Druckluft- und die Dampfleitung ihrem Wesen nach Transportwege für den Güteraustausch, die ebenso wie die besondere Telefonleitung – rein technisch gesehen – für die Annahme eines betrieblichen Zusammenhangs sprechen, während der Güteraustausch selbst, also die Belieferung des BKW mit Kohle, Heizdampf und Druckluft einerseits und die Abnahme von etwa 3 % der dort erzeugten Energie durch die Zeche andererseits, im wesentlichen den wirtschaftlichen Zusammenhang unter ihnen begründen. Mögen auch diese technische Verbindung und der ständige Güteraustausch engere Beziehungen bewirken, als es allgemein unter Liefer- und Abnehmerbetrieben üblich ist, so führen sie doch keinesfalls zu einer betriebstechnischen Verflechtung, die das Bedürfnis nach einer einheitlichen Versicherung begründen könnte. Das gilt ebenso für die vom LSG noch angeführte Überlassung eines Klärteiches an das BKW, gleich unter welcher Rechtsform sie erfolgt ist. Wenn das LSG die genannten technischen Anlagen als “gemeinsame Betriebsanlagen” ansieht, wie sie die Begründung zum RKG (aaO S. 37) als für die Beurteilung eines betrieblichen Zusammenhangs in Betracht kommende Umstände anführt, so verkennt es nach Ansicht des Senats die Bedeutung dieser Bemerkung. Unter “gemeinsamen Betriebsanlagen” sind nach Sinn und Zweck der Regelung des § 2 Abs. 2 RKG vielmehr solche gemeinsamen Betriebsabteilung – beispielsweise Reparaturwerkstätten oder Transportabteilungen – zu verstehen, die in praktisch nicht abgrenzbarer Weise für beide Betriebe tätig sind, in denen also sowohl im Rahmen eines von Natur aus knappschaftlichen wie eines nichtknappschaftlichen Betriebes gearbeitet wird; hieraus ergibt sich das Bedürfnis nach einer einheitlichen Versicherung. Das Vorliegen gemeinsamer Betriebseinrichtungen dieser Art hat das LSG aber nicht feststellen können. Bedeutung für die Beurteilung als knappschaftlicher Nebenbetrieb könnte unter diesen Gesichtspunkten allenfalls die Mitbenutzung der Zechenbahn bei der Anfuhr fremder, d.h. nicht von der Zeche Brassert stammender, Kohle über die Bundesbahn zum BKW sowie bei der Abfuhr der beim BKW anfallenden Schlacke haben. Die Prüfung, ob es sich dabei nur um eine Dienstleistung von verhältnismäßig geringer Bedeutung oder um eine weitgehende Inanspruchnahme der Zechenbahn und ihres Personals für die Zwecke des Kraftwerks handelte, erübrigt sich jedoch schon deshalb, weil diese Mitbenutzung der Zechenbahn nur während der ersten Jahre erfolgte. Die Entwicklung der Verhältnisse läßt erkennen, daß es sich nur um einen vorübergehenden Zustand handelte, der bei der Beurteilung der Nebenbetriebseigenschaft nicht – auch nicht etwa für die Dauer dieses Zeitraums – zu berücksichtigen ist. Das gilt insbesondere für Erscheinungen während der Aufbau- und Anlaufzeit eines neuerrichteten Betriebes, in der dieser naturgemäß in stärkerem Maße Dienstleistungen anderer Betriebe des gleichen Unternehmens in Anspruch nehmen wird. In der Entscheidung des BVA wird die Benutzung der Zechenbahn für Zwecke des Kraftwerks nicht erwähnt; ob das darauf beruht, daß das BVA sie als nur unbedeutend oder als von vornherein nur vorübergehend angesehen hat, ist rückschauend ohne Bedeutung.
Auch ein Austausch von Arbeitskräften in wesentlichem Umfang, der das Bedürfnis nach knappschaftlicher Versicherung der Kraftwerksbelegschaft begründen könnte, findet nicht statt. Allerdings weist das LSG unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Aussage des Zeugen B… darauf hin, daß in geringem Umfange auch Zechenangehörige zu Arbeiten im Kraftwerk herangezogen werden. Hiernach handelt es sich jedoch ausschließlich um einige Maurer mit bedarfsweise zugeteilten Bauhilfsarbeitern. Da deren Arbeiten nach Art und Umfang nicht über das Maß von Dienstleistungen hinausgehen; können, wie sie üblicherweise auch von Dritten, etwa selbständigen Bauunternehmern, geleistet werden, sind sie weder unter dem Gesichtspunkt einer engen betrieblichen Verflechtung noch unter dem des wesentlichen Austauschs von Arbeitskräften geeignet, ein Bedürfnis nach einheitlicher Versicherung zu begründen. Im übrigen hat der Zeuge die Frage nach der Verwendung von Zechenangehörigen im Rahmen des BKW verneint und betont, das Kraftwerk sei hinsichtlich seines Bedarfs an Arbeitskräften autark.
Die vorliegenden Feststellungen reichen also keineswegs aus, das BKW im Verhältnis zur Zeche als knappschaftlichen Nebenbetrieb i.S. des § 2 Abs. 2 RKG einzuordnen. Da das LSG alles getan hat, jeden für eine solche Einordnung überhaupt in Betracht kommenden Umstand aufzuklären, der Sachverhalt in dieser Richtung hinreichend aufgeklärt ist und auch keine sonstigen Umstände erkennbar sind, die nach der hier vertretenen Auslegung dieser Vorschrift für eine solche Einordnung sprechen könnten, konnte der Senat zu diesem Ergebnis kommen, ohne daß es einer Zurückverweisung an die Tatsacheninstanz bedurfte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Unterschriften
Dr. Dapprich, Schröder, Dr. Witte
Fundstellen