Verfahrensgang
Hessisches LSG (Urteil vom 15.05.1987) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 15. Mai 1987 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin für das in der Zeit vom 21. bis 25. Januar 1982 an den Versicherten D. K. (K.) gezahlte Krankengeld Konkursausfallgeld (Kaug) zu gewähren hat.
K. ist Mitglied der Klägerin. Er war seit dem 25. Juli 1979 bei der Firma M. Rhein-Main, H. O. in Frankfurt am Main beschäftigt. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos zum 20. Januar 1982. Mit Beschluß vom 25. Januar 1982 lehnte das Amtsgericht Frankfurt am Main die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Firma M. Rhein-Main mangels Masse ab. Auf seinen Antrag vom 27. Januar 1982 bewilligte die Beklagte dem Versicherten Kaug für die Zeit vom 1. bis 20. Januar 1982 in Höhe von insgesamt 1.494,82 DM.
Im Februar 1982 beantragte die Klägerin, die dem Versicherten K. für die Zeit vom 21. bis 25. Januar 1982 kalendertäglich 82,53 DM Krankengeld gezahlt hatte, die „Erstattung” dieses Betrages von der Beklagten. Die Beklagte lehnte dies mit der Begründung ab, das Arbeitsverhältnis des Versicherten habe aufgrund der Kündigung der Firma M. Rhein-Main bereits am 20. Januar 1982 geendet, so daß die Zeit des Krankengeldbezuges nicht in den Konkursausfallgeldzeitraum falle (Bescheid vom 8. April 1982 und Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 1983).
Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat die – vom Sozialgericht (SG) zugelassene – Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Kaug, der auf sie übergegangen sein könnte. Durch die Zahlung von Krankengeld sei nicht ein Anspruch auf Arbeitsentgelt erfüllt worden, der jetzt von der Klägerin als Kaug geltend gemacht werden könnte. Denn die fristlose Kündigung zum 20. Januar 1982 sei dadurch wirksam geworden, daß der Versicherte keine Kündigungsschutzklage erhoben habe.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 13 Abs. 1 Satz 2 iVm § 4 Abs. 1 und §§ 5 bis 7 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG). Entgegen der Auffassung des LSG stelle die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) keinen der in § 1 Abs. 2 und 3 KSchG bezeichneten Gründe dar. Sie sei vielmehr bereits aus anderen Gründen iS des § 13 Abs. 3 KSchG unwirksam. Sei die Kündigung der Arbeitgeberin im vorliegenden Falle aber wegen Nichteinhaltung der Kündigungsfrist noch nicht im Januar 1982 wirksam geworden, so habe der Versicherte für die Zeit, in der ihm Krankengeld gewährt worden sei, einen Lohnanspruch gehabt. Für den Ausfall dieses Arbeitsentgelts müsse die Beklagte durch Zahlung von Kaug einstehen und ihr, der Klägerin, daher das dem Versicherten anstelle der Lohnzahlung im Krankheitsfalle gewährte Krankengeld „erstatten”.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 15. Mai 1987 und den Bescheid der Beklagten vom 8. April 1982 idF des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 1983 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von 412,65 DM zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–).
Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat wegen des dem Versicherten K. in der Zeit vom 21. bis 25. Januar 1982 gezahlten Krankengeldes keinen Anspruch auf Leistungen auf Kaug.
Selbst wenn man mit der Klägerin davon ausgeht, daß auf den geltend gemachten Anspruch die Vorschriften der §§ 141k Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) und des § 115 Abs. 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) anzuwenden sind (siehe dazu Urteil des erkennenden Senats vom 23. Februar 1988 – 10 RAr 15/87 –), scheitert das Begehren daran, daß dem Versicherten in dem streitigen Zeitraum kein Arbeitsentgelt zustand, das wegen der Zahlung von Krankengeld durch die Klägerin auf diese hätte übergehen können. Denn Leistungen auf Kaug setzen immer voraus, daß der Arbeitnehmer bei Eintritt des Insolvenzereignisses für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat (§ 141b Abs. 1 und Abs. 3 AFG). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Falle nicht erfüllt. Die Arbeitgeberin hat das Arbeitsverhältnis fristlos zum 20. Januar 1982 gekündigt, so daß sie für die Zeit danach kein Arbeitsentgelt mehr zu zahlen hatte.
Die Klägerin macht zu Unrecht geltend, die Kündigung sei rechtsunwirksam gewesen und der Versicherte habe daher für die Zeit nach dem 20. Januar 1982 noch einen Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt. Die Kündigung ist zum 20. Januar 1982 ohne Rücksicht darauf wirksam geworden, ob die Arbeitgeberin für eine außerordentliche Kündigung einen wichtigen Grund iS von § 626 Abs. 1 BGB hatte. Der Versicherte hat nämlich nach den unangegriffenen Tatsachenfeststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), nicht Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erhoben, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Dies hat aber zur Folge, daß die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam gilt, wenn sie nicht aus anderem Grunde rechtsunwirksam ist (§ 7 Satz 1 Halbsatz 1 KSchG).
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Vorschriften der §§ 4 Satz 1 und 7 Satz 1 Halbsatz 1 KSchG auch dann anwendbar, wenn der Arbeitnehmer bei einer außerordentlichen Kündigung nicht rechtzeitig eine Kündigungsschutzklage erhebt. Zwar werden nach § 13 Abs. 1 Satz 1 KSchG die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch das KSchG nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur – wie es in § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG ausdrücklich heißt – nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden. Erhebt der Arbeitnehmer die Feststellungsklage nicht innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG, so wird ein eventuell vorliegender Mangel der Kündigung geheilt (vgl. dazu BAG AP Nr. 10 zu § 11 KSchG, Nr. 1 zu § 13 KSchG 1969; Hueck, KSchG, 10. Aufl, § 13 RdNr. 9; Herschel/Löwisch, Komm zum KSchG, 6. Aufl, § 13 RdNr. 6; s ferner Friedrich in Becker/Etzel/Friedrich/Gröninger/Hillebrecht/Rost/Weigand/Wolf, Gemeinschaftskommentar zum KSchG und sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, 1981, § 13 KSchG RdNrn 37 und 38; s auch das unveröffentlichte Urteil des erkennenden Senats vom 12. August 1987 – 10 RAr 15/85 –).
Die Kündigung der Arbeitgeberin des K. ist aber auch nicht aus anderem Grunde rechtsunwirksam (§ 7 Halbsatz 1 KSchG). Zwar kann die Kündigung wegen Nichteinhaltung der Kündigungsfrist aus anderem Grunde rechtsunwirksam sein (vgl. Herschel/Löwisch, § 7 RdNr. 2). Bei einer fristlosen Kündigung hängt die Frage, ob der Arbeitgeber die Kündigungsfrist unbeachtet lassen durfte, aber vom Vorliegen des wichtigen Grundes ab. Deshalb kann, wenn die Kündigungsschutzklage gegen eine außerordentliche Kündigung nicht rechtzeitig erhoben worden ist, die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung nicht mit Erfolg unter Hinweis auf gesetzliche oder vertragliche Kündigungsfristen geltend gemacht werden. Im Falle eines wichtigen Grundes kommt es nämlich auf die Einhaltung bestimmter Kündigungsfristen gerade nicht an (vgl. § 626 Abs. 1 BGB).
Die Unwirksamkeit der Kündigung darf auch nicht als Vorfrage für den geltend gemachten Anspruch unabhängig davon geprüft werden, ob der Versicherte K. Kündigungsschutzklage erhoben hat oder nicht. Das Recht, die Unwirksamkeit einer Kündigung im Wege der Feststellungsklage nach § 4 KSchG geltend zu machen, ist ein dem Arbeitnehmer zustehendes höchstpersönliches Recht. Die freie Entscheidung darüber, ob es zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses kommen soll, darf ihm nicht genommen werden (BAG, Urteil vom 29. November 1978 – 5 AZR 457/77 – USK 78206; vgl. auch Urteil des erkennenden Senats vom 23. Februar 1988 – 10 RAr 15/87 –). Dies gilt allerdings nur, soweit auf ein Arbeitsverhältnis das KSchG Anwendung findet. Da der Versicherte K. ohne Unterbrechung mehr als sechs Monate bei der Firma M. Rhein-Main beschäftigt gewesen ist, sind die Bestimmungen des KSchG anzuwenden (§ 1 Abs. 1 KSchG).
Ist nach alledem davon auszugehen, daß das Arbeitsverhältnis des K. aufgrund der fristlosen Kündigung seiner Arbeitgeberin am 20. Januar 1982 endete, so bestand für die Zeit vom 21. bis 25. Januar 1982 kein Anspruch auf Arbeitsentgelt, der auf die Klägerin wegen der Zahlung des Krankengeldes für die gleiche Zeit übergegangen sein könnte, so daß auch die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch nicht gegeben sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 921503 |
ZIP 1990, 1098 |