Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitgeberzuschuß zu den Aufwendungen für eine private Krankenversicherung
Beteiligte
…, Kläger und Revisionskläger |
Deutsches Rotes Kreuz, Kreisverband Segeberg e.V., Bad Segeberg, Kurhausstraße 57, Beklagter und Revisionsbeklagter |
Tatbestand
G r ü n d e :
I
Umstritten ist ein Arbeitgeberzuschuß zu den Aufwendungen für eine private Krankenversicherung.
Der Kläger bezieht als ehemaliger Berufssoldat der Bundeswehr Ruhegehalt und hat Anspruch auf Beihilfe im Krankheitsfalle. Er ist privat krankenversichert und hatte im Jahre 1988 von seinem Recht Gebrauch gemacht, sich von der Versicherungspflicht in einer Beschäftigung befreien zu lassen (Bescheid der Allgemeinen Ortskrankenkasse [AOK] vom 19. Mai 1988 mit Wirkung vom 27. April 1988 an). Vom 1. Oktober 1988 bis 31. Dezember 1989 war er als Rettungssanitäter beim Beklagten beschäftigt. Die Zahlung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für die private Krankenversicherung lehnte der Beklagte ab.
Der Kläger hat den Beitragszuschuß vor Gericht eingeklagt. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 6. November 1990 abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) die Berufung mit Urteil vom 28. Oktober 1991 zurückgewiesen. Die Befreiung habe beim Kläger nach dem bis Ende 1988 geltenden Recht eine Zuschußpflicht des Arbeitgebers nicht auslösen können, weil diese auf bestimmte, beim Kläger nicht zutreffende Befreiungstatbestände beschränkt gewesen sei. Dieses gelte auch im neuen Recht, weil der Gesetzgeber das bisherige Recht im wesentlichen habe übernehmen wollen. Eine beim Kläger nicht zutreffende Ausnahme ergebe sich nur in bezug auf diejenigen Befreiungstatbestände, die es im früheren Recht nicht gegeben habe.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 257 Abs 2 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzlichen Krankenversicherung (SGB V).
Der Kläger beantragt,
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das Urteil des LSG vom 28. Oktober 1991 und das Urteil des SG vom 6. November 1990 aufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1989 einen Beitragszuschuß zu zahlen. |
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Der Beklagte hat im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, daß er während der Beschäftigung beim Beklagten im Jahre 1989 keinen Anspruch auf einen Arbeitgeberzuschuß hatte.
Als Grundlage für einen Anspruch auf den Beitragszuschuß kommt seit dem 1. Januar 1989 nur § 257 SGB V idF des Art 1 des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) in Betracht, der die frühere Regelung des § 405 der Reichsversicherungsordnung (RVO) abgelöst hat. Nach Maßgabe des § 257 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V erhalten Beschäftigte von ihrem Arbeitgeber einen Beitragszuschuß, wenn sie entweder nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAE-Grenze; § 6 Abs 1 Nr 1) versicherungsfrei oder wenn sie von der Versicherungspflicht befreit und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind. Der Anspruch des Klägers scheitert daran, daß er nicht nur wegen Überschreitens der JAE-Grenze versicherungsfrei war und daß seine frühere Befreiung von der Versicherungspflicht gegenstandslos geworden ist.
In der Beschäftigung beim Beklagten war der Kläger seit dem 1. Januar 1989 ohne Rücksicht auf die Höhe seines Arbeitsentgelts und auf die ausgesprochene Befreiung bereits nach § 6 Abs 3 Satz 1, Abs 1 Nr 2, 6 SGB V versicherungsfrei. Neben hier nicht interessierenden Personen sind nach dieser Regelung auch Berufssoldaten der Bundeswehr versicherungsfrei, wenn ihnen ein Anspruch auf Ruhegehalt oder ähnliche Bezüge zuerkannt ist und sie Anspruch auf Beihilfe im Krankheitsfall nach beamtenrechtlichen Vorschriften haben. Das ist nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) beim Kläger der Fall und wird von ihm nicht in Zweifel gezogen. Ob er außerdem wegen Überschreitens der JAE-Grenze nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V versicherungsfrei gewesen wäre, ist unerheblich; § 257 Abs 2 SGB V setzt voraus, daß § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V der einzige Grund für die Versicherungsfreiheit ist (zur insoweit identischen Regelung nach früherem Recht vgl BSG SozR 2200 § 405 Nr 7). Feststellungen zur Höhe des Arbeitsentgelts sind daher entbehrlich.
