Entscheidungsstichwort (Thema)
Entsendung. Arbeitgeber. Missionszentrum. Weisungsgebundenheit. Beschäftigungsverhältnis. Dienst höherer Art.. Arzt
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob eine Entsendung vorliegt, wenn ein deutscher Arzt auf Grund einer mit einem inländischen Missionszentrum geschlossenen Vereinbarung als Chefarzt eines ausländischen Regierungskrankenhauses tätig wird.
Normenkette
BKGG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; SGB IV § 4; SGB X § 45
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. August 1995 und das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22. Juni 1994 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander für sämtliche Rechtszüge keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Kindergeld (Kg) mit Wirkung ab November 1988 wegen eines Auslandsaufenthaltes.
Der 1950 geborene Kläger bezog Kg für vier in den Jahren 1974, 1976, 1982 und 1984 geborene Kinder bis einschließlich Oktober 1988. Am 26. Oktober 1986 verpflichtete er sich in einer Vereinbarung mit dem N. M. H. (NMZ), nach einer Vorbereitungszeit (ua Sprachschulung und Orientierung über Land und Leute) vom 16. Oktober 1986 bist 31. Januar 1987 sodann nach Maßgabe einer weiteren Vereinbarung zwischen dem NMZ und der Ev. Luth. Kirche (ELC) von P. -N. (PNG) drei Jahre als Chirurg im A. -Hospital des Department of Health in L., PNG, zu arbeiten. Dem Überseedienst vom 1. Februar 1987 bis 31. Januar 1990 sollte sich ein dreimonatiger Urlaub in Deutschland anschließen. Die Vereinbarung zwischen dem NMZ und dem Kläger bestimmte, unbeschadet des Vertragsverhältnisses mit dem NMZ und der Tatsache, daß die ELC-PNG ihn für den Regierungsdienst im A. -Hospital zu beurlauben habe, unterstehe der Kläger der Kirchenleitung der ELC-PNG (§ 1 Abs. 2 der Vereinbarung), deren Verfassung und Verordnungen er zu beachten habe. Während der Vorbereitungszeit und des nachfolgenden Urlaubs erhalte er Vergütung nach dem Kirchlichen Angestelltentarif (KAT) lb. Mit Aufnahme der Tätigkeit für das Department of Health in PNG sei die Regierung für die Gehaltszahlungen zuständig, für die das NMZ die Ausfallbürgschaft bis zur Vergütung nach KAT lb übernehme (§ 3 der Vereinbarung). Der Kläger sei im Rahmen des Leistungskataloges der Übersee-Ordnung des NMZ gegenüber dem NMZ anspruchsberechtigt (§ 4 der Vereinbarung), das auch die Beiträge für die Ärzteversorgung und eine monatliche Pauschale von 900,00 DM für den Bereitschaftsdienst im Regierungskrankenhaus zahle (§ 6 und § 4 Abs. 3 der Vereinbarung).
Entsprechend dieser Vereinbarung reiste der Kläger nach Abschluß der Vorbereitung am 25. Januar 1987 nach PNG und war dort vom 1. Februar 1987 bis 31. Januar 1990 als Chefarzt der chirurgischen Abteilung im A. -Hospital tätig. Nach der Rückkehr vom Überseedienst nahm er den dreimonatigen Urlaub.
Durch Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10. Oktober 1988 hob die Beklagte die Kg-Bewilligung zunächst ab Februar 1987 auf und forderte das für den Zeitraum von Februar 1987 bis August 1988 gezahlte Kg vom Kläger zurück mit der Begründung, der Kläger unterliege seit Februar 1987 nicht mehr der deutschen Sozialversicherung. Auf den Widerspruch des Klägers verzichtete die Beklagte auf die Rückforderung (Bescheid vom 7. August 1990), hielt aber im übrigen am Bescheid vom 10. Oktober 1988 fest (Schreiben vom 12. November 1990). Die Beklagte zahlte zunächst einbehaltenes Kg für den Zeitraum Juli bis Oktober 1988 nach (Mitteilung vom 9. Januar 1991) und bewilligte erneut Kg ab Februar 1990 (Verfügung vom 9. Oktober 1990). Durch Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 1992 wies die Beklagte den Widerspruch hinsichtlich der Aufhebung der Bewilligung von Kg ab November 1988 zurück.
Das Sozialgericht (SG) Köln hat mit Urteil vom 22. Juni 1994 die angefochtenen Bescheide geändert und die Beklagte zur Zahlung von Kg für die vier Kinder des Klägers für die Zeit von November 1988 bis Januar 1990 verurteilt. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Tenor des SG-Urteils geändert und wie folgt gefaßt werde: „Der Bescheid vom 10.10.1988 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.05.1992 wird in vollem Umfang aufgehoben” (Urteil vom 11. August 1995). Es hat zur Begründung ausgeführt, eine Aufhebung der Kg-Bewilligung hätte nur nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) erfolgen können, da der Kläger – zuletzt gemäß Bewilligungsverfügung vom „29.01.1987” (richtig: Weiterbewilligungsverfügung vom 20. Mai 1987, Bescheid vom 6. Mai 1987) – laufend Kg bezogen habe. Durch die Verlegung des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthaltes nach PNG und die Aufnahme der Tätigkeit als Chirurg im Regierungskrankenhaus im Februar 1987 sei keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten, weil weiterhin die Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 Satz 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG), und zwar gemäß Nr. 2a aaO, vorgelegen hätten. Die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Kg bzw Erziehungsgeld in Entsendungsfällen zu fordernden Voraussetzungen seien beim Kläger erfüllt. Der Kläger sei von dem in Hamburg ansässigen Arbeitgeber nach PNG entsandt worden. Der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses habe auch während der Tätigkeit in PNG in Deutschland gelegen (einerseits Tätigkeit für das NMZ als Chirurg im PNG mit Amtsverschwiegenheit und Treuepflicht im Hinblick auf die Missionsarbeit, andererseits Höhe und Sicherstellung der Entlohnung; Höhe der Vergütung für Bereitschaftsdienst; Beitragsabführung an Versorgungswerk; Leistungen und soziale Rechte gemäß Übersee-Ordnung). Das Arbeitsverhältnis sei weder durch die Aufnahme der Tätigkeit im Regierungskrankenhaus in PNG noch durch die dort mit der Regierung von PNG zusätzlich abgeschlossene Vereinbarung (Schedule) beendet worden. Einer Entsendung stehe auch nicht entgegen, daß dem Kläger nach Beendigung des Auslandsaufenthalts noch ein dreimonatiger Urlaub in Deutschland zugestanden habe.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a BKGG in der Fassung vom 21. Januar 1986 (BGBl I 222) iVm § 4 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) unter Hinweis auf die vom Senat besonders mit Urteilen vom 14. Januar 1987 – 10 RKg 20/85 – und 7. September 1988 – 10 RKg 4/87 – entwickelte Auslegung. Dem kindergeldrechtlichen Entsendungsbegriff habe die Auslandsbeschäftigung des Klägers nicht entsprochen, da der Kläger aufgrund der Vereinbarung zwischen dem NMZ und der ELC-PNG für die Zeit seines Dienstes für die Regierung von PNG beurlaubt und damit von seinen vertraglichen Primärpflichten gegenüber dem NMZ und der ELC-PNG suspendiert worden sei. Demgemäß habe die Regierung von PNG als rechtlich selbständiger Arbeitgeber auf der Grundlage des Schedule vom 24. Mai 1987 ab Februar 1987 laufend das Gehalt gezahlt. Das NMZ habe allenfalls Nebenleistungen von untergeordneter Bedeutung erbracht. Ein Rumpfarbeitsverhältnis iS der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG zum Erziehungsgeld genüge schon nicht zur Annahme einer Entsendung iS des BKGG, dessen Voraussetzungen hier im übrigen auch nicht erfüllt seien. Mit der Fassung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 BKGG durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 verlange der Gesetzgeber nunmehr eindeutig die Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. August 1995 sowie das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22. Juni 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten (§ 166 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) vertreten.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Dem Kläger stand während seiner Beschäftigung im Regierungskrankenhaus in A. ab November 1988 bis Januar 1990 kein Kg zu. Die Beklagte war berechtigt, die zu Unrecht vorgenommene Bewilligung mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen.
Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Kg-Bewilligung ist § 45 SGB X, nicht aber – wie das LSG meint – § 48 SGB X, Der zurückgenommene, den Kläger begünstigende Bescheid über Kg ab Januar 1987 war bereits im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig, weil die Weiterbewilligung von Kg wegen des Auslandsaufenthalts des Klägers nicht die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BKGG erfüllte. Wie sich aus den – vom LSG zum Inhalt seiner Entscheidung gemachten – Kg-Akten der Beklagten ergibt, hat diese erst, nachdem der Kläger am 1. Februar 1987 seinen Wohnsitz nach PNG verlegt und seine Tätigkeit als Chirurg im Regierungskrankenhaus aufgenommen hatte, am 20. Mai 1987 die Weiterbewilligung von Kg an den Kläger verfügt und hierüber einen Bescheid (mit dem Datum 6. Mai 1987) erteilt. Die vom LSG irrtümlich als „Bewilligungsverfügung” bezeichnete Verfügung vom 29. Januar 1987 betraf tatsächlich die vorläufige Zahlungseinstellung ab Januar 1987 vor Klärung der Umstände, unter denen der Kläger den Auslandsaufenthalt antrat.
Der Rücknahmebescheid genügt den nach § 45 SGB X zu stellenden Anforderungen.
Da der Kläger während der Zeit, für die er Kg nach dem BKGG beansprucht, unstreitig weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt iS des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKGG idF vom 21. Januar 1986 (BGBl I 222) im Geltungsbereich des BKGG hatte, kommt als Anspruchsgrundlage nur noch § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst a BKGG in Betracht. Danach hat Anspruch auf Kg, wer von seinem im Geltungsbereich dieses Gesetzes ansässigen Arbeitgeber oder Dienstherrn zur vorübergehenden Dienstleistung in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereiches entsandt, abgeordnet, versetzt oder kommandiert ist. Diese Voraussetzungen erfüllte der Kläger nicht, weil der Auslandsaufenthalt nicht durch einen „Arbeitgeber” iS dieses Gesetzes veranlaßt worden ist. Der Senat vermag der Ansicht des LSG nicht zu folgen, der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses habe im Inland beim NMZ gelegen auch während der ärztlichen Tätigkeit des Klägers in PNG. Das NMZ war nicht der Arbeitgeber des Klägers in diesem Sinne. Dazu reichen allein die in der Vereinbarung zwischen dem NMZ und dem Kläger getroffenen Regelungen trotz der Verwendung des Begriffs Arbeitsverhältnis nicht aus. Es fehlt an der tatsächlichen persönlichen Abhängigkeit des Klägers vom NMZ.
Der Vergleich des LSG zwischen dem NMZ und der DRK-Schwesternschaft führt nicht weiter. Weder das NMZ noch die ELC-PNG führten ein Unternehmen, das der DRK-Schwesternschaft eV vergleichbar ist. Diese Schwesternschaft stellte eigenes Krankenpersonal, mit dem ausschließlich sie ein Arbeitsverhältnis eingegangen war, unter Leitung einer eigenen Oberschwester zur Übernahme des gesamten Pflegedienstes in einem fremden Krankenhaus zur Verfügung. Sie erhielt dafür vom Krankenhaus ein Gestellungsgeld, von dem sie und nicht das Krankenhaus die Bezüge der einzelnen Schwestern bestritt. Ein derartiges Einzelarbeitsverhältnis zwischen dem NMZ und dem Kläger in Verbindung mit einem Gestellungsvertrag, sei es mit der ELC-PNG oder mit der Regierung von PNG, im Sinne des vom LSG angezogenen Urteils des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 4. Juli 1979 (AP Nr. 10 § 611 BGB „Rotes Kreuz”) liegt hier entgegen der Ansicht des LSG nicht vor. Das NMZ hat den Kläger einzeln als Facharzt unter vertraglicher sozialer Absicherung nach deutschem Standard für den Überseedienst vermittelt.
Hauptgegenstand der Verpflichtung des Klägers war der Überseedienst in dem Krankenhaus in PNG als Betrieb der Regierung von PNG. Mit seiner vertraglich geschuldeten Hauptleistung war der Kläger allein in diesen Betrieb und nicht in einen Betrieb des NMZ eingegliedert. Ein Arbeitsverhältnis zum NMZ hätte dagegen vorausgesetzt, daß der Arbeitnehmer in den inländischen Betrieb eingegliedert und seinem inländischen Arbeitgeber gegenüber in bezug auf die Hauptleistungspflicht weisungsgebunden ist (vgl BSG vom 28. November 1990, BSGE 68, 24, 27). Eine in diesem Sinne wesentliche Weisungsgebundenheit des Klägers gegenüber dem NMZ ist für die verschiedenen Phasen seines zu dem NMZ bestandenen Rechtsverhältnisses zu verneinen.
An dem für einen Arbeitgeber im Sinne der hier anzuwendenden Bestimmung konstituierenden Merkmal des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, welches in aller Regel mit Weisungsrecht bezüglich Zeit, Dauer, Ort und Art. der Arbeitsausführung verbunden ist (vgl BSG aaO S 27 mwN), hat es vorliegend von vornherein gefehlt. Schon deshalb war ein vom Ruhen der arbeitsvertraglichen Hauptpflichten gekennzeichnetes Rumpfarbeitsverhältnis (vgl Senatsurteil vom 30. Mai 1996 – 10 RKg 20/94 –, zur Veröffentlichung vorgesehen mwN) nicht in Betracht zu ziehen; darüber hinaus war aber auch eine Weiter- oder Wiederbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber im Inland iS dieser Rechtsprechung nicht vereinbart. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zum NMZ hat keineswegs deshalb gleichsam im Hintergrund (fort-)bestanden, weil der Kläger als Arzt einen Dienst höherer Art. (§ 627 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫) verrichtete, bei dem die Eigenverantwortlichkeit des Dienstleistenden für sich noch kein Indiz für die persönliche Unabhängigkeit ist, weil sich die Weisungsgebundenheit verfeinert zur funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozeß (vgl BSG vom 29. März 1962, BSGE 16, 289, 293 f; 30. November 1978, BSGE 47, 201, 204 mwN). Als Chefarzt der chirurgischen Abteilung leistete der Kläger in der streitigen Zeit seinen Dienst allein zugunsten des Regierungskrankenhauses A. -Hospital des Department of Health in L. /PNG, weshalb er im Gegenzuge von der Regierung von PNG als hauptsächliche Gegenleistung vereinbarungsgemäß sein Gehalt bezog und sich seine verfeinerte Weisungsgebundenheit mithin gegenüber diesem Krankenhausträger erfüllte (vgl dazu BSG vom 29. November 1990, SozR 3–2200 § 539 Nr. 6 mwN). Seine betriebliche Eingliederung (vgl BSG vom 28. November 1990, BSGE 68, 24, 27 mwN; BSG vom 4. Mai 1994 – 11 RAr 55/93 – USK 9435; Ziff 3.3 der Richtlinien zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Arbeitnehmern bei Ausstrahlung ≪§ 4 SGB IV ≫ und Einstrahlung ≪§ 5 SGB IV ≫ vom 24. April 1989, abgedruckt in Komm zum Recht der Gesetzlichen Rentenversicherung, hrsg vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, Anl 1 zu § 4 SGB IV) stellt sich überhaupt nur als eine solche in das A. -Hospital dar und ist nicht auf eine faktische Integration beschränkt gewesen; denn nach den Feststellungen des LSG ist zwischen dem Kläger und der Regierung von PNG mit der zusätzlichen Vereinbarung vom 24. Mai 1987 (Schedule) ein Arbeitsvertrag geschlossen worden (so auch im Falle eines Arztes in der Entwicklungshilfe BAG vom 27. April 1977, AP Nr. 1 zu § 611 BGB – Entwicklungshelfer).
Die vom LSG getroffene Auslegung der Vereinbarung des Klägers mit dem NMZ wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Vereinbart wurde nämlich nach den bindenden Feststellungen des LSG nicht die Arbeitsleistung für das NMZ, sondern – lediglich im Interesse des NMZ – ausdrücklich und ausschließlich die Arbeit im Regierungskrankenhaus in A. Grund für die Entsendung durch das NMZ war ausweislich der Vereinbarung die Anforderung seitens der ELC-PNG, die den Kläger ihrerseits von der Dienstleistungspflicht freistellte bzw „beurlaubte” zugunsten seines Dienstes für das Department of Health. Die Vereinbarung des Klägers mit dem NMZ stellt sich vielmehr als eine Rahmenvereinbarung zur Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses im Ausland dar, die den Vertragspartner nebenbei nach deutschem Standard absichert.
Ein Vergleich der vorliegenden Rechtsbeziehungen mit denen eines Entwicklungshelfers bestätigt diese rechtliche Beurteilung. In der Rechtsprechung des BSG ist geklärt, daß ein Entwicklungshelfer den Dienst nicht zugunsten des Trägers des Entwicklungsdienstes leistet und ein Arbeitsverhältnis allenfalls gegenüber dem ausländischen Projektträger besteht (BSG 25. Juni 1991, SozR 3–2200 § 200 Nr. 2 unter Hinweis auf BAG AP Nr. 1 zu § 611 BGB – Entwicklungshelfer; BSG 26. August 1975, BSGE 40, 179, 184 = SozR 4100 § 36 Nr. 8). Zwar teilt der vom Kläger geschuldete Dienst wegen der Entgeltlichkeit nicht die dem Entwicklungsdienst typische Eigenschaft, daß er ohne Erwerbsabsicht allein zu Zwecken des Entwicklungsdienstes erbracht wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Entwicklungshelfer-Gesetz ≪EhG≫). Wie der Entwicklungsdienstvertrag, in dem das BSG in Anlehnung an die dem oa Urteil des BAG zugrundeliegende Fallgestaltung eine Art. von Garantievertrag gesehen hat (vgl. BSG SozR 3–2200 § 200 Nr. 2 S 7), hat auch die vorliegende Vereinbarung flankierende (Neben-)Bestimmungen zur Absicherung des Auslandsdienstes zum Gegenstand. Sie enthält vor allem die Bürgschaftserklärung des NMZ für ausfallende Entgeltzahlungen, die monatliche Bereitschaftsdienstpauschale, die Beiträge zur Ärzteversorgung, den Anspruch auf Erholungsurlaub nach deutschem Standard und die Leistungen nach der Übersee-Ordnung des NMZ (ua Reisekostenerstattung, Beihilfen und Kaufkraftausgleich). Der Umstand, daß diese Vereinbarung insoweit über den Inhalt eines typischen Garantievertrags – Verpflichtung zur Schadloshaltung, falls der garantierte Erfolg nicht eintritt – hinausgegangen ist, läßt hier so wenig wie im oben genannten Entwicklungshelferfall schon auf einen Arbeitsvertrag schließen.
Auch die weiteren Phasen der Vereinbarung, die Vorbereitung und der Erholungsurlaub, können eine Weisungsgebundenheit des Klägers an das NMZ nicht begründen. Mit der Vorbereitung in Deutschland bzw. anschließend – ab 4. November 1986 – in Australien war keine Dienstleistung für das NMZ verbunden, weil diese Zeit vereinbarungsgemäß – allein – dem Kläger zur persönlichen Vorbereitung (ua Sprachschulung) und Orientierung (in Australien und PNG; § 2 Abs. 4 Vereinbarung; hierzu näher die Bestimmungen in Abschnitt C „Vorbereitungszeit” der Übersee-Ordnung) diente.
Der an den Auslandsaufenthalt anschließende, bezahlte Deutschlandaufenthalt von einem Monat für jedes abgeleistete Dienstjahr diente bestimmungsgemäß der Erholung und Wiederherstellung der Gesundheit des Mitarbeiters und seiner Familie sowie der Fortbildung und der Information der Gemeinden über die Arbeit. Nach den Feststellungen des LSG ist auch eine nach § 2 Abs. 2 der Vereinbarung mögliche Verlängerung des Dienstes in Übersee nicht erfolgt. Die mit 12.650,00 DM honorierte Erstellung eines Handbuchs im Zeitraum vom 1. Mai bis 30. Juni 1990, in dem der Kläger bereits wieder im Kg-Bezug stand, ist nicht Teil der Vereinbarung vom 26. Oktober 1986 gewesen; aus dieser Tätigkeit hat deshalb zutreffend schon das angegriffene Urteil eine Entsendung nicht hergeleitet.
Damit fehlt es auch an der weiteren Voraussetzung einer Entsendung zur vorübergehenden Dienstleistung im Ausland, die insbesondere vorliegen muß, wenn man von dem für das Kg ausreichenden inländischen Rumpfarbeitsverhältnis ausgeht. Wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat, ist bei einer Entsendung stets zu berücksichtigen, ob nach Beendigung der Auslandsbeschäftigung eine Wieder- oder Weiterbeschäftigung beim entsendenden Arbeitgeber gewährleistet ist (Senatsurteil vom 30. Mai 1996 aaO; BSG vom 8. Dezember 1994, SozR 3–6050 Art. 14 Nr. 4; BSG vom 17. November 1992, BSGE 71, 227, 234; BSG vom 22. Juni 1989, SozR 7833 § 1 Nr. 6). Entgegen der Meinung des LSG ist der Kläger nach seiner Rückkehr aus PNG vom NMZ weder weiter- noch wiederbeschäftigt worden. Der von ihm in Anspruch genommene dreimonatige Erholungsurlaub in Deutschland war lediglich als Nachwirkung des Beschäftigungsverhältnisses mit der Regierung von PNG begründet. Soweit an deren Statt das NMZ vereinbarungsgemäß während des Urlaubs das Arbeitsentgelt gezahlt hatte, stellt sich das lediglich als Ausfluß der Rahmenvereinbarung zur sozialen Absicherung dar.
Rechtlich nicht zu beanstanden ist die Rücknahme der Kg-Gewährung mit Wirkung für die Zukunft. Nach § 45 Abs. 1, Abs. 2 Sätze 1 und 2 iVm Abs. 3 Satz 1 SGB X darf der den Kläger seit Beginn seines Auslandsaufenthalts rechtswidrig begünstigende Verwaltungsakt – hier der Bewilligungsbescheid vom 6. Mai 1987 – innerhalb von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden, wenn das Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsaktes unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme nicht schutzwürdig ist. Die von ihr angeführte Begründung läßt erkennen, daß die Beklagte ein Rücknahmeermessen ausgeübt hat, welches den Anforderungen an die Begründungspflicht (§ 35 SGB X) genügt; Ermessensfehler läßt sie nicht erkennen (zur Ermessensausübung nach § 45 SGB X vgl die Senatsentscheidung vom 12. Februar 1992, BSGE 70, 117, 120 f mwN; zu den Anforderungen an die Begründung BSG vom 14. November 1985, SozR 1300 § 45 Nr. 19 S 64 ff).
Nach der eingehenden Begründung des Bescheides vom 10. Oktober 1988 waren die rechtlichen Voraussetzungen schon für eine rückwirkende Aufhebung der Kg-Bewilligung erfüllt und Gesichtspunkte für eine für den Kläger günstige Ermessensentscheidung nicht höher als das öffentliche Interesse an der Herstellung des gesetzmäßigen Zustands einzuschätzen. Dabei hat die Beklagte in die Abwägung eingestellt, daß der Kläger hinreichend über seine Leistungsansprüche unterrichtet gewesen sei (Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Ein schutzwürdiges Vertrauen in den – rechtswidrigen – Fortbestand der Kg-Bewilligung konnte angesichts der vorliegenden Umstände, insbesondere der erst mit Schreiben des Klägers vom 3. November 1986 anläßlich der schon vereinbarten Übersiedlung erfolgten Benachrichtigung der Beklagten, nicht begründet werden und ist auch vom Kläger weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht worden. Hat die Beklagte schon für den stärkeren Eingriff der rückwirkenden Aufhebung ihre Ermessensbetätigung begründet, so muß dies erst recht mit Blick auf die Begründung für die Zukunftswirkung gelten (vgl. BSG 17. April 1996 – 3 RK 18/95 –, S 7 des zur Veröffentlichung in SozR vorgesehenen Umdrucks), nachdem die Beklagte auf die angeordnete Rücknahme der Kg-Bewilligung, die sie nach Maßgabe des Bescheides vom 10. Oktober 1988 auf die Vergangenheit – ab Februar 1987 – erstrecken wollte, mit Bescheid vom 7. August 1990 verzichtet und insoweit für den Zeitraum Juli bis Oktober 1988 einbehaltenes Kg ausbezahlt hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
Haufe-Index 954070 |
SozSi 1997, 197 |