Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe der Entgeltpunkte aus der begrenzten Gesamtleistungsbewertung für Anrechnungszeiten wegen Schulausbildung bei Umwandlung einer Altersteilrente in eine Vollrente
Leitsatz (amtlich)
Wurde die Altersrente zunächst als Teilrente gezahlt, so bleibt es bei den beim Rentenbeginn festgestellten Entgeltpunkten der begrenzten Gesamtleistungsbewertung von Anrechnungszeiten wegen des Besuchs einer Schule auch dann, wenn die Altersrente später als Vollrente geleistet wird.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
SGB VI §§ 42, 71 Fassung: 1989-12-18, § 74 Fassung: 1989-12-18, § 263 Abs. 3 Fassung: 1989-12-18, § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Buchst. a.F.assung: 1989-12-18
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. März 1996 und auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 8. August 1995 geändert.
Die Beklagte wird unter Änderung ihres Bescheides vom 13. Dezember 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 1994 verurteilt, die Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung mit 0,0825 Entgeltpunkten je Kalendermonat zu bewerten.
Im übrigen werden die Klage abgewiesen sowie die Berufung und die Revision zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin drei Viertel der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe einer Altersrente streitig.
Die Klägerin ist die Witwe des am 29. Juli 1996 verstorbenen Versicherten E. … M. …. Ihm hatte die Beklagte vom 1. April 1992 bis 31. Dezember 1993 die Altersrente für Schwerbehinderte gewährt, und zwar als Teilrente zu einem Drittel der Vollrente (Bescheid vom 22. September 1992). Der Rente lag eine Anrechnungszeit von 63 Monaten wegen schulischer Ausbildung vom 4. Dezember 1945 bis zum 27. Februar 1951 zugrunde. Den sich aus der Gesamtleistungsbewertung ergebenden Wert von monatlich 0,1286 Entgeltpunkten (EP) setzte die Beklagte auf den Höchstwert von 0,0825 EP herab.
Ab dem 1. Januar 1994 wurde dem Versicherten die Altersrente antragsgemäß als Vollrente gezahlt. Hinsichtlich der für die Anrechnungszeit zu ermittelnden EP ging die Beklagte nunmehr von einer auf monatlich 0,0792 EP begrenzten Gesamtleistungsbewertung aus. Darüber hinaus fanden die während des Teilrentenbezugs entrichteten Pflichtbeiträge aus einer ausgeübten Teilzeitbeschäftigung Anrechnung (Bescheid vom 13. Dezember 1993). Den Widerspruch des Versicherten gegen die Absenkung der EP von monatlich 0,0825 auf 0,0792, wonach der Beginn seiner (Teil-)Altersrente auch die Höhe der bei der Vollrente zu berücksichtigenden EP bestimmt habe, wies die Beklagte mit der Begründung zurück, die Vollrente sei als eine „neue” Altersrente mit selbständigem Rentenbeginn anzusehen (Widerspruchsbescheid vom 22. März 1994). Das Sozialgericht (SG) Gießen hat die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom „12. November 1993” (richtig: 13. Dezember 1993) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 1994 verurteilt, „die Schulanrechnungszeiten des Klägers mit 0,99 zu bewerten” und ihm entsprechend höhere Rente zu gewähren (Urteil vom 8. August 1995).
Auf die Berufung der Beklagten hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 26. März 1996). Der Wortlaut des § 42 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI), wonach der Versicherte zwischen der Inanspruchnahme von Teil- oder Vollrente wählen könne, mache deutlich, daß die Teilrente wie die Vollrente eigenständige, die Altersrente untergliedernde Rentenarten seien. Auch § 100 Abs 2 SGB VI, der den Beginn einer im Vergleich zur bisher bezogenen Teilrente höheren Rente festlege, bringe dies zum Ausdruck. Daß der Wechsel von der Teil- zur Vollrente mit einem neuen Rentenbeginn verbunden sei, folge schließlich aus der Vorschrift des § 66 Abs 3 Satz 1 SGB VI, die für die Ermittlung der EP einer Teilrente auf die EP der ersten Altersrente abstelle. Die während des Teilrentenbezugs erworbenen EP seien erst bei der Vollrente zu berücksichtigen. Bei der notwendigen Neuberechnung sei die Gesamtleistungsbewertung ebenfalls neu zu begrenzen. Besitzgeschützt sei nach § 88 Abs 1 SGB VI allein die Summe der EP und nicht das einzelne Berechnungselement.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 263 Abs 3 SGB VI. Die in dieser Vorschrift aufgeführten Grenzwerte seien für den gesamten Bezug der jeweiligen Rentenart maßgebend. Daß dem Versicherten die Leistung zunächst als Teilrente und später in voller Höhe gewährt worden sei, lasse die Eigenschaft als Altersrente unberührt. Auch im Unfallversicherungsrecht würden Teil- und Vollrenten nicht als gleichwertige Unterrentenarten behandelt. Weder der Regelungsinhalt der §§ 100 und 66 Abs 3 Satz 1 SGB VI noch Sinn und Zweck des § 263 Abs 3 SGB VI rechtfertigten eine andere Beurteilung. Der in § 263 Abs 3 SGB VI verankerte Besitzschutz ginge ins Leere, sofern die EP bei jeder auf dem Hinzuverdienst beruhenden Änderung der Rentenhöhe neu zu ermitteln wären.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil des Hessischen Landessozialgerichts aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 8. August 1995 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und erwidert, der mit dem Bezug der Vollrente verbundene „neue” Rentenbeginn leite sich aus dem Zusammenwirken der § 100 Abs 2, § 75 Abs 1 und § 66 Abs 3 Satz 1 SGB VI ab. § 100 Abs 2 SGB VI enthalte ohne Rücksicht auf einen Wechsel in der Rentenart eine Sonderregelung für den Beginn einer höheren Teil- oder der Vollrente. Der Rentenbeginn wirke sich zugleich auf die Ermittlung der EP aus. Da gemäß § 75 Abs 1 SGB VI für Zeiten nach Beginn der zu berechnenden Rente EP nur für eine Zurechnungszeit ermittelt würden, könnten während des Teilrentenbezugs zurückgelegte rentenrechtliche Zeiten nur deshalb Berücksichtigung finden, weil mit der Bewilligung einer Vollrente eine neue Rente iS des § 263 Abs 3 SGB VI begonnen habe. Mit der Regelung des § 66 Abs 3 Satz 1 SGB VI habe der Gesetzgeber gerade eine Neuberechnung der Teilrente unter Berücksichtigung der seit dem Beginn dieser Rente erworbenen EP verhindern wollen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist im wesentlichen begründet.
Die Beklagte hat die Höhe der Altersrente als Vollrente fehlerhaft festgestellt. Die der Rentenberechnung zugrundeliegende Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung ist mit 0,0825 EP – statt, wie die Beklagte meint, mit 0,0792 EP – je Kalendermonat zu bewerten. Insoweit war das den angefochtenen Verwaltungsakt bestätigende Berufungsurteil aufzuheben und das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen. Das SG hat die Beklagte aber zu Unrecht verurteilt, für jeden Kalendermonat der Anrechnungszeit EP in Höhe von 99 vH des sich aus der Gesamtleistungsbewertung ergebenden Wertes zu berücksichtigen; 99 vH des sich aus der Gesamtleistungsbewertung ergebenden Wertes (0,1286 EP) betragen 0,1273 EP. Indessen darf der Wert 0,0825 EP nicht übersteigen. Insoweit war das Urteil des SG zu ändern und dies bei der Entscheidung über die Rechtsmittel zu berücksichtigen.
Der Wert von 0,0825 EP, den die Beklagte insoweit zutreffend für jeden mit einer Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung belegten Kalendermonat zugrunde gelegt hat (dazu im folgenden zu 1), als sie die Altersrente für Schwerbehinderte ab dem 1. April 1992 als Teilrente berechnet und gezahlt hat, ist – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sowie der Beklagten – auch bei der Berechnung der vom 1. Januar 1994 an als Vollrente gezahlten Altersrente zu berücksichtigen. Die Gesamtleistungsbewertung richtet sich nach dem Entstehungszeitpunkt des ersten aus dem Stammrecht auf eine bestimmte Rentenart folgenden Einzelleistungsanspruchs (2). Mit der Inanspruchnahme der Altersrente als Teilrente oder als Vollrente wird lediglich die Höhe der wiederkehrenden Zahlungsansprüche festgelegt, ohne den Grundanspruch zu verändern (3). Sinn und Zweck der Teilrente stehen ebenfalls einer unterschiedlichen Bewertung der Ausbildungs-Anrechnungszeit entgegen (4).
1. Nach den Regeln des insoweit am 1. Januar 1992 in Kraft getretenen SGB VI in der Fassung des Rentenreformgesetzes (RRG) 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I, 2261; im folgenden: aF) werden für beitragsfreie Zeiten (Kalendermonate, die mit Anrechnungszeiten belegt und für die nicht auch Beiträge gezahlt worden sind, § 54 Abs 4 SGB VI) EP angerechnet, deren Höhe von der Höhe der in der übrigen Zeit versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen abhängig ist (§ 63 Abs 3 SGB VI). Sie erhalten den Durchschnittswert an EP, der sich aus der Gesamtleistung an Beiträgen im belegungsfähigen Zeitraum ergibt (§ 71 Abs 1 Satz 1 SGB VI). Dabei erhalten sie gem § 71 Abs 1 Satz 2 SGB VI den höheren, aus der Gesamtleistung an Beiträgen im belegungsfähigen Zeitraum resultierenden Durchschnittswert an EP, der sich entweder aus der Grundbewertung aus allen Beiträgen (dazu § 72 SGB VI) oder der Vergleichsbewertung aus ausschließlich vollwertigen Beiträgen (dazu § 73 SGB VI) ergibt. Anrechnungszeiten sind ua Zeiten, in denen der Versicherte nach dem vollendeten 16. Lebensjahr eine Schule besucht hat, bis zur Dauer von höchstens sieben Jahren (§ 58 Abs 1 Nr 4 Buchst a SGB VI aF).
Der aus der Gesamtleistungsbewertung errechnete Wert (beim Kläger 0,1286 monatlich) findet jedoch wiederum nur zum Teil Berücksichtigung. Er wird nach der in § 74 SGB VI aF vorgeschriebenen begrenzten Gesamtleistungsbewertung für jeden Kalendermonat mit Anrechnungszeiten wegen des Besuchs einer Schule – in einem ersten Schritt – auf 75 vH begrenzt (§ 74 Satz 1 SGB VI aF). Im zweiten Schritt (§ 74 Satz 2 SGB VI aF) wird dieser Wert gedeckelt; danach darf die begrenzte Gesamtleistungsbewertung für Schul-Anrechnungszeiten für einen Kalendermonat 0,0625 EP nicht übersteigen. Für die Einführung der begrenzten Gesamtleistungsbewertung sieht die Übergangsvorschrift in § 263 Abs 3 SGB VI aF in Form einer Tabelle vor, daß „bei Beginn der Rente” in den Jahren 1992 bis 2003 bei der begrenzten Gesamtleistungsbewertung an die Stelle der ua in § 74 SGB VI genannten Werte von 75 vH und 0,0625 EP andere – höhere – Vomhundertsätze und EP treten. Demnach ergibt sich, daß bei den schulischen Ausbildungszeiten der Gesamtleistungswert bei einem „Rentenbeginn” im Jahre 1992 auf 99 vH begrenzt ist und 0,0825 EP je Kalendermonat nicht übersteigen darf, während bei einem „Rentenbeginn” im Jahre 1994 noch 95 vH des Gesamtleistungswertes, höchstens jedoch 0,0792 EP monatlich anrechenbar sind.
Nach der Übergangsregelung des § 263 Abs 3 SGB VI ist das Ausmaß der begrenzten Gesamtleistungsbewertung mithin vom „Beginn der Rente” abhängig. Begrifflich erweist sich die „Rente” als eine Sozialleistung im Sinne des § 11 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I), auf die mit der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht (§§ 38, 40 Abs 1 SGB I). In Übereinstimmung mit dem bürgerlichen Recht hat die Rechtsprechung des BSG seit langem im Hinblick auf den Begriff des Rechtsanspruchs auf Rente unterschieden zwischen dem „Recht auf Rente an sich” und dem „Recht auf die einzelne fällige Leistung”. Vom Einzelleistungsanspruch hat es damit das „Stammrecht” „Grundanspruch”) abgegrenzt (BSG vom 18. Dezember 1986, BSGE 61, 108, 110; vgl zur Unterscheidung von Stammrecht und Einzelanspruch auch BSG vom 23. Juni 1994, SozR 3-2600 § 300 Nr 3 S 5). Der Gesetzgeber des SGB VI knüpfte an die Abstufung zwischen dem Grundanspruch und dem Einzelleistungsanspruch an; die Vorschriften des § 63 Abs 6 sowie des § 64 SGB VI unterscheiden folglich zwischen der „Rente” an sich sowie dem „Monatsbetrag der Rente”.
2. Unter dem „Beginn” der Rente ist nun der Zeitpunkt zu verstehen, zu dem der aus dem Stammrecht oder Grundanspruch erwachsende Anspruch auf die erste Einzelleistung, mithin der Monatsbetrag der Rente, entsteht (vgl Senatsurteil vom 25. Juli 1995, SozR 3-2600 § 95 Nr 1 S 5; vgl zur Anwendung von § 263 Abs 3 SGB VI bei Zugunstenbescheid BSG vom 30. Januar 1997 – 4 RA 55/95 – S 9 f des Abdrucks, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das Stammrecht auf eine Rente wird erworben, sobald die materiell-rechtliche Anspruchsberechtigung dem Grunde nach gegeben ist. Es entsteht, wenn die für die jeweilige Rente erforderliche Mindestversicherungszeit (Wartezeit) erfüllt ist und die jeweiligen versicherungsrechtlichen sowie persönlichen Voraussetzungen vorliegen (§ 34 Abs 1 SGB VI). Mit ihrem Entstehen werden die Ansprüche regelmäßig fällig (vgl § 41 SGB I), weshalb die Fälligkeit Folge des Anspruchs, nicht aber dessen Voraussetzung ist. Aber spätestens dann, wenn die Einzelleistung fällig wird, besteht ein Anspruch in diesem (engeren) Sinne des Versicherten gegen den Sozialversicherungsträger (so auch BSG vom 22. Februar 1995 – 4 RA 88/94 – S 6 des Abdrucks). Die konkrete Ausgestaltung der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen ergibt sich aus den §§ 35 ff SGB VI. Insoweit kommt es darauf an, welche Rente vom Versicherten oder den Hinterbliebenen begehrt wird. Die in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) zu leistenden Renten sind in § 33 SGB VI abschließend aufgezählt (vgl BT-Drucks 11/4124 zu § 33 S 161). Die Vorschrift unterscheidet zwischen den von diesem Sozialversicherungszweig abgedeckten Lebensrisiken des Alters, der Erwerbsminderung und des Todes (Abs 1) und faßt die nach Eintritt des jeweiligen Versicherungsfalls möglichen Rentenarten zusammen (Abs 2 bis 5). Vorliegend hatte der Versicherte ein Stammrecht auf die Altersrente für Schwerbehinderte nach § 33 Abs 2 Nr 3, § 37 SGB VI erlangt.
3. Damit ist die am 1. April 1992 begonnene Rente des Versicherten erschöpfend umschrieben. Die Modifikation der Zahlung dieser Rente als Teilrente tritt hinzu, ohne indessen „die Rente” auch im Hinblick auf § 263 Abs 3 SGB VI zu berühren.
a) Die Regelung über Vollrente und Teilrente in § 42 SGB VI greift ebenfalls den allgemeinen Terminus „Rente” auf, der vorstehend entwickelt und in seiner Bedeutung dargestellt wurde; er ist übergreifend und einheitlich zu verwenden (vgl Senatsurteil vom 25. Juli 1995 aaO S 5). Schon nach seinem Wortlaut setzt er „eine Rente wegen Alters” (§ 42 Abs 1 Satz 1 SGB VI) voraus, auf die der monatliche Zahlbetragsanspruch (Anspruch auf den Monatsbetrag der Rente) gerichtet ist. Ausdrücklich modifiziert das Gesetz diesen Anspruch der Höhe nach, ohne in den Anspruch einzugreifen. Damit wird eine weitere Rentenart-Variante nicht begründet; eine andere Auslegung wäre mit der oben gezeigten Gesetzessystematik nicht zu vereinbaren, zumal § 33 SGB VI die Teil- bzw die Vollrente auch nicht erwähnt. Deren Bewilligung setzt somit eine zu leistende Altersrentenart voraus. Die Teilrente beträgt ein Drittel, die Hälfte oder zwei Drittel der „erreichten Vollrente” (§ 42 Abs 2 SGB VI; zur Berechnung der EP vgl § 66 Abs 3 SGB VI). Wenn es sich nach der gewählten Formulierung bei der Teil- und Vollrente dem Grunde nach um dieselbe Altersrente handelt, schließt dies aus, in einem anderen Zusammenhang diese begriffliche Einheit der Altersrente wieder zu zerschlagen. Entgegen der Auffassung des LSG läßt die Teilbarkeit des Rentenanspruchs damit gerade nicht auf eine Eigenständigkeit der Teilrente schließen; die Teil-/Vollrente erweist sich lediglich als Quote der Altersrente.
An die Modifizierung der zu beanspruchenden Rente durch die Auszahlung als Teil- oder Vollrente knüpfen weitere Regelungen an und bestätigen diese Auslegung. So setzt der Anspruch auf eine Altersrente gem § 34 Abs 2 und 3 SGB VI vor der Vollendung des 65. Lebensjahres voraus, daß die in dieser Vorschrift angegebenen Hinzuverdienstgrenzen nicht überschritten werden. Dabei kommt es für die Höhe der Hinzuverdienstgrenzen darauf an, ob die in Anspruch genommene Altersrente „als” Voll- oder „als” Teilrente geleistet wird.
b) Nach § 100 Abs 2 SGB VI wird eine höhere Rente als eine bisher bezogene Teilrente von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen hierfür erfüllt sind, wenn sie bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, bei späterer Antragstellung von dem Kalendermonat an, in dem sie beantragt wird. Diese Bestimmung regelt den Beginn einer höheren Teil- wie auch der Vollrente (vgl Jörg in Kreikebohm, Sozialgesetzbuch Gesetzliche Rentenversicherung, § 100 SGB VI RdNr 6; Maier/Barkmin in Berliner Kommentar RRG 1992, § 100 SGB VI RdNr 1; Kasseler Komm-Niesel, § 100 SGB VI RdNr 11; Udsching in SGB Sozialversicherung Gesamtkommentar, SGB VI § 100 Anm 3; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, § 100 SGB VI RdNr 17). Dem eindeutigen Wortlaut stehen die Gesetzesmaterialien nicht entgegen (aA Hauck in Hauck, SGB VI § 100 RdNr 6). Zwar ist in der Begründung zum Entwurf des RRG 1992 ausgeführt, daß es sich hierbei um einen Sonderfall des Beginns einer höheren Teilrente handele (vgl BT-Drucks 11/4124 S 176 zu § 99). Der Wortlaut der Vorschrift betrifft indessen nicht eine „höhere Teilrente als die bisher bezogene Teilrente”, sondern stellt uneingeschränkt auf eine höhere „Rente” ab. Aus der weiter gegebenen Begründung läßt sich jedoch die zutreffende Lesart entnehmen, wonach § 100 Abs 1 SGB VI zur Anwendung kommt, wenn eine niedrigere Teilrente beantragt wird (vgl BT-Drucks aaO), während Abs 2 allein auf den Fall einer Rentenerhöhung beschränkt ist. Demnach hatte die Begründung hier vor allem das mögliche Auf und Ab des Teilrentenbezugs im Blick, ohne deshalb den Fall des Eintritts der Vollrente ausgrenzen zu wollen.
Für einen solchen Wechsel zwischen unterschiedlichen Teilrenten und zwischen einer Teilrente und der Vollrente bestimmt § 100 SGB VI den Zeitpunkt (Kalendermonat), ab dem die Rente in geänderter „neuer”) Höhe geleistet wird. Dabei setzt Abs 1 tatbestandlich voraus, daß Änderungen nach dem Beginn der Rente eintreten. Die Rechtsfolge im Änderungsfalle berührt diese Voraussetzung nicht. Soweit in diesem Zusammenhang wiederum vom „Beginn” die Rede ist, wird sowohl in Abs 1 wie in Abs 2 der Norm allein auf den Beginn des Kalendermonats abgestellt. Daraus ist nun weder begrifflich noch sonst abzuleiten, zugleich mit dem Beginn des Änderungsmonats werde ein neuer „Rentenbeginn” im allgemeinen wie im speziellen Sinne des § 263 Abs 3 SGB VI begründet. Die wiederholte Begrenzung des Gesamtleistungswertes nach § 263 Abs 3 SGB VI aufgrund in Anspruch genommener Vollrente läßt sich entgegen der Auffassung des LSG somit nicht aus § 100 Abs 2 SGB VI ableiten. Die Richtigkeit der hier gefundenen Auslegung zeigt nicht zuletzt auch der Vergleich mit § 99 SGB VI: Diese Vorschrift bezieht sich ausdrücklich – schon nach der amtlichen Überschrift – auf den Fall des Beginns der Rente. Der Wechsel ua von der Teil- zur Vollrente wird davon jedoch nicht umfaßt.
c) Die hier gefundene Auslegung des § 263 Abs 3 SGB VI steht nicht im Widerspruch zu § 66 Abs 3 Satz 1 und § 75 Abs 1 SGB VI. Als Ausfluß des im SGB VI verankerten sog Rentenbeginnprinzips bildet grundsätzlich der Rentenbeginn den Endzeitpunkt hinsichtlich der bei der Rentenberechnung anrechenbaren Versicherungszeiten. Nach § 75 Abs 1 SGB VI werden dabei EP für Zeiten nach Beginn der zu berechnenden Rente nur für eine Zurechnungszeit ermittelt. Daraus folgt, daß andere rentenrechtliche Zeiten, die nach dem Rentenbeginn liegen, bei der Berechnung dieser Rente außer Betracht zu bleiben haben. Der Ausschluß beschränkt sich indessen auf diesen Berechnungsfall mit der Folge, daß nach dem Beginn dieser Rente zurückgelegte Versicherungszeiten bei einem weiteren Berechnungsfall anzurechnen sind. Zusätzlich ist § 66 Abs 3 Satz 1 SGB VI zu beachten, wonach nicht bei jedem Wechsel von der niedrigeren zur höheren oder der höheren zur niedrigeren Teilrente die zwischenzeitlich zurückgelegten Zeiten zu berücksichtigen sind. Vielmehr ist die Grundlage für die Ermittlung der persönlichen EP einer Teilrente die Summe aller EP, die der ersten Rente wegen Alters zugrunde liegt. EP für die Zeit nach Beginn einer Altersrente sind also nicht schon bei jeder anderen Teilrente zu ermitteln, sondern erst bei einer späteren Vollrente (vgl BT-Drucks aaO S 169 zu § 65).
In diesem Zusammenhang erweisen sich zwar die erste Alters-Teilrente und die Vollrente im Sinne von § 75 Abs 1 SGB VI als „zu berechnende Renten”. Daß auch der Wechsel von einer Teil- zur Vollrente – wie vorliegend der Fall – eine Rentenberechnung erfordert, liegt zudem auf der Hand. Die Notwendigkeit der Berechnung einer höheren Rente wegen dieses Wechsels zur Vollrente sowie die Notwendigkeit der Berechnung wegen der zusätzlichen Berücksichtigung von EP haben indessen allein Auswirkungen auf die Höhe des Einzelleistungsanspruchs, ohne das „Stammrecht” auf die Rente zu berühren. Dann aber zwingt die Berücksichtigung der Vollrente als zu berechnende Rente gem § 75 Abs 1 SGB VI nicht zu dem Schluß, den Beginn des Kalendermonats für die Auszahlung der Altersrente in Höhe der Vollrente unter den Begriff „Beginn der Rente” iS von § 263 Abs 3 SGB VI zu subsumieren.
4. Eine Auslegung wie jene der Beklagten, die bei der Feststellung der Altersrente als Vollrente eine erneute Begrenzung des sich aus der Gesamtleistungsbewertung ergebenden Wertes nach sich zieht, widerspricht der mit der Einführung der Teilrente verfolgten gesetzlichen Zielsetzung. Die zur Inanspruchnahme einer Altersrente als Teilrente berechtigende Bestimmung des – mit dem RRG 1992 eingeführten – § 42 SGB VI sollte auf eine veränderte Altersstruktur in der Bundesrepublik Deutschland und die hiermit für die gesetzliche RV verbundenen finanziellen Belastungen reagieren. Der Gesetzgeber war unter anderem bestrebt, ein angemesseneres Verhältnis zwischen der Zahl der Beitragszahler und der Rentner durch Flexibilisierung der Lebensarbeitszeit zu erreichen. Eine die Flexibilisierung fördernde Maßnahme sah er in der Schaffung eines Teilrentensystems. Die Befugnis der Versicherten, eine Teilrente in Anspruch nehmen und daneben Arbeitseinkünfte erzielen zu können, sollte einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglichen. Darüber hinaus erhoffte sich der Gesetzgeber mit der eingeräumten Wahlfreiheit einen stärkeren Anreiz zur Teilzeitarbeit (vgl BT-Drucks 11/4124 S 136 ff, 144 und 163). Mit diesen Zielvorstellungen ließe sich eine durch den Wechsel von der Teil- zur Vollrente ausgelöste (mehrfache) Anwendung des § 263 Abs 3 SGB VI mit ihren möglicherweise negativen Folgen für den Rentner nicht vereinbaren.
Schließlich gebietet der mit § 263 Abs 3 SGB VI verfolgte Normzweck keine andere Auslegung. Dieser besteht darin, daß sich die ebenfalls mit dem RRG 1992 eingeführte Gesamtleistungsbewertung insbesondere bei Versicherten mit größeren Lücken in der Versicherungsbiographie nur stufenweise auswirken soll (vgl BT-Drucks aaO S 202 zu § 258). Die Übergangsregelung nicht nur bei der Inanspruchnahme einer in § 33 SGB VI genannten Rentenart anzuwenden, sondern auch dann, wenn der Versicherte – gegebenenfalls auch mehrfach – von seinem Wahlrecht nach § 42 SGB VI Gebrauch macht, hätte eine verstärkte Rentenminderung und damit einen verkürzten Vertrauensschutz zur Folge. Die im Vergleich zum erstmaligen Teilrentenbezug ungünstigere Bewertung bestimmter Versicherungszeiten im Rahmen eines späteren Teil- oder Vollrentenbezugs errichtete nur ein Hemmnis für die nach dem Willen des Gesetzgebers zu stärkende Bereitschaft eines Arbeitnehmers, von der Möglichkeit der Teilzeitarbeit und Teilrente Gebrauch zu machen. Haben Versicherte wegen einer nachteiligen Rentenberechnung kein Interesse an der Verrichtung einer Teilzeittätigkeit, ist auch mit der vom Gesetzgeber erwünschten Einrichtung zusätzlicher Teilzeitarbeitsplätze nicht zu rechnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt das teilweise Unterliegen der Klägerin.
Fundstellen
NZS 1998, 437 |
SGb 1998, 267 |
SozR 3-2600 § 263, Nr.1 |
SozSi 1998, 396 |
SozSi 1999, 77 |