Die Versicherungsfreiheit der Beamten, Richter und Soldaten im Ruhestand steht der Anwendung des § 257 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V und damit dem Anspruch des Klägers entgegen. Wenn diese Vorschrift den Zuschuß zur privaten Krankenversicherung auf diejenigen Beschäftigten beschränkt, die nur wegen Überschreitens der JAE-Grenze des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V versicherungsfrei oder die von der Versicherungspflicht befreit sind, so handelt es sich dabei im wesentlichen um Personen, bei denen die Beschäftigung die Grundlage für ihren Krankenversicherungsschutz bildet. Bei ihnen sieht § 257 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V ebenso wie Abs 1 Satz 1 der Vorschrift für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Beschäftigte, die nur wegen Überschreitens der JAE-Grenze versicherungsfrei sind, eine wirtschaftlich gleiche Beteiligung der Arbeitgeber am Krankenversicherungsbeitrag vor, wie sie bei versicherungspflichtig Beschäftigten als Arbeitgeberanteil am Pflichtbeitrag zu tragen ist (vgl zu früheren Zuschußregelungen und ihrer Entstehung: Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes in BSGE 37, 292, 293 = SozR 1500 § 51 Nr 2; Bundessozialgericht [BSG] in BSGE 41, 13, 13/14 = SozR 2200 § 381 Nr 4; BSG SozR 2200 § 405 Nrn 7, 9). Diese auch für § 257 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V geltende Rechtfertigung des Zuschusses trifft bei ehemaligen Beamten, Richtern und Soldaten, die Anspruch auf Ruhegehalt und Beihilfe im Krankheitsfall haben, nicht in gleichem Maße zu. Im einzelnen ergibt sich dieses aus einem Vergleich der bis Ende 1988 bestehenden mit der seit 1989 geltenden Rechtslage sowie den Gründen, die für die Rechtsänderung maßgebend waren.
Bis Ende 1988 waren die Tatbestände, die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung begründeten, in § 165 Abs 1 RVO geregelt (sondergesetzliche Ausnahmen für Leistungsbezieher nach dem Arbeitsförderungsgesetz, Landwirte, Künstler, vgl heute § 5 Abs 1 Nrn 2 bis 4 SGB V). War einer der Tatbestände des § 165 Abs 1 RVO erfüllt, trat Versicherungspflicht ein, so bei Aufnahme einer entgeltlichen Beschäftigung als Angestellter mit einem Gehalt bis zur JAE-Grenze nach § 165 Abs 1 Nr 2 RVO. Stand ein derartiger Beschäftigter außerdem als Beamter, Richter oder Soldat in einem Dienstverhältnis, für das als solches Versicherungsfreiheit bestand (§ 169 RVO), so blieb davon die Versicherungspflicht in dem daneben ausgeübten Beschäftigungsverhältnis in der Regel unberührt (zuletzt BSGE 40, 208 = SozR 2200 § 169 Nr 1; BSG SozR 2200 § 172 Nr 4; BSG SozR 2200 § 169 Nrn 4, 6). Ein Tatbestand mit nicht bestehender Versicherungspflicht schloß den Eintritt von Versicherungspflicht aufgrund eines anderen Tatbestandes lediglich in den Fällen des § 165 Abs 6 Satz 1 Nr 2 und Abs 8 RVO aus: Als Rentner, Student oder Praktikant wurde nicht nach § 165 Abs 1 Nr 3, 5 oder 6 RVO versichert, wer als Angestellter oder als Selbständiger iS des § 166 RVO nur wegen Überschreitens der Einkommensgrenzen nicht versicherungspflichtig war. Versicherungspflicht aufgrund einer Beschäftigung trat grundsätzlich auch bei ehemaligen Beamten, Richtern und Soldaten ein, denen Ruhegehalt bewilligt worden und daneben eine Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet war. Auch sie waren in einer Beschäftigung mit einem Verdienst bis zur Entgeltgrenze versicherungspflichtig, wurden jedoch auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit (§ 173 RVO). Nur wenn sie sich nicht befreien ließen, trug der Arbeitgeber einen Teil der Aufwendungen für die Krankenversicherung. Blieb das Arbeitsentgelt unter der JAE-Grenze und trat Versicherungspflicht ein, so war damit auch die Beitragspflicht unter Beteiligung der Arbeitgeber an der Beitragslast verbunden (Arbeitgeberanteil, vgl § 381 Abs 1 RVO). Dem entsprach es auf der anderen Seite, daß die Arbeitgeber ehemaliger Beamter, Richter und Soldaten einen Beitragszuschuß nach § 405 RVO zahlten, wenn das Arbeitsentgelt die JAE-Grenze überstieg. Eine Befreiung entzog beiden Formen der Arbeitgeberbeteiligung die Grundlage: Unter der JAE-Grenze entstand keine Versicherungspflicht, so daß der Arbeitgeber einen Anteil am Pflichtbeitrag nicht zu tragen hatte. Bei den über der Grenze Verdienenden hätte die Gewährung eines Beitragszuschusses eine Besserstellung gegenüber den Pflichtversicherten zur Folge gehabt, was dem aufgezeigten Zweck des § 405 RVO zuwidergelaufen wäre. Dementsprechend sahen § 405 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1 RVO den Beitragszuschuß für die nach § 173 RVO Befreiten nicht vor.
Der nach § 173 RVO von der Versicherungspflicht befreite Kläger hätte daher nach früherem Recht keinen Anspruch auf den Beitragszuschuß gehabt. Ehemalige Beamte, Richter und Soldaten, denen er mangels Befreiung nach altem Recht noch zustand, haben ihn nach neuem Recht verloren (vgl Urteil vom 10. März 1994 - 12 RK 37/93, zur Veröffentlichung bestimmt). Unter diesen Umständen ist nicht anzunehmen, daß nach dem SGB V ein Anspruch für ehemalige Beamte und Soldaten, die sich wie der Kläger von der Versicherungspflicht hatten befreien lassen, neu eingeführt worden ist.
Dieses wird durch den systematischen Zusammenhang zwischen § 6 Abs 1 Nr 6 SGB V und § 6 Abs 3 Satz 1 SGB V bestätigt. Danach bleiben die gemäß § 6 Abs 1 SGB V oder anderen Vorschriften mit Ausnahme von § 6 Abs 2 und § 7 SGB V versicherungsfreien oder von der Versicherungspflicht befreiten Personen auch dann versicherungsfrei, wenn sie eine der in § 5 Abs 1 Nr 1 oder 5 bis 12 SGB V genannten Voraussetzungen erfüllen. Zur Begründung heißt es im Entwurf des GRG (BT-Drucks 11/2237 = BR-Drucks 200/88, jeweils S 160 zu § 6, damals Abs 2): Die Versicherungsfreiheit solle sich nunmehr auch auf weitere Sachverhalte auswirken, die sonst zur Versicherungspflicht führen würden, wenn sie bei derselben Person zusammenträfen. Dies verhindere Mißbräuche und die Einbeziehung grundsätzlich nicht schutzbedürftiger Personengruppen in die gesetzliche Krankenversicherung. Dadurch werde zB vermieden, daß ein versicherungsfreier Soldat durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Nebenbeschäftigung oder eine Beamtin durch den Bezug einer Hinterbliebenenrente versicherungspflichtig werde (vgl jedoch zur Versicherungspflicht beim Bezug von Hinterbliebenenversorgung und Hinterbliebenenrente den später im Gesetzgebungsverfahren eingefügten neuen Abs 2 des § 6 SGB V und das Urteil vom 21. September 1993 - 12 RK 39/91, zur Veröffentlichung bestimmt).
Die erwähnte Gesetzesbegründung trifft, obwohl sich ihre Beispiele auf Beamte und Soldaten im Dienst beziehen, auch auf Beamte, Richter und Soldaten im Ruhestand zu, weil auch die für sie geltende Versicherungsfreiheit (Nr 6 des § 6 Abs 1 SGB V) nach dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs 3 Satz 1 SGB V ("Die nach Absatz 1 ... versicherungsfreien ... Personen") zur Verdrängung von Versicherungspflichten führt; eine Ausnahme, wie sie Satz 2 des § 6 Abs 3 SGB V für die Versicherungsfreiheit von Werkstudenten (Nr 3 des § 6 Abs 1 SGB V) enthält, fehlt für die Versicherungsfreiheit nach Nr 6 des § 6 Abs 1 SGB V. Dieses stimmt auch mit der Begründung des Gesetzentwurfs zu Nr 6 des § 6 Abs 1 SGB V überein, wonach die Versicherungsfreiheit dieser Personen (dh ua der nach Nr 2 versicherungsfreien Beamten, Richter und Soldaten im Dienst) auch während ihres Ruhestandes bestehenbleiben und einen nicht gerechtfertigten Wechsel zur gesetzlichen Krankenversicherung vermeiden soll. Schließlich scheint sogar der einzige Sinn der Regelung über die Versicherungsfreiheit nach Nr 6 des § 6 Abs 1 SGB V darin zu bestehen, im Zusammenwirken mit Abs 3 Satz 1 die Versicherungspflicht aufgrund von Versicherungspflicht-Tatbeständen (hier aufgrund einer Beschäftigung) auszuschließen. Denn während bei Beamten, Richtern und Soldaten im Dienst durch die Nr 2 des § 6 Abs 1 SGB V das Dienstverhältnis, also ein echter Tatbestand der Versicherungspflicht, versicherungsfrei gestellt wird und Abs 3 Satz 1 diese Versicherungsfreiheit auf andere Versicherungspflicht-Tatbestände erstreckt, liegt der Versicherungsfreiheit bei ehemaligen Beamten, Richtern und Soldaten (Abs 1 Nr 6) kein Tatbestand einer Versicherungspflicht zugrunde. Vielmehr wäre dieser Personenkreis als solcher auch ohne die Vorschrift des § 6 Abs 1 Nr 6 SGB V nicht versicherungspflichtig; insofern könnte von einer "unechten Versicherungsfreiheit" gesprochen werden.
Nach § 257 Abs 2 Satz 1 hat der Kläger auch wegen der früher ausgesprochenen Befreiung keinen Anspruch auf einen Beitragszuschuß. Dabei kann offenbleiben, ob die erste Alternative des § 257 Abs 2 Satz 1 SGB V ("nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze ... versicherungsfrei") den Anspruch auf den Zuschuß von versicherungsfrei beschäftigten Arbeitnehmern abschließend regelt, so daß die zweite Alternative ("von der Versicherungspflicht befreit") im vorliegenden Fall nicht mehr verwendbar ist. Nicht entschieden zu werden braucht auch, ob alle Befreiungen nach früherem Recht als Befreiungen iS des § 257 Abs 2 Satz 1 SGB V anzusehen sind. Jedenfalls führt die Befreiung von der Versicherungspflicht nicht zu einem Anspruch auf den Beitragszuschuß, wenn der nach früherem Recht Befreite nunmehr zu einem Personenkreis gehört, der wegen unechter Versicherungsfreiheit allgemein von der Pflichtversicherung ausgeschlossen ist. § 6 Abs 3 Satz 1 SGB V bewirkt iVm § 6 Abs 1 Nr 6 SGB V die grundsätzliche Ausgrenzung der ehemaligen Beamten, Richter und Soldaten aus der Versicherung, ähnlich wie § 5 Abs 5 SGB V dies bei hauptberuflich selbständig Erwerbstätigen regelt (zum Ausschluß des Beitragszuschusses bei diesen vgl Urteil vom 10. März 1994 - 12 RK 12/93, zur Veröffentlichung bestimmt). Die unechte Versicherungsfreiheit iVm § 6 Abs 3 Satz 1 SGB V schneidet jeden Zugang zur Pflichtversicherung ab, so daß die frühere Befreiung gegenstandslos wird (anders anscheinend Gerlach in Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch SGB V, § 257 RdNr 17).
Die Revision kann aus diesen Gründen keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG (vgl dazu BSG SozR 2200 § 405 Nr 6).BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen