Beteiligte
Schleswig-Holsteinische Landwirtschaftliche Krankenkasse |
Bundesverband der landwirtschaftlichen Krankenkassen |
Innungskrankenkasse Schleswig-Holstein |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 10. Dezember 1996 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat dem Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Im übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die beteiligten Krankenkassen, eine Landwirtschaftliche Krankenkasse (LKK) und eine Innungskrankenkasse (IKK), streiten über ihre Zuständigkeit für die freiwillige Versicherung des Beigeladenen.
Der Beigeladene ist als Schmiedemeister Inhaber eines innungsangehörigen Betriebs für Fahrzeugtechnik und Bremsendienst, für den er durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich tätig ist. Außerdem übt er mit fünf Wochenstunden und einem Jahreseinkommen von zuletzt DM 4.317 eine selbständige Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer aus. Er war ab 1. Oktober 1972 versicherungspflichtiges Mitglied der Klägerin, zuletzt gemäß § 2 Abs 1 Nr 2 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989).
Mit Bescheid vom 2. März 1995 stellte die Klägerin gegenüber dem Beigeladenen fest, daß seine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Landwirte (KVdL) mit Wirkung ab 1. Januar 1995 wegen seiner hauptberuflichen Tätigkeit außerhalb der Landwirtschaft gemäß der durch das Agrarsozialreformgesetz vom 29. Juli 1994 (ASRG) eingefügten Vorschrift des § 2 Abs 4a KVLG 1989 ende, jedoch nach § 63 KVLG 1989 die Möglichkeit zur freiwilligen Fortsetzung der Versicherung bestehe, die spätestens bis zum 31. März 1995 zu erklären sei.
Der Beigeladene wählte statt dessen mit Wirkung vom 1. Januar 1995 die freiwillige Versicherung bei der Beklagten. Der Aufforderung der Klägerin, die Mitgliedschaft zu „stornieren”, da der Beigeladene gemäß § 63 Abs 1 KVLG 1989 die Versicherung nur in der KVdL freiwillig fortsetzen könne, kam die Beklagte nicht nach.
Die vor dem Sozialgericht Kiel (SG) erhobene Klage auf Feststellung der Zuständigkeit der Klägerin für die Durchführung der freiwilligen Versicherung des Beigeladenen blieb ohne Erfolg (Urteil vom 21. Mai 1996). Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 10. Dezember 1996 zurückgewiesen: Nach dem bis zum 31. Dezember 1995 gültig gewesenen § 185 Abs 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) habe der nach § 9 SGB V beitrittsberechtigte Beigeladene die Mitgliedschaft bei der Beklagten wählen können. Die Anwendbarkeit der §§ 9, 185 SGB V auf die aus der KVdL ausgeschiedenen Pflichtmitglieder sei vom Gesetzgeber gerade nicht ausgeschlossen worden.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie meint, bereits aus dem Wortlaut des § 63 Abs 1 Satz 1 KVLG 1989 folge, daß Personen, deren Versicherungspflicht in der KVdL aufgrund des ASRG geendet habe, neben der Möglichkeit, sich privat zu versichern, nur das Recht hätten, sich in der KVdL weiter zu versichern. Darüber hinaus sei in der Gesetzesbegründung zu § 63 Abs 1 Satz 3 KVLG 1989 für die Gewährung des Krankengeldes ausschließlich die LKK genannt. Die durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. Dezember 1992 eingeräumte Möglichkeit zur freien Kassenwahl ab 1. Januar 1996 nehme die KVdL ausdrücklich aus und beteilige sie gemäß § 266 Abs 8 SGB V auch nicht am Risikostrukturausgleich. Die sich aus der Gesetzesbegründung zu den §§ 176, 177 SGB V ergebenden Motive, die Wahlrechte nach den §§ 173 ff SGB V für versicherungspflichtige Mitglieder der See-Krankenkasse (See-KK) und der Bundesknappschaft (BKn) grundsätzlich auszuschließen, um den Bestand und die Leistungsfähigkeit dieser besonderen Kassenarten nicht zu gefährden, müßten auch für die LKK als weitere sogenannte Zuweisungskasse gelten. Eine den §§ 176, 177 SGB V entsprechende ausdrückliche Regelung für die KVdL sei im SGB V nicht erforderlich gewesen, da für die See-KK und die BKn ausschließlich das SGB V gelte, für die landwirtschaftliche Krankenkasse hingegen nur, soweit das KVLG 1989 auf das SGB V verweise. Hinsichtlich der Kassenzuständigkeit genieße das KVLG 1989 als abschließendes Spezialgesetz Vorrang gegenüber den Vorschriften des SGB V. Dies folge aus § 5 Abs 1 Nr 3 und § 166 SGB V sowie den detaillierten Verweisungen auf das SGB V in den §§ 3 und 3a KVLG 1989. Der Ausschluß der freien Wählbarkeit der landwirtschaftlichen Krankenkassen für Versicherte außerhalb der Landwirtschaft nach § 6 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989 bedeute umgekehrt, daß die aufgrund des ASRG aus der Pflichtversicherung der KVdL Ausscheidenden nicht zu anderen gesetzlichen Krankenkassen wechseln dürften. Seit Bestehen der KVdL und insbesondere mit den gesetzlichen Änderungen durch das ASRG verfolge der Gesetzgeber das Ziel der Stärkung der Solidargemeinschaft der KVdL, das nur erreicht werden könne, wenn die ehemals Pflichtversicherten bei Fortsetzung der gesetzlichen Versicherung als freiwillige Mitglieder bei der KVdL versichert blieben.
Die Klägerin beantragt,
die angefochtenen Urteile aufzuheben und festzustellen, daß die Klägerin die für die Durchführung der freiwilligen Versicherung des Beigeladenen ab 1. Januar 1995 zuständige Krankenkasse ist.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist unbegründet.
Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß der Beigeladene berechtigt war, der Beklagten beizutreten.
Die Beitrittsberechtigung des Beigeladenen ergibt sich aus § 185 Abs 2 Nr 1 SGB V idF des Gesundheitsreformgesetzes vom 20. Dezember 1988 ≪GRG≫ (BGBl I, S 2477) iVm § 9 Abs 1 Nr 1 SGB V. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht der Wirksamkeit des Beitritts nicht entgegen, daß der Beigeladene gleichzeitig die Beitrittsvoraussetzungen nach den §§ 6 und 63 KVLG 1989 idF des GRG, zuletzt geändert durch Art 11 ASRG vom 29. Juli 1994 (BGBl I 1890), erfüllt.
Nach § 185 Abs 2 Nr 1 SGB V in der bis zum 31. Dezember 1995 in Kraft gewesenen Fassung des GRG (Art 1 Nr 116 iVm Art 35 Abs 6 Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21. Dezember 1992, BGBl I 226 ≪SGB V aF≫) können die nach § 9 SGB V Beitrittsberechtigten die Mitgliedschaft bei der Krankenkasse wählen, der sie angehören würden, wenn sie versicherungspflichtig wären. Der Beigeladene ist Inhaber eines innungsangehörigen Betriebs für Fahrzeugtechnik und Bremsendienst, in dem er mit wöchentlich 38,5 Stunden hauptberuflich tätig ist. Gemäß § 175 Abs 1 SGB V aF ist die IKK zuständig für die in einem Handwerksbetrieb versicherungspflichtigen Beschäftigten, soweit der Betriebsinhaber Mitglied einer Handwerksinnung ist und diese Innung eine Krankenkasse hat. Wäre der Beigeladene nicht selbständig, wäre er als Arbeitnehmer eines Innungsbetriebes gemäß § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 3 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989, § 175 Abs 1 SGB V aF Mitglied in der beklagten IKK. Der Beigeladene erfüllt auch die Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Nr 1 SGB V. Danach können der Versicherung Personen beitreten, die als Mitglieder aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden mindestens 12 Monate versichert waren. Bevor am 31. Dezember 1994 nach § 2 Abs 4a KVLG 1989 die Versicherungspflicht des Beigeladenen als Landwirt endete, war er über 10 Jahre Pflichtmitglied einer gesetzlichen Krankenkasse. Daraufhin zeigte er der Beklagten den Beitritt vor Ablauf des Monats März 1995 an (§ 9 Abs 2 Nr 1 SGB V).
Der Beigeladene ist aufgrund des KVLG 1989 aus der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Landwirte ausgeschieden. Da er die erforderlichen Vorversicherungszeiten in der KVdL zurückgelegt hat, erfüllt er auch die Voraussetzungen des § 6 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989, wonach der Versicherung beitreten kann, wer aus der Versicherungspflicht nach diesem Gesetz ausgeschieden ist und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens 12 Monate versichert war. Darüber hinaus ist die Versicherungspflicht des Beigeladenen aufgrund des § 2 Abs 4a KVLG 1989 vom 1. Januar 1995 an entfallen (Art 11 Nr 1e iVm Art 48 Abs 1 ASRG). Somit fällt er gleichermaßen unter die Überleitungsvorschrift des § 63 Abs 1 KVLG 1989, die ein Sonderbeitrittsrecht auch dann gewährt, wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989 nicht erfüllt sind.
Die Frage nach dem Verhältnis der Beitrittsrechte gemäß dem SGB V und dem KVLG 1989 stellt sich nur für den Fall, in dem der Ausscheidende – wie hier – gleichzeitig die Voraussetzungen des § 6 KVLG 1989 und des § 9 SGB V erfüllt. Das Sonderbeitrittsrecht nach § 63 KVLG 1989 besteht allein zur landwirtschaftlchen Krankenkasse.
Zutreffend hat das LSG angenommen, daß eine Bindung an die KVdL nach dem Ende der Mitgliedschaft als Landwirt nicht mehr besteht und es dem Ausgeschiedenen nicht verwehrt ist, von seinem Wahlrecht nach § 185 SGB V aF Gebrauch zu machen. Dies folgt aus den §§ 9 und 5 SGB V. § 9 Abs 1 SGB V räumt ein Beitrittsrecht zur freiwilligen Versicherung denjenigen Personen ein, die als Mitglieder aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind (§ 9 Abs 1 Nr 1 SGB V). In § 5 Abs 1 SGB V sind sämtliche Versicherungspflichtigen der gesetzlichen Krankenversicherung aufgeführt, ua in Nr 3 die Versicherungspflichtigen nach dem KVLG 1989. Dementsprechend werden von § 9 SGB V über § 5 Abs 1 Nr 3 SGB V auch die aus der Versicherungspflicht der KVdL gemäß § 2 KVLG 1989 Ausscheidenden erfaßt (so auch: Peters in: Kasseler Komm, Bd 1, Stand: Mai 1997, § 9 SGB V, RdNr 11; Heinze in: GesamtKomm Sozialversicherung, Bd 3 Teil A, Stand: Dezember 1996, § 9 SGB V, Anm 3; Zipperer in: GKV-Komm, Bd 1, Stand: Mai 1997, § 9 SGB V, RdNr 2; Breuer in: GemeinschaftsKomm zum SGB, Bd 2, Stand: März 1997, § 9 SGB V, RdNrn 13 und 14; Mengert in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil 2, SGB V, Bd 1, Stand: Januar 1997, § 9 RdNr 21; Gerlach in: Hauck/Haines, SGB V 1, Stand: September 1997, § 9 SGB V, RdNr 22). Mit Beendigung der Versicherungspflicht nach § 2 KVLG 1989 ist eine freiwillige Versicherung folglich sowohl in der KVdL als auch in der allgemeinen Krankenversicherung möglich (ebenso Rechtsauskünfte WzS 1990, S 29). Nach der Gesetzesbegründung zu § 9 SGB V erstreckt sich die Beitrittsberechtigung nach § 9 Abs 1 Nr 1 SGB V auf Personen, die aus einer Krankenkasse im Geltungsbereich des Gesetzbuchs ausgeschieden sind (BT-Drucks 11/2237 S 160 zu § 9 Abs 1). Dazu gehört gemäß § 4 Abs 2 SGB V auch die LKK.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 63 KVLG 1989 noch aus der Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift oder zu den generellen Regelungen über den freiwilligen Beitritt zur KVdL für den aus der Versicherungspflicht ausgeschiedenen Landwirt, der gleichzeitig die Vorausetzungen des § 9 Abs 1 Nr 1 SGB V erfüllt, eine fortwirkende Bindung an die LKK. Mit der Formulierung, daß Personen, deren Versicherungspflicht endet, der Versicherung beitreten können, eröffnet § 63 KVLG 1989 nur die Möglichkeit, begründet aber keine Verpflichtung zum Beitritt zur KVdL. Zwar ist mit „der Versicherung” in § 63 KVLG 1989 nur die KVdL gemeint und damit über diese Norm nur der Beitritt zu ihr möglich. Damit ist aber nicht zwangsläufig gesagt, daß ein nach anderen Vorschriften möglicher Beitritt zu einer anderen Krankenkasse grundsätzlich ausgeschlossen ist. Gleiches gilt für die Regelung des § 6 KVLG 1989. Ebenso wie Art 59 GRG zielt § 63 KVLG 1989 darauf ab, ausscheidenden Pflichtversicherten die Möglichkeit zur Aufrechterhaltung ihres Versicherungsschutzes zu geben (BT-Drucks 12/5700 S 98 zu Art 9 Nr 20 § 63; BT-Drucks 11/2237 S 270 zu Art 54 Abs 1 Nr 1). Dementsprechend „kann sich freiwillig weiterversichern, wer nicht mehr versicherungspflichtig ist” (BT-Drucks 12/5700 Allg Teil A III, Nr 6a S 68). Es handelt sich um eine Übergangsregelung, die unter Wahrung des Vertrauensschutzes eine Weiterversicherung in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung – und insoweit nur hier – selbst dann ermöglicht, wenn die allgemeinen Voraussetzungen für eine Weiterversicherung nach der Beendigung der Pflichtmitgliedschaft, sei es nach § 6 KVLG 1989 oder nach § 9 SGB V, nicht erfüllt sind. Die Tatsache, daß in der amtlichen Begründung zu § 63 KVLG 1989 erwähnt ist, ausgeschiedene Beschäftigte, deren Arbeitsentgelt oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze liege, erhielten von der LKK Krankengeld, ermöglicht keinerlei Schlüsse im Sinne der Klägerin. Die Krankengeldgewährung durch eine Norm des Regelungswerkes für die KVdL erfolgt naturgemäß durch die in diesem Bereich zuständige LKK. Eine Aussage über das Verhältnis zu anderen Beitrittsnormen außerhalb des KVLG 1989 ist damit nicht getroffen. Aus der für die KVdL untypischen Krankengeldgewährung kann nicht geschlossen werden, daß diese Leistung – wie die Klägerin meint – wegen einer Festlegung auf einen freiwilligen Beitritt zur KVdL erfolge, da es sich um eine Leistung handele, die sonst nur außerhalb dieses Sicherungssystems existiere. Sinn und Zweck der Vorschrift ist vielmehr in dem grundsätzlich von den Vorschriften zum freiwilligen Beitritt bezweckten Schutz der Ausscheidenden zu sehen. Personen, die auf einen Beitritt nach § 63 KVLG 1989 angewiesen sind, weil sie die strengeren Beitrittsvoraussetzungen der generellen Normen nicht erfüllen, wird eine Leistung angeboten, die vergleichbaren Personengruppen auch in anderen Krankenversicherungssystemen erhalten. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin kann die für die KVdL untypische Krankengeldgewährung auch dahingehend interpretiert werden, daß der Gesetzgeber die KVdL in der Konkurrenz mit anderen Krankenkassen stärken wollte. Im übrigen ist die Krankengeldgewährung nach § 63 Abs 1 Satz 3 KVLG 1989 nur für abhängig Beschäftigte mit einem Einkommen über der Jahresarbeitsentgeltgrenze vorgesehen. Für Selbständige wie den Beigeladenen wird kein Anspruch auf Krankengeld eingeräumt.
Bereits in der Begründung zu den Vorschriften über die freiwillige Versicherung nach dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte vom 10. August 1972 (BGBl I 1433 ≪KVLG 1972≫) hieß es: „Das vorgesehene Recht zur freiwilligen Versicherung soll denjenigen den Krankenversicherungsschutz erhalten, die ihre Tätigkeit in der Landwirtschaft aufgeben und daher aus der Versicherungspflicht ausscheiden, ohne daß sie anderweitig einen ausreichenden Versicherungsschutz erwerben oder erwerben können. Damit wird vermieden, daß aus der landwirtschaftlichen Tätigkeit Ausscheidende ohne Krankenversicherungsschutz bleiben” (BT-Drucks VI/3012 Allg Teil Nr 1 S 24). Die KVdL bindet deshalb nicht die Ausgeschiedenen, sondern bietet ihnen nur den freiwilligen Beitritt an, ohne andere Versicherungsmöglichkeiten auszuschließen. Den schon mit dem KVLG 1972 verfolgten Zweck des sozialen Schutzes der aus der landwirtschaftlichen Tätigkeit Ausscheidenden (BT-Drucks VI/3012 S 27 f zu § 5) hat der Gesetzgeber auch mit § 6 KVLG 1989 verfolgt. Er hat die Vorschriften der freiwilligen Versicherung des KVLG 1972 zusammengefaßt und inhaltlich § 9 SGB V angeglichen (BT-Drucks 11/2237 S 244 zu Art 7 § 6), ohne die Zielsetzung der Regelung zu ändern. Die Einführung der mit § 9 SGB V weitgehend identischen Regelung des § 6 in das KVLG bedeutet nicht, daß sich der ausgeschiedene Landwirt nur nach dieser Bestimmung freiwillig weiterversichern kann. Vielmehr eröffnet § 6 KVLG lediglich das Recht des (vormaligen) Landwirts, sich auch bei der landwirtschaftlichen Krankenkasse weiterzuversichern, obwohl für ihn als (nunmehr) weitgehend oder völlig Außenstehenden die Bindung zu dieser Solidargemeinschaft entfallen ist und ohne diese Regelung ein Beitritt nicht möglich wäre. Insgesamt läßt sich den Gesetzesmaterialien zum KVLG ein Wille des Gesetzgebers, die Solidargemeinschaft der landwirtschaftlichen Krankenversicherung durch Bindung Ausscheidender an die KVdL zu stärken, nicht entnehmen.
Zuzustimmen ist der Klägerin darin, daß die Regelungen des KVLG 1989 als speziellere dem SGB V vorgehen. Das folgt schon aus § 166 Satz 2 SGB V. Der Vorrang kann aber nur insoweit gelten, als ein Sondertatbestand des KVLG 1989 erfüllt ist. So ist zwar der freiwillige Beitritt nach Ausscheiden aus der KVdL als Pflichtmitglied spezialgesetzlich im KVLG 1989 geregelt. Vorrang besteht aber nur insoweit, als nach den §§ 6 bzw 63 KVLG 1989 nur die aus dieser Versicherung Ausscheidenden der KVdL freiwillig beitreten können und der Beitritt dann auf die KVdL beschränkt ist. Weiter reicht der Vorrang des KVLG 1989 nicht. Da der Beitritt freiwillig ist, kann er auch unterbleiben. Mit dem Ausscheiden nach Ausübung des Beitrittsrechts zu einer anderen Krankenkasse erfüllt der ehemals Pflichtversicherte keinen der Tatbestände des Spezialgesetzes mehr. Dementsprechend fehlt im SGB V eine Regelung, die ehemaligen Mitgliedern der KVdL den Zugang zu den im SGB V geregelten Krankenkassen verwehrt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin läßt sich auch den Nachfolgevorschriften zu § 185 SGB V aF, den §§ 173 ff SGB V idF des GSG (SGB V nF) kein Ausschluß der Wahlfreiheit für aus der KVdL Ausscheidende entnehmen. Aus der Gesetzesbegründung zu den §§ 173 ff SGB V nF ergibt sich, daß die Neuregelung die sozialpolitisch nicht gerechtfertigten unterschiedlichen Kassenwahlrechte von Arbeitern und Angestellten aus verfassungsrechtlichen Gründen angleichen soll (BT-Drucks 12/3608 Allg Teil II Nr 3 S 74 und 112 zu Art 1 Nr 99 § 173 ff). Der Vorbehalt des § 173 Abs 1 SGB V nF gibt den in der KVdL, in der Sozialversicherung der Künstler und Publizisten und für die Leistungsbezieher nach dem Arbeitsförderungsgesetz geregelten Besonderheiten den Vorrang (BT-Drucks 12/3608 S 113 zu Art 1 Nr 99 § 173). Die Ansicht, es bestehe kein Wahlrecht für die ehemals gemäß § 2 KVLG 1989 Pflichtversicherten nach den §§ 173 ff SGB V nF, wie sich aus dem Vorbehalt in § 173 Abs 1 SGB V nF ergebe (Hauck in: Hauck/Haines, SGB V 2, Stand: September 1997, K § 173 SGB V, RdNr 10), vermag in diesem Zusammenhang nicht zu überzeugen, da das KVLG 1989 ausdrücklich von den Wahlrechten der §§ 173 ff SGB V nF abweichende Vorschriften nur für Versicherungspflichtige, nicht aber für Versicherungsberechtigte enthält. Die §§ 63 und 6 KVLG 1989 haben keinen vom SGB V abweichenden Regelungsgehalt, da sie ihrem Inhalt und Schutzgedanken entsprechend nicht zum freiwilligen Beitritt zwingen oder diesen auf die KVdL beschränken. Sie sind – wie oben ausgeführt – nur insofern vorrangig gegenüber dem SGB V, als nur unter ihren Voraussetzungen der Beitritt zur KVdL möglich ist. Nur in diesem Sinne ist in den Vorschriften des KVLG 1989 eine ausdrückliche Bestimmung getroffen, nach der für Versicherungsberechtigte andere Vorschriften als die des SGB V gelten (Mengert in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil 2, SGB V, Bd 1, Stand: Januar 1997, § 9 SGB V, RdNrn 22 und 24).
Auch die §§ 176, 177 SGB V nF, die den Bestand und die Leistungsfähigkeit der See-KK und der BKn sichern sollen (BT-Drucks 12/3608, S 113 zu Art 1 Nr 99, §§ 176, 177), sprechen nicht für die von der Klägerin angenommene Bindungswirkung. Die Regelungen der §§ 176, 177 SGB V nF beziehen sich lediglich auf versicherungspflichtige Mitglieder. Hinsichtlich der versicherungspflichtigen Mitglieder gewährleistet aber § 173 Abs 1 SGB V iVm § 2 KVLG 1989 der LKK den gleichen Bestandsschutz, wie ihn die §§ 176, 177 SGB V nF für die See-KK und die BKn sicherstellen.
Der Senat vermag der Ansicht der Klägerin nicht zu folgen, aus dem Ausschluß der freien Wählbarkeit der KVdL für Personen, die als Mitglieder einer anderen KK aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind, folge umgekehrt, daß aus der KVdL Ausscheidende nicht zu anderen Kassen wechseln dürften. Zwar wandern auf diese Weise Personen, die Höchstbeiträge zahlen, in andere Kassen ab. Das von der Klägerin befürchtete, von der Solidargemeinschaft nicht mehr ausgleichbare Ungleichgewicht hat der Gesetzgeber indessen bewußt in Kauf genommen, indem er eine dem § 478 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) vergleichbare Regelung nicht geschaffen hat. Mit der Einführung des § 185 Abs 2 SGB V aF hat der Gesetzgeber die Kassenwahlrechte nach der RVO erweitern wollen (BT-Drucks 11/2237 S 215 zu Art 1 § 194 Abs 2) und die Regelung des § 478 Abs 1 RVO, die eine ausschließliche Zuständigkeit der See-KK für bestimmte freiwillige Mitglieder festschrieb, mangels sachlichen Grundes für diese Bindung bewußt gestrichen (BT-Drucks 11/2237 zu Art 1 § 194 Abs 2). Vor diesem Hintergrund ist dem LSG und der Beklagten zuzustimmen, daß die ehemalige Existenz des § 478 Abs 1 RVO dafür spricht, daß der Gesetzgeber einen Wahlrechtsausschluß für die aus der KVdL ausscheidenden Pflichtversicherten ausdrücklich hätte regeln müssen. Die bewußte Streichung des § 478 Abs 1 RVO zeigt, daß sich der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Schaffung der Wahlrechte nach § 185 Abs 2 SGB V aF mit den Wahlrechtsbeschränkungen der aus Zuweisungskassen Ausscheidenden beschäftigt hat, ohne eine Ausschlußregelung für die aus der KVdL Ausscheidenden zu schaffen. Auch nach der Neuregelung der Kassenwahlrechte mit den §§ 173 ff SGB V nF ist der Gesetzgeber dabei geblieben, eine Bindung an die Zuweisungskassen nur für Pflichtmitglieder vorzusehen.
Auch der Ausschluß der KVdL vom Risikostrukturausgleich gemäß § 266 Abs 8 SGB V aF (= Abs 9 idF des Gesetzes vom 23. Juni 1997 ≪BGBl I 1520≫) ist nicht geeignet, die Auffassung der Klägerin zu stützen. Nach der Gesetzesbegründung nimmt die KVdL wegen ihrer Besonderheiten im Leistungs- und Beitragsrecht und der Beteiligung des Bundes an der Finanzierung ihrer Ausgaben nicht am Risikostrukturausgleich teil (BT-Drucks 12/3608 S 118 zu Art 1 Nr 126 § 266 Abs 8). Darüber hinaus ist die Nichtteilnahme am Risikostrukturausgleich Folge des Ausschlusses der KVdL vom Wettbewerb und erklärt sich aus der besonderen Gruppenstruktur dieser Versichertengemeinschaft, die sich aus dem Bezug zur Landwirtschaft ergibt (Weber, Die Organisation der gesetzlichen Krankenversicherung, Berlin 1995, S 195 f). Die damit erfolgte klare Abgrenzung, die gerade aus den besonderen Bedürfnissen der Berufsgruppe der Landwirte zu erklären ist, spricht dafür, daß es grundsätzlich bei der nach dem Schwerpunkt der Berufstätigkeit ausgerichteten Zugehörigkeit zu diesem System bleiben soll. Dies ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs 4a KVLG 1989, wonach sich die Zugehörigkeit zu einer Krankenkasse nach dem Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit richten soll (BT-Drucks 12/5700, S 95 zu Art 9 Nr 1e). Hauptberuflich außerhalb der Landwirtschaft Tätige, wie zB Angehörige freier Berufe, sollen der KVdL nicht mehr angehören (von Einem, Das Gesetz zur Reform der agrarsozialen Sicherung, Agrarrecht 1994, S 349, 355). Die dem Schwerpunkt der Berufstätigkeit folgende Ausrichtung der gesetzlichen Krankenversicherung fand in der zum Zeitpunkt des Endes der Pflichtmitgliedschaft des Beigeladenen geltenden Fassung des SGB V besonderen Ausdruck in § 178 SGB V aF. Danach richtete sich die Zuständigkeit der Krankenkasse für versicherungspflichtige Beschäftigte, die gleichzeitig in mehreren Beschäftigungsverhältnissen stehen, nach der überwiegenden Beschäftigung. Wenn der Beigeladene neben der Bewirtschaftung seines landwirtschaftlichen Betriebs in einem seinem eigenen innungsangehörigen Handwerksbetrieb entsprechenden Betrieb versicherungspflichtig abhängig beschäftigt wäre, müßte er zwar dem Grunde nach noch immer in der KVdL versichert werden. Der Konflikt wurde in diesem Fall aber gemäß § 3 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989 zugunsten der Versicherungspflicht außerhalb der KVdL gelöst. Dem Grundgedanken dieser Zuordnung widerspräche es, bei einem freiwillig Versicherten unter vergleichbaren Umständen eine stärkere Bindung an die KVdL anzunehmen als bei einem Pflichtversicherten. Auch mit Blick auf die Hauptberufstätigkeit des Beigeladenen erscheint es nicht sachgerecht, ihn an die Klägerin zu binden.
Schließlich spricht der Hinweis der Klägerin auf die fehlende Nennung des § 23 KVLG 1989 in § 9 Abs 1 Nr 1 SGB V nicht für einen Ausschluß der Anwendbarkeit des § 9 SGB V und damit der Wahlrechte der aus der KVdL ausgeschiedenen Pflichtversicherten.
§ 23 KVLG 1989 entspricht inhaltlich dem in § 9 Abs 1 Nr 1 SGB V genannten § 189 SGB V. Beide Normen fingieren die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung für Rentenantragsteller bzw in der KVdL für Antragsteller nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte. Nach diesen Vorschriften zurückgelegte Versicherungszeiten sind als Vorversicherungszeiten für die freiwillige Versicherung in § 6 Abs 1 Nr 1 KVLG 1989 bzw § 9 Abs 1 Nr 1 SGB V ausgeschlossen. Zuzustimmen ist der Klägerin darin, daß auch Zeiten nach § 23 KVLG 1989 im Rahmen des § 9 SGB V keine anrechenbaren Zeiten sein können. Dies würde dem Sinn und Zweck des ausdrücklichen Ausschlusses von nach § 189 SGB V zurückgelegten Versicherungszeiten widersprechen. Für Versicherungszeiten nach § 315a RVO wird ohne weiteres angenommen, daß sie nicht als Versicherungszeiten im Rahmen des § 9 Abs 1 Nr 1 SGB V anzuerkennen sind, weil die Vorschriften des § 315a RVO und des § 189 SGB V denselben Regelungsgehalt haben (Heinze in: GesamtKomm Sozialversicherung, Bd 3 Teil A, Stand: Dezember 1996, § 9 SGB V, Anm 3a). Gleiches muß für § 23 KVLG 1989 gelten, da auch sein Regelungsgehalt dem des § 189 SGB V entspricht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
Haufe-Index 542680 |
SozSi 1999, 39 |