Beteiligte

Klägerin und Revisionsbeklagte

Beklagte und Revisionsklägerin

Revisionsklägerin

 

Tatbestand

I

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf sogenannte "Geschiedenen-Witwenrente".

Die Klägerin war mit E… A… T… N… (im folgenden Versicherter) verheiratet. Ihre Ehe wurde durch Urteil des Landgerichts Hamburg vom 30. Oktober 1961 aus dem Verschulden des Versicherten geschieden. In Abänderung früherer Unterhaltsvergleiche verpflichtete sich der Versicherte in einem Prozeßvergleich vom 7. Juli 1969 zur Zahlung eines Unterhalts von monatlich 125,-- DM ab 1. August 1969 an die Klägerin. Am 12. April 1976 schloß er eine neue Ehe mit der Beigeladenen. Er verstarb am 27. April 1977 an einem erstmals im Februar 1975 festgestellten Geschwürsleiden. Auf seinen Antrag vom 6. April 1977 bewilligte die Beklagte mit einem nach seinem Tode ergangenen Bescheid für April 1977 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Mit Bescheid vom 12. Juli 1978 gewährte die Beklagte der Beigeladenen - welche während des Revisionsverfahrens eine neue Ehe geschlossen hat - für die Zeit ab 1. Mai 1977 Witwenrente. Den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Geschiedenen-Witwenrente lehnte sie ab (Bescheid vom 15. August 1977, Widerspruchsbescheid vom 15. März 1978).

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Hamburg die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin ab 1. Juni 1977 Geschiedenen-Witwenrente zu gewähren (Urteil vom 21. Januar 1980). Das Landessozialgericht (LSG) Hamburg hat die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zurückgewiesen (Urteil vom 3. September 1980) und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin habe einen Anspruch auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente nach der dritten Regelung des § 42 Satz 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). Der Versicherte habe ihr im letzten Jahr vor seinem Tode tatsächlich Unterhalt in Höhe von monatlich 125,-- DM geleistet. Zwar seien die Zahlungen zuweilen von der Beigeladenen erbracht worden. Sie seien jedoch nach deren und nach dem Willen des Versicherten und der von ihnen vorgenommenen Aufteilung zwischen der Haushaltsführung und der Beschaffung der hierfür erforderlichen Mittel in Erfüllung der dem Versicherten obliegenden Unterhaltsverpflichtung geleistet worden und daher ihm zuzurechnen. Die Unterhaltsleistung habe sich auf den vollen Jahreszeitraum vor dem Tode des Versicherten erstreckt. Zwar sei im Monat März 1977 und somit, da hierauf die im April 1977 geleistete Zahlung anzurechnen sei, im Ergebnis für den Sterbemonat April 1977 Unterhalt nicht gezahlt worden. Das sei jedoch durch den schweren Krankheitszustand des Versicherten bedingt gewesen und könne angesichts der besonderen Umstände des Falles nicht zur Verneinung eines Rentenanspruchs führen. Unterhalt sei auch in hinreichender Höhe von etwa 25 v.H. des zeitlich und örtlich notwendigen Mindestbedarfs der Unterhaltsberechtigten geleistet worden. Bei der Berechnung des Mindestbedarfs dürften Kosten für Heizung nicht berücksichtigt werden. Der notwendige Mindestbedarf sei allein auf der Grundlage der Sozialhilferegelsätze und der Leistungen für Unterkunft ohne Berücksichtigung jeglichen Mehrbedarfs zu errechnen. Bezüglich der Heizungskosten ergebe sich dies auch aus den besonderen Regelungen für die Übernahme derartiger einzelfallabhängiger Kosten durch den Sozialhilfeträger. Allein auf der Grundlage des Regelsatzes der Sozialhilfe und der Mietaufwendungen der Klägerin ergäben sich als 25 v.H. des örtlich und zeitlich notwendigen Mindestbedarfs für die Monate April bis Juni 1976 122,60 DM, für die Monate Juli bis Dezember 1976 126,95 M und ab Januar 1977 124,83 M monatlich. Das entspreche einem Monatsdurchschnitt von 125,25 M im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten. Damit stimme die tatsächliche Unterhaltszahlung fast völlig überein. Aber auch bei Berücksichtigung der Heizungskosten von monatlich 42,40 DM müsse der tatsächlich geleistete Unterhalt als ausreichend angesehen werden. Nach der vorherrschenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne der Wert von 25 v.H. des notwendigen Mindestbedarfs nicht als exakte Grenze, sondern lediglich als ungefährer Grenzwert gelten, von dem ab eine Unterhaltsleistung auf jeden Fall nicht mehr "verschwindend geringfügig" sei. Während des letzten Jahres vor dem Tode des Versicherten hätten dessen tatsächliche Unterhaltsleistungen 23,46 %, 22,74 % und 23,07 % der Mindestbedarfsbeträge (einschließlich Heizkosten) und durchschnittlich 23 % des monatlichen Durchschnittsbedarfs ausgemacht. Sie lägen damit noch im zulässigen Rahmen, zumal sie für die Klägerin keineswegs verschwindend geringfügig gewesen seien und immerhin mehr als die Hälfte ihrer monatlichen Mietaufwendungen ausgemacht hätten. Der geleistete Unterhalt sei deswegen trotz seiner geringfügigen Abweichung von dem monatlichen Durchschnittswert von 135,88 M als erheblich anzusehen. Daß die Klägerin gegebenenfalls als Geschiedenen-Witwenrente ein Mehrfaches des ihr als Unterhalt vom Versicherten gezahlten Betrages erhalte, sei unerheblich. Lediglich dem Grunde nach, nicht aber in ihrer Höhe sei die Rente von der Unterhaltszahlung des Versicherten abhängig.

Das LSG hat die Revision zugelassen. Die Beklagte und die Beigeladene haben das Rechtsmittel eingelegt.

Die Beklagte trägt zur Begründung vor: Das angefochtene Urteil verletze § 42 Satz 1 AVG. Der Klägerin habe jedenfalls seit der Feststellung der schweren Erkrankung des Versicherten im Oktober 1975 bis zu dessen Tode kein Unterhaltsanspruch nach § 58 des Ehegesetzes (EheG) zugestanden. Das gelte selbst dann, wenn der Versicherte früher als tatsächlich geschehen einen Rentenantrag gestellt hätte. Die dann bewilligte Rente hätte er wegen seines erhöhten Eigenbedarfes für sich selbst verwenden müssen. Im übrigen habe von dem Versicherten eine frühere Rentenantragstellung nicht erwartet werden können, weil ihm sonst sein ihm selbst nicht bekanntes schweres Leiden hätte eröffnet werden müssen. Von der Verpflichtung zur Zahlung eines Unterhalts von monatlich 125,-- DM aufgrund des Vergleiches vom 7. Juli 1969 hätte sich der Versicherte wegen der Verschlechterung seines Gesundheitszustandes durch eine Abänderungsklage nach § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO) befreien können. Keinesfalls hätte die Klägerin angesichts ihrer eigenen Einkünfte selbst bei Anrechnung eines fiktiven Einkommens des Versicherten einen höheren Unterhaltsbetrag erreichen können. Ihr sei auch nicht i.S. des § 42 AVG im Jahre vor dem Tode des Versicherten Unterhalt gezahlt worden. Die Unterhaltszahlungen seien nicht regelmäßig und jedenfalls in den Monaten Februar und April 1977 gegen den Willen des Versicherten geleistet worden. Daraus, daß die Zahlungen auf eine Unterhaltsverpflichtung anzurechnen seien, könne nicht geschlossen werden, daß der Versicherte selbst tatsächlich Unterhalt geleistet habe. Vielmehr müßten die Zahlungen wirtschaftlich dem Versicherten zuzurechnen und nicht nur formal in seinem Namen erfolgt sein. Aber selbst eine tatsächliche Unterhaltsleistung von monatlich 125.-- DM könne einen Rentenanspruch der Klägerin nicht begründen. Der Betrag habe nicht 25 v.H. ihres Mindestbedarfs erreicht. Dieser bemesse sich nach dem Sozialhilferegelsatz zuzüglich der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft. Hierzu gehörten entgegen der Auffassung des LSG auch laufende Aufwendungen für Heizung. Sie müßten ebenso berücksichtigt werden wie die ebenfalls nach den Verhältnissen des Einzelfalles bemessene Wohnungsmiete. Nach den Feststellungen des LSG habe die monatliche Zahlung von 125,-- DM den erforderlichen Durchschnittsbetrag von 25 v.H. des Mindestbedarfs um etwa 10,-- DM unterschritten. Sie reiche deswegen zur Auslösung eines Rentenanspruchs der Klägerin nicht aus. Die Grenze von 25 v.H. des Mindestbedarfs müsse aus Gründen der Rechtssicherheit strikt eingehalten und dürfe insbesondere im Falle einer Minderung der Rentenansprüche der Witwe allenfalls um Pfennigbeträge unterschritten werden.

Die Beigeladene rügt ebenfalls eine Verletzung des § 42 AVG. Sie schließt sich dem Revisionsvorbringen der Beklagten an und ist wie diese der Ansicht, daß der Versicherte im Zeitpunkt seines Todes angesichts seiner Einkommensverhältnisse, seiner Unterhaltsverpflichtungen seinem Sohn und ihr (der Beigeladenen) gegenüber und der eigenen Einkünfte der Klägerin dieser nicht mehr zum Unterhalt verpflichtet gewesen sei. Die tatsächlichen Zahlungen von monatlich 125,-- DM hätten weniger als 25 v.H. des Mindestbedarfs einschließlich der dabei zu berücksichtigenden Aufwendungen für Heizung erreicht und damit wegen ihrer Geringfügigkeit einen Rentenanspruch der Klägerin nicht, begründen können.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen, die Urteile des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Januar 1980 und des Landessozialgerichts Hamburg vom 3. September 1980 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.

Für die Entscheidung des Rechtsstreits komme es auf das Bestehen einer Unterhaltsverpflichtung des Versicherten zur Zeit seines Todes nicht an. Entscheidend sei, daß er im letzten Jahr vor seinem Tode tatsächlich Unterhalt geleistet habe. Das habe das LSG zu Recht angenommen. Daran ändere auch nichts, daß zeitweise die Beigeladene die Überweisungsbelege ausgefüllt habe. Zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht habe sich der Versicherte jederzeit dritter Personen bedienen dürfen. Er habe ihr (Klägerin) auch einen hinreichend hohen Unterhalt gezahlt. Die Grenze hierfür sei mit etwa 25 v.H. des ohne Berücksichtigung der Heizungskosten zu berechnenden Mindestbedarfs anzunehmen. Die tatsächlichen Unterhaltszahlungen des Versicherten hätten sich innerhalb dieses Rahmens bewegt und seien für sie (Klägerin) auch von erheblicher Bedeutung gewesen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) erklärt.

II

Die durch Zulassung statthaften Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen sind zulässig und im Sinne einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht begründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer sogenannten Geschiedenen-Witwenrente. Rechtsgrundlage dieses Anspruchs ist - da der Beigeladenen Witwenrente zu gewähren ist und damit § 42 Satz 2 AVG als Anspruchsgrundlage ausscheidet - allein § 42 Satz 1 AVG in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) vom 14. Juni 1976 (BGBl. I § 1421). Danach wird einer früheren Ehefrau des Versicherten, deren Ehe mit dem Versicherten vor dem 1. Juli 1977 geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben ist, nach dem Tode des Versicherten Rente gewährt, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des EheG oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat.

Das LSG hat die Voraussetzungen der beiden ersten Regelungen des § 42 Satz 1 AVG nicht geprüft und einen Rentenanspruch der Klägerin allein nach der dritten Regelung der Vorschrift bejaht. Die darauf gestützte Verurteilung der Beklagten kann mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen keinen Bestand haben.

Dem LSG ist allerdings darin beizupflichten, daß ein Betrag von monatlich 125,-- DM, wäre er von dem Versicherten im letzten Jahr vor seinem Tode tatsächlich geleistet worden, Unterhalt im Sinne der dritten Regelung (wie auch der beiden anderen Regelungen) des § 42 Satz 1 AVG darstellt. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG vermag nicht jeglicher Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau gegen den Versicherten bzw. nicht jegliche Unterhaltsleistung des Versicherten an seine frühere Ehefrau einen Anspruch auf Geschiedenen-Witwenrente auszulösen. Vielmehr muß der Unterhalt wenigstens 25 v.H. (vgl. Urteile des erkennenden Senats in BSG SozR 2200 § 1265 Nr. 45 S. 151 m.w.N. und des 4. Senats des BSG in SozR 2200 § 1265 Nr. 58 S. 193) - nach bisheriger Ansicht des 5. Senats (BSGE 50, 210, 212 = SozR 2200 § 1265 Nr. 51 S. 173; BSG SozR a.a.O. Nr. 55 S. 185) "etwa" 25 v.H. - des zeitlich und örtlich notwendigen Mindestbedarfs ausgemacht haben. Der Berechnung dieses Mindestbedarfs sind bislang die Regelsätze nach § 22 Abs. 1 Satz 1 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) in Verbindung mit der Verordnung zur Durchführung des § 22 des Bundessozialhilfegesetzes (Regelsatz-VO) vom 20. Juli 1962 (BGBl. I S. 515) sowie die Kosten der Unterkunft (zur gesonderten Berücksichtigung von Heizungskosten als Kosten der Unterkunft vgl. BSG SozR 2200 § 1265 Nr. 58 S. 195 und die dortige Übersicht über den Stand der Meinungen) zugrundegelegt worden (vgl. z.B. Urteil des erkennenden Senats in BSG SozR 2200 § 1265 Nr. 34 S. 101 f. m.w.N.). Der Senat hält an dieser Rechtsprechung insofern fest, als der der geschiedenen Ehefrau zustehende bzw. tatsächliche gezahlte Unterhalt ausnahmslos nicht weniger als 25 v.H. des Mindestbedarfs betragen darf. Hinsichtlich des Mindestbedarfs selbst hingegen ist der Senat unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung der Ansicht, daß seine Höhe sich allein nach den sozialhilferechtlichen Regelsätzen unter Außerachtlassung nicht nur eines etwaigen Mehrbedarfs, sondern auch der Kosten für Unterkunft bemißt. Hierin folgt der Senat der neueren Rechtsprechung des 5. Senats. Nach dessen Urteil vom 12. Mai 1982 - 5b/5 RJ 30/80 - muß der Betrag, der als Unterhalt i.S. des § 1265 der Reichsversicherungsordnung (RVO; = § 42 AVG) anzusehen ist, wenigstens 25 v.H. des zeitlich und örtlich maßgebenden Regelsatzes der Sozialhilfe ohne Aufwendungen für Unterkunft betragen. Bei einem unter Einschluß der Unterkunftskosten errechneten Mindestbedarf sei ein objektiver Maßstab nicht gewährleistet und bezüglich der Aussicht auf Erlangung der Hinterbliebenenrente die Gefahr von Zufallsergebnissen vorhanden. Diese Konsequenzen seien mit Grundkonzeption und Zielrichtung des § 1265 RVO nicht vereinbar. Die Kriterien, daß die Zuwendungen des Versicherten wirtschaftlich ins Gewicht fielen, mehr als nur einen geringfügigen Teil des Unterhalts ausmachten und die Lebensführung der geschiedenen Frau merklich verbesserten, würden grundsätzlich auch durch einen Unterhaltsanspruch bzw. eine tatsächliche Unterhaltsleistung in Höhe von mindestens 25 v.H. des Regelsatzes der Sozialhilfe ohne Kosten der Unterkunft erfüllt. Der Senat schließt sich diesen überzeugenden Erwägungen an und macht sie sich zu eigen. Sie tragen der Funktion der Hinterbliebenenrente als Unterhaltsersatz Rechnung und gewährleisten gegenüber der bisherigen Rechtsprechung in größerem Umfange eine Gleichbehandlung der potentiell Anspruchsberechtigten.

Auf der Grundlage dieser neueren Rechtsprechung stellt ein der Klägerin angeblich gezahlter Betrag von monatlich 125,-- DM Unterhalt i.S. des § 42 Satz 1 AVG dar. Wie das LSG (S. 12 des angefochtenen Urteils) in Anwendung nicht revisiblen Landesrechts festgestellt hat, hat während des Jahres vor dem Tode des Versicherten in Hamburg der Regelsatz der Sozialhilfe zunächst 268,-- DM und ab Juli 1976 285,-- M monatlich betragen. Hiervon macht ein Betrag von 125,-- DM mehr als 25 v.H. aus. Das LSG hat ihn daher im Ergebnis zutreffend als Unterhalt angesehen. Auf die weiteren Ausführungen im angefochtenen Urteil zur Berücksichtigung von Heizkosten bei der Berechnung des Mindestbedarfs und zu etwaigen Toleranzen bei der Ermittlung einer Mindestgrenze von 25 v.H. sowie auf die hiergegen vorgebrachten Einwendungen der Revisionen braucht nicht mehr eingegangen zu werden.

Gleichwohl kann die Verurteilung der Beklagten keinen Bestand haben. Das LSG hat die Voraussetzungen der dritten Regelung des § 42 Satz 1 AVG mit der Begründung bejaht, die Klägerin habe während des ganzen Jahres 1976 und noch im Januar, Februar und April 1977 von seiten des Versicherten monatlich 125,-- DM Unterhalt erhalten. Dagegen wendet sich die Beklagte zu Recht. Zwar kann es auf der Grundlage der hierzu getroffenen tatsächlichen Feststellungen (S. 9 f. des angefochtenen Urteils) im Einklang mit der Ansicht des LSG als unschädlich angesehen werden, daß im Monat März 1977 eine Unterhaltszahlung nicht erfolgt ist (vgl. Urteil des Senats in BSG SozR 2200 § 1265 Nr. 45 S. 152 m.w.N.). Jedoch muß die Zahlung von Unterhalt im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten durch diesen selbst erfolgt sein. Zwar kann er sich dabei der Hilfe eines Dritten bedienen. Den Unterhalt leistet in diesem Falle er selbst aber nur dann, wenn der Dritte als Vertreter oder Beauftragter des Versicherten zu dessen Lasten handelt (BSGE 50, 287, 288 = SozR 2200 § 1265 Nr. 52 S. 176; vgl. auch BSGE 50, 59, 61 = SozR 2200 § 1265 Nr. 49 S. 167 zur Unterhaltsverpflichtung eines Dritten). Ob im vorliegenden Fall der Versicherte selbst im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat, läßt sich nicht abschließend entscheiden. Das LSG hat seiner Entscheidung insofern einen unzutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt zugrundegelegt und demzufolge die erforderlichen Tatsachenfeststellungen nicht getroffen. Nach seiner Ansicht ist es für die Qualifizierung der der Klägerin geleisteten Zahlungen als Unterhalt unerheblich, wer - der Versicherte oder die Beigeladene - die erforderlichen Geldmittel aufgebracht hat. Gerade dies aber ist entscheidend. Die Leistungen an die Klägerin können nur unter der Voraussetzung Unterhalt des Versicherten gewesen sein, daß sie zu dessen Lasten und somit aus seinen Mitteln erbracht worden sind. Die insoweit erheblichen Tatsachen hat das LSG nicht festgestellt. Zwar deuten seine Ausführungen über den Verlauf der Erkrankung des Versicherten und über die zwischen ihm und der Beigeladenen getroffene Vereinbarung, daß letztere die für den gemeinsamen Haushalt erforderlichen Mittel beschaffen und der Versicherte den Haushalt führen und das gemeinsame Kind betreuen solle, darauf hin, daß er jedenfalls nicht über laufende Erwerbseinkünfte verfügt hat, aus denen er der Klägerin hat Unterhalt leisten können. Nicht auszuschließen ist hingegen, daß er anderweitige Einkünfte etwa aus Kapitalvermögen (vgl. z.B. Bl 41 R der SG-Akten) erzielt und hieraus die monatlichen Zahlungen an die Klägerin erbracht hat. Dazu hat das Berufungsgericht bislang keine Feststellungen getroffen. Sie liegen auf tatsächlichem Gebiet. Der Senat kann sie nicht vornehmen. Das LSG wird sie nachzuholen haben. Zu diesem Zweck ist der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Sollte das LSG aufgrund der ergänzenden Sachaufklärung zu dem Ergebnis gelangen, daß der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tode der Klägerin tatsächlich keinen Unterhalt geleistet hat, so wird es zusätzlich zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen der beiden ersten Regelungen des § 42 Satz 1 AVG für die Gewährung einer Geschiedenen-Witwenrente erfüllt sind. Dabei wird das LSG zweckmäßigerweise zunächst der Frage nachgehen, ob der Versicherte zur Zeit seines Todes der Klägerin aus sonstigen Gründen (zweite Regelung des § 42 Satz 1 AVG) Unterhalt zu leisten gehabt hat. Als Grundlage einer solchen Unterhaltspflicht kommt der Prozeßvergleich vom 7. Juli 1969 in Betracht. Er ist ein Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Ein vollstreckbarer Unterhaltstitel kann selbst dann ein "sonstiger Grund" i.S. des § 42 Satz 1 AVG sein, wenn ihm ein materieller Rechtsanspruch nicht zugrundeliegt oder wenn er aufgrund der Vorschriften des EheG erwirkt worden ist und seinem Inhalt nach nicht über den ohnehin nach dem EheG zu leistenden Unterhalt hinausgeht. Das gilt allerdings nicht, wenn der Versicherte zur Zeit seines Todes die Wirkungen des Vollstreckungstitels nach den Grundsätzen der §§ 323, 767 ZPO hätte beseitigen können und er dies nicht getan hat oder nicht hat zu tun brauchen, weil die Vollstreckung aus dem Titel gar nicht versucht worden ist oder der versicherte sich auf die Erfolgslosigkeit eines solchen Versuchs hat verlassen können. Unter diesen Voraussetzungen stellt der vollstreckbare Titel einen "sonstigen Grund" i.S. des § 42 Satz 1 AVG nicht mehr dar (vgl. hierzu vor allem Beschluß des Großen Senats des BSG in BSGE 20, 1, 3 ff. SozR Nr. 17 zu § 1265 RVO und ferner BSG SozR Nrn. 23, 27, 56 zu § 1265 RVO sowie BSGE 44, 17, 18 f. = SozR 2200 § 1265 Nr. 28 S. 83 f; BSG SozR a.a.O. Nr. 35 S. 110; BSGE 50, 59, 60 SozR 2200 § 1265 Nr. 49 S. 166). In diesem Fall ist zu prüfen, ob der Klägerin im Sinne der ersten Regelung des § 42 Satz 1 AM zur Zeit des Todes des Versicherten Unterhalt nach den Vorschriften des EheG zugestanden hat. Hierfür ist allein die materielle Rechtslage maßgebend. Ein Unterhaltsanspruch nach dem EheG kann damit auch dann gegeben sein, wenn er aus einem sonstigen Grunde wie insbesondere aufgrund eines Unterhaltstitels nicht oder nicht in Höhe von 25 v.H. des notwendigen Mindestbedarfs bestanden hat (vgl. BSGE 41, 160, 162 f. = SozR 2200 § 1265 Nr. 14 S. 41 f; BSGE 52, 83, 84 = SozR 2200 § 1265 Nr. 56 S. 187). Rechtsgrundlage eines materiell-rechtlichen Unterhaltsanspruchs ist § 58 Abs. 1 EheG. Danach hat der schuldig geschiedene Ehemann seiner früheren Ehefrau den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit die Einkünfte der Frau aus Vermögen und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichen. Hierüber hat das LSG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung bisher weder tatsächliche Feststellungen getroffen noch entschieden. Auch dies wird es gegebenenfalls nachholen müssen.

Ebenso wird es in seinem neuerlichen Urteil über die Kosten des Revisionsverfahrens entscheiden.1 RA 87/80

Bundessozialgericht

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518316

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