Beteiligte
…, Klägerin und Revisionsbeklagte |
…, Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
G r ü n d e :
I.
Die Beteiligten streiten darum, ob der Beigeladene zu 4) in der Zeit vom 1. Oktober 1976 bis zum 30. April 1980 in der Krankenversicherung und in der Rentenversicherung versichert war.
Die Klägerin ist Trägerin von anerkannten Werkstätten für Behinderte. In Verbindung mit ihrer Werkstatt in S. betrieb sie eine Tagesförderstätte (später: Fördergruppe an Werkstätten für Behinderte). Darin wurde in der Zeit vom 1. Oktober 1976 bis zum 30. April 1980 auch der Beigeladene zu 4) betreut. Er war infolge seiner Behinderung nicht in der Lage, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen, und deshalb nicht "werkstattfähig". Daher fand er Aufnahme und Betreuung in der Tagesförderstätte und nicht in der Werkstatt.
Zwischen der Klägerin und der Beklagten bestanden Meinungsverschiedenheiten darüber, ob Behinderte, die in die Tagesförderstätte aufgenommen waren, der Versicherungspflicht in der Kranken- und Rentenversicherung unterlagen. Aufgrund einer Betriebsprüfung bejahte die Beklagte dieses und forderte durch Bescheid vom 25. April 1980 für die Zeit vom 1. Juli 1975 bis zum 30. April 1980 Beiträge in Höhe von insgesamt 102.123,86 DM für namentlich bezeichnete Behinderte, darunter auch - die Zeit vom 1. Oktober 1976 bis zum 30. April 1980 betreffend - für den Beigeladenen zu 4). Die Klägerin erhob Widerspruch: Die Versicherungspflicht erstrecke sich nur auf die Behinderten in der Werkstatt selbst. Die Tagesförderstätte sei nicht Teil der Werkstatt. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 1981).
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Hannover die Landesversicherungsanstalt Hannover (Beigeladene zu 1), die Bundesanstalt für Arbeit -BA- (Beigeladene zu 2), das Land Niedersachsen, vertreten durch das Landessozialamt (Beigeladener zu 3), und den Behinderten (Beigeladener zu 4) beigeladen. Es hat das Verfahren, soweit es andere Behinderte betrifft, abgetrennt. Durch Urteil vom 18. Juni 1984 hat das SG die Klage abgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen durch Urteil vom 26. Februar 1986 die Entscheidung des SG aufgehoben, den angefochtenen Bescheid geändert und festgestellt, daß der Beigeladene zu 4) in der Zeit vom 1. Oktober 1976 bis zum 30. April 1980 nicht versicherungspflichtig gewesen ist. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Eine Versicherungspflicht komme für den Beigeladenen nur nach dem Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter (SVBG) in Betracht, scheide jedoch auch danach aus. § 1 Abs 1 Satz 1 SVBG greife nicht ein, weil der Beigeladene nicht in die Werkstatt aufgenommen gewesen sei. Die Tagesförderstätte sei keine Werkstatt und trotz ihrer räumlichen und organisatorischen Anbindung an die Werkstatt von dieser "institutionell" streng getrennt. In ihr fänden gerade die Behinderten Aufnahme, die nicht oder noch nicht werkstattfähig seien. Der Gesetzgeber habe den Versicherungsschutz Behinderter nicht umfassend sichergestellt. Auch eine Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 SVBG scheide aus, weil der Beigeladene nicht die in § 2 Abs 2 Satz 1 SVBG geforderte Mindestleistung erbracht habe.
Gegen das Urteil richtet sich die - vom Senat zugelassene - Revision der Beklagten, mit der sie weiterhin auf der Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 4) besteht und im wesentlichen geltend macht: Das Gesetz kenne eine Unterscheidung zwischen den "in" einer Werkstatt beschäftigten (= versicherungspflichtigen) und den "an" einer Werkstatt beschäftigten (= nichtversicherungspflichtigen) Behinderten nicht. Es sei nicht klar, was das LSG unter der "institutionellen" Trennung der Tagesförderstätte von der Werkstatt verstehe, wenn die Tagesförderstätte räumlich und organisatorisch mit der Werkstatt verbunden sei und die Klägerin beides als Einheit darstelle. Wenn im Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. Juni 1980 (SozR 5085 § 1 Nr 2) bei der Erörterung von möglichen Ausnahmen von der Versicherungspflicht nach dem SVBG von einer institutionell abgegrenzten Einrichtung die Rede sei, die einem Berufsbildungswerk entspreche, so sei damit eine Trennung gefordert worden, wie sie bei der Tagesförderstätte der Klägerin nicht bestehe; dann unterlägen aber alle von der Werkstatt einschließlich der Tagesförderstätte Betreuten der Versicherungspflicht nach dem SVBG. Für § 1 SVBG gelte auch ein anderer, mit geringeren Anforderungen verbundener Begriff der Beschäftigung als in § 2 SVBG. Für die Anwendung des § 1 SVBG müsse selbst für einen Schwerstbehinderten schon genügen, daß er eine einfache Handlung ausdauernd und erfolgreich verrichte. Die Einbeziehung auch der in Tagesförderstätten betreuten Personen in die Versicherungspflicht vermeide ferner Abgrenzungsschwierigkeiten. Sie trage weiter der Zielsetzung der Tagesförderstätte Rechnung, Behinderte so zu fördern, daß sie in die Werkstatt überwechseln könnten; einem Teil der Behinderten sei das sogar gelungen. Die Auffassung des LSG führe schließlich, dazu, daß gerade die am schwersten Behinderten, die nur eine Tagesförderstätte besuchen könnten, vom Versicherungsschutz ausgeschlossen blieben.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,das Urteil des LSG vom 26. Februar 1986 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 18. Juni 1984 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Der Beigeladene sei nicht nach § 1 SVBG versicherungspflichtig gewesen, weil er nicht in die "Werkstatt für Behinderte" aufgenommen gewesen sei. Zu ihr gehöre die Tagesförderstätte ungeachtet ihrer aus pädagogischen und finanziellen Gründen erfolgten räumlichen Anbindung an die Werkstatt und trotz der Identität des Trägers nicht. Das SVBG habe nicht alle Behinderten in die Versicherungspflicht einbezogen, sondern die Versicherungspflicht von einer Beschäftigung in bestimmten Einrichtungen abhängig machen wollen. Abgrenzungsschwierigkeiten bestünden nicht, weil die Werkstatt im Gesetz klar definiert und das Kriterium für die Aufnahme in die Werkstatt die Werkstattreife sei. Solange ein Behinderter nicht in der Werkstatt selbst beschäftigt werden könne, bestehe keine Versicherungspflicht nach § 1 SVBG.
Die Beigeladene zu 1) schließt sich dem Vorbringen und dem Antrag der Beklagten an. Der Beigeladene zu 3) unterstützt mit eigenen Ausführungen die Auffassung der Klägerin. Die Beigeladene zu 2) hat von einer Stellungnahme abgesehen, der Beigeladene zu 4) hat sich nicht geäußert.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, daß der Beigeladene zu 4) während seiner Betreuung in der Tagesförderstätte vom 1. Oktober 1976 bis zum 30. April 1980 nicht versichert war und die Klägerin daher auch keine Beiträge für ihn zu entrichten braucht.
