Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte, beigeladen |
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um den Zuschuß zu einem "Bad-Helfer".
Der Beigeladene … (U.) ist bei der Beklagten krankenversichert. Er leidet an einer Teillähmung beider Hände, die ihm nur leichte Beschäftigungen, wie z.B. Schreiben, erlaubt, sowie an einer fast vollständigen Lähmung der unteren Gliedmaßen, so daß der Versicherte sich auch innerhalb der Wohnung mit dem Rollstuhl bewegen muß.
Am 6. Dezember 1971 beantragte er beantragte er bei der Beklagten die Gewährung eines Zuschusses zum Kauf eines Bad-Helfers. Er könne wegen seiner- Beinlähmung keine Brausebäder nehmen und sei deshalb auf Wannenbäder angewiesen. Da seine mit ihm in Wohngemeinschaft lebende Mutter und seine Ehefrau ebenfalls schwer körperbehindert seien - sie seien als Schwerbeschädigte anerkannt -, könnten sie ihm dabei nicht Hilfe leisten. Unter diesen Umständen sei er auf den Bad-Helfer angewiesen. Das Gerät diene nicht der Wiederherstellung oder der Arbeitsfähigkeit, sondern vornehmlich der Erleichterung der Körperpflege.
Nachdem der Versicherte sich an den Kläger als Träger der Sozialhilfe gewandt hatte, erwarb dieser den Bad-Helfer und überließ das Gerät dem beigeladenen zum Gebrauch, behielt sich jedoch das Eigentum daran vor. Der Kläger machte einen Ersatzanspruch gegen die Beklagte geltend, den diese mit Schreiben vom 24. Februar ablehnte.
Der Kläger hat nunmehr vor dem Sozialgericht (SG) Münster Klage erhoben und von der beklagten Krankenkasse Ersatz in Höhe des satzungsgemäßen Zuschusses (420,02 DM) gefordert. Das SG hat die Klage abgewiesen, weil der Bad-Helfer kein Hilfsmittel i.S. des § 187 Nr. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) sei. Das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 21. März 1974): Der Ersatzanspruch scheitere an § 1533 Nr. 3 RVO. Die leihweise Überlassung des Bad-Helfers an den Versicherten und dessen Anspruch gegen die Krankenkasse auf einen Zuschuß zu den Kosten des Gerätes könnten nicht als gleichartige Leistungen gewertet werden. Der Kläger könne das Gerät zufolge seines Eigentums ggf. später einer anderweitigen Verwendung zuführen. Er erstrebe somit nicht Ersatz seiner Aufwendungen für den Versicherten, sondern begehre die Erstattung von Mitteln, die er für ihm obliegende Aufgaben aufgebracht habe, für die er jedoch selbst einstehen müsse.
Der Kläger rügt mit der zugelassenen Revision die Verletzung der §§ 1531, 1533 Nr. 3 RVO. Nach Wortlaut und Ziel dieser Bestimmungen komme es für die Begründung eines Ersatzanspruchs auf die Gleichartigkeit des Zweckes der Leistungen von Sozialhilfeträger und Krankenkasse an. Die Gestaltung der Eigentumsverhältnisse sei demgegenüber unerheblich. Trotz des Eigentumsvorbehalts habe er - der Kläger - durch die Anschaffung des Bad-Helfers eine Vermögenseinbuße erlitten, zumal ihm eine freie Verfügung über das Gerät ohnehin nicht möglich sei.
Der Kläger beantragt,die Urteile des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. März 1974 und des Sozialgerichts Münster vom 8. Mai 1973 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von 420,02 DM zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Sie stützt sich auf die angefochtene Entscheidung.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Der Kläger hat einen Ersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe des satzungsgemäßen Zuschusses zu Hilfsmitteln.
Der Sozialhilfeträger, der nach gesetzlicher Pflicht einen Hilfsbedürftigen für eine Zeit unterstützt hat, für die dieser einen Anspruch gegen einen Träger der Sozialversicherung hatte oder noch hat, kann gemäß § 1531 Satz 1 RVO bis zur Höhe des versicherungsrechtlichen Anspruchs Ersatz nach den §§ 1532 ff. RVO verlangen. Der Ersatzanspruch des Klägers hängt mithin davon ab, ob dem Versicherten ein Anspruch gegen die beklagte Krankenkasse zusteht.
Da der Versicherte seinen Anspruch 1971 erhoben und der Kläger die Leistung 1972 erbracht sowie den Ersatzanspruch geltend gemacht hat, ist auf den abgeschlossenen Leistungsfall die für jenen Zeitraum geltende gesetzliche Regelung anzuwenden (vgl. BSG, Urteil vom 27. April 1973 - 3 RK 69/71). Die durch das Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974 - (BGBl. I 1881) geschaffene neue gesetzliche Regelung hat sich keine rückwirkende Kraft - für die Zeit vor dem 1. Oktober 1974 - beigelegt und ist daher nicht heranzuziehen (§§ 21, 45 Abs. des Gesetzes).
