Entscheidungsstichwort (Thema)
Haushaltshilfe – Sachleistungsanspruch – Weiterführung, Haushalt – Zeitpunkt, maßgeblicher – Rollenumverteilung – Reha-Maßnahme – Verdienstausfall – Kostenerstattung
Leitsatz (amtlich)
Für den Anspruch eines Unfallverletzten auf Haushaltshilfe während der Dauer einer stationären Reha-Maßnahme ist auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Beginns der Maßnahme und nicht auf die des Unfallereignisses abzustellen.
Normenkette
SGB VII § 214 Abs. 1 S. 1; UVEG Art. 36; RVO § 569a Nr. 4; SGB V § 13 Abs. 3, § 38 Abs. 4
Beteiligte
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 30.07.1996; Aktenzeichen L 3U 141/95) |
SG Lüneburg (Entscheidung vom 19.09.1995; Aktenzeichen S 2 U 33/94) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 30. Juli 1996 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten für eine Haushaltshilfe dem Grunde nach, insbesondere des Verdienstausfalls der Verlobten des Klägers wegen des unbezahlten Urlaubs während der auswärtigen Unterbringung des Klägers anläßlich zweier Rehabilitationsmaßnahmen.
Der im Jahre 1959 geborene Kläger erlitt am 14 September 1992 einen Arbeitsunfall (Wegeunfall), dessen Folgen zu langdauernder Arbeitsunfähigkeit führten. Zum Unfallzeitpunkt lebte er mit seiner Verlobten und deren im Jahr 1985 geborenen Sohn M. in seinem Haushalt. Der Kläger war bis dahin vollschichtig als Bauhelfer beschäftigt, während seine Verlobte ihren Sohn betreute und nebenher, wenn dieser in der Schule war, stundenweise als Altenpflegerin arbeitete. Zum 1. Dezember 1992 nahm die Verlobte eine Tätigkeit als Altenpflegerin von täglich fünf bis sechs Stunden sowie an jedem zweiten Wochenende von neun Stunden auf. Im Juni 1993 wurde die gemeinsame Tochter J. geboren.
Für den Zeitraum vom 7. Dezember 1993 bis 4. Januar 1994 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Rehabilitationsmaßnahme (Reha-Maßnahme) in Bad S. Die Gewährung von Haushaltshilfe lehnte sie durch Bescheid vom 21. Dezember 1993 ab mit der Begründung, der Kläger sei vor seinem Unfall vollschichtig beschäftigt gewesen. Daher habe er den Haushalt nicht führen und die Kinder nicht betreuen können, so daß das Kriterium „Weiterführung des Haushalts” nicht erfüllt sei.
In seinem dagegen gerichteten Widerspruch führte der Kläger an, er habe nach seinem Unfall den Haushalt weitergeführt, soweit es ihm möglich gewesen sei; deshalb habe seine Verlobte auch wieder voll arbeiten können. Wegen seines Aufenthalts in S. sei seine Verlobte gezwungen gewesen, unbezahlten Urlaub zu nehmen, da die Betreuung der Kinder sonst nicht gewährleistet gewesen wäre.
Während des Widerspruchsverfahrens bewilligte die Beklagte eine weitere Reha-Maßnahme. Auch hierfür lehnte sie in einer telefonischen Mitteilung an den Kläger am 11. Februar 1994 mit derselben Begründung wie zuvor Haushaltshilfe ab, da keine Änderung in den Verhältnissen eingetreten sei. Den Widerspruch gegen den Verwaltungsakt vom 21. Dezember 1993 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 1994 zurück.
Das Sozialgericht.(SG) hat die Entscheidungen der Beklagten aufgehoben und sie verurteilt, die Kosten für eine Haushaltshilfe dem Grunde nach zu erstatten, insbesondere den Verdienstausfall der Verlobten des Klägers für den unbezahlten Urlaub während der Reha-Maßnahmen des Klägers (Urteil vom 19. September 1995). Streitgegenstand sei der Kostenerstattungsanspruch für eine Haushaltshilfe nach § 569a Nr. 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) für beide Reha-Maßnahmen. Der Kläger habe seinen Haushalt vor diesen Maßnahmen geführt. An dessen Weiterführung sei er während und aufgrund der Maßnahmen gehindert gewesen. In seinem Haushalt hätten sich zum jeweiligen Zeitraum zwei noch nicht 12 Jahre alte Kinder befunden. Seine Verlobte hätte aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit den Haushalt eigentlich nicht weiterführen können und habe zu diesem Zweck unbezahlten Urlaub nehmen müssen. Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „Weiterführung des Haushalts” komme es nicht auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Unfalls an, sondern auf diejenigen vor den Reha-Maßnahmen. Der Sachleistungsanspruch auf Gewährung einer Haushaltshilfe habe sich durch Zeitablauf erledigt und in einen Kostenerstattungsanspruch umgewandelt.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 30. Juli 1996). Es hat auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen und mit dem SG die Auffassung vertreten, daß hinsichtlich der Frage, ob einem Verletzten während der Dauer einer Reha-Maßnahme Haushaltshilfe zu gewähren sei, bezüglich des Merkmals in § 569a Nr. 4 RVO „Weiterführung des Haushalts” auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Beginns der Maßnahme und nicht auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls abzustellen sei. Die Haushaltshilfe sei eine ergänzende Leistung zur Heilbehandlung bzw. Berufshilfe. Sie solle als flankierende Maßnahme den Erfolg der Heilbehandlung bzw. Berufshilfe sicherstellen. Dazu bedürfe es keiner unmittelbaren kausalen Verknüpfung zwischen Unfallereignis und Unmöglichkeit der Weiterführung des Haushalts. Die Kausalität zum Unfallgeschehen sei bereits über die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall hergestellt. Die Ursächlichkeit der Unmöglichkeit der Weiterführung des Haushalts sei nur noch auf die – unfallbedingte – Maßnahme bezogen. Die Frage, warum der Verletzte vor Beginn der Maßnahme seinen Haushalt geführt habe, ob er also erst aufgrund unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit dazu in die Lage, versetzt worden sei oder sich aufgrund sonstiger Änderungen in seiner Lebensführung zur Haushaltsführung entschlossen habe, sei nicht entscheidend.
Mit der – vom LSG, zugelassenen – Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§ 569a Nr. 4 RVO). Zutreffend gehe das LSG davon aus, daß „Weiterführung des Haushalts” begrifflich nur voraussetze, daß der Verletzte den Haushalt vor der Durchführung der vollstationären Heilbehandlung, also nicht in jedem Fall auch schon vor dem Versicherungsfall, geführt habe. Der Wortlaut der Norm lasse darauf schließen, daß im Regelfall Haushaltshilfe zu gewähren sei, wenn Maßnahmen der Heilbehandlung die Ursache dafür seien, daß der Verletzte seinen vor dem Beginn dieser Maßnahme geführten Haushalt aufgrund der mit der Heilmaßnahme verbundenen auswärtigen Unterbringung nicht mehr führen könne. Voraussetzung sei ferner, daß eine andere im Haushalt lebende Person, hier die Lebensgefährtin, den Haushalt nicht habe weiterführen können, grundsätzlich gleichgültig aus welchem Grund. Dem LSG sei auch insofern zuzustimmen, daß Verletzte auch nach dem Versicherungsfall das Recht auf freie Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse behalten müßten. Der vorliegende Fall sei jedoch dadurch gekennzeichnet, daß die Lebensgefährtin des Kläger bis zum Versicherungsfall zunächst noch bis zum 30. November 1992 keiner oder einer zeitlich nur geringfügigen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, um den Haushalt versorgen und ihr Kind betreuen zu können. Gerade die durch den Arbeitsunfall des Klägers verursachte langfristige Arbeitsunfähigkeit habe sie dazu genutzt, die tägliche Erwerbstätigkeit so auszudehnen, daß ihr das Weiterführen des Haushalts nicht mehr möglich gewesen sei. Es sei weder mit dem gesetzgeberischen Zweck der Haushaltshilfe noch mit den Zielen der Heilbehandlung zu vereinbaren, die Folgen eines Arbeitsunfalls dazu heranzuziehen, eine Rollenumverteilung zwischen den Lebensgefährten vorzunehmen, um Ansprüche auf Haushaltshilfe geltend machen zu können. Griffen stationäre Heilmaßnahmen, die bei Art der Folgen des Arbeitsunfalls durchaus absehbar gewesen seien oder hätten seien können, in die erst nach dem Arbeitsunfall bewußt veränderten Lebensverhältnisse der Familie ein, könne daraus kein von der Solidargemeinschaft zu tragender Leistungsanspruch hergeleitet werden. In diesen Fällen müsse sich der Versicherte auf die Verhältnisse verweisen lassen, die vor den Versicherungsfall geherrscht hätten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 30. Juli 1996 sowie das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 19. September 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II.
Die Revision ist unbegründet.
Der Leistungsanspruch des Klägers richtet sich trotz des am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs ≪SGB VI≫ (Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes ≪UVEG≫) noch nach den Vorschriften der RVO. Zwar gelten nach § 214 Abs. 1 Satz 1 SGB VII die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Dritten Kapitels des SGB VII, d.h. die §§ 26 bis 55 SGB VII über Heilbehandlung, Rehabilitation, Pflege, Geldleistungen und mithin ebenfalls § 42 SGB VII über die Haushaltshilfe auch für Versicherungsfälle, die vor dem 1. Januar 1997 eingetreten sind. Nach § 214 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sind jedoch für Leistungen der Heilbehandlung und der beruflichen Rehabilitation, die vor dem 1. Januar 1997 in Anspruch genommen worden sind, bis zum Ende dieser Leistungen die Vorschriften weiter anzuwenden, die im Zeitpunkt der Inanspruchnahme galten. Das ist hier der Fall, da die den Leistungsanspruch des Klägers begründenden stationären Heilbehandlungsmaßnahmen vor dem Inkrafttreten des UVEG durchgeführt und abgeschlossen waren.
Das LSG hat zutreffend entschieden, daß dem Kläger für die Dauer der unfallbedingten stationären Heilbehandlungsmaßnahmen vom 7. Dezember 1993 bis 4. Januar 1994 und vom 3. März bis 14. April 1994 Haushaltshilfe nach § 569a Nr. 4 RVO zugestanden hat und die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten hierfür, insbesondere den durch den unbezahlten Urlaub während der Reha-Maßnahmen entstandenen Verdienstausfall der Verlobten des Klägers in gesetzlicher Höhe zu erstatten.
Nach § 569a Nr. 4 RVO wird außer dem Verletztengeld oder Übergangsgeld Haushaltshilfe gewährt, wenn der Verletzte wegen der Durchführung der Heilbehandlung oder Berufshilfe außerhalb des eigenen Haushalts untergebracht ist, ihm aus diesem Grunde die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist, eine andere im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann und im Haushalt ein Kind unter zwölf Jahren lebt. Diese Voraussetzungen sind nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) hier erfüllt.
Nach diesen Feststellungen war der Kläger während der Reha-Maßnahmen außerhalb seines eigenen Haushalts untergebracht. In seinem Haushalt lebten zu Beginn der Reha-Maßnahmen neben ihm und seiner Verlobten die beiden noch nicht zwölf Jahre alten Kinder. Dabei ist ohne Bedeutung, ob die Kinder Familienangehörige des Klägers sind; entscheidend ist nur, daß die Kinder – wie hier – gewöhnlich im Haushalt des Klägers leben (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl. S. 565i m.w.N.).
Den Feststellungen des LSG ist ebenfalls zu entnehmen, daß der Kläger zumindest seit Dezember 1992, nachdem seine Verlobte vollschichtig als Altenpflegerin beruflich tätig war, den Haushalt geführt hat und aufgrund der maßnahmebedingten auswärtigen Unterbringung an dessen Fortführung gehindert war.
Wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben und auch die Revision nicht mehr verkennt, ist auch insoweit für die Beantwortung der Frage, ob einem Verletzten während der Dauer einer Maßnahme Haushaltshilfe zu gewähren ist, in der Regel auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Beginns der Maßnahme und nicht auf die im Zeitpunkt des Unfallereignisses abzustellen. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 569a Nr. 4 Halbsatz 1 RVO, wonach außer dem Verletztengeld oder Übergangsgeld als zusätzliche Leistung Haushaltshilfe gewährt wird, wenn der Verletzte wegen der Durchführung der Maßnahme außerhalb des eigenen Haushalts untergebracht ist und ihm aus diesem Grund die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist. „Weiterführung” des Haushalts setzt begrifflich an sich nur voraus, daß der Verletzte den Haushalt unmittelbar vor der Reha-Maßnahme geführt hat und daß er ihn weitergeführt hätte, wäre er daran durch die auswärtige Unterbringung nicht gehindert gewesen.
