Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für ärztlich verordnete Angorawäsche zu tragen.
Der Kläger ist als Rentenantragsteller Pflichtmitglied der beklagten Krankenkasse. Wegen eines subakuten Gelenkrheumatismus verordnete ihm die praktische Ärztin Dr. R… Angoraunterwäsche. Den Antrag des Klägers, die Kosten dafür zu übernehmen, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 27. Dezember 1976 und Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 1977). Angorawäsche sei weder ein Heil- noch ein Hilfsmittel, denn mit ihr solle nicht ein Krankheitszustand therapeutisch beeinflußt werden. Eine bessere Durchblutung als vorbeugende Maßnahme könne auch durch andere wärmende Kleidung erreicht werden.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte antragsgemäß zur Kostenerstattung verurteilt und zur Begründung ausgeführt: Die Angorawäsche sei ein Heilmittel, denn sie solle in unmittelbarem Zusammenhang mit der ärztlichen Behandlung den Heilerfolg sichern. Sie halte den Körper warm und beuge dadurch einer Verschlechterung des Krankheitszustandes durch Kälteeinwirkung vor. Zwar habe Angorawäsche auch einen allgemeinen Gebrauchswert, bei der Verordnung für einen Kranken überwiege jedoch der therapeutische Nutzen (Urteil vom 5. August 1977).
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) ein Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Dr. Dr. H… beigezogen und danach unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abgewiesen (Urteil vom 19. Mai 1978) : Eine Kostenerstattung komme nicht in Betracht, denn Angorawäsche sei kein Heilmittel. Wie sich aus dem Gutachten des Dr. Dr. H… ergebe, sei sie lediglich geeignet, den Körper vor Abkühlung zu schützen. Dieser Effekt könne auch mit anderer warmer Kleidung erreicht werden. Angorawäsche sei somit wie Wäsche überhaupt ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Eine spezielle Heil- oder Linderungswirkung komme ihr nicht zu. Ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens werde auch dann nicht zu einem Heilmittel, wenn ihn ein Arzt in unmittelbarem Zusammenhang mit der Krankheitsbehandlung anwende. Andernfalls müßten auch Wolldecken und eine gut geheizte Wohnung, wenn sie der Arzt für die Gesundung des Patienten als notwendig ansehe, durch ärztliche Verordnung zu Heilmitteln werden. Die Krankenversicherung habe lediglich die Versorgung mit Mitteln sicherzustellen, die ein Kranker normalerweise nicht besitze und die aus Anlaß der Erkrankung zu Heilzwecken angeschafft werden müßten. Das sei bei Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens nicht der Fall.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 182 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b Reichsversicherungsordnung (RVO) und des § 11 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c der Versicherungsbedingungen (VB) der Beklagten: Angorawäsche sei ein Heilmittel. Der Vergleich mit einer Wolldecke oder einem beheizten Zimmer gehe fehl. Die Heilwirkung der Angorawäsche werde durch das ständige Tragen und den dadurch gegebenen unmittelbaren Körperkontakt erzielt, wobei der gleichmäßigen Wärme, die durch diese Wäsche erreicht werde, eine hervorgehobene Rolle zukomme. Dies gelte besonders bei einer chronischen Polyarthritis, an der er leide. Es könne auch nicht darauf abgestellt werden, daß die gleiche Wirkung mit anderer wärmender Kleidung zu erreichen sei. Es gebe einen gesicherten wissenschaftlichen Erfahrungssatz, wonach viele Rheumakranke erst durch das Tragen von Angorawäsche eine Linderung ihrer Schmerzen verspürten (Antrag: Feststellung dieses Erfahrungssatzes durch ein Sachverständigengutachten im Wege des sogenannten Freibeweises).
Der Kläger beantragt,das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG Itzehoe vom 5. August 1977 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Sie trägt vor, Gegenstände des allgemeinen Lebensbedarfs könnten Heilmittel sein, wenn sie im Einzelfall der Behandlung einer Erkrankung dienten. Entscheidend sei die Zweckbestimmung, eine Krankheit zu heilen, zu bessern oder eine Verschlimmerung zu verhüten. Diese Wirkung habe Angorawäsche nicht, denn sie biete nur einen Schutz vor Abkühlung und habe keine darüber hinausgehende Heilwirkung. Sie sei damit ein Kleidungsstück wie die übliche Baumwollunterwäsche. Selbst wenn das Tragen von Angorawäsche die Krankheitserscheinungen vermindere, so folge daraus nicht eine Verpflichtung zur Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenkassen, denn diese hätten nicht für Mehraufwendungen in der allgemeinen Lebensführung einzustehen, zu denen eine Krankheit den Versicherten nötige.
II
Die Revision ist unbegründet.
Das LSG hat zu Recht das zusprechende Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat mit zutreffender Begründung entschieden, daß die Beklagte nicht verpflichtet ist, dem Kläger die ihm ärztlich verordnete Angorawäsche zur Verfügung zu stellen. Die der beklagten Krankenkasse nach dem Gesetz und ihren VB obliegende Krankenpflege umfaßt eine solche Leistung nicht.
Angorawäsche gehört insbesondere nicht zu den Heilmitteln, die die Beklagte nach § 507 i.V.m. § 182 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b RVO und den damit übereinstimmenden § 11 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c ihrer VB zu gewähren hat. Es handelt sich vielmehr um Bekleidungsstücke, die der Versicherte nur auf eigene Rechnung erwerben kann. Nach den in den angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die mit der Revision nicht in zulässiger und begründeter Weise angegriffen worden sind und daher den Senat binden (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-), bewirkt die vom Kläger begehrte Angorawäsche nur, den Körper gegen Abkühlung abzuschirmen; eine spezielle Heil- und Linderungswirkung kommt ihr gegenüber sonstiger Wäsche nicht zu. Sie dient also der Warmhaltung des Körpers. Darin erschöpft sich ihre den Gesundheitszustand beeinflussende Wirkung. Auch die gewöhnliche Bekleidung soll den Körper vor Kälte und Nässe schützen und dadurch zur Gesunderhaltung beitragen. Durch die Möglichkeit, die Bekleidung den jeweiligen klimatischen Umwelteinflüssen anzupassen, ist der Einzelne in der Lage, über die Auswahl seiner Bekleidung auch Einfluß auf seinen Gesundheitszustand zu nehmen, soweit Krankheiten durch klimatische Bedingungen ausgelöst oder verschlimmert werden können. Das ändert jedoch nichts daran, daß der Erwerb von Kleidungsstücken als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens der Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen obliegt.
Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn wegen einer bestehenden Erkrankung - wie bei bestimmten Erkrankungen rheumatischer Art angenommen wird - ein erhöhter Wärmebedarf durch eine in besonderer Weise wärmende Bekleidung befriedigt werden muß. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, daß Aufwendungen im Bereich der Gebrauchsgüter des täglichen Lebens, die der Versicherte wegen einer Krankheit hat, nicht in den Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenkasse fallen. So hat die Krankenkasse nicht für Mehraufwendungen aufzukommen, die einem Versicherten dadurch entstehen, daß er wegen krankhafter Überempfindlichkeit gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln auf teurere Ersatzprodukte, die auch in Apotheken angeboten werden, ausweichen muß (bezüglich gliadinfreie und glutenfreie Nahrung: Urteil vom 18. Mai 1978 - 3 RK 11/77 - BSGE 46, 179 ff. sowie Urteil vom selben Tage - 3 RK 13/77 - KVRS 2230/16). Gleiches wie für Nahrungsmittel muß für die Bekleidung gelten. Beide befriedigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens. Daran können die gesetzlichen Krankenkassen von ihrer Aufgabenstellung her nicht beteiligt werden.
Angorawäsche ist auch nicht deshalb ein Heilmittel, weil sie üblicherweise als Rheumawäsche bezeichnet wird und aus einem besonderen Material besteht. Unter Heilmitteln sind die sachlichen Mittel zu verstehen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Krankenpflege angewandt werden, also einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern sollen (BSGE 33, 263, 264; 37, 138, 139). Angorawäsche bleibt trotz ihrer Besonderheit ein Gegenstand der Bekleidung. Ihre besondere Wirkung auf den menschlichen Organismus beruht auf ihrer Wärmeisolation und damit auf einer Funktion, die jedem Kleidungsstück zukommt. Allein die Tatsache, daß Angorawäsche hinsichtlich der Warmhaltung des Körpers eine höhere Effizienz hat als die übliche Baumwollwäsche, begründet keine Leistungspflicht der Krankenkasse. Damit kann dahinstehen, ob es, wie der Kläger meint, einen Erfahrungssatz gibt, wonach viele Rheumakranke durch die wohltuende Wärme der Angorawäsche eine Linderung von Krankheitssymtomen verspüren. Gegenstände, die keine spezielle, durch andere wirkungsvolle Maßnahmen nicht ersetzbare therapeutische Wirkung haben, können allenfalls als Mittel zur Erhaltung der Gesundheit oder zum Schutz vor Erkrankungen angesehen werden. Maßnahmen der Gesunderhaltung fallen jedoch nicht in den Aufgabenbereich der gesetzlichen Krankenversicherung (Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Stand: August 1978, § 182 RVO Anm. 3.2.2. m.w.N.).
Schließlich ist die Angorawäsche auch kein Hilfsmittel im Sinne des § 182 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c im § 182 b RVO (§ 14 Abs. 5 VB der Beklagten). Dazu zählen nur Gegenstände der Krankenpflege, die dem Zweck dienen, einer drohenden Behinderung vorzubeugen, den Erfolg der Heilbehandlung zu sichern oder eine körperliche Behinderung auszugleichen. Hilfsmittel in diesem Sinne sind nur solche, die unmittelbar gegen eine Behinderung gerichtet sind, z.B. indem sie eine gestörte Körperfunktion ersetzen (BSGE 33, 263 ff.; SozR 2200 § 187 RVO Nr. 3). Die Angorawäsche beschränkt sich jedoch - wie dargelegt - in ihrer unmittelbaren Wirkung auf die Warmhaltung des Körpers. Sie erfüllt damit nur, wenn auch in besonderer Weise, den Zweck eines Bekleidungsstücks.
Auch eine anteilige Kostenübernahme durch die Beklagte, wie sie der erkennende Senat bei orthopädischen Schuhen für geboten angesehen hat (BSGE 42, 229 ff.) kommt nicht in Betracht. Bei orthopädischen Schuhen ist eine teilweise Kostenübernahme durch die Krankenkasse gerechtfertigt. Sie sind Bekleidungsstück und Hilfsmittel zugleich; denn sie gleichen auch eine bestehende Behinderung aus. Angorawäsche ist jedoch lediglich ein Bekleidungsstück.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.3 RK 44/78
Bundessozialgericht
Fundstellen