Das LSG ist zutreffend da von ausgegangen, daß aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhalts Versicherungspflicht beim Beigeladenen zu 4) nur nach dem SVBG in Betracht kam. Nach dessen § 1 Abs 1 Satz 1 sind körperlich, geistig oder seelisch Behinderte, die in Werkstätten für Behinderte beschäftigt werden, nach diesem Gesetz in der Kranken- und Rentenversicherung versichert. Werkstätten für Behinderte sind laut § 1 Abs 2 SVBG die nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) anerkannten Werkstätten. Das SchwbG in seinen hier für die Zeit von 1976 bis 1980 maßgebenden Fassungen vom 29. April 1974 (BGBl I 1005) und vom 8. Oktober 1979 (BGBl I 1649) regelt den Begriff der Werkstatt in seinem § 52 (heute § 54 in der Fassung des SchwbG vom 26. August 1986, BGBl I 1421). Danach ist die Werkstatt für Behinderte eine Einrichtung zur Eingliederung Behinderter in das Arbeitsleben.(Abs 1 Satz 1). Sie bietet denjenigen Behinderten, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, einen Arbeitsplatz oder Gelegenheit zur Ausübung einer geeigneten Tätigkeit (Abs 1 Satz 2). Die Werkstatt soll allen Behinderten unabhängig von Art oder Schwere der Behinderung offenstehen, sofern sie in der Lage sind, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen (Abs 3). Werkstätten für Behinderte in diesem Sinne bedürfen der Anerkennung, die von der BA im Einvernehmen mit dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe ausgesprochen wird (§ 55 Abs 1 Sätze 1 und 2 SchwbG in den Fassungen von 1974 und 1979; heute: § 57 Abs 1 Sätze 1 und 2 SchwbG). Nach § 55 Abs 3 SchwbG der früheren Fassungen (heute: § 57 Abs 3 SchwbG) bestimmt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres über die fachlichen Anforderungen der Werkstatt für Behinderte und über das Verfahren zur Anerkennung. Diese Verordnung ist als Werkstättenverordnung Schwerbehindertengesetz -SchwbWV- vom 13. August 1980 (BGBl I 1365) erst nach der hier streitigen Zeit (Oktober 1976 bis April 1980) ergangen. Gleiches gilt für die vom LSG erwähnten Richtlinien des Niedersächsischen Sozialministers vom 1. Oktober 1982.
Vorher wurden jedoch, wie schon während des Gesetzgebungsverfahrens zum SVBG in Aussicht genommen (Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 19. Februar 1975, BT-Drucks 7/3237, S 3 unter I. 1.), von der BA vorläufige Anerkennungsverfahren durchgeführt. In ihnen wurden "Grundsätze zur Konzeption der Werkstatt für Behinderte" angewandt und bei Vorliegen der "Mindestvoraussetzungen für die vorläufige Anerkennung einer Werkstatt für Behinderte" die entsprechenden vorläufigen Anerkennungen ausgesprochen (vgl die Antwort der Bundesregierung vom 29. August 1975 auf eine Kleine Anfrage betr Anerkennung von Werkstätten für Behinderte, BT-Drucks 7/3999, wo auf den S 7, 8 als Anlage 1 die "Grundsätze" und als Anlage 2 die "Mindestvoraussetzungen" abgedruckt sind; ferner Antwort der Bundesregierung vom 25. Juni 1976 auf eine Kleine Anfrage betr Konzeption der Werkstatt für Behinderte, BT-Drucks 7/5483). Schon nach den erwähnten "Grundsätzen" und "Mindestvoraussetzungen" mußte die Werkstatt in drei Bereiche - Eingangsstufe, Trainings-/Ausbildungsstufe und Arbeitsplätze - gegliedert sein; sie entsprachen im wesentlichen dem Eingangsverfahren, dem Arbeitstrainingsbereich und dem Arbeitsbereich iS der §§ 3 bis 5 der späteren SchwbWV. In den Jahren 1976 bis 1980 war auch die Werkstatt der Klägerin in derartige Bereiche gegliedert. Von ihrer (vorläufigen) Anerkennung durch die BA ist nach dem Urteil des LSG auszugehen.
Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher für das Revisionsgericht bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG war der Beigeladene zu 4) jedoch nicht in die Werkstatt, sondern in die Tagesförderstätte aufgenommen, die selbst keine Werkstatt war und ungeachtet ihrer räumlichen und organisatorischen Anbindung an die Werkstatt "institutionell" von der Werkstatt getrennt war. In der Tagesförderstätte unterlag der Beigeladene jedoch nicht der Versicherungspflicht nach § 1 Abs 1 Satz 1, Abs 2 SVBG.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes besteht Versicherungspflicht nur für die Behinderten, die "in" den nach dem SchwbG anerkannten Werkstätten für Behinderte beschäftigt werden. Dafür, daß sich die Versicherungspflicht auch auf die Behinderten erstreckt, die - wie der Beigeladene zu 4) - nicht werkstattfähig sind und in eine andere Einrichtung für Behinderte aufgenommen werden, bietet der Gesetzestext keinen Anhalt. Das gilt auch, wenn der Träger dieser anderen Einrichtung und der Werkstatt derselbe ist und eine räumliche und organisatorische Anbindung an die Werkstatt besteht.
Dieses Ergebnis wird durch die Entstehungsgeschichte des SVBG bestätigt. § 1 SVBG ist - von einer hier nicht bedeutsamen Änderung abgesehen - idF des Art 1 § 1 des Regierungsentwurfs eines Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter Gesetz geworden. Danach sollten Behinderte stärker als bisher in den Schutz der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung einbezogen werden (BT-Drucks 7/1992, S 9/10). Versicherungspflicht sollte aber, wie zahlreiche Formulierungen des Entwurfs (aaO S 9 - 13) erkennen lassen, nur eintreten, wenn die Behinderten noch ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen und damit auch bei ihnen noch gewisse Merkmale eines abhängigen, entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses vorhanden sind, an die das Gesetz sonst die Versicherungspflicht knüpft (vgl für die Krankenversicherung § 165 Abs 1 Nrn 1 und 2, Abs 2 Satz 1, für die Rentenversicherung der Arbeiter § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung -RVO-). Zum Zwecke der Abgrenzung wurde erwogen, die Versicherungspflicht bei Behinderten an eine Mindesthöhe des erzielten Arbeitsentgelts zu binden, die als Anzeichen dafür angesehen wurde, daß der Behinderte eine wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistung erbringt. Eine Entgeltgrenze - gleich welcher Höhe - erschien jedoch als ein vielfach zufälliges und daher nicht geeignetes Abgrenzungsmerkmal, solange vergleichbare Arbeitsleistungen der Behinderten nicht gleich entlohnt würden und die Höhe der Verdienste weitgehend von der Finanzkraft der Werkstätten abhänge. Auch andere Abgrenzungsmerkmale, wie zB Ursache und Grad der Behinderung, individuelle Leistungsfähigkeit, Leistungserfolg oder Stundenzahl, führten, so hieß es, nicht zu befriedigenden Ergebnissen. Aus diesen Gründon sei die Versicherungspflicht lediglich an die Beschäftigung in einer Werkstatt anzuknüpfen. Ob und in welcher Form Arbeitsentgelt gezahlt werde, sei unerheblich. Hinsichtlich der Versicherungspflicht seien unter den Belegschaften keine Unterschiede zu machen, vielmehr sei davon auszugehen, daß alle Behinderten in dem Werkstätten - gemessen an den gebotenen Arbeitsmöglichkeiten - regelmäßig mit nützlichen Arbeiten beschäftigt würden. Werkstätten für Behinderte seien die vom künftigen SchwbG idF des Regierungsentwurfs BT-Drucks 7/656 erfaßten Werkstätten (zum Ganzen BTaDrudks 7/1992, S 12/13, zu § 1 Buchst b bis d).
Hiernach sollte durch §1 Abs 1 Satz 1, Abs 2 SVBG die Versicherungspflicht zwar auf alle Behinderten in anerkannten Werkstätten ausgedehnt werden, aber auch auf diese Behinderten beschränkt bleiben. Diese begrenzte Zielsetzung des Gesetzentwurfs wurde vom Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung in seinem Bericht übernommen. Darin wurde der Ausbau einer eigenständigen Sozialversicherung für Behinderte durch das SVBG als "erster Schritt" angesehen; weitere Schritte sollten das Ziel haben, allen Behinderten zu einer angemessenen sozialen Sicherung zu verhelfen. Es sei zur Zeit noch nicht möglich, alle Behinderten in gleicher Weise zu erfassen; der Ausschuß sei sich bewußt, daß der Gesetzentwurf eine Reihe von Problemen der am schwersten Behinderten noch nicht zu lösen vermöge (BT-Drucks 7/3237, S 3 unter "Zielsetzung des Gesetzentwurfs"). Der Ausschuß wies auch darauf hin, daß Begriff und Anerkennung der Werkstätten in den §§ 52 ff des inzwischen neu gefaßten SchwbG vom 29. April 1974 (BGBl I 1005) geregelt seien (BT-Drucks 7/3237, S 3 unter I.).
Daß nur die in den anerkannten Werkstätten für Behinderte Beschäftigten der Versicherungspflicht nach § 1 Abs 1 Satz 1, Abs 2 SVBG unterliegen sollten, wird ferner durch die etwa gleichzeitig erfolgte Weiterentwicklung des "Schwerbeschädigtenrechts" zum "Schwerbehindertenrecht" und die Anknüpfung des MG an das SchwbG deutlich. Die seit der Neufassung des SchwbG vom 29. April 1974 in den §§ 52 bis 56 enthaltenen Vorschriften über die Förderung der Werkstätten für Behinderte waren durch Art I Nr 56 des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Schwerbeschädigtenrechts vom 24. April 1974 (BGBl I 981) als §§ 38b bis 38e des bisherigen Schwerbeschädigtengesetzes und nunmehrigen SchwbG eingefügt worden. Dabei ging der Regierungsentwurf noch mehr von einer arbeitsmarktorientierten Konzeption der Werkstatt aus und wies in der Begründung darauf hin, daß sich die an die Werkstatt zu stellenden Anforderungen (§ 38b des Entwurfs, § 52 SchwbG) mit denen des § 61 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) deckten und eine praxisnahe und einheitliche Ausrichtung des gesamten Werkstättensystems erreicht werden solle; einheitliche Bestimmungen über die sozialversicherungsrechtliche Stellung der in den Werkstätten arbeitenden Behinderten müßten einer besonderen gesetzlichen Regelung vorbehalten bleiben (BT-Drucks 7/656, S 39 zu § 38b). Der Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung berücksichtigte gewisse Bedenken gegen die vorgeschlagene Anlehnung an das AFG und die danach für viele Werkstätten zu hohen fachlichen Anforderungen (vgl die Gegenüberstellung der Fassungen des § 38b des Regierungsentwurfs und des Ausschusses, BT-Drucks 7/1515, S 51/52). Er verabschiedete die später Gesetz gewordene Fassung, die als Kompromiß zwischen der arbeitsmarktorientierten und der sozialen Konzeption der Werkstätten für Behinderte erscheint: Künftig sollte von einem einheitlichen, umfassenden Begriff der Werkstatt für Behinderte ausgegangen werden, der für alle Gesetze Geltung haben müsse, die sich mit den Werkstätten befaßten. Die einheitliche Konzeption sei bei einer rein arbeitsmarktorientierten, nur auf Gewinnerzielung ausgerichteten Werkstatt nicht zu verwirklichen, aber auch dann nicht, wenn jeder Behinderte ohne Rücksicht auf sein Leistungsvermögen aufgenommen werde (zum Ganzen BT-Drucks 7/1515, S 7/8 unter 7. und S 17 zu § 38b). Daraus, daß der so entwickelte Werkstattbegriff auch für § 1 Abs 1 Satz 1, Abs 2 SVBG gelten sollte, ergibt sich zugleich, daß solche Behinderte, die nicht in die Werkstatt aufgenommen werden, weil sie nicht in der Lage sind, ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen (§ 52 Abs 3 SchwbG), von der Versicherungspflicht nicht erfaßt werden.
Die Versicherungspflicht nach § 1 Abs 1 Satz 1, Abs 2 SVBG knüpft demnach aufgrund einer bewußten Entscheidung des Gesetzgebers allein an die Beschäftigung in einer anerkannten Werkstatt für Behinderte an, ist aber andererseits auch hierauf beschränkt. Diese Lösung steht auch im Einklang mit der Regelung des § 2 SVBG. Danach unterliegen Behinderte, die in Heimen, Anstalten oder gleichartigen Einrichtungen beschäftigt werden, der Versicherungspflicht nur, wenn sie in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbstätigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht (§ 2 Abs 2 Satz 1 SVBG). Diese Mindestanforderungen erfüllte der Beigeladene zu 4) nach den Feststellungen des LSG nicht, so daß offenbleiben kann, ob die Tagesförderstätte als Einrichtung iS des § 2 Abs 1 SVBG in Betracht kommt. In § 2 SVBG hat der Gesetzgeber die Versicherungspflicht an den individuellen Nachweis einer Leistung von gewisser Regelmäßigkeit und ein "unteres Maß an Leistung" (BT-Drucks 7/3237, S 5 unter Art 1 § 2) geknüpft. Der Grund dafür war offenbar, daß hier der Kreis der in Betracht kommenden Einrichtungen (und der darin in gewisser Regelmäßigkeit mit Arbeiten von wirtschaftlichem Wert Beschäftigten) nicht so klar abzugrenzen war, wie das in § 1 Abs 1 Satz 2, Abs 2 SVBG mit der Bezugnahme auf das anderweitig im einzelnen geregelte Werkstättenrecht möglich war. Der Unterschied zwischen § 1 und § 2 SVBG besteht hiernach - von den unterschiedlichen Einrichtungen abgesehen - im wesentlichen darin, daß die Versicherungspflicht in § 1 SVBG allein durch die Art der Institution bestimmt wird, in der der Behinderte beschäftigt ist, und der Kreis der betroffenen Institutionen durch ein Anerkennungsverfahren nach dem SchwbG - mit Tatbestandswirkung für das SVBG - eindeutig festgelegt ist (institutionelle Abgrenzung). Demgegenüber fehlt für die unter § 2 SVBG fallenden, anscheinend recht unterschiedlichen Einrichtungen ein förmliches Anerkennungsverfahren, was den Gesetzgeber genötigt hat, neben der Art der den Behinderten beschäftigenden Einrichtung noch auf dessen persönliches Leistungsvermögen abzustellen, die Versicherungspflicht also von materiellen Tatbestandsmerkmalen abhängig zu machen. Hiernach würde es der Systematik der §§ 1 und 2 SVBG nicht entsprechen, wenn man mit der Beklagten auch Behinderte, die, weil nicht werkstattfähig, nur in Tagesförderstätten, also außerhalb von Werkstätten betreut werden, in die Versicherungspflicht nach § 1 SVBG einbeziehen würde. Dagegen spricht auch, daß solche nicht werkstattfähigen Behinderten in der Regel auch die Anforderungen des § 2 Abs 2 Satz 1 SVBG nicht erfüllen werden und deshalb, wenn sie in Einrichtungen iS des § 2 Abs 1 SVBG betreut werden, dort von der Versicherungspflicht ausgeschlossen bleiben. Dem Bestreben der Beklagten, die Versicherungspflicht nach § 1 Abs 1 Satz 1, Abs 2 SVBG auch auf die am schwersten, nicht einmal werkstattfähigen Behinderten auszudehnen, kann nach allem durch die Rechtsprechung nicht entsprochen werden.
An der hiernach geltenden Rechtslage wird ferner bemängelt, daß die Vorteile der Pflichtversicherung nach den §§ 1, 2 SVBG nicht nur den nicht werkstattfähigen Schwerstbehinderten, sondern auch denjenigen werkstattfähigen Behinderten vorenthalten blieben, die keinen Arbeitsplatz in einer Werkstatt fänden, weil solche Plätze nicht in ausreichender Zahl vorhanden oder nicht erreichbar seien, oder weil in anerkannten Werkstätten tatsächlich nur leistungsfähigere Behinderte aufgenommen würden (vgl hierzu Schulin, Soziale Sicherung der Behinderten, Schriftenreiche des Deutschen Sozialgerichtsverbandes, Band XX, 1980, S 47, auch S 44, 45). Auch dieses Bedenken greift - jedenfalls im vorliegenden Rechtsstreit - nicht durch. Die Versicherungspflicht scheiterte beim Beigeladenen zu 4) nämlich nicht am Fehlen eines geeigneten Werkstattplatzes, sondern daran, daß er die Mindestanforderungen der Werkstattfähigkeit (§ 1 SVBG) und der Leistungsfähigkeit nach § 2 Abs 2 Satz 1 SVBG nicht erfüllte. Die Versicherungspflicht an derartige Voraussetzungen zu knüpfen, ist in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, die im Kern auch heute noch eine Versicherung der abhängig Beschäftigten ist, nicht sachfremd. Die bestehende Ungleichbehandlung führt daher nicht zu einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes -GG-) iVm dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG). Auch läßt sich aus Art 1 Abs 1, Art 2 Abs 1 und Art 20 Abs 1 GG kein verfassungsrechtliches Gebot des Inhalts herleiten, daß alle Behinderten in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung pflichtversichert sein müßten. Etwaige Unzulänglichkeiten sozialpolitischer Art kann die Rechtsprechung nicht ausräumen. Außerdem ist insofern zu bemerken, daß es hier um die Zeit von Oktober 1976 bis April 1980 geht, in der sich das neue, 1975 geschaffene und gegenüber dem früheren Rechtszustand wesentlich verbesserte Behindertenrecht noch in einer Entwicklungsphase befand, die in dem hier einschlägigen Bereich erst durch den Erlaß der SchwbWV im August 1980 zu einem vorläufigen Abschluß gekommen ist (zur weiteren Entwicklung des Behindertenrechts vgl die Unterrichtung der Bundesregierung über die Lage der Behinderten und die Entwicklung der Rehabilitation - BT-Drucks 10/1233 - und die Neufassung des SchwbG vom 26. August 1986, BGBl I 1421).
Die früheren Entscheidungen des Senats zu den §§ 1, 2 SVBG (SozR 5085 § 1 Nr 2, § 2 Nr 1) betrafen andere Fragen und stehen dem hier gefundenen Ergebnis nicht entgegen. In dem erstgenannten Urteil ging es darum, ob Behinderte, die im Trainingsbereich einer Werkstatt beschäftigt sind und deren Versicherungspflicht als solche nicht zweifelhaft ist, nach § 1 SVBG oder nach § 165 Abs 1, Nr 2a Buchst b, § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 3a Buchst b RVO versichert sind. Das zweite Urteil betraf die Frage, welche Einrichtungen zu den Anstalten, Heimen und gleichartigen Einrichtungen iS des § 2 Abs 1 SVBG gehören. Den von der Beklagten erwähnten Abgrenzungsschwierigkeiten wird bei der vom Senat befürworteten "institutionellen" Lösung dadurch begegnet, daß die Versicherungspflicht nach § 1 Abs 1 Satz 1, Abs 2 SVBG an die Beschäftigung in einer anerkannten Werkstatt für Behinderte und an die Aufnahme in diese anknüpft. Die Anerkennung der Werkstatt und die Aufnahme des Behinderten in sie sind in aller Regel leicht und zuverlässig festzustellen. Dagegen wäre eine Abgrenzung nur noch schwer möglich, wenn die gesetzlich vorgegebenen Kriterien verlassen und andere Förderungseinrichtungen wie die Tagesförderstätte der Klägerin einer anerkannten Werkstatt gleich oder als Teil davon behandelt würden. Eine "institutionelle" Abgrenzung hat der Senat im übrigen auch früher schon im Arbeitsförderungsrecht für zutreffend gehalten (SozR 4100 § 40 Nr 8). Er hat dort eine Lehrwerkstatt regelmäßig auch dann als überbetriebliche Einrichtung iS des § 40 AFG angesehen, wenn sie einem Heim oder einer Schule angegliedert ist. Wie dort der - nach § 40 AFG auf bestimmte Einrichtungen beschränkten - Förderung einer Ausbildung in einer Lehrwerkstatt nicht entgegenstand, daß die Werkstatt mit anderen, nicht nach dem AFG geförderten Einrichtungen verbunden war, so kann hier die Versicherungspflicht, die nur die in einer anerkannten Werkstatt beschäftigten Behinderten erfaßt, allein wegen einer gewissen Verbindung zwischen der Werkstatt und der Tagesförderstätte nicht auf die in der Tagesförderstätte betreuten Behinderten ausgedehnt werden.
Die Revision der Beklagten erwies sich als unbegründet und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen