Leitsatz (amtlich)
Die Arbeiten der Lohngruppe 1 über Tage und der Lohngruppe 2 unter Tage der Lohnordnungen für den Steinkohlenbergbau der Ruhr vom 1956-02-15, 1957-07-01, 1959-05-01 und 1960-05-01 sind der Hauertätigkeit nicht im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig.
Normenkette
RKG § 45 Fassung: 1957-05-21
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts in Dortmund vom 2. Februar 1961 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der am 1. September 1921 geborene Kläger war wie folgt im Bergbau beschäftigt:
vom 1.4.1936 bis zum 20.7.1938 als Bergjungmann,
vom 21.7.1938 bis zum 1.11.1939 als Schlepper,
vom 2.11.1939 bis zum 26.8.1940 als Gedingeschlepper,
vom 14.8.1945 bis zum 14.1.1946 als Lehrhauer,
vom 15.1.1946 bis zum 31.10.1946 als Hauer,
vom 1.11.1946 bis zum 8.12.1946 als Bremser,
vom 9.12.1946 bis zum 2.6.1947 als Zimmerhauer,
vom 3.6.1947 bis zum 28.4.1949 als Hauer
vom 19.4.1949 bis zum 31.5.1949 als Bahnreiniger und
vom 16.9.1950 bis zum 18.7.1958 als Hauer. (Diese Tätigkeit mußte er wegen einer im Februar 1958 aufgetretenen rechtsseitigen feuchten Rippenfellentzündung aufgeben.) Bis November 1958 war er als Kauenwärter und daran anschließend bis Ende 1959 als Wächter tätig.
Im Juli 1958 hat der Kläger die Gewährung von Bergmannsrente beantragt. Diesen Antrag hat die Beklagte durch Bescheid vom 14. März 1960 mit der Begründung abgelehnt, der Kläger sei nicht vermindert bergmännisch berufsfähig, weil er noch Arbeiten der Lohngruppen I unter und über Tage verrichten könne; diese seien gegenüber dem Hauerberuf noch im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig. Den hiergegen erhobenen Widerspruch hat die Widerspruchsstelle der Beklagten durch Bescheid vom 7. Juli 1960 aus denselben Erwägungen als unbegründet zurückgewiesen.
Der Kläger hat Klage mit dem Antrag erhoben, den Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 1960 und den Bescheid der Widerspruchsstelle der Beklagten vom 7. Juli 1960 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 1. Juli 1958 bis zum 31. Dezember 1959 Bergmannsrente zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Durch Urteil vom 2. Februar 1961 hat das Sozialgericht (SG) der Klage stattgegeben; es hat die Berufung zugelassen. Die Beklagte sei nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli 1958 bis zum 31. Dezember 1959 Bergmannsrente zu gewähren, weil er während dieser Zeit vermindert bergmännisch berufsfähig im Sinne des § 45 Abs. 2 RKG gewesen sei. Er habe nach dem überzeugenden Gutachten von Dr. F, das im wesentlichen mit den Ausführungen des Dr. B vom 26. August 1958 und des Dr. B vom 30. September 1958 übereinstimme, bestenfalls innerhalb der Lohngruppe I über Tage eingesetzt werden können. Diese Arbeiten seien aber im Vergleich zu der eines Hauers nicht im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig. Nach den Lohnordnungen vom 15. Februar 1956 und 1. Juli 1957 habe der tarifliche Hauerdurchschnittslohn (einschließlich der festen Lohnzulage von 1,25 DM) 21,45 DM betragen. Demgegenüber verdiene ein Angehöriger der Lohngruppe I über Tage lediglich 16,21 DM. Der Verdienstausfall betrage also 4,84 DM je Schicht. Es sei dem Versicherten unzumutbar, eine solche Einbuße zu tragen. Durch die Lohnordnung vom 1. Mai 1959 sei keine nennenswerte Änderung eingetreten. In diesem Zusammenhang könne durchaus berücksichtigt werden, daß ein Hauer im allgemeinen weit mehr verdiene, als ihm tariflich zugesichert sei. So liege der Durchschnittslohn der Hauer im Ruhrgebiet von April 1958 bis April 1960 ständig etwa 2 bis 3,- DM über dem jeweiligen Gedingerichtsatz. Nach diesen Verdiensten und nicht nach dem Tariflohn würden die Versicherungsbeiträge berechnet und von der Beklagten eingenommen; diese sei aber nicht bereit, das den hohen Beiträgen entsprechende Versicherungsrisiko zu tragen.
Gegen dieses ihr am 10. April 1962 zugestellte Urteil hat die Beklagte, vertreten durch den Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Knappschaften der Bundesrepublik Deutschland, mit Schriftsatz vom 27. April 1961, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 4. Mai 1961, - unter Stellung eines Revisionsantrages und Beifügung einer Bescheinigung des Klägers nach § 161 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) - Sprungrevision eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 28. Mai 1961, eingegangen beim BSG am 30. Mai 1961, begründet.
Sie rügt die Verletzung des § 45 Abs. 2 RKG. Die Auffassung des SG, die Arbeiten der Lohngruppe I über Tage seien der Hauertätigkeit gegenüber nicht im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig im Sinne des § 45 Abs. 2 RKG, treffe nicht zu. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG sei bei dem anzustellenden Lohnvergleich von dem tariflichen Hauerdurchschnittslohn und nicht, wie es das Vordergericht offensichtlich für richtig halte, von dem tatsächlich erzielten Durchschnittslohn aller Hauer des Ruhrgebiets auszugehen. Ein Lohnausfall wirke sich um so stärker aus, je niedriger das Arbeitseinkommen aus der Hauptberufstätigkeit sei. Im Falle geringen Einkommens aus den vergleichbaren Arbeiten könnten auch prozentual erheblich näher beieinanderliegende Vergleichsbeträge nicht mehr als im wesentlichen gleichwertig angesehen werden. Das BSG habe in dem Urteil vom 12. Juli 1956 (BSG 4, 171 ff) dargelegt, daß die der Lohngruppe I über Tage zugehörende Tätigkeit als I. Anschläger im Verhältnis zum Hauer wirtschaftlich im wesentlichen gleichwertig sei. Diesem Urteil habe die Lohnordnung vom 1. April 1955 zugrunde gelegen. Die Lohndifferenz zwischen dem Hauerdurchschnittslohn und dem Lohn der Lohngruppe I über Tage habe danach etwa 18 % betragen. Dieser Lohnunterschied habe sich zwar nach der Lohnordnung vom 15. Februar 1956 erheblich vergrößert und mit 26,39 % ein Ausmaß erreicht, welches den Schluß zulasse, daß der Schichtlohn der Lohngruppe I über Tage im Verhältnis zum tariflichen Hauerdurchschnittslohn nicht mehr im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig sei. Jedoch habe sich dieser Lohnunterschied in den späteren Lohnordnungen von 1957, 1959 und 1960 nicht in voller Höhe behauptet. In dem Urteil des BSG vom 25. August 1960 (BSG 13, 29) sei ausgeführt, daß bei Prüfung der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit im Sinne des § 35 RKG aF bei dem Vergleich der in Frage kommenden Tätigkeiten nicht immer nur die gerade im Zeitpunkt des Versicherungsfalles geltende Lohnordnung zugrunde zu legen sei, sondern die tarifliche Entwicklung der Löhne vor und nach jenem Zeitpunkt in die Betrachtung einbezogen werden müsse. Die Lohnordnung vom 1. Juli 1957 habe zwischen dem tariflichen Hauerdurchschnittslohn und der Lohngruppe I über Tage einen Lohnunterschied von 22,56 %, die Lohnordnung vom 1. Mai 1959 von 21,76 % und die Lohnordnungen vom 1. Mai 1960 und 1. Oktober 1960 von 21,79 % enthalten. Der Lohnunterschied habe sich, ausgenommen für die Zeit vom 15. Februar 1956 bis zum 30. Juni 1957, daher im wesentlichen in den Grenzen bewegt, innerhalb deren die wirtschaftliche Gleichwertigkeit vom BSG noch angenommen worden sei.
Die Grenze der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit könne auch nicht allein durch Auslegung des Begriffs "im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertige Arbeiten" schlechthin bestimmt werden. Entscheidend sei vielmehr die Wertigkeit der vergleichbaren Tätigkeiten zueinander. Dieser Begriff aber müsse u. a. unter Berücksichtigung der Motive des Gesetzgebers und der Gesamtsystematik des RKG umrissen werden. Die Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit sei ihrer Struktur nach eine Rente, die nicht dem Zweck der umfassenden Sicherstellung des Lebensbedarfs, sondern nur dem Ausgleich für einen teilweisen Verlust der Fähigkeit, durch Arbeit Lohn zu verdienen, diene. Erzielbarer Lohn und Rente seien daher in bezug aufeinander zu sehen. Die wesentliche wirtschaftliche Gleichwertigkeit des noch erzielbaren Lohnes könne nicht ohne Rücksicht auf den durch die Rente zu erwartenden Ausgleich gesehen werden; dies bedeute, daß der Ausgleich des Lohnverlustes durch Gewährung der Rente nur dann erfolgen könne, wenn die Grenze der für den Ausgleich wesentlichen wirtschaftlichen Gleichwertigkeit überschritten sei. Der Gesetzgeber habe nur dann die Bergmannsrente gewähren wollen, wenn diese zusammen mit dem verbliebenen Einkommen des Betreffenden nicht den Verdienst eines Hauers übersteige. Wesentlich wirtschaftlich gleichwertig wäre also noch der Bereich von Tätigkeiten, in dem dies der Fall wäre, also für den Hauer und den nahezu gleichstehenden Lehrhauer der Bereich mit einer Lohnminderung, die der bei Inkrafttreten des Knappschaftsversicherungs-Neuregelungsgesetzes (KnVNG) bestehenden Lohnminderung zwischen dem Gedingelohn und dem Lohn der Lohngruppe III unter Tage (24,66%) entsprochen habe.
Bei den hiernach in Betracht kommenden Tätigkeiten handele es sich auch um solche von "Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten" (§ 45 Abs. 2 RKG). Denn sie erforderten keine besondere Ausbildung, sondern nur eine kürzere Einweisung. Der Kläger sei durch die Ausführung solcher Arbeiten auch nicht überfordert. Auch seien diese hinsichtlich der zu ihrer Ausübung notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten gegenüber der hauptberuflichen Tätigkeit des Klägers gleichwertig. Es handele sich um Tätigkeiten, die nicht etwa lediglich mechanische Verrichtungen erforderten; auch entspreche ihr soziales Prestige dem der Hauertätigkeit, zumal sie häufig von ehemaligen Bergleuten, die ihre Untertagetätigkeit aufgegeben hätten, ausgeübt würden.
Die Verweisung des Klägers auf die Arbeiten als Laborhelfer, Anschläger, Probenehmer und Lokomotivführer könne auch nicht damit abgetan werden, daß der Kläger die hierfür erforderliche Berufserfahrung und die notwendigen Vorkenntnisse nicht besitze und daher für diese Tätigkeiten zunächst umgeschult werden müsse; eine kurze Einarbeitung müsse dem Kläger zugemutet werden.
Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, einen Anspruch auf die Bergmannsrente zu haben, weil sie durch Zahlung von Rentenabschlägen seine Anspruchsberechtigung anerkannt habe. Ihr Schreiben vom 7. Oktober 1958, durch welches dem Kläger mitgeteilt worden sei, daß für ihn ein Abschlag zur Zahlung angewiesen worden sei, stelle nur eine formlose Mitteilung dar, die nicht als förmliche Rentenfeststellung im Sinne des § 198 RKG angesehen werden könne. Nach allgemeiner Auffassung seien Rentenleistungen, die ohne förmlichen Bescheid gezahlt worden seien, zu Unrecht gewährt worden, da auf sie kein Rechtsanspruch bestehe.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts in Dortmund vom 2. Februar 1961 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Bei der Verweisung eines Hauers auf andere Tätigkeiten müsse bedacht werden, daß der Hauer seine Kenntnisse und Fähigkeiten aus seiner Ausbildung und seiner Tätigkeit auch verwerten könne. Das sei über Tage in aller Regel aber nur bei den Arbeiten eines I. Anschlägers und eines Reservefördermaschinisten der Fall. Ob er aber die als bekannt vorausgesetzten bergpolizeilichen Vorschriften für diese Tätigkeiten erfülle, habe das SG nicht geprüft. Wenn der Kläger nach dem Gutachten der Sachverständigen "bestenfalls" in Lohngruppe I über Tage tätig sein könne, so könne damit durchaus die leichteste dieser Tätigkeiten gemeint sein, zB die eines Heildieners. Auf diese Tätigkeit könne aber ein Hauer im Rahmen des § 45 Abs. 2 RKG selbst dann nicht verwiesen werden, wenn sie wirtschaftlich im wesentlichen gleichwertig sein sollte.
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist auch statthaft. Bedenken gegen ihre Zulässigkeit bestehen somit nicht. Sie konnte jedoch keinen Erfolg haben.
Das SG hat zu Recht die Voraussetzungen für die Gewährung der Bergmannsrente, insbesondere auch die des § 45 Abs. 2 RKG als erfüllt angesehen.
Hauptberuf des Klägers ist, wie das SG ohne Rechtsirrtum angenommen hat und wie die Beklagte auch nicht bezweifelt, der des Hauers. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Berufsbild des Klägers, der die früher übliche Berufsentwicklung vom Bergjungmann über den Schlepper im Schichtlohn, Gedingeschlepper und Lehrhauer zum Hauer durchlaufen und diese Tätigkeit langjährig, zuletzt von 1950 bis 1958, ausgeübt hat.
Nach den nicht angefochtenen Feststellungen des SG kann der Kläger seit dieser Zeit aus Gesundheitsgründen "bestenfalls" Tätigkeiten der Lohngruppe I über Tage der Lohnordnung für den Steinkohlenbergbau der Ruhr verrichten. Wenn es auch nicht ausdrücklich ausgesprochen ist, so ist daraus doch mit genügender Deutlichkeit zu entnehmen, daß das SG den Kläger nicht mehr für fähig hält, Hauerarbeiten sowie diejenigen Untertagearbeiten, die nach den hier maßgebenden Lohnordnungen vom 1. Juli 1957 und 1. Mai 1959 - unter Berücksichtigung der Lohnordnungen von 1956 bis 1960 - insgesamt gemäß der Rechtsprechung des BSG (BSG 13, 29) der Hauertätigkeit noch als im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig anzusehen sind, dh Arbeiten der Lohngruppe I (und der Sondergruppe) unter Tage, zu verrichten. Diese Feststellungen hat die Beklagte nicht angegriffen, so daß der erkennende Senat hieran nach § 163 SGG gebunden ist. Auf die niedriger entlohnten Untertagearbeiten brauchte das SG nicht näher einzugehen, da bei einem Lohnunterschied von annähernd 25 % zwischen dem tariflichen Hauerdurchschnittslohn und der Lohngruppe II unter Tage nach den hier maßgebenden Lohnordnungen die zu vergleichenden Arbeiten keinesfalls mehr wirtschaftlich im wesentlichen gleichwertig sein können. Weiterhin hat das SG sich auf den Standpunkt gestellt, daß die Tätigkeiten der Lohngruppe I über Tage der hier maßgebenden Lohnordnungen und die noch niedriger entlohnten Tätigkeiten der Hauertätigkeit nicht im wesentlichen gleichwertig sind. Insoweit ist die Beklagte zum Teil abweichender Auffassung; sie meint, die Tätigkeiten der Lohngruppe I über Tage seien auch nach den hier maßgebenden Lohnordnungen der Hauertätigkeit noch im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig. Auf die Entscheidung dieser Frage kam es im vorliegenden Falle vor allem an. Der erkennende Senat hat sich im Ergebnis der Auffassung des SG angeschlossen.
Maßgebend sind für den streitigen Zeitraum an sich die Lohnordnungen vom 1. Juli 1957 und 1. Mai 1959. Wie der erkennende Senat jedoch bereits entschieden hat, sind die Lohnordnungen vom 15. Februar 1956, 1. Juli 1957, 1. Mai 1959 und 1. Mai 1960 insgesamt zu betrachten, da sie eine einheitliche Entwicklungslinie erkennen lassen (BSG 13, 29). Nach der Lohnordnung vom 15. Februar 1956 betrug der Hauerdurchschnittslohn 21,45 DM (20,20 + 1,25 DM feste Zulage) und der Tariflohn I über Tage 15,79 DM, der Unterschied also 5,66 DM, dh etwa 26 %. Dieser gegenüber den vorausgehenden Lohnordnungen sehr stark ausgeprägte Lohnunterschied ist allerdings in den späteren Lohnordnungen nicht mehr ganz aufrechterhalten worden. Nach der Lohnordnung vom 1. Juli 1957 betrug der Hauerdurchschnittslohn 21,45 DM (20,20 DM + 1,25 DM feste Zulage), der Tariflohn der Lohngruppe I über Tage 16,61 DM, der Unterschied also 4,84 DM, dh etwa 22,5 %. Nach der Lohnordnung vom 1. Mai 1959 betrug der Hauerdurchschnittslohn 23,80 DM, der Tariflohn über Tage 18,62 DM, der Unterschied also 5,18 DM, dh etwa 21,8 %. Nach der Lohnordnung vom 1. Mai 1960 betrug der Hauerdurchschnittslohn 24,42 DM, der Tariflohn I über Tage 19,10 DM, der Unterschied also 5,32 DM, dh etwa 21,8 %. Wenn auch bei einer Gesamtbetrachtung dieser Lohnordnungen nicht der zwar sehr große, aber nur vorübergehend aufrechterhaltene Lohnunterschied der Lohnordnung vom 15. Februar 1956 entscheidend sein kann, so muß doch von einem konstanten Lohnunterschied von annähernd 22 % ausgegangen werden.
In dem o. a. Urteil, in welchem über das Verhältnis vom Hauerdurchschnittslohn zum Tariflohn I unter Tage zu entscheiden war, betrug der Lohnunterschied nach der Lohnordnung vom 15. Februar 1956 21,5 %, nach den späteren Lohnordnungen von 1959 und 1960 aber nur etwa 20,7 %. In diesem Urteil ist der erkennende Senat von einem konstanten Lohnunterschied von 20,7 % ausgegangen und hat die im wesentlichen wirtschaftliche Gleichwertigkeit beider Gruppen von Arbeiten noch bejaht. Hierbei hat er aber bereits ausgeführt, daß es zweifelhaft sei, ob bei einem Lohnunterschied von 21,5 %, wenn er für sich allein maßgebend sei, die wirtschaftliche Gleichwertigkeit noch bejaht werden könne. Wenn nun aber im vorliegenden Fall sogar von einem konstanten Lohnunterschied von fast 22 % auszugehen ist, kann von einer im wesentlichen wirtschaftlichen Gleichwertigkeit der zu vergleichenden Arbeiten nicht mehr gesprochen werden. Dies gilt selbst unter Berücksichtigung des Grundsatzes, daß bei Arbeiten mit höherer Entlohnung auch ein prozentual höherer Lohnunterschied mit in Kauf genommen werden kann. Wenn sich in dem o. a. Urteil der erkennende Senat aus dem Umstand, daß die Gedingelöhne inzwischen stärker angehoben worden waren als die übrigen Löhne, veranlaßt gesehen hat, einen Lohnunterschied von 20,7 % noch als tragbar zu betrachten, so kann die Anwendung dieses Grundsatzes doch nicht so weit führen, einen Lohnunterschied von annähernd 22 % noch als im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig anzusehen. Nach den Lohnordnungen vom 15. Februar 1956 bis zum 1. Mai 1960 sind daher die Arbeiten der Lohngruppe I über Tage der Hauerarbeit nicht mehr im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig im Sinne des § 45 Abs. 2 RKG.
Die Beklagte meint zwar, dem Zweck der Bergmannsrente und dem Willen des Gesetzgebers widerspräche ein Ergebnis, nach welchem ein Versicherter durch Bergmannsrente und noch erzielbaren Lohn mehr verdiene als der Hauer. Wenn man hier unter Hauerlohn den effektiven Hauerlohn oder den effektiven Hauerdurchschnittslohn des Tarifbezirks versteht, mag dies zwar zutreffend sein; Fälle dieser Art werden aber kaum vorkommen. Wenn man aber den tariflichen Hauerdurchschnittslohn im Auge hat, ist dies doch zumindest zweifelhaft. Jedenfalls aber haben die von der Beklagten vorgetragenen Gesichtspunkte im Gesetz keinen Ausdruck gefunden. Es geht nicht an, wie die Beklagte meint, dem Begriff "im wesentlichen wirtschaftliche Gleichwertigkeit" in § 45 Abs. 2 RKG durch Auslegung einen Inhalt zu geben, der mit dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht mehr in Einklang zu bringen ist. Hinzu kommt, daß eine solche Auslegung über den diesem Begriff in der Rechtsprechung des früheren Reichsversicherungsamtes und des BSG zu § 35 RKG aF gegebenen Inhalt weit hinausgehen würde. Obwohl diese Auslegung dem Gesetzgeber bei Fassung des § 45 Abs. 2 RKG bekannt war, hat er den Gesetzeswortlaut insoweit beibehalten. Hätte er auch in dieser Hinsicht eine Änderung herbeiführen wollen, würde er, was die Beklagte verkennt, eine andere Wortfassung gewählt haben. Dies ist jedoch nicht geschehen.
Der Beklagten kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als sie dem SG vorwirft, es sei bei seiner Entscheidung von dem effektiven Hauerdurchschnittslohn ausgegangen. In Wirklichkeit hat das SG in seinen Urteilsgründen nur am Rande darauf hingewiesen, daß das von ihm gefundene Ergebnis auch deshalb zu begrüßen sei, weil der Hauer in Wirklichkeit eine viel höhere Lohneinbuße erleide, als der Vergleich zwischen dem Hauerdurchschnittslohn und dem Lohn der Lohngruppe I über Tage ergebe. Diese Bemerkung ist zwar überflüssig, ist aber für die Frage, ob die angefochtene Entscheidung zutreffend ist, unschädlich. Denn tatsächlich ist das SG von dem tariflichen Hauerdurchschnittslohn ausgegangen.
Da der Kläger während des streitigen Zeitraums keine seinem Hauptberuf als Hauer im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertigen Tätigkeiten verrichten konnte, war er schon aus diesem Grunde vermindert bergmännisch berufsfähig. Dem Kläger ist, da auch die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind, die Bergmannsrente für diese Zeit daher zu Recht zugesprochen worden, so daß die Revision als unbegründet zurückgewiesen werden mußte.
Die Kostenentscheidung ergeht auf Grund des § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 2324161 |
BSGE, 196 |