Der Beigeladene U. ist und war Mitglied der beklagten Ersatzkasse. Auf Grund dieser Mitgliedschaft standen ihm Leistungsansprüche in dem Rahmen zu, in dem sie durch Gesetz und Satzung vorgesehen sind. Nach § 187 Nr. 3 RVO kann die Satzung (der Kasse) Hilfsmittel gegen Verunstaltung und Verkrüppelung zubilligen, die nach beendigtem Heilverfahren nötig sind, um die Arbeitsfähigkeit herzustellen oder zu erhalten. Von dieser gesetzlichen Ermächtigung, die auch für die Ersatzkassen von Bedeutung ist (§ 508 Satz 1 RVO), hat die Beklagte Gebrauch gemacht. Gemäß Abschn. F, Unterabschn. Krankenpflege, Nr. 7 Abs. 1 ihrer Versicherungsbedingungen (VB) vom 1. Januar 1952, Stand 1. Januar 1971, gewährt sie ihren Mitgliedern - sofern diese gegen den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung keinen Beihilfeanspruch besitzen - für Hilfsmittel, die notwendig sind, um die Arbeitsfähigkeit herzustellen oder zu erhalten, 80% der Kosten für eine einfache Ausführung, höchstens jedoch 1.000,-- DM; bis zu dem Betrag von 250,-- DM übernimmt die Beklagte die vollen Kosten. Diese Regelung gilt nach Abschn. G, Unterabschn. Leistungen, Nr. 1 der VB sowohl für nichtversicherungspflichtige Mitglieder wie für versicherungspflichtige und daher auch für den Beigeladenen.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Bad-Helfer ein Hilfsmittel i.S. des § 187 Nr. 3 RVO. Da der Begriff "Hilfsmittel" in Abschn. F, Unterabschn. Krankenpflege, Nr. 7 Abs. 1 der VB im Zusammenhang mit Formulierungen verwendet wird, die der Vorschrift des § 187 Nr. 3 RVO im wesentlichen entsprechen kommt ihm die gleiche Bedeutung zu wie in jener Bestimmung. Im Gegensatz zum Heilmittel (vgl. §§ 182 Abs. 1 Nr. 1, 193 RVO), das in unmittelbarem Zusammenhang mit der Behandlung der Krankheit Anwendung finden und einen Heilerfolg herbeiführen oder sichern soll, sind Hilfsmittel (§ 187 Nr. 3 RVO) nicht zur therapeutischen Einflußnahme, sondern zum Ausgleich bestehender körperliche Defekte bestimmt. Das Hilfsmittel soll an die Stelle eines nicht oder nicht voll funktionsfähigen Körperorgans treten und möglichst weitgehend dessen Funktion übernehmen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. BSG 33, 263, 264, 265; 37, 138, 139), wobei das Gesetz als Ziel die Herstellung oder Erhaltung der Arbeitsfähigkeit im Auge hat.
Nach den im Rechtsstreit nicht angegriffenen ärztlichen Feststellungen ist der Versicherte nicht imstande, ein Brausebad zu nehmen. Er ist auch mit der ihm verbliebenen Rest-Funktionsfähigkeit seiner Gliedmaßen nicht in der Lage, aus eigener Kraft eine Badewanne zu benutzen. Es ist ihm schließlich auch nicht möglich, diese Behinderung durch die - an sich zumutbare - Hilfe mit ihm zusammenwohnender Familienangehöriger auszugleichen, da diese selbst behindert sind. Aus diesen Umständen ergibt sich, daß der Versicherte, sofern er die Badewanne benutzen will, auf den Gebrauch des Bad-Helfers angewiesen ist. Dieses Gerät ermöglicht es ihm, vom Rollstuhl aus in die Badewanne und wieder zurück zu gelangen, indem es auf mechanischem Wege die fehlende Kraft seiner Hände und Arme und die mangelnde Bewegungsfähigkeit seiner Beine ausgleicht. Damit erfüllt der Bad-Helfer die Funktionen. die einem Hilfsmittel i.S. des § 187 Nr. 3 RVO eigen sind.
Das Hilfsmittel dient auch der vom Gesetz vorgeschriebenen Zweckbestimmung. Es gehört zu den elementaren Bestandteilen der Körperpflege eines Versicherten, das in der Wohnung zur Verfügung stehende Wannenbad benutzen zu können; die dadurch ermöglichte gründliche körperliche Reinigung ist nicht nur ein Grunderfordernis der Hygiene, wie es sich vom Leitbild des gesunden Menschen aus darstellt, sie dient auch der Erhaltung und Verbesserung der Arbeitsfähigkeit. Der Senat hat wiederholt klargestellt, daß die finale Bestimmung in § 187 Nr. 3 RVO keine enge Auslegung verträgt. Der Zweck der geht vielmehr dahin, dem Behinderten die Teilnahme am sozialen Leben zu ermöglichen (vgl. dazu im einzelnen, BSG 33, 263, 266). Der Gesetzgeber hat dem auch für die Zeit ab 1. Oktober 1974 durch eine Neufassung der Vorschriften des § 182 Abs. 1 Nr. 1c und § 182b Rechnung getragen, wenngleich diese neue gesetzliche Regelung für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits noch ohne Bedeutung ist. Zusammenfassend ergibt sich somit, daß der Bad-Helfer für den Versicherten als Hilfsmittel i.S. des § 187 Nr. 3 RVO anzusehen und die beklagte Krankenkasse satzungsgemäß zur Zahlung eines Zuschusses verpflichtet ist. Daraus folgt die Berechtigung des Ersatzanspruchs des Klägers.
