Beteiligte
… Kläger und Revisionsbeklagter |
Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg, Regensburger Straße 104, Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
G r ü n d e :
I.
Streitig sind Art und Höhe der dem Kläger aufgrund einer Rehabilitationsmaßnahme ab 1. September 1986 zustehenden Geldleistungen.
Der am 19. August 1966 geborene Kläger war vorn 1. März bis 31. Oktober 1985 als Justizassistentenanwärter Beamter auf Widerruf. Er schied aus eigenem Entschluß aus dem Dienstverhältnis
aus, weil er sich nach einer Kopfoperation mit anerkannter Schwerbehinderung (Grad der Behinderung - GdB - von 50) den Anforderungen des Justizdienstes nicht gewachsen sah. Die Beklagte gewährte ihm antragsgemäß ab 4. November 1985 Arbeitslosenhilfe (Alhi) auf der Grundlage der zuletzt erhaltenen Dienstbezüge (monatlich 1.027,- DM). Die Bewilligung belief sich auf wöchentlich 59,16 DM, da ein Unterhaltsanspruch gegen den Vater in Höhe von wöchentlich 39,20 DM angerechnet wurde (Bescheid vom 20. Januar 1986). Für die Zeit vom 4. bis 28. Februar 1986 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Arbeitserprobung im A.. - Berufsbildungswerk B. ; sie zahlte für diesen Zeitraum Übergangsgeld (Übg) in Höhe der Alhi. Danach bezog der Kläger für die Zeit vom 1. März bis 31. August 1986 Zwischen-Übg auf der Grundlage der ursprünglichen Berechnung. Für die Zeit vom 1. September 1986 bis 31. August 1989 bewilligte die Beklagte dem Kläger im Rahmen der Arbeits- und Berufsförderung Behinderter im erwähnten Berufsbildungswerk die Ausbildung zum Bürokaufmann. Für die Teilnahme an dieser Bildungsmaßnahme gewährte sie Übg in Höhe der früher geleisteten Alhi, und zwar ab 1. September 1986 in Höhe von monatlich 256,36 DM (Bescheid vom 11. Oktober 1986) und ab 1. November 1986 - aufgrund zwischenzeitlich erfolgter Dynamisierung - in Höhe von monatlich 263,79 DM (Bescheid vom 4. Februar 1987). Der Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, sein Übg dürfe nicht niedriger sein als das Ausbildungsgeld (Abg), blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 1987).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Zulassung der Berufung verurteilt, dem Kläger ein höheres Übg zu gewähren und bei der Berechnung den Betrag der Alhi zugrunde zu legen, der ihm ohne die Anrechnung des väterlichen Einkommens (Anrechnungsbetrag wöchentlich 39,26 DM) zustehe (Urteil vom 29. September 1987). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, auf die Anschlußberufung des Klägers das Urteil des SG abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. September 19b6 Leistungen zum Lebensunterhalt entsprechend § 40 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) i.V.m. § 24 Abs. 3 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (RehaAnO) zu gewähren (Urteil vom 30. August 1988); zur Begründung hat es ausgeführt:
Aus § 59 Abs. 5 AFG könne entgegen der Ansicht des SG nicht eine Berechnung des Übg ohne Berücksichtigung des väterlichen Einkommens hergeleitet werden. Der Wortlaut der Vorschrift lasse eine solche Auslegung nicht zu. Er besage klar, daß als Übg das zu zahlen sei, was tatsächlich zugeflossen sei. Das sei nur der Betrag, der unter Berücksichtigung des Unterhaltsanspruchs zur Auszahlung gelangt sei.
Doch habe der Kläger Anspruch auf Leistungen gemäß den §§ 58 Abs. 1, 40 AFG i.V.m § 24 Abs. 3 Satz 2 RehaAnO. Die einschränkende Regelung des § 24 Abs. 3 Satz 1 RehaAnO, wonach Abg unter der Voraussetzung gewährt werde, daß kein Anspruch auf Übg bestehe, sei rechtswidrig. Die RehaAnG, die auf der Ermächtigung des § 58 Abs. 2 AFG beruhe, habe die §§ 58 Abs. 1, 40 AFG zu beachten, wonach behinderte Auszubildende Leistungen i.S. des § 40 AFG jedenfalls dann erhalten sollten, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorlägen. Das sei hier der Fall. Der Kläger erstrebe eine Erstausbildung für einen anerkannten und auf dem Arbeitsmarkt verwertbaren Beruf. Demgemäß dürften ihm die Leistungen entsprechend § 40 AFG nicht mit dem Hinweis vorenthalten werden, es sei ein niedrigerer Anspruch auf Übg gegeben.
Aus den Vorschriften über die berufliche Rehabilitation Behinderter (§§ 56 ff. AFG) und dem Prinzip des Vorranges der beruflichen Rehabilitation vor den Leistungen nach dem Dritten und Vierten Abschnitt des AFG (§ 12 RehaAnO) gehe hervor, daß Behinderte im Rahmen der beruflichen Rehabilitation nicht benachteiligt werden dürften. Die Vorschrift des § 24 Abs. 3 Satz 1 RehaAnO erweise sich indessen als eine Benachteiligung. Während nämlich bei einem Nichtbehinderten die Ausbildung gemäß § 40 AFG förderungsfähig sei und sein Bedarf voll gedeckt werde, gehe der Anordnungsgeber offensichtlich davon aus, daß bei einem Behinderten der Bedarf auch bei Vorliegen eines Anspruchs auf Übg nach § 59 Abs. 5 AFG gedeckt sei. Das treffe zwar in der Mehrzahl der Fälle zu, nicht aber dann, wenn der Bedarf durch Alhi und Unterhaltsanspruch nicht erreicht werde. Der Entstehungsgeschichte des § 59 Abs. 5 AFG sei zu entnehmen, daß wenigstens der Anspruch auf Übg in Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg) bzw. der Alhi habe gesichert werden sollen. Diese Verbesserung dürfe nicht anderweitige Regelungen über noch günstigere Leistungen beseitigen. Die Frage des Verhältnisses zwischen dem Anspruch auf Abg und dem Anspruch auf Übg nach § 59 Abs. 5 AFG müsse in dem Sinne gelöst werden, daß als Mindestbedarf der Betrag des Abg zu zahlen sei. Nur so werde die von Gesetzgeber beabsichtigte Verbesserung der Stellung Behinderter nicht in das Gegenteil verkehrt, zumal hier die Härteregelung des § 59a AFG nicht zum Tragen komme.
Die Unterhaltsansprüche des Klägers gegen seinen Vater seien auf das Abg nicht anzurechnen. Das wäre nur dann möglich, wenn die Nichtberücksichtigung des Unterhaltsanspruches offensichtlich ungerechtfertigt wäre (§ 58 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 AFG). Die Beklagte habe die insoweit bestehenden Grenzen in nicht zu beanstandender Weise durch die Freigrenze von 4.000,- DM festgelegt (§ 27 Abs. 2 Nr. 2 RehaAnO).
Dem Kläger habe ab 1. September 1986 Übg in Höhe von monatlich 256,36 DM und ab 1. November 1986 in Höhe von monatlich 263,79 DM zugestanden. Da der während der Bildungsmaßnahme nach § 40 AFG zu deckende Bedarf bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres bei
monatlich 410,- DM bzw. ab 1. Oktober 1986 bei monatlich 425,- DM und ab Vollendung des 21. Lebensjahres bei monatlich 680,- DM, gelegen habe (§ 27 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a i.d.F. der jeweils gültigen RehaAnO), habe die Beklagte die sich ergebenden Unterschiedsbeträge als Leistungen zum Lebensunterhalt dem Kläger noch zu erbringen.
Die Beklagte rügt eine Verletzung der §§ 59 Abs. 5, 58 Abs. 1, 40 AFG und des § 24 Abs. 3 Satz 1 RehaAnO. Zur Begründung macht sie geltend: Die Regelung des § 24 Abs. 3 Satz 1 RehaAnO sei rechtlich nicht zu beanstanden. Das Übg, das dem Kläger ab 1. September 1986 in Höhe der um den Unterhaltsanspruch gekürzten Alhi fortgezahlt worden sei, stehe mit Wortlaut und Sinn und Zweck des § 59 Abs. 5 AFG in Einklang. Der Wortlaut des § 59 Abs. 5 AFG gestatte lediglich die Gewährung von Übg in Höhe der zuletzt bezogenen Alhi. Die amtliche Begründung zu § 59 Abs. 5 AFG verweise auf die Begründung zur Änderung des § 46 Abs. 2 AFG. Danach habe der Gesetzgeber sicherstellen wollen, daß während der Teilnahme an notwendigen beruflichen Bildungsmaßnahmen Unterhaltsgeld (Uhg) in Höhe der sonst für die gesamte Dauer der Arbeitslosigkeit gezahlten Leistungen (Alg oder Alhi) gewährt werde. Einerseits nämlich hätten die betroffenen Anspruch auf Fortzahlung der Leistungen während der Arbeitslosigkeit gehabt. Andererseits seien ihnen, wenn sie etwas zur Behebung ihrer Arbeitslosigkeit - durch Teilnahme an beruflichen Bildungsmaßnahmen - unternommen hätten, Leistungen nach dem AFG versagt worden. Der Gesetzgeber habe mithin eine finanzielle Verschlechterung der Teilnehmer einer beruflichen Bildungsmaßnahme verhindern wollen. Dagegen habe er keinen Vergleich mit anderen nach dem AFG zuzubilligenden Leistungen angestellt sehen wollen. Andernfalls hätte er dies mit in die Vorschrift des § 59 Abs. 5 AFG aufgenommen.
Einzuräumen sei, daß der Gesetzgeber das Verhältnis zwischen Abg und Übg nicht ausdrücklich geregelt habe. Indes enthalte § 24 Abs. 3 Satz 1 RehaAnO die Umsetzung des gesetzgeberischen Willens, die Konkurrenz i.S. der spezielleren Norm, nämlich des § 59 AFG, zu lösen. Diese Bestimmung halte sich eindeutig im Rahmen der Anord-
nungsermächtigung des § 56 Abs. 2 AFG.
Die Ansicht des LSG, als Mindestbetrag sei der Betrag des Abg zu zahlen, werde nicht den unterschiedlichen Rechtsgrundlagen von Abg und Übg gerecht. Auch bei Ausbildungsmaßnahmen sei, wie § 59 Abs. 1 Satz 2 AFG erkennen lasse, grundsätzlich ein Anspruch auf Übg gegeben. Dieser sei im AFG umfassend geregelt. Demgemäß beziehe sich die Anordnungsermächtigung des § 58 Abs. 2 AFG nicht auf das Übg, sondern ausschließlich auf das Abg. Folgerichtig sehe § 24 Abs. 3 Satz 1 RehaAnO vor, daß die Gewährung von Abg nur dann möglich sei, wenn kein Anspruch auf Übg bestehe.
Des weiteren habe das LSG die strukturellen Unterschiede zwischen Abg und Übg außer acht gelassen. Während das Übg eine Lohnersatzleistung sei, sich in seiner Höhe am bisherigen beruflichen Werdegang orientiere und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) den Schutz der Eigentumsgarantie genieße, stelle das Abg eine bedarfsorientierte Leistung im Rahmen der Ausbildungsförderung dar. Es führe zu einer unzulässigen Vermischung beider Leistungsbereiche, wenn man mit dem LSG annehme, die RehaAnO gehe davon aus, daß der Bedarf bei Vorliegen eines Anspruchs auf Übg nach § 59 Abs. 5 AFG gedeckt sei. Bedarfsgesichtspunkte hätten bei einem Übg-Anspruch keine Bedeutung; ausschlaggebend seien lediglich Bemessungsgrößen, die entweder auf das bisherige Entgelt (§ 59 Abs. 2 und 3 AFG), auf ein fiktives Entgelt (§ 59a AFG), auf Bemessungsgrundlagen anderer Leistungsträger (§ 59c AFG) oder - wie hier im Rahmen des § 59 Abs. 5 AFG - auf vorangegangene Lohnersatzleistungen anderer Art abstellten.
Schließlich führe ein rein schematischer Vergleich der Leistungshöhe von Abg und Übg zu unzutreffenden Ergebnissen bei der Beurteilung der "höheren" Leistung. Der Bezug von Übg eröffne nämlich unter Umständen einen erheblich länger währenden Leistungsanspruch (z.B. Übg zwischen zwei Maßnahmen, Weiterzahlung im Krankheitsfall über sechs Wochen hinaus, Anschluß-Übg). Gewisse Leistungsunterschiede erschienen, abgestellt auf den Gesamtanspruch, durchaus sachlich vertretbar. Soweit sich in Einzelfällen Nach-
teile ergäben, müßten sie als Folge sachgerecht typisierender Regelungen hingenommen werden.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das zweitinstanzliche Urteil für zutreffend. Die Anspruchskonkurrenz zwischen § 59 Abs. 9 AFG und den §§ 58 Abs. 1, 40 AFG müsse so gelöst werden, daß als Mindestbedarf der Betrag des Abg zugrunde zu legen sei, weil nur so eine Benachteiligung der Behinderten gegenüber dem Personenkreis der nichtbehinderten Auszubildenden vermieden werden könne.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten ist i.S. der Zurückverweisung begründet.
Gemäß § 40 AFG in der hier maßgebenden Fassung des Siebten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes - 7. AFG-ÄndG - vom 20. Dezember 1985 (BGBl. I 2484), in Kraft getreten am 1. Januar 1986 (Art. 13), gewährt die Bundesanstalt für Arbeit (BA) Auszubildenden unter bestimmten Voraussetzungen Berufsausbildungsbeihilfen (BAB) für eine berufliche Ausbildung. Die Höhe der BAB richtet sich nach dem Bedarf des Auszubildenden (vgl. Anordnung des Verwaltungsrates der BA über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung - AusbFöAnO - i.d.F. der 25. Änderungsanordnung vom 28. Januar 1986 - ANBA 1986, 547). Auszubildende Behinderte haben, wie aus § 58 Abs. 1 i.V.m. § 40 AFG hervorgeht, unter erleichterten Voraussetzungen gegen die BA Anspruch auf Förderung ihrer beruflichen Ausbildung. Des weiteren
erhalten sie Leistungen nach § 40 AFG auch dann, wenn ihnen die erforderlichen Mittel aufgrund eines Unterhaltsanspruches zur Verfügung stehen, es sei denn, die Nichtberücksichtigung des Unterhaltsanspruches wäre offensichtlich ungerechtfertigt (§ 58 Abs. 1 Satz 3 AFG). Allerdings spricht der Anordnungsgeber insoweit nicht von BAB, sondern von Abg. Indes ist das Abg seiner Höhe nach nicht geringer als die BAB (vgl. § 24 Abs. 3 Satz 2 RehaAnO i.d.F. der 11. Änderungsanordnung vorn 28. Januar 1986 - ANBA 1986, 527). Schließlich kann auszubildenden Behinderten ein Anspruch auf Übg zustehen (§ 56 Abs. 3 Nr. 1 AFG).
Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Übg sind in § 59 Abs. 1 AFG geregelt. Diese Vorschrift knüpft an die Förderungsvoraussetzungen an, die für fortzubildende und umzuschulende Nichtbehinderte gelten (§§ 46, 47 Abs. 1 Satz 2 AFG). Doch zeichnet sie sich im Vergleich zu § 46 AFG durch zwei Besonderheiten aus: Zum einen bezieht sie auszubildende Behinderte in ihren Anwendungsbereich ein (§ 59 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 AFG). Zum anderen erhebt sie für den Bezug von Übg niedrigere Anforderungen als § 46 AFG. So ist der Anspruch auf Übg im Unterschied zu § 46 Abs. 1 Satz 1 AFG schon dann gegeben, wenn der Behinderte die erforderliche zweijahrige beitragspflichtige Beschäftigung nicht innerhalb der letzten drei, sondern innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Maßnahme zurückgelegt hat. Schließlich beinhaltet § 59 Abs. 5 AFG - parallel zu § 46 Abs. 2 AFG - noch eine Sonderregelung für die Gewährung von Übg bei Fehlen ausreichender Beitragszeiten: Behinderten, die nicht die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 3 bis 7 erfüllen und bis zum Beginn der Maßnahme Alg oder Alhi bezogen haben, wird ein Übg in Höhe des Betrages gewährt, den sie als Alg oder Alhi zuletzt bezogen haben (Satz 1). Hätte sich das Alg oder die Alhi in der Zeit, in der der Antragsteller an der beruflichen Maßnahme teilnimmt, erhöht, so erhöht sich das Übg vom gleichen Tage an entsprechend (Satz 2).
Der Kläger, der wegen seiner Kopfoperation anerkannter Schwerbehinderter ist (GdB von 50), verwirklicht aufgrund seiner ab 1. September 1986 im A. - Berufsbildungswerk, B.,
durchlaufenen Ausbildung zum Bürokaufmann formal sowohl die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Abg wie die eines Anspruchs auf Übg. Der Anspruch auf Abg ergibt sich - vorbehaltlich des Konkurrenzverhältnisses zum Anspruch auf Übg - ohne weiteres aus den §§ 24 ff. RehaAnO. Der Anspruch auf Übg geht - vorbehaltlich der Anspruchskonkurrenz zum Abg - aus § 59 Abs. 5 Satz 1 AFG hervor: Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 Satz 3 bis 7 AFG; er hat bis zum Beginn der ab 1. September 1986 bewilligten Ausbildung zum Bürokaufmann, die mit der vom 4. bis 28. Februar 1986 durchgeführten Arbeitserprobung eine einheitliche Maßnahme der beruflichen Rehabilitation bildet, unter Anrechnung eines Unterhaltsanspruchs gegen seinen Vater (wöchentlich 39,20 DM) Alhi in Höhe von wöchentlich 59,16 DM bezogen. In dieser Höhe hat er ab 1. September 1986 Anspruch auf Übg.
Der Anspruch auf Übg gemäß § 59 Abs. 5 AFG schließt entgegen der Ansicht des LSG den Anspruch auf Abg aus. Einzuräumen ist, daß der Gesetzgeber das Konkurrenzverhältnis beider Ansprüche zueinander nicht ausdrücklich geregelt hat. Die Vorschrift des § 24 Abs. 3 Satz 1 RehaAnO, wonach bei Teilnahme an Maßnahmen i.S. von § 40 AFG Abg nur unter der Voraussetzung gewährt wird, daß kein Anspruch auf Übg besteht, steht jedoch mit dem gesetzgeberischen Willen in Einklang. Dafür sprechen Gesetzgebungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des § 59 AFG.
Gemäß § 59 Abs. 1 Satz 2 AFG i.d.F. des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974 (BGBl. I 1981) war der Anspruch des auszubildenden Behinderten noch davon abhängig, daß er "als Erwachsener" keine ganztägige Erwerbstätigkeit ausüben konnte. Durch das Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz -AFKG -) vom 22. Dezember 1981 (BGBl. I 1497), in Kraft getreten am 1. Januar 1982 (Art. 18), wurden die Worte "als Erwachsener" gestrichen; andererseits führte der Gesetzgeber Vorversichungszeiten ein (§ 59 Abs. 1 Sätze 3, 4 und 5). Ein Anspruch auf Übg sollte grundsätzlich nur bestehen, wenn der Behinderte vor Beginn der Maßnahme zur Solidargemeinschaft der Beitragszahler zur BA
gehört hatte. Gleichzeitig sollte, da vor der beruflichen Rehabilitation häufig eine Zeit der Krankheit und der medizinischen Rehabilitation liegt, die Rahmenfrist, innerhalb der die Beschäftigung ausgeübt sein muß, mit fünf Jahren deutlich länger als bei der Förderung der beruflichen Fortbildung Nichtbehinderter (drei Jahre) sein (BT-Drucks. 9/846 S. 40 zu Nr. 17 Buchst. a). Das bedeutete, daß auch auszubildende Behinderte ab 1. Januar 1982 Beitragszeiten zurückgelegt haben mußten, um in den Genuß von Übg zu gelangen. Hingegen erhielten die auszubildenden Behinderten, die nicht auf die erforderlichen Beitragszeiten zurückblicken konnten, Abg. Eine Regelung in dem Sinne, daß ein niedriger Anspruch auf Übg ggf. durch einen Anspruch auf Abg aufzustocken sei, wurde vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Das führte zwangsläufig dazu, daß derjenige auszubildende Behinderte, der Anspruch auf Übg hatte, keinen Anspruch auf Abg besaß. Folgerichtig stellte bereits die RehaAnO i.d.F. der 7. Änderungsanordnung vom 16. März 1982 (ANBA 1982, 583) klar, daß als Leistung zum Lebensunterhalt Übg nach Maßgabe der §§ 59 bis 59d AFG gewährt werde (§ 24 Abs. 2) und daß bei Teilnahme an Maßnahmen i.S. von § 40 AFG Abg gewährt werde, sofern kein Anspruch auf Übg bestehe (§ 24 Abs. 3 Satz 1).
Diese Linie hat der Gesetzgeber in der Folgezeit beibehalten. Die amtliche Begründung zu § 59 Abs. 5 AFG verweist auf die amtliche Begründung zu § 46 Abs. 2 AFG (BT-Drucks. 10/3923 S. 20 zu Nr. 12 Buchst. a und c). Danach wurde es als unbefriedigend angesehen, daß nach der früheren Gesetzeslage Personen, die die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 AFG - und demnach des § 59 Abs. 1 AFG - nicht erfüllten, bei Teilnahme an beruflichen Bildungsmaßnahmen auch dann kein Uhg - und folglich kein Übg - gewährt werde, wenn sie bei fortbestehender Arbeitslosigkeit Anspruch auf Alg oder Alhi hätten. Damit sei zur Zeit der Lebensunterhalt für diese Personengruppe während der Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme nicht gewährleistet, wenn die Maßnahme auf das Erreichen eines bestimmten Qualifikationsziels ausgerichtet und dieses bei vorzeitigem Ausscheiden nicht erreichbar sei. Die Zahlung von Sozialhilfe sei nicht sichergestellt. Einerseits hätten die Betroffenen Anspruch auf Fortzahlung der Leistungen
während der Arbeitslosigkeit. Andererseits würden ihnen, wenn sie etwas zur Behebung ihrer Arbeitslosigkeit - durch Teilnahme an beruflichen Bildungsmaßnahmen - unternähmen, Leistungen nach dem AFG versagt. Demgemäß solle durch die Änderung des § 46 AFG - und somit durch § 59 Abs. 5 AFG - sichergestellt werden, daß während der Teilnahme an notwendigen beruflichen Bildungsmaßnahmen Uhg - mithin auch Übg - in Höhe der sonst für die gesamte Dauer der Arbeitslosigkeit gezahlten Leistungen (Alg oder Alhi) gewährt werde (BT-Drucks. 10/3923 S. 19 zu Nr. 7 Buchst. b). Demnach sollte durch die Einfügung von § 46 Abs. 2 und § 59 Abs. 5 AFG offensichtlich dadurch ein Anreiz für die Teilnahme an beruflichen Bildungsmaßnahmen geschaffen werden, daß eine sich bis dahin im Vergleich zum Zustand der Arbeitslosigkeit ergebende finanzielle Verschlechterung unterbunden wurde. Dagegen kann, wie die Beklagte mit Recht betont, nicht unterstellt werden, der Gesetzgeber hätte gleichzeitig eine Gegenüberstellung mit anderen nach dem AFG zuzubilligenden Leistungen angestellt sehen wollen. Er hätte dies, wenn er es beabsichtigt hätte, ohne weiteres zum Ausdruck bringen können. Da er sich hierzu weder im Rahmen des § 59 Abs. 1 AFG (i.d.F. des AFKG) noch im Rahmen des § 46 Abs. 2 AFG (i.d.F. des 7. AFG-ÄndG) noch im Rahmen des § 59 Abs. 5 AFG entschlossen hat, erscheint ein gesetzgeberisches Versehen ausgeschlossen.
Sinn und Zweck des § 59 AFG führen zum selben Ergebnis. Das Übg ersetzt im Bereich der beruflichen Rehabilitation nach dem AFG das Uhg nach § 44 AFG. Es besitzt, da es an die bisherigen Einkommensverhältnisse anknüpft, Lohnersatzfunktion (BVerfG SozR 4100 § 242b Nr. 3; Knigge in Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm. zum AFG, 2. Aufl., § 59 RdZiffer 2; Steinmeyer in Gagel, Komm. zum AFG, Stand Juli 1987, § 59 RdZiffer 2). Bedarfsorientierte Gesichtspunkte spielen keine Rolle. Ausschlaggebend sind vielmehr Bemessungsgrößen, die auf das bisherige Arbeitsentgelt (§ 59 Abs. 2 und 3 AFG), ein fiktives Arbeitsentgelt § 59a AFG) oder zuvor bezogene Sozialleistungen abheben (§§ 59c, 59 Abs. 5 AFG). Darüber, hinaus sind mit dem Übg gewisse Vorteile verbunden. Sie finden ihren Niederschlag u.a. in der Möglichkeit der Verlängerung des Übg bis zu sechs Wochen (§ 59d Abs. 1 und 2 AFG) sowie im sog.
Zwischen-Übg, das dem Kläger vorliegend in der Zeit zwischen der Arbeitserprobung und dem Beginn der eigentlichen Rehabilitationsmaßnahme zugute gekommen ist. Entsprechendes ist für den Bezieher von Abg nicht vorgesehen; denn es handelt sich bei dem Abg um eine bedarfsorientierte Leistung. Abg wird aus Anlaß der Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Ausbildung (§ 15 RehaAnO) gewährt (§ 24 Abs. 3 Satz 2 RehaAnO) und ist darauf ausgerichtet, die Lebenshaltungskosten des Behinderten - unabhängig von lohnbezogenen Daten - in etwa abzudecken. Diese unterschiedlichen Zielsetzungen von Übg auf der einen und Abg auf der anderen Seite lassen, zumal der Gesetzgeber trotz mehrfacher Änderung des § 59 AFG nichts Gegenteiliges geäußert hat, eine Aufstockung des Übg auf die Höhe des Abg i.S. eines Mindestbetrages nicht gerechtfertigt erscheinen.
Entgegen der Ansicht des LSG ist die Vorschrift des § 24 Abs. 3 Satz 1 RehaAnO nicht rechtswidrig. Sie verstößt insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG -). Dieser ist durch die Weisung geprägt, bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (BVerfGE 3, 58, 135; 9, 237, 244; 18, 38, 46). Er ist nicht verletzt, wenn der Gesetzgeber nicht die gerechteste oder zweckmäßigste Regelung getroffen hat, sondern erst dann, wenn die äußersten Grenzen des Ermessens überschritten sind (BVerfGE 9, 137, 146; 11, 245, 253; 19, 354, 367 f), d.h. wenn sich ein sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt (BVerfGE 24, 220, 228; 25, 101, 105; 27, 375, 386).
Die unterschiedliche Leistungsgewährung an Behinderte, die zu Beginn der Bildungsmaßnahme bereits Alg oder Alhi bezogen haben, und an solche Behinderte, auf die dies nicht zutrifft, kann nicht als willkürlich bezeichnet werden. Dem erstgenannten Personenkreis bleibt aufgrund der Gewährung des entsprechenden Übg der bisherige Lebensstandard erhalten. Dem zweitgenannten Personenkreis wird durch Gewährung von Abg eine angemessene Bedarfs-
deckung ermöglicht. Eine solche Regelung trägt der Idee des sozialen Rechtsstaats (Art. 20, 28 GG) ausreichend Rechnung. Gewisse Leistungsunterschiede, die - wie hier - aus einem niedrigen Vorbezug von Alg oder Alhi resultieren, sind ebenso hinzunehmen wie solche, die aufgrund eines höheren Vorbezuges eintreten können. Auch besteht keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den Beziehern von BAB. Das Argument, das dem Kläger nach § 59 Abs. 5 AFG gewährte Übg erreiche nicht die einem nichtbehinderten Auszubildenden zu erbringende BAB, überzeugt nicht. Die BAB bewegt sich in einer dem Abg vergleichbaren Höhe (vgl. § 11 f AusbFöAnO i.d.F. der jeweiligen Änderungsanordnungen). Ein Behinderter, der vor Beginn der Ausbildung weder Alg noch Alhi bezogen hat, kommt, wie aufgezeigt, in den Genuß des Abg und ist auf diese Weise einem nichtbehinderten Auszubildenden gleichgestellt, der BAB erhält. Ein Behinderter, der auf einen Vorbezug von Alg oder Alhi zurückgreifen kann, steht sich aufgrund der Gewährung des entsprechenden Übg jedenfalls nicht schlechter als vorher. Ist der frühere Alg-/Alhi-Zahlbetrag höher als der des Abg, steht er sich sogar besser als der nichtbehinderte Auszubildende mit Anspruch auf BAB und als der behinderte Auszubildende, dem nur Abg zusteht. Anders ist es lediglich in einem Fall wie dem des Klägers. Insgesamt mag sich der Gesetzgeber mit der den Kläger berührenden Regelung möglicherweise nicht für die gerechteste oder zweckmäßigste Lösung entschieden haben. Doch handelt es sich um eine sachlich einleuchtende Regelung, die keinesfalls die Grenzen des dem Gesetzgeber eingeräumten Ermessens überschreitet.
Nach alledem steht fest, daß der Kläger keinen Anspruch auf Abg hat. Daraus folgt schon jetzt, daß seine Anschlußberufung zurückzuweisen ist; denn mit dem Abg begehrt er Leistungen in einer Höhe, die seinen Übg-Anspruch selbst dann übersteigen würde, wenn dieser nach Maßgabe des ungekürzten Alhi-Leistungssatzes zu bestimmen wäre.
Allerdings kann dem Kläger höheres Übg zustehen, als ihm bisher bewilligt worden ist. Das Übg richtet sich im vorliegenden Fall
grundsätzlich nach dem Betrag, den der Kläger zuletzt als Alhi bezogen hat (§ 59 Abs. 5 Satz 1 AFG). Infolgedessen kann eine Berechnung des ihm zustehenden Übg nicht - wie das SG meint - schlechthin ohne Berücksichtigung des väterlichen Einkommens stattfinden. Sofern dieses die Höhe der zuletzt bezogenen Alhi bestimmt hat, wirkt sich dies auch auf die Höhe des Übg aus. Lediglich eine Herabbemessung, die bei Fortbezug von Alhi zu erfolgen hätte, hat während des Bezuges von Übg zu unterbleiben (BT-Drucks. 10/3993 S. 19 zu Nr. 7 Buchst. b).
Höheres Übg kann dem Kläger indes als Folge der Regelung in § 59 Abs. 5, Satz 2 AFG zustehen. Danach erhöht sich das Übg von dem Tage an entsprechend, an dem sich die Alhi erhöht hätte. Das LSG brauchte aus seiner Sicht zu dieser Frage keine tatsächlichen Feststellungen zu treffen. Dies wird nachzuholen sein; das LSG wird zu prüfen haben, ob in der Zeit ab 1. September 1986 Änderungen eingetreten sind, die eine Erhöhung der Alhi zur Folge gehabt hätten.
Unabhängig davon steht nicht fest, ob der Alhi-Anspruch des Klägers der Höhe nach zutreffend festgesetzt worden ist. Möglicherweise ist die Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Kläger einen seine Bedürftigkeit einschränkenden Unterhaltsanspruch gegen seinen Vater besitzt (vgl. dazu BSGE 58, 165, 169 = SozR 4100 § 138 Nr. 12; BSG SozR 4100 § 138 Nrn. 22 und 23; BSG vom 25. Oktober 1988 - 7 RAr 120/87). Grundsätzlich knüpft die Übg-Bemessung nach § 59 Abs. 5 Satz 1 AFG zwar unmittelbar an die letzte Alg- oder Aihi-Bewilligung an, also an den entsprechenden Verfügungssatz im Bewilligungsbescheid; das ist hier der Bescheid vom 20. Januar 1986, durch den dem Kläger ab 4. November 1985 unter Anrechnung eines Unterhaltsanspruchs gegen seinen Vater (Anrechnungsbetrag wöchentlich 39,20 DM) Alhi in Höhe von wöchentlich 59,16 DM bewilligt worden ist. Erweist sich ein Bewilligungsbescheid jedoch in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht als unrichtig, so hat das Beachtung zu finden. Der Beklagten sollte deshalb Gelegenheit gegeben werden, zu prüfen, ob der Bewilligungsbescheid vorn 20. Januar 1986 gemäß § 152 Abs. 1
AFG zugunsten des Klägers rückwirkend zu ändern ist.
Die Sache ist daher - soweit sie nicht abschließend entschieden wurde - unter Aufhebung des ergangenen Urteils gemäß § 170 Abs. 2 SGG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das LSG zurückzuverweisen.
Fundstellen