Eine solche Auslegung entspricht nicht nur der Systematik des Gesetzes, sondern auch dem Sinn und Zweck, der Regelung in § 569a Nr. 4 RVO. Die Haushaltshilfe ist – wie sich aus der den §§ 569a bis c RVO vorangestellten Überschrift ergibt – eine die originären Ansprüche auf Heilbehandlung und Berufshilfe ergänzende Leistung. Sie soll als flankierende Maßnahme sicherstellen, daß eine Heilbehandlung bzw. Berufshilfe erfolgreich durchgeführt werden kann und nicht aus Gründen scheitert, die im sozialen Umfeld des Verletzten, speziell in seiner Haushaltssituation liegen. Die Gewährung von Haushaltshilfe bezweckt damit, daß der Haushalt des Verletzten trotz dessen maßnahmebedingter auswärtiger Unterbringung weitergeführt werden kann, die Reha-Maßnahme also trotz der sozialen Gegebenheiten im Haushalt überhaupt erst ermöglicht wird. Das bedeutet, daß es auf die Verhältnisse unmittelbar vor Beginn der Reha-Maßnahme ankommt. Ein anderes Ergebnis widerspräche dem Zweck der Regelung, durch ergänzende neben dem Verletztengeld oder Übergangsgeld zu erbringende Leistungen zur Rehabilitation die Wiedereingliederung des Verletzten zu ermöglichen oder zumindest zu fördern.
Wie bereits die Vorinstanzen ausgeführt haben, ist die Ursächlichkeit der Unmöglichkeit, den Haushalt weiterzuführen, nur auf, die – unfallbedingte – Reha-Maßnahme bezogen. Das bedeutet, daß nur dann Haushaltshilfe zu gewähren ist, wenn tatsächlich die Maßnahme die Ursache dafür ist, daß der Verletzte seinen vor Beginn der Maßnahme geführten Haushalt aufgrund dieser Maßnahme und der mit ihr verbundenen auswärtigen vollstationären Unterbringung nicht mehr führen kann. Warum der Verletzte vor Beginn der Maßnahme den Haushalt geführt hat und nicht mehr die andere im Haushalt lebende Person, ist grundsätzlich ohne Bedeutung. Ob er damit erst aufgrund unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit dazu in die Lage versetzt oder sogar gezwungen wurde oder aufgrund sonstiger Änderungen in seiner Lebensführung oder in der Lebensführung der anderen im Haushalt lebenden Person sich zur Haushaltsführung entschlossen hat, ist nicht entscheidend. Es kommt allein auf die Tatsache der Haushaltsführung als möglichen Hinderungsgrund für die Durchführung der Maßnahme der Heilbehandlung oder Berufshilfe an. Nur eine solche Auslegung wird der bereits erwähnten Zielsetzung des Gesetzes, diesen Gegebenheiten als mögliche Hinderungsgründe für eine Wiedereingliederung des Verletzten Rechnung zu tragen, gerecht.
Auch nach dem Arbeitsunfall behält der Verletzte das Recht auf freie Gestaltung seiner Lebensverhältnisse. Dies gilt um so mehr, wenn sich eine solche „Rollenumverteilung” geradezu aufdrängt, weil infolge der Schwere der Folgen des Arbeitsunfalls der Zeitpunkt einer Wiedereingliederung in das Berufs- und Erwerbsleben – noch – nicht absehbar ist. Greift eine unfallbedingt notwendige Reha-Maßnahme in die Lebensverhältnisse eines Verletzten in der Weise ein, daß sie ihn an der Weiterführung des Haushalts hindert, so ist Haushaltshilfe nach § 569a Nr. 4 RVO auch dann zu gewähren, wenn der Verletzte im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls den Haushalt noch nicht geführt hatte. Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, daß der vorliegende Fall nach den Feststellungen des LSG dadurch gekennzeichnet ist, daß die Verlobte des Klägers über den Versicherungsfall am 14. September 1992 hinaus noch bis zum 30. November 1992 nebenher, wenn der Sohn M. in der Schule war, stundenweise als Altenpflegerin arbeitete und ab 1. Dezember 1992 eine Tätigkeit als Altenpflegerin von fünf bis sechs Stunden täglich sowie an jedem zweiten Wochenende für neun Stunden aufnahm. Wenn die Beklagte hieraus die Schlußfolgerung zieht, die Verlobte des Klägers habe gerade die durch den Arbeitsunfall ihres Lebensgefährten verursachte langfristige Arbeitsunfähigkeit dazu genutzt, ihre tägliche Erwerbstätigkeit auszudehnen, so daß ihr die Führung des Haushalts nicht mehr möglich gewesen sei, so kann der Revision jedoch nicht darin gefolgt werden, daß eine solche „Rollenumverteilung” zwischen Lebensgefährten weder mit dem gesetzlichen Zweck der Haushaltshilfe noch den Zielen der Heilbehandlung zu vereinbaren sei. Der Hinweis der Revision, die Haushaltshilfe geriete durch die Rollenumverteilung – wie vorliegend zwischen den Haushaltsmitgliedern vorgenommen – zu einer manipulierbaren Leistungsart, greift zumindest für den vorliegenden Fall nicht durch. Nach den Feststellungen des LSG hatte die Verlobte des Klägers am 1. Dezember 1992 ihre tägliche Erwerbstätigkeit als Altenpflegerin erweitert; sie war damit zu Beginn der ersten Reha-Maßnahme am 7. Dezember 1993 bereits mehr als ein Jahr vollschichtig tätig. Eine irgendwie geartete mißbräuchliche Inanspruchnahme der Haushaltshilfe haben die Vorinstanzen damit zutreffend nicht angenommen.
Es war auch keiner anderen im Haushalt lebenden Person möglich, den Haushalt des Klägers weiterzuführen. Die für die Verlobte des Klägers bestehende Möglichkeit, bezahlten oder – wie hier geschehen – unbezahlten Urlaub zu nehmen, um sodann für die Zeiten der Reha-Maßnahmen den Haushalt führen zu können, schließt den Anspruch aus § 569a Nr. 4 RVO nicht aus. Ebenso wie die Vorschrift des § 185b RVO a.F. – jetzt § 38 SGB V – für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung zielt auch die Regelung in § 569a Nr. 4 RVO darauf ab, daß die Mitglieder des Haushalts die berufliche Rolle beibehalten können, die sie vor Beginn der Heilbehandlung oder Berufshilfe innehatten (BSGE 43,170, 171/172).
Der dem Kläger somit zustehende Sachleistungsanspruch (Brackmann a.a.O. S. 565k m.w.N.) auf Gewährung von Haushaltshilfe hat sich zwar durch Zeitablauf erledigt, sich jedoch in einen Kostenerstattungsanspruch umgewandelt (vgl. BSGE 50, 73, 75). Zwar gilt nach § 569a Nr. 4 Halbsatz 3 RVO der einen Erstattungsanspruch regelnde § 38 Abs. 4 SGB V entsprechend. Diese Vorschrift ist hier jedoch nicht anzuwenden. Sie setzt nämlich voraus, daß der Versicherungsträger keine Haushaltshilfe stellen kann oder ein Grund besteht, von der Stellung einer Haushaltshilfe abzusehen. Nach den Feststellungen des LSG hatte die Beklagte dem Kläger gegenüber es jedoch abgelehnt, eine Haushaltshilfe zu stellen. Vielmehr sind die Voraussetzungen des analog anwendbaren § 13 Abs. 3 SGB V erfüllt. Die Beklagte hat die Haushaltshilfe, die allein schon wegen der Betreuung des erst wenige Monate alten Kindes im Haushalt notwendig war, zu Unrecht abgelehnt. Dadurch sind dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten in Höhe des jeweiligen Verdienstausfalls seiner Verlobten entstanden. Damit hat die Beklagte die Kosten hierfür, insbesondere den durch den unbezahlten Urlaub während der Reha-Maßnahme entstandenen Verdienstausfall der Verlobten des Klägers zu erstatten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 557 Nr. 1 m.w.N.; s. auch Poske, Hauspflege, 1990, S. 222).
Die Revision war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 605839 |
BB 1998, 2319 |
DStR 1998, 1728 |
SozSi 1998, 278 |