Dem Ersatzanspruch steht nicht entgegen, daß die Beklagte den Anspruch des Versicherten auf Gewährung eines Zuschusses mit Bescheid vom 9. Dezember 1971 diesem gegenüber abgelehnt hat. Der Ersatzanspruch gemäß §§ 1531 ff. RVO ist ein selbständiger - originärer - Anspruch, der neben den Leistungsanspruch des Versicherten tritt (vgl. BSG, SozR Nr. zu § 216 RVO; Nr. 26 zu § 1531 RVO).
Der Ersatzanspruch des Sozialhilfeträgers, der gegen Ersatzkassen in gleicher Weise wie gegen gesetzliche Krankenkassen (§ 1543a Abs. 1 RVO) besteht, kann schließlich auch nicht durch § 1533 Nr. 3 Satz 1 RVO abgewehrt werden, wie das LSG rechtsirrtümlich angenommen hat. Diese Regelung bestimmt, daß die Unterstützungen des Sozialhilfeträgers aus den ihnen entsprechenden Leistungen der Krankenkasse zu ersetzen sind. Wenn damit auch eine gewisse Gleichartigkeit der Leistungen vorausgesetzt wird (vgl. BSG 3, 57, 59; 29, 87, 91), so ist es doch nicht erforderlich, daß die erbrachte Leistung des Sozialhilfeträgers, und die vom Krankenversicherungsträger zu erbringende Leistung identisch sein müssen. Das zeigt schon die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, denn in den Gesetzesmaterialien wird ausgeführt: Es darf angenommen werden, "daß die Praxis bei der Abgrenzung der Leistungen nicht zu sehr ins einzelne geht und teilen wird, da in der Fassung nicht von Leistungen, die einander im einzelnen entsprechen, die Rede ist, sondern nur im allgemeinen von entsprechenden Leistungen" (Anlagen zum Entwurf einer RVO, Reichstag, 12. Legislaturperiode, II. Session, 1909/10 zu Nr. 340, S. 469 zu § 1516 Nr. 3 des Entwurfs). Wesentlich für die Frage, ob Leistungen einander entsprechen, kann nur der Gesichtspunkt sein, ob sie die gleiche versicherungsmäßige Bedeutung und Wirkung zeitigen. Dabei kommt es vorliegend darauf an, ob der Bad-Helfer bei beiden Leistungsmodalitäten dem Versicherten als Hilfsmittel uneingeschränkt für den vorgesehenen Gebrauch zur Verfügung steht. Dieser Effekt kann aber nicht nur dadurch erreicht werden, daß dem Versicherten ein Geldbetrag gezahlt und damit der Erwerb des Gerätes ermöglicht wird, sondern er kann mindestens in gleicher Weise dadurch erzielt werden, daß dem Versicherten das Gerät zur uneingeschränkten Benutzung zur Verfügung gestellt wird. Entscheidend für die Funktion des Hilfsmittels ist der Gebrauch des Gerätes; die Frage seiner eigentumsmäßigen Zuordnung ist demgegenüber von untergeordneter Bedeutung. Der Eigentumsvorbehalt des Klägers entfaltet gegenüber dem Versicherten keine Wirkungen, solange dieser das Gerät benötigt; er zieht lediglich den Rückfall des Gerätes an den Kläger nach sich, sofern der Versicherte auf das Hilfsmittel nicht mehr angewiesen ist. In einem solchen Fall hätte das Hilfsmittel aber seine versicherungsmäßigen Funktionen für den Versicherten ohnehin eingebüßt.
Nach all dem ist die Krankenkasse verpflichtet, dem Sozialhilfeträger Ersatz zu leisten. Sie hat dafür den ihr satzungsgemäß obliegenden Zuschuß (80% der Kosten des Bad-Helfers) zu erbringen, da der Kläger den vollen Kaufpreis getragen hat. Die Ersatzforderung des Klägers wird nicht dadurch gemindert, daß er sich das Eigentum an dem Bad-Helfer vorbehalten hat. Selbst wenn die - vage - Möglichkeit des Rückfalls des Hilfsmittels an den Kläger überhaupt einen wirtschaftlichen Wert haben sollte, so wäre dieser nach Lage der Dinge doch denkbar gering und dem Kläger verblieben für seine Ersatzforderung jedenfalls noch Aufwendungen in Höhe des verlangten Zuschusses. Überdies sind von der Beklagten gegen die Höhe des Ersatzanspruchs von 420,02 DM keine Einwendungen erhoben worden. Die Beklagte war somit unter Aufhebung der entgegenstehenden Vorentscheidungen antragsgemäß zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen