Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsunfall. freiwillig Krankenversicherter. freiwillig Unfallversicherter. Selbständiger. Krankengeld. Verletztengeld. Ruhen. Doppelbezug von Leistungen. Solidarprinzip. Gleichheitssatz. Eigentumsschutz
Leitsatz (amtlich)
Bei Arbeitsunfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalls ruht der Anspruch auf Krankengeld in Höhe des aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährten Verletztengeldes auch bei freiwillig sowohl kranken- als auch unfallversicherten Selbständigen.
Normenkette
RVO § 183 Abs. 6 a.F., § 560 Abs. 1 S. 1, § 1504 Abs. 1 a.F.; SGB V § 11 Abs. 4, § 49 Abs. 1 Nr. 3; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30. März 1995 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger für die Zeit seiner unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit neben dem ihm gewährten Verletztengeld Anspruch auf Zahlung von Krankengeld hat.
Der Kläger betreibt ein Baugeschäft. Er war im Jahre 1986 bei der Beklagten als Unternehmer freiwillig unfallversichert und bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse Mittelfranken (AOK) gleichfalls freiwillig krankenversichert. Er erlitt am 19. August 1986 einen Arbeitsunfall. Da zunächst umstritten war, ob ein Arbeitsunfall vorlag, bezog der Kläger vom 21. August 1986 bis 13. November 1987 von der AOK Krankengeld in Höhe von insgesamt 48.030,00 DM. In dieser geleisteten Höhe meldete die Krankenkasse des Klägers bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch an, dem die Beklagte entsprach, nachdem das Ereignis vom 19. August 1986 als Arbeitsunfall anerkannt worden war.
Mit Bescheid vom 29. April 1992 idF des Widerspruchsbescheids vom 26. August 1993 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit vom 21. August 1986 bis 17. April 1988 Verletztengeld und zahlte unter Anrechnung des von der Krankenkasse gewährten und dieser von der Beklagten erstatteten Krankengelds den Betrag von 65.293,20 DM aus.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage auf Zahlung des Verletztengelds ohne Anrechnung des Krankengelds abgewiesen (Urteil vom 19. Oktober 1994). Der Gesetzgeber habe einen Doppelbezug von Verletztengeld und Krankengeld ausschließen wollen, gleichgültig, auf welcher Rechtsgrundlage die Mitgliedschaft und der Leistungsanspruch in der gesetzlichen Krankenversicherung beruhten.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 30. März 1995). Die Krankenkasse habe bis zur Klärung der Frage, ob dem Kläger Leistungen zustünden, Krankengeld geleistet, und damit den Anspruch des Klägers gegen die Beklagte erfüllt (§ 107 Abs 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches ≪SGB X≫). Dem entsprechenden Erstattungsbegehren sei die Beklagte nachgekommen. Einen Doppelbezug von Leistungen sehe das Gesetz nicht vor. Nach § 11 Abs 4 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) entfalle ein Leistungsanspruch gegen die gesetzliche Krankenversicherung, wenn die Leistungen als Folge eines Arbeitsunfalls iS der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen seien. Nach § 49 Abs 1 Nr 3 SGB V ruhe der Anspruch auf Krankengeld, soweit und solange der Versicherte Verletztengeld beziehe. Diese Regelung sei nach § 49 Abs 2 Satz 1 SGB V auch auf einen Krankengeldanspruch anzuwenden, der für einen Zeitraum vor dem 1. Januar 1990 geltend gemacht werde und über den noch keine nicht mehr anfechtbare Entscheidung – wie es hier der Fall sei – getroffen worden sei. Die Regelung über den Ausschluß des Doppelbezugs von Leistungen für den Bedarf an Lohnersatz aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit gelte auch für die Fälle, in denen der Verletzte von der Berechtigung des freiwilligen Beitritts zur gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung Gebrauch gemacht habe. Dieser Versicherte erhalte die gleichen Leistungen wie Pflichtmitglieder, unterliege aber gleichzeitig auch den Leistungseinschränkungen wie diese und wie sie im Fall einer Anspruchsberechtigung aus dem System der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung bestünden. Er sei damit nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt als ein Versicherter, dessen Mitgliedschaft in beiden Zweigen auf gesetzlicher Pflicht beruhe.
Mit der – vom Senat zugelassenen – Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das LSG wende § 11 Abs 4 SGB V an, obwohl diese Vorschrift in seiner – des Klägers – Person einen Verstoß gegen das Grundgesetz (GG) darstelle, und zwar einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art 3 GG) und zum anderen gegen das Eigentumsrecht, insbesondere am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Die Vorschrift sei durch die Sozialbindung des Eigentums hinsichtlich seiner Person nicht mehr gedeckt. Seine Ungleichbehandlung sei durch sachliche Gründe nicht hinreichend gerechtfertigt. Die Gruppe der Pflichtversicherten einerseits und die der Selbständigen andererseits seien völlig verschiedene Normadressaten, deren Gleichbehandlung sich durch Art 3 Abs 1 GG verbiete. Insoweit sei der Gesetzgeber bei “den freiwillig höher versicherten Selbständigen insoweit eingeschränkt, als er durch die freiwillige Höherversicherung zusätzliche Anwartschaftsrechte über die sozialpolitische Komponente bilden” lasse. Die Nichtzulassung von Doppelleistungen verstoße auch gegen Art 14 GG insoweit, als sie im vorliegenden Fall von der Sozialbindung nicht mehr gedeckt werde. Er – der Kläger – habe als Selbständiger sowohl zur Unfall- als auch zur Krankenversicherung den jeweils vollen Beitragssatz mit freiwilligen Höchstbeträgen entrichtet. Die Anwendung des § 11 Abs 4 SGB V auf den vorliegenden Fall stelle nicht nur einen Verstoß gegen das GG dar, sondern sei auch sozialpolitisch unerwünscht. Im übrigen stehe in der Gruppe der Pflichtversicherten das Prinzip der Haftungsersetzung im Vordergrund; demgegenüber habe bei den Selbständigen die Beitragszahlung den Charakter der Eigenvorsorge, der sich auch in der Beitragshöhe und dem Beitragsumfang zeige. Auch hieraus ergebe sich, daß die beiden versicherten Gruppen hier nicht vergleichbar seien.
Der Kläger beantragt,
- das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts unter Az: L 7 U 354/94 vom 30. März 1995 wird aufgehoben,
- das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19. Oktober 1994 unter Az: S 2 U 209/93 sowie der Bescheid der Beklagten vom 29. April 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. August 1993 wird aufgehoben,
- die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger weiteres Verletztengeld in Höhe von DM 48.030,00 DM zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für ausgewogen begründet und zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, daß der Kläger keinen Anspruch auf Auszahlung des Krankengelds aus seiner freiwilligen Krankenversicherung neben dem ihm für denselben Zeitraum gewährten Verletztengeld aus seiner freiwilligen Unfallversicherung hat. Dies folgt sowohl aus dem im Zeitpunkt des Versicherungsfalls am 19. August 1986 geltenden § 183 Abs 6 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF idF des Art 4 § 1 Nr 1 des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) als auch aus § 11 Abs 4, § 49 Abs 1 Nr 3 SGB V, die seit dem 1. Januar 1989 (§ 11 Abs 4 SGB V) und 1. Januar 1990 (§ 49 Abs 1 Nr 3 und Abs 2 SGB V) an die Stelle des § 183 Abs 6 RVO aF getreten sind.
Der Anspruch auf Krankengeld ruht, solange und soweit der Versicherte Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung bezieht, und zwar ohne Rücksicht auf die Höhe der jeweiligen Leistung. Diese Voraussetzungen für den Leistungsausschluß sind beim Kläger erfüllt. Er hat nach den Feststellungen des LSG am 19. August 1986 einen Arbeitsunfall erlitten. Er war bis zum 17. April 1988 arbeitsunfähig iS der Krankenversicherung und hatte dementsprechend einen Anspruch auf Verletztengeld (§ 560 Abs 1 Satz 1 RVO). Für das von der Krankenkasse bis zum 13. November 1987 gewährte Krankengeld ist nach Klärung der Rechtslage, daß die Arbeitsunfähigkeit Folge dieses Arbeitsunfalls war, der Anspruch des Klägers auf Krankengeld und damit die Rechtsgrundlage für dessen Zahlung nachträglich weggefallen. Die Krankenkasse hat damit nach § 1504 Abs 1 RVO aF einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte erworben, die dem Erstattungsbegehren auch nachgekommen ist. Dies haben die Vorinstanzen im Ergebnis zutreffend erkannt. Die von der Revision hiergegen erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.
Eine gleichzeitige und damit doppelte Leistungspflicht der Kranken- und Unfallversicherung für eine Krankheit, die Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist, sieht das Gesetz weder für Pflichtversicherte noch für in der gesetzlichen Krankenversicherung und Unfallversicherung freiwillig Versicherte vor. Vielmehr ist der Anspruch auf Geldleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in den Fällen ausgeschlossen, in denen entsprechende Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit zu erbringen sind.
Der Anspruch auf Krankengeld ruhte nach § 183 Abs 6 RVO aF, wenn der Versicherte daneben Leistungen (hier das Verletztengeld) erhielt, die demselben Zweck dienten; damit wurde die Doppelzahlung gleichartiger Entgelt- oder Entgeltersatzleistungen oder Einkommensersatzleistungen verhindert (Schmatz/Fischwasser/Geyer/Knorr/Krasney, Vergütung der Arbeitnehmer bei Krankheit und Mutterschaft, 6. Aufl, § 49 SGB V RdNr 1). In dieser Regelung kam der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, eine sozialpolitisch unerwünschte Kumulierung von Leistungen zu vermeiden und in diesen Fällen zugunsten und zur finanziellen Entlastung der Krankenversicherung einen Doppelbezug von Leistungen (hier Krankengeld und Verletztengeld) für den Bedarf an Lohn- oder Einkommensersatz aus dem Versicherungsfall einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit zu verhindern.
Die Vorschrift des § 183 Abs 6 RVO aF hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz überprüft (BVerfGE 79, 87). Die gerichtlichen Vorlagen zu dieser Entscheidung betrafen Unternehmer, die in der gesetzlichen Unfallversicherung und gleichzeitig freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren. Das BVerfG (BVerfGE 79, 87, 89 = SozR 2200 § 183 Nr 54) hat § 183 Abs 6 RVO aF mit Art 3 Abs 1 GG nur insoweit für unvereinbar erklärt, als der Bezug von Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung auch insoweit zum Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld führt, als dieses höher wäre (Krankengeld-Spitzbetrag). Es hat die Unvereinbarkeit des § 183 Abs 6 RVO aF mit Art 3 Abs 1 GG nicht nur für abhängig Beschäftigte, sondern auch ausdrücklich für Selbständige, die kranken- und unfallversichert sind, festgestellt und – zumindest incidenter – die Vorschrift des § 183 Abs 6 RVO aF über den Umfang, in dem sie mit Art 3 Abs 1 GG unvereinbar war, hinaus als grundgesetzkonform gebilligt. Dies kommt deutlich in den Ausführungen des BVerfG zum Ausdruck, daß es einmal von Verfassungs wegen nicht geboten ist, das Problem des Doppelbezugs sozialversicherungsrechtlicher Leistungen in dem Sinne zu lösen, daß die jeweils höchste Leistung uneingeschränkt gewährt wird; zum anderen hätte die vom BVerfG seinerseits beanstandete Ungleichbehandlung auch durch eine Änderung anderer gesetzlicher Vorschriften – “wie die Entlastung der Krankenkassen vom Risiko des Arbeitsunfalls” – beseitigt werden können (BVerfGE 79, 87, 105).
Dem Auftrag zur Neuregelung ist sodann der Gesetzgeber mit der Änderung der Vorschrift des § 49 Abs 1 Nr 3 SGB V durch Art 4 Nr 5 des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261, 2355) gefolgt. Danach ruht der Anspruch auf Krankengeld, “soweit und solange” Versicherte Verletztengeld beziehen. Diese Regelung ist nach § 49 Abs 2 Satz 1 SGB V auch auf einen Krankengeldanspruch anzuwenden, der für einen Zeitraum vor dem 1. Januar 1990 geltend gemacht wird und über den noch eine nicht mehr anfechtbare Entscheidung getroffen worden ist (s auch § 49 Abs 1 Nr 3a SGB V idF des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes vom 7. August 1996 – BGBl I 1254 und hierzu Schmatz/Fischwasser/Geyer/Knorr/Krasney aaO § 49 SGB V RdNrn 29 ff). Allerdings besteht nach § 11 Abs 4 SGB V schon generell kein Anspruch auf Leistungen gegen die gesetzliche Krankenversicherung, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit iS der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind.
Dem Beschluß des BVerfG (BVerfGE aaO) folgend hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 23. November 1995 – 1 RK 13/94 – (BSGE 77, 98) entschieden, daß § 11 Abs 4 SGB V in verfassungskonformer Auslegung bei Arbeitsunfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalls den Anspruch auf den das Verletztengeld übersteigenden Krankengeld-Spitzbetrag nicht ausschließt. Diese Entscheidung betraf ebenfalls einen Unternehmer, der sowohl in der gesetzlichen Krankenversicherung als auch der gesetzlichen Unfallversicherung freiwillig versichert war. In diesem Urteil hat das BSG die verfassungsrechtliche Problematik des in § 11 Abs 4 SGB V enthaltenen Ausschlusses des Krankengeldanspruchs eingehend geprüft und diesen Ausschluß “auf die Höhe des aus der gesetzlichen Unfallversicherung geschuldeten Verletztengelds beschränkt” (BSGE aaO S 99; s aber auch Schmatz/Fischwasser/Geyer/Knorr/Krasney aaO).
Der vorliegende Rechtsstreit wird zwar nicht wegen Vorenthaltung des Krankengeld-Spitzbetrags geführt, da nach den Feststellungen des LSG die Höhe des dem Kläger kalendertäglich zustehenden Verletztengelds das kalendertäglich gezahlte Krankengeld bei weitem überstieg. Die dargelegte Gesetzeslage und die dazu ergangene Rechtsprechung zeigen jedoch, daß sich sowohl der Gesetzgeber als auch die Rechtsprechung mit der hier streitigen Frage des Doppelbezugs von Krankengeld einerseits und Verletztengeld andererseits bei Arbeitsunfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalls auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht umfassend auseinandergesetzt haben. Mit den Vorinstanzen kommt der Senat in Übereinstimmung mit der bereits angeführten Rechtsprechung des BVerfG und des BSG ebenfalls zu dem Ergebnis, daß angesichts der eindeutigen – insoweit auch verfassungskonformen – Gesetzeslage der Rechtsauffassung des Klägers nicht gefolgt werden kann. Entgegen seiner Ansicht zwingt weder der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG noch das Grundrecht auf Eigentum (Art 14 GG) dazu, im Gegensatz zum Pflichtversicherten dem freiwillig Versicherten den vollen Krankengeldanspruch neben dem gezahlten Verletztengeld zu belassen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt, wenn also die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß (BVerfGE 1, 14, 52; 21, 6, 9; 71, 39, 53). Bereits in anderem Zusammenhang hat das BVerfG entschieden, daß Regelungen, die eine Doppelversorgung von Leistungen mit gleicher Zweckbestimmung verhindern sollen, unter dem Gesichtspunkt des Art 3 Abs 1 GG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind (BVerfGE 53, 313, 331).
Für die Gleichbehandlung von freiwillig Versicherten mit den Pflichtversicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung und nicht mit den bei einem privaten Krankenversicherer Versicherten hinsichtlich des Ausschlusses des Krankengeldanspruchs in Höhe des aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährten Verletztengeldes bestehen, wie das LSG und die Beklagte zutreffend ausgeführt haben, sachlich einleuchtende Gründe; als willkürlich kann die Regelung in keiner Weise bezeichnet werden. Der Kläger hat freiwillig von der gesetzlich vorgesehenen Berechtigung zur Teilnahme an der gesetzlichen Krankenversicherung Gebrauch gemacht. Dafür genießt er für Gesundheitsschäden, die nicht in den Entschädigungsbereich der gesetzlichen Unfallversicherung fallen, einerseits die Vorteile, die die gesetzliche Krankenversicherung gegenüber der Absicherung auf privatrechtlicher Basis bietet, wie zB den beitragsfreien Krankenversicherungsschutz von Ehegatten und Kindern oder von Erziehungsgeldempfängern oder die Gewährung von Sachleistungen anstelle der Kostenerstattung bei der privaten Krankenversicherung. Alter, Geschlecht und das individuelle gesundheitliche Risiko des Versicherten sind für die Beitragshöhe unerheblich. Bei der privaten Versicherung hingegen bemißt sich der Beitrag des einzelnen Versicherten, auch des Ehegatten und der Kinder, nach dem individuellen Risiko und dem Wert des Versicherungsschutzes; Leistung und Gegenleistung sind aufeinander bezogen und damit gleichwertig. Es gilt das Äquivalenzprinzip und nicht das die gesetzliche Krankenversicherung prägende Solidarprinzip (s Schulin HS-KV § 6 RdNrn 28 ff). Der Selbständige erhält als freiwilliges Mitglied die gleichen medizinischen Leistungen wie Pflichtmitglieder, unabhängig von der Höhe der gezahlten Beiträge. Andererseits muß der freiwillig Versicherte aber auch sog nachteilige Regelungen ebenso wie die Pflichtmitglieder in Kauf nehmen. Er unterliegt damit den gleichen Leistungseinschränkungen wie dieser Personenkreis und den gleichen Leistungsausschlüssen, wie sie beispielsweise im Falle einer Anspruchskonkurrenz aus dem System der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung bestehen.
Die Sonderstellung des freiwillig versicherten Selbständigen mit besonderen Beitragsregelungen in der gesetzlichen Krankenversicherung und für die Umlage in der gesetzlichen Unfallversicherung zwingen nicht zu einer Sonderregelung für diesen Kreis der Versicherten im Falle eines doppelten Leistungsanspruchs (Krankengeld einerseits und Verletztengeld andererseits). Auch wenn die Beitragszahlung im Vergleich zu den Selbständigen unterschiedlich geregelt ist, so handelt es sich dennoch nicht um völlig verschiedene Normadressaten, deren Gleichbehandlung sich bei einer Anspruchskonkurrenz aus Art 3 Abs 1 GG verbieten würde. Die Pflichtversicherten zahlen den Beitrag zur Krankenversicherung zwar nur zur Hälfte selbst, während die Selbständigen – da kein Arbeitgeber vorhanden ist, der die Beiträge zur Hälfte zu tragen hat – den vollen Beitrag selbst leisten, wodurch in der Beitragszahlung der Pflichtversicherten – wie die Beklagte zu Recht hinweist – eine stärkere sozialpolitische Komponente enthalten ist. Dies betrifft aber nicht den für die Krankenversicherung maßgebenden Beitrag, sondern die Tragung der Beiträge (s §§ 220, 249 SGB V). Sowohl für die Pflichtversicherten als auch für die freiwillig Versicherten ist der volle Beitrag zu zahlen. Unterschiede bestehen lediglich – für den Versicherungsschutz an sich aber unerheblich –, ob der volle Beitrag vom Versicherten und seinem Arbeitgeber je zur Hälfte oder vom Arbeitgeber allein oder vom Versicherten allein zu tragen ist. Durch ihren freiwilligen Eintritt werden auch die freiwillig Versicherten Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und sind damit in die rund 90 vH der Bevölkerung umfassenden Solidargemeinschaft der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten eingebunden. Auch innerhalb der Gruppe der abhängig Beschäftigten zahlen die Mitglieder entsprechend ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit unterschiedlich hohe Beiträge, wenn nur auch nur zur Hälfte. Für die freiwillig versicherten Selbständigen ist die Beitragshöhe gleichfalls grundsätzlich von der Höhe der Einnahmen abhängig. Eine freiwillige Beitragszahlung im Rahmen einer Höherversicherung, die wie in der gesetzlichen Rentenversicherung neben einer bestehenden Pflichtversicherung oder freiwilligen Versicherung frei gewählt werden könnte (s § 234 SGB VI), ist in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht vorgesehen. Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung stellt sich die freiwillige Versicherung vielmehr – ebenso wie die nach § 7 SGB VI in der gesetzlichen Rentenversicherung – als eine Versicherungsberechtigung für bestimmte Personengruppen dar, die der Krankenversicherung als Solidargemeinschaft beitreten können. Als Ausfluß des Solidargedankens hat der Gesetzgeber deshalb den freiwilligen Beitritt zur gesetzlichen Krankenversicherung an die Bedingung von Vorversicherungszeiten geknüpft und damit den Kreis der freiwillig Versicherten im Grundsatz auf den Personenkreis begrenzt, der vorher der gesetzlichen Krankenversicherung für einen bestimmten, Zeitraum bereits angehört hatte. Das Solidarprinzip rechtfertigt bei der Leistungsgewährung eine Gleichbehandlung von Pflichtversicherten und freiwillig Versicherten. Die Beklagte weist zu Recht ebenfalls darauf hin, daß der Ausschluß des Krankengeldanspruchs bei gleichzeitigem Anspruch auf Verletztengeld auch auf diesem Solidargedanken beruht. Der Leistungsausschluß hat zum Inhalt, Doppelzahlungen zu vermeiden und soll die Versichertengemeinschaft vor unnötigen Belastungen schützen. Der Betroffene erhält im Ergebnis die Leistung, die er im Rahmen des Systems der sozialen Sicherung erhalten soll. Der Schutzzweck dieses Systems ist erfüllt, wenn er nur eine dieser Leistungen erhält (s BSG SozR 2200 § 183 Nr 50).
Aus diesen Gründen ist eine Gleichbehandlung nicht nur sachlich gerechtfertigt, sondern geradezu geboten. Für die vom Kläger begehrte Differenzierung läßt sich kein sachlich einleuchtender Grund finden. Mit einem Doppelbezug würde er vielmehr ungerechtfertigt begünstigt und deshalb ungleich behandelt (s BVerfGE 31, 185, 189 ff; 53, 313, 331 ff; BSG SozR 2200 § 183 Nr 50 mwN). Beide Leistungen schließen ihrem Sinn nach einander aus. Hieran ändert auch nichts der Umstand, daß es sich bei der Unternehmerunfallversicherung um eine Selbsthilfeeinrichtung der Unternehmer gleicher Berufssparten handelt, die – anders als bei der Versicherung der abhängig Beschäftigten – nicht auf dem Prinzip der Haftungsersetzung beruht, sondern der Eigenvorsorge dient und deshalb auch einen anderen Leistungscharakter hