Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Zuschuss zur stationären Sterbebegleitung in einem Hospiz. Anrechnung von Leistungen anderer Sozialleistungsträger. kein Eigenanteil des Versicherten. keine Beiladung der Rechtsnachfolger. Erstattungspflicht für vorläufige Leistungen. keine Entlastung der Krankenkassen von Zuschüssen nach § 39a SGB 5 durch Pauschalbetrag nach § 43 Abs 5 SGB 11. Auslegung der Regelung über Sachleistungen bei häuslicher Pflege
Leitsatz (amtlich)
Zuschüsse der Krankenkasse zur stationären Sterbebegleitung in einem Hospiz sind so zu bemessen, dass unter bestimmungsgemäßer Anrechnung der Leistungen anderer Sozialleistungsträger möglichst kein Eigenanteil des Versicherten entsteht.
Orientierungssatz
1. Einer Beiladung der Rechtsnachfolger bedarf es nicht, wenn nach dem Tod des Versicherten weder die Möglichkeit von Doppelleistungen besteht noch Rechte von Rechtsnachfolgern betroffen sein können, so dass es lediglich noch um die Verteilung leistungsrechtlicher Verpflichtungen zwischen Leistungsträgern geht (vgl zuletzt BSG vom 10.5.2005 - B 1 KR 20/04 R = SozR 4-1300 § 111 Nr 3 mwN).
2. Ob ein Sozialleistungsträger einem anderen Leistungsträger, der auf Grund gesetzlicher Vorschriften Sozialleistungen erbracht hat, nach § 102 Abs 1 SGB 10 dem Grunde nach als "der zur Leistung verpflichtete" Leistungsträger erstattungspflichtig ist, richtet sich - anders als es für den Umfang des Erstattungsanspruchs in § 102 Abs 2 SGB 10 bestimmt ist - nach den für den in Anspruch genommenen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften; erforderlich ist daher, dass der auf Kostenerstattung in Anspruch genommene Leistungsträger die Leistung, wegen derer Kostenerstattung begehrt wird, rechtmäßig hätte erbringen dürfen (vgl ua BSG vom 28.9.1999 - B 2 U 36/98 R = SozR 3-5670 § 3 Nr 4).
3. Zweck des Pauschalbetrages nach § 43 Abs 5 SGB 11 ist es nicht, den zuständigen Krankenversicherungsträger von Zuschusskosten nach § 39a SGB V zu entlasten.
4. Aus der in § 36 SGB 11 für Pflegebedürftige der Pflegestufe III vorgesehenen Beschränkung der Sachleistung bei häuslicher Pflege auf (seinerzeit) 2800 DM je Kalendermonat (jetzt: 1432 Euro) darf nicht auf einen gesetzlichen Tageshöchstsatz von 93,33 DM geschlossen werden. Die Regelung ist vielmehr so zu verstehen, dass die Sachleistungen bei häuslicher Pflege - ohne oder mit Unterbrechungen - an allen Tagen des Kalendermonats (Durchschnitt 30 Tage) nach dem jeweiligen Pflegebedarf in Anspruch genommen werden können, die Pflegekasse dafür aber höchstens bis zum Werte von 2800 DM einzustehen hat (vgl BSG vom 13.3.2001 - B 3 P 10/00 R = SozR 3-3300 § 38 Nr 2).
Normenkette
SGB V § 39a Sätze 1, 3-4; SGB X § 102 Abs. 1-2; SGB XI § 36 Abs. 3 Nr. 3, § 43 Abs. 5; BSHG § 44 Abs. 1 Fassung: 1996-07-23, Abs. 2 Fassung: 1996-07-23; SGG § 75 Abs. 2 Alt. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 28. Juli 2004 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Erstattung eines Zuschusses der Beklagten für einen stationären Hospizaufenthalt.
Der schwer kranke, bei der beklagten AOK versichert gewesene R… M… (Versicherter) befand sich zur Sterbebegleitung von Ende April 1999 bis zu seinem Tod am 19. Mai 1999 stationär in einem Hospiz. Die (berechnungsfähigen) Kosten für den Hospizaufenthalt im Mai 1999 von 341,93 DM täglich trugen in einer Mischfinanzierung die Pflegekasse (pflegestufeabhängige Pauschale von 2.800 DM für vollstationäre Pflege nach § 43 Abs 5 Elftes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB XI≫), die Beklagte als Krankenkasse (Zuschuss nach § 39a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫ iVm § 12 ihrer Satzung: zehn Tage je 66,90 DM, weitere neun Tage Höchstsatz von je 264,60 DM) sowie vorläufig – für den Versicherten – der klagende Sozialhilfeträger (restlicher Eigenanteil von 646,27 DM). Der Kläger forderte von der Beklagten (als Krankenkasse) Erstattung, da es zu einem Eigenleistungsanteil des Versicherten nur gekommen sei, weil diese ihren nach § 39a SGB V zu leistenden Zuschuss zu niedrig festgesetzt habe. Die Beklagte habe zu Unrecht zugrundegelegt, der Pauschalbetrag der Pflegekasse verteile sich auf die ersten zehn Tage mit dem Höchstbetrag von täglich 275,03 DM (vgl § 43 Abs 5 Satz 1 Halbsatz 2 SGB XI) und für einen weiteren Tag mit dem Rest von 49,70 DM. Richtigerweise habe sie von einer gleichmäßigen linearen Verteilung des Gesamtbetrages auf alle 19 Tage ausgehen müssen. Bei dieser zutreffenden Berechnung wären von der Beklagten 194,56 DM täglich zu zahlen gewesen (2.800 DM : 19 Tage = 147,37 DM/Tag; 341,93 DM ./. 147,37 DM = 194,56 DM), ohne dass es noch zu einer Belastung des Versicherten gekommen wäre. Die Beklagte trat dem entgegen.
Während das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen hat (Gerichtsbescheid vom 5. Juli 2002), hat das Landessozialgericht (LSG) auf die zugelassene Berufung des Klägers hin die Beklagte zur Zahlung verurteilt, da der Pflegepauschalbetrag wegen der Gleichmäßigkeit der Hospizleistungen linear auf alle neunzehn Tage zu verteilen und deshalb von der Beklagten ein höherer Zuschuss zu leisten gewesen sei (Urteil vom 28. Juli 2004).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 102 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und § 39a SGB V. Das LSG habe den Zuschusscharakter der Leistung vernachlässigt. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach das SGB XI keine Tagespflegehöchstsätze für Pflegesachleistungen bei häuslicher Pflege vorsehe (BSG SozR 3-3300 § 38 Nr 2), sei auf den zu entscheidenden Fall zu übertragen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 28. Juli 2004 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 5. Juli 2002 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der beklagten Krankenkasse ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG den klagabweisenden Gerichtsbescheid des SG aufgehoben, da der klagende Sozialhilfeträger gegen die Beklagte Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten 330,43 € aus § 102 SGB X hat.
1. Im Revisionsverfahren fortwirkende prozessrechtliche Umstände, die einer Sachentscheidung des Senats entgegenstehen könnten, liegen nicht vor. Insbesondere hat das SG die an sich wegen des Wertes des Streitgegenstandes ausgeschlossene (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) Berufung zugelassen. Einer notwendigen Beiladung eines Rechtsnachfolgers des Versicherten nach § 75 Abs 2 Alt 1 SGG bedurfte es nicht. Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG im Erstattungsstreit zwischen dem Sozialhilfeträger und einem Träger der Sozialversicherung grundsätzlich der Versicherte nach § 75 Abs 2 SGG notwendig beizuladen (vgl Senat, SozR 3-1300 § 111 Nr 7 S 20 mwN). Daher hat das Gericht ähnlich wie beim Tod eines notwendig Beigeladenen (vgl dazu BSG, Urteil vom 27. Februar 1990 – 5 RJ 6/88, USK 90128 = HV-Info 1990, 1093) beim Tod eines notwendig Beizuladenden zu prüfen, ob die Voraussetzungen der notwendigen Beiladung auch für Rechtsnachfolger erfüllt sind. Einer Beiladung bedarf es aber nicht, wenn nach dem Tod des Versicherten weder die Möglichkeit von Doppelleistungen besteht noch Rechte von Rechtsnachfolgern betroffen sein können, so dass es lediglich noch um die Verteilung leistungsrechtlicher Verpflichtungen zwischen Leistungsträgern geht (vgl zu einer solchen Konstellation beim Streit zwischen Versicherungsträgern Senat, BSGE 72, 163, 169 = SozR 3-2200 § 183 Nr 6 mwN; zuletzt Senat, Urteil vom 10. Mai 2005 – B 1 KR 20/04 R –, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, mwN). Ähnlich verhält es sich hier. Da der Kläger erklärt hat, gegen Rechtsnachfolger des Versicherten keinen Rückgriff nehmen zu wollen, ist auch unter Berücksichtigung des Zeitablaufs und des Ausschlusses denkmöglicher Rechte von Sonderrechtsnachfolgern nach § 44 Abs 4 SGB X eine Situation geschaffen worden, die einem bloßen Streit um die Verteilung leistungsrechtlicher Verpflichtungen zwischen Leistungsträgern gleichsteht (zum Gesichtspunkt des Zeitablaufs vgl auch BSG SozR 3-2200 § 1237a Nr 2 S 3).
2. Im Ergebnis zu Recht hat das LSG angenommen, dass die Voraussetzungen des § 102 SGB X erfüllt sind. Diese Norm ist für Erstattungsansprüche der Träger der Sozialhilfe wie dem Kläger bei vorläufigen Hilfeleistungen nach § 44 Abs 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG idF von Art 1 Nr 17 Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996, BGBl I 1088) maßgeblich (vgl dazu auch Senat, Urteil vom 1. Juli 2003, B 1 KR 13/02 R; BVerwGE 118, 52 ff = Buchholz 435.12 § 102 SGB X Nr 3). Nach § 102 Abs 1 SGB X ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat.
Der Kläger hat als sachlich (§ 100 Abs 1 Nr 1 BSHG) und örtlich (§ 97 Abs 2 BSHG) zuständiger Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften zu Gunsten des Versicherten vorläufig Sozialleistungen erbracht. Er hat den rechnerisch verbliebenen Eigenbeitrag des Versicherten in geltend gemachter Höhe von 646,24 DM für das Hospiz in Form von Hilfe in besonderen Lebenslagen rechtmäßig gewährt (§§ 28, 29 BSHG), da wegen der Behinderung des Versicherten dessen Aufnahme in das Hospiz erforderlich war und der Versicherte sowie seine unterhaltspflichtigen Angehörigen nicht in der Lage waren, die Kosten aus eigenen Mitteln vollständig aufzubringen. Der Kläger erbrachte die Zahlung nach § 44 Abs 1 BSHG bewusst (vgl hierzu Senat, Urteil vom 10. Mai 2005 – B 1 KR 20/04 R – zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; vgl auch BSG SozR 1300 § 102 Nr 1 S 4; BSG SozR 1300 § 105 Nr 1 S 2) als vorläufige Leistung.
Die Beklagte war auch iS von § 102 Abs 1 SGB X der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger. Ob ein Sozialleistungsträger einem anderen Leistungsträger, der auf Grund gesetzlicher Vorschriften Sozialleistungen erbracht hat, nach § 102 Abs 1 SGB X dem Grunde nach als “der zur Leistung verpflichtete” Leistungsträger erstattungspflichtig ist, richtet sich – anders als es für den Umfang des Erstattungsanspruchs in § 102 Abs 2 SGB X bestimmt ist – nach den für den in Anspruch genommenen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften; erforderlich ist daher, dass der auf Kostenerstattung in Anspruch genommene Leistungsträger die Leistung, wegen derer Kostenerstattung begehrt wird, rechtmäßig hätte erbringen dürfen (BVerwGE 118, 52 ff, insbesondere Leitsatz 1 und 2 = Buchholz 435.12 § 102 SGB X Nr 3; vgl BSG SozR 3-5670 § 3 Nr 4 S 17, 21; Kater in Kasseler Komm, Stand Juni 2005, § 102 SGB X RdNr 18). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Die Beklagte hätte rechtmäßig den streitigen Betrag leisten dürfen, denn der Versicherte hatte gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung (weiterer) 646,24 DM als Zuschuss nach § 39a SGB V (hier noch anzuwenden idF von Art 1 Nr 12 2. GKV-Neuordnungsgesetzes ≪2. GKV-NOG≫ vom 23. Juni 1997, BGBl I 1520, gemäß Art 19 Abs 3 2. GKV-NOG zum 1. Januar 1997 in Kraft getreten; gemäß Art 2 Pflegeleistungsergänzungsgesetz ≪PflEG≫ vom 14. Dezember 2001, BGBl I 3728 mit Wirkung vom 1. Januar 2002 als Absatz 1 gefasst) iVm § 12 der Satzung der Beklagten. Nach § 39a Satz 1 SGB V haben Versicherte, die keiner Krankenhausbehandlung bedürfen, im Rahmen der Verträge nach Satz 4 Anspruch auf einen Zuschuss zu stationärer oder teilstationärer Versorgung in Hospizen, in denen palliativ-medizinische Behandlung erbracht wird, wenn eine ambulante Versorgung im Haushalt oder der Familie des Versicherten nicht erbracht werden kann. Die Höhe des Zuschusses ist in der Satzung der Krankenkasse festzulegen (Satz 2). Er darf kalendertäglich 6 vH der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) nicht unterschreiten und unter Anrechnung der Leistungen anderer Sozialleistungsträger die tatsächlichen kalendertäglichen Kosten nach Satz 1 nicht überschreiten (Satz 3). Die Spitzenverbände der Krankenkasse gemeinsam und einheitlich vereinbaren mit den für die Wahrnehmung der Interessen der stationären Hospizen maßgeblichen Spitzenorganisationen das Nähere über Art und Umfang der Versorgung nach Satz 1; der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (Satz 4).
Der Versicherte hatte gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf einen Zuschuss zur stationären Hospizversorgung (§ 39a Satz 1 SGB V). Er bedurfte nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen, für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG keiner Krankenhausbehandlung und befand sich in einem Hospiz, in dem palliativ-medizinische Behandlung erbracht wurde. Er konnte nicht in seinem Haushalt oder seiner Familie ambulant versorgt werden. Auf Grund des Vollbilds der bei ihm bestehenden Infektionskrankheit AIDS waren auch die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nach § 2 der Rahmenvereinbarung nach § 39a Satz 4 SGB V vom 13. März 1998 (im Internet abrufbar unter http://www.hospiz.net/Gesetze/2.html; im Folgenden: Rahmenvereinbarung) erfüllt, wie es auch ein Vertragsarzt bestätigt hatte (zur Rahmenvereinbarung vgl Schmidt in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand Mai 2005, § 39a SGB V RdNr 39; Gunder, ErsK 1998, 420 f; Noftz in: Hauck/derselbe, Gesetzliche Krankenversicherung, Stand Juni 2005, K § 39a SGB V RdNr 41 mwN). Es unterliegt keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Gesetzgeber die nähere Konkretisierung der Tatbestandsmerkmale des Anspruchs auf Zuschuss nach § 39a Satz 1 SGB V durch § 39a Satz 4 SGB V den Spitzenverbänden der Krankenkassen (§ 213 Abs 1 SGB V) und den für die Interessenwahrnehmung der stationären Hospize maßgeblichen Spitzenorganisationen übertragen hat (kombiniert mit einem Recht zur Stellungnahme der KBV). § 39a SGB V dient insgesamt dazu, die bis zu seinem Inkrafttreten ohne Rechtsgrundlage erfolgte Teilfinanzierung der Hospize durch die Krankenkassen auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des 14. Ausschusses, BT-Drucks 13/7264 S 60, zu Art 1 Nr 11a – neu). Den wesentlichen Inhalt einschließlich der Voraussetzungen des Anspruchs auf Zuschuss im Falle stationärer Hospizleistung hat der Gesetzgeber in § 39a SGB V selbst hinreichend festgelegt.
Der Versicherte konnte vor diesem rechtlichen Hintergrund zu Lebzeiten für den Monat Mai 1999 von der Beklagten einen um 646,24 DM höheren Zuschuss beanspruchen. Die Beklagte hat bei der Festsetzung ihres Zuschusses die Teilleistung der Pflegekasse für medizinische Behandlungspflege und soziale Betreuung in Höhe von 2.800 DM (§ 43 Abs 5 SGB XI hier anzuwenden idF von Art 1 3. Gesetz zur Änderung des SGB XI vom 5. Juni 1998, BGBl I 1229) für den Monat Mai unzutreffend angerechnet. Sie hätte von einer gleichmäßigen Verteilung dieser Leistung auf alle 19 Tage stationärer Hospizversorgung im Mai 1999 ausgehen und deshalb zu einem höheren eigenen Zahlbetrag gelangen müssen.
Nach § 39a Satz 3 zweiter Satzteil SGB V darf der Zuschuss “unter Anrechnung der Leistungen anderer Sozialleistungsträger die tatsächlichen kalendertäglichen Kosten nach Satz 1 nicht überschreiten.” Bei dieser “Anrechnung” anderer Sozialleistungen ist grundsätzlich auf die ausdrückliche oder sich aus den Umständen, insbesondere aus den gesetzlichen Vorgaben sich ergebende Leistungsbestimmung des jeweiligen Sozialleistungsträgers abzustellen. Die Krankenkasse hat diese (fremde) Leistungsbestimmung als maßgeblich zugrunde zu legen. Das hat die Beklagte nicht hinreichend beachtet und deshalb ihren Zuschuss nach § 39a SGB V zu niedrig festgesetzt.
Die Bindungswirkung der fremden Leistungsbestimmung für die Krankenkasse bei Anrechnung anderer Leistungen beruht auf der Gesamtsystematik der Regelungen zur Finanzierung der stationären Hospizversorgung sowie auf Sinn und Zweck der Anrechnungsregelung in § 39a SGB V. Nicht ein Leistungsträger allein finanziert die stationäre Hospizversorgung von Sozialversicherten mit einem Gesamtbetrag, vielmehr fließen regelmäßig Teilbeträge mehrerer Träger zusammen. Decken diese Teilbeträge nicht den vollen abrechenbaren Bedarf des Hospizes, verbleibt ein Eigenanteil des Versicherten, den ggf der Sozialhilfeträger zu übernehmen hat. Für die Teilleistungen der an der Finanzierung beteiligten Leistungsträger sind jeweils die speziell für sie geltenden Rechtsvorschriften maßgeblich. Dementsprechend regelt § 39a SGB V für die gesetzliche Krankenversicherung die Hospizfinanzierung nicht umfassend, sondern sieht nur vor, dass durch einen Zuschuss maximal der Fehlbedarf ausgeglichen wird, der sich nach Berücksichtigung der Leistungen anderer Sozialleistungsträger ergibt. Deshalb darf der Zuschuss nach § 39a SGB V “unter Anrechnung der Leistungen anderer Sozialleistungsträger die tatsächlichen kalendertäglichen Kosten” des Hospizes nicht überschreiten. Nach den Gesetzesmaterialien (Beschlussempfehlung und Bericht des 14. Ausschusses, BT-Drucks 13/7264 S 13 Nr 11a; Begründung hierzu S 60 f) sind Leistungen anderer Sozialleistungsträger nur dann anzurechnen, wenn durch ein ungeschmälertes Zusammentreffen der Leistungen beispielsweise von Krankenversicherung und Pflegeversicherung ein höherer Betrag als die tatsächlich pro Tag entstandenen Kosten an das Hospiz gezahlt würde. Entgegen der Ansicht der Beklagten haben die Krankenkassen insoweit aber nicht die Befugnis, in der Satzung die Anrechnung anderer Sozialleistungen davon abweichend zu gestalten. Bei der Anrechnung sind solche Leistungen nicht zu berücksichtigen, die gegenüber denjenigen der gesetzlichen Krankenversicherung nachrangig sind, wie es bei den Leistungen des Klägers nach dem BSHG der Fall war.
Eine ausdrückliche Bestimmung über die Verteilung der 2.800 DM auf die Tage des Monats Mai 1999, die die Beklagte zu beachten gehabt hätte, hatte die Pflegekasse allerdings nicht getroffen. Auch aus den für das Hospiz geltenden Vergütungsvereinbarungen und der Rahmenvereinbarung ergibt sich hierzu nichts. Schließlich haben auch detaillierte ausdrückliche gesetzliche Vorgaben des Rechts der Pflegeversicherung für die Verteilung des Pauschalbetrags von 2.800 DM auf einzelne Tage nicht bestanden. § 43 SGB XI (hier anzuwenden idF von Art 1 3. Gesetz zur Änderung des SGB XI vom 5. Juni 1998, BGBl I 1229) bestimmte in Abs 5 nur Folgendes: “In der Zeit vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 1999 übernimmt die Pflegekasse abweichend von Abs 2 Satz 1 die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der medizinischen Behandlungspflege und der sozialen Betreuung pauschal … für Pflegebedürftige der Pflegestufe III in Höhe von 2.800 Deutsche Mark monatlich; … insgesamt darf der von der Pflegekasse zu übernehmende Betrag 75 vH des Gesamtbetrages aus Pflegesatz, Entgelt für Unterkunft und Verpflegung und gesondert berechenbaren Investitionskosten nach § 82 Abs 3 und 4 nicht übersteigen.” Die gesetzlichen Vorgaben für die Pflegevergütung richteten sich nach dem Achten Kapitel des SGB XI. Den 1999 geltenden gesetzlichen Bestimmungen ist dabei nicht im Einzelnen zu entnehmen, dass über die Beschränkung der Leistungshöhe gemäß § 43 Abs 5 Satz 1 zweiter Halbsatz SGB XI hinaus (auf 75 vH des Gesamtbetrages aus Pflegesatz, Entgelt für Unterkunft und Verpflegung und gesondert berechenbare Investitionskosten nach § 82 Abs 3 und 4 SGB XI) weitere Einschränkungen bestanden haben, die etwa eine Verteilung des Monatspauschalbetrages nach § 43 Abs 5 Satz 1 erster Halbsatz SGB XI konzentriert auf den Monatsbeginn oder auf einen gleichmäßigen Tagessatz gefordert hätten. Erst § 87a Abs 1 Satz 1 SGB XI (Art 1 Nr 13 Pflegequalitätssicherungsgesetz vom 9. September 2001, BGBl I 2320 idF von Art 4 Nr 2 Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz vom 14. Dezember 2001, BGBl I 3728) sieht mit Wirkung vom 1. Januar 2002 nunmehr vor, dass die Pflegesätze, die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung sowie die gesondert berechenbaren Investitionskosten (Gesamtheimentgelt) für den Tag der Aufnahme des Pflegebedürftigen in das Pflegeheim sowie für jeden weiteren Tag des Heimaufenthalts berechnet werden (Berechnungstag). Nach Satz 2 dieser Norm endet die Zahlungspflicht der Heimbewohner oder ihrer Kostenträger mit dem Tag, an dem der Heimbewohner aus dem Heim entlassen wird oder stirbt. Auch nach der Neuregelung verbleiben aber Auslegungsspielräume für die Zuordnung der Monatspauschale nach § 43 Abs 5 Satz 1 SGB XI zu einzelnen Tagen der Hospizversorgung.
Trotz der geringen Normdichte der gesetzlichen Vorgaben des SGB XI bedarf es im vorliegenden Fall nicht der Vertiefung, ob mit Blick auf die im Jahre 1999 geltenden Regelungen des Heimgesetzes und den Rechtsgedanken einer für die Versicherten optimierten Leistungsverteilung aus § 2 Abs 2 zweiter Halbsatz Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sowie aus § 38 SGB XI (vgl zur Anwendbarkeit der Kombinationsleistung bei häuslicher und vollstationärer Pflege BSG SozR 3-3300 § 38 Nr 2 LS 2) bereits vor Geltung des § 87a SGB XI davon auszugehen war, dass die Monatspauschalbeträge nach § 43 Abs 5 Satz 1 SGB XI auf alle in Betracht kommenden Einzeltage zu verteilen sind. Im Fall des Versicherten hat jedenfalls die Pflegekasse für Mai 1999 den vollen Monatsbetrag gezahlt, ohne dass ihr – aus Gründen des Vertrauensschutzes – selbst bei Rechtswidrigkeit der Leistungshöhe eine Rückforderungsmöglichkeit nach § 45 SGB X offen stünde. Da auch die Pflegekasse – wie dargelegt – hinsichtlich des Pauschalbetrags keine auf einzelne Tage bezogene Zahlungsbestimmung getroffen hat und sich hierzu auch nichts Näheres aus den sonstigen Umständen ergibt, ist für die Verteilung der Pauschale von 2.800 DM unter Beachtung der gesetzlichen Obergrenzen entscheidend auf den Zweck der Leistung unter Berücksichtigung von § 1 Abs 4 SGB XI und § 2 Abs 2 Halbsatz 2 SGB I abzustellen. Ohne Belang ist es dabei, dass nunmehr der klagende Sozialhilfeträger an Stelle des Versicherten dessen Rechte geltend macht. Nach § 1 Abs 4 SGB XI hat die Pflegeversicherung die Aufgabe, Pflegebedürftigen Hilfe zu leisten, die wegen der Schwere der Pflegebedürftigkeit auf solidarische Unterstützung angewiesen sind. Zweck des Pauschalbetrages nach § 43 Abs 5 SGB XI ist es dagegen nicht, den zuständigen Krankenversicherungsträger von Zuschusskosten nach § 39a SGB V zu entlasten. Auch unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens von § 2 Abs 2 Halbsatz 2 SGB I, wonach sicherzustellen ist, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden, liegt auf der Hand, dass eine Verteilung der Pauschalleistungen nach § 43 Abs 5 SGB XI, wie sie die Beklagte bei ihrer Anrechnung zugrundegelegt hat, diesen Zielsetzungen widerspricht. Mit den Anrechnungsbestimmungen des § 39a SGB V ist es vielmehr allein vereinbar, von einer solchen Verteilung des Monatspauschalbetrags, der unwiderruflich von der Pflegekasse zur Verfügung gestellt worden ist, auszugehen, dass unter Berücksichtigung des Zuschusses der Krankenkasse möglichst kein Eigenbeitrag des Versicherten zu den Hospizkosten verbleibt. Zu einem solchen Ergebnis führt hier – auch unter Berücksichtigung der jeweiligen Höchstsätze – jedenfalls die gleichmäßige Verteilung der Monatspflegepauschale auf alle neunzehn Tage.
Der rechnerisch aus der gleichmäßigen Aufteilung von 2.800 DM auf 19 Tage resultierende Betrag von 147,37 DM täglicher Pflegekassenleistung unterschreitet die zulässige Obergrenze gemäß § 43 Abs 5 Satz 1 Halbsatz 2 SGB XI von (hier) 275,03 DM pro Tag deutlich. Die Anrechnung einer gleichmäßigen täglichen Leistung der Pflegekasse führt auch nicht dazu, dass der für die Beklagte geltende satzungsgemäße Tageshöchstbetrag des Zuschusses überschritten wird. Die Höhe des Zuschusses ist nach § 12 Abs 2 der Satzung der Beklagten – insoweit in Einklang mit den Mindestanforderungen nach § 39a Satz 3 SGB V – in Höhe von kalendertäglich 6 vH der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs 1 SGB IV festgelegt. Danach belief sich der kalendertägliche Zuschuss im Jahre 1999 auf maximal 264,60 DM. Ausgehend von den (vertragskonform) in Rechnung gestellten Hospizkosten von 341,93 DM pro Tag verblieben für die Beklagte dagegen tägliche Zuschüsse in Höhe von 194,56 DM. Mit den Teilleistungen von 194,56 DM (Beklagtenanteil) und 147,37 DM (Pflegekassenanteil) wurden die tatsächlichen kalendertäglichen Kosten nach § 39a Satz 1 SGB V ebenfalls nicht überschritten (341,93 DM gegenüber dem tagesbezogenen Bedarfssatz des Hospizes von 379,92 DM). Die Differenz zwischen dem Bedarfs- und Abrechnungssatz beruht auf der für das Hospiz geltenden Vergütungsvereinbarung unter Berücksichtigung von § 7 Abs 6 der Rahmenvereinbarung (vgl dazu Schmidt in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 39a SGB V RdNr 19). Darin ist vorgesehen, dass der Zuschuss maximal 90 vH des Bedarfssatzes beträgt, der sich nach § 7 der Rahmenvereinbarung bemisst. Der Zuschusscharakter der Teilleistung der Beklagten bleibt bei einer Leistungshöhe von täglich 194,56 DM gegenüber einem Gesamtbedarf von 379,92 DM unzweifelhaft gewahrt. Insgesamt hätte danach dem Versicherten von der Beklagten, wie in § 102 Abs 1 SGB X vorausgesetzt, ein weiterer Zuschuss in Höhe von 646,24 DM für die Hospizbehandlung vom 1. bis 19. Mai 1999 zugestanden.
Entgegen ihrer Ansicht kann die Beklagte nichts aus der Rechtsprechung des BSG für sich ableiten, wonach die Kostenerstattung für die häusliche Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst nicht auf einen Tageshöchstsatz beschränkt ist (BSG SozR 3-3300 § 38 Nr 2). Nach dieser Entscheidung darf aus der in § 36 SGB XI für Pflegebedürftige der Pflegestufe III vorgesehenen Beschränkung der Sachleistung bei häuslicher Pflege auf (seinerzeit) 2.800 DM je Kalendermonat (jetzt: 1.432 €) nicht auch auf einen gesetzlichen Tageshöchstsatz von 93,33 DM geschlossen werden. Die Regelung ist vielmehr so zu verstehen, dass die Sachleistungen bei häuslicher Pflege – ohne oder mit Unterbrechungen – an allen Tagen des Kalendermonats (Durchschnitt 30 Tage) nach dem jeweiligen Pflegebedarf in Anspruch genommen werden können, die Pflegekasse dafür aber höchstens bis zum Werte von 2.800 DM einzustehen hat. Dies bedeutet, dass die Versicherungsleistungen nicht für den ganzen Monat reichen, wenn die Aufwendungen vor Ablauf des Kalendermonats bereits den Betrag von 2.800 DM erreicht haben (BSG SozR 3-3300 § 38 Nr 2 S 12). Mit dieser Argumentation ist das BSG dem Berechnungsmodus einer Pflegekasse entgegengetreten, die durch die Begrenzung auf einen gesetzlich nicht vorgesehenen Tageshöchstsatz den Betrag der zu erstattenden häuslichen Pflege beschränkt hatte. Abgesehen davon, dass es im vorliegenden Rechtsstreit nicht um Ansprüche nach § 36 SGB XI geht, kann die Beklagte aus der genannten Entscheidung auch deshalb nichts für sich ableiten, weil das Urteil gerade darauf ausgerichtet ist, dem betroffenen Leistungsberechtigten den von der Pflegeversicherung zur Verfügung gestellten Monatsbetrag verteilt nach den Interessen dieses Berechtigten – ohne Begrenzung auf gesetzlich nicht fixierte Tagessätze – zur Verfügung zu stellen. Dies entspricht den Rechtsgedanken, die der Senat für die Anrechnung der Monatspflegepauschale für die stationäre Hospizversorgung zugrunde legt.
3. Die Kostenentscheidung beruht aus Gründen des Vertrauensschutzes (vgl dazu Senat, Urteile vom 27. September 2005, B 1 KR 30/03 R; B 1 KR 1/04 R und B1 KR 31/03 R, letzteres zur Veröffentlichung in BSGE und SozR bestimmt, mwN) auf § 193 SGG aF.
Fundstellen
Haufe-Index 1476046 |
FA 2006, 160 |
FEVS 2006, 385 |
KrV 2006, 91 |
SGb 2006, 38 |
GesR 2006, 132 |
PflR 2006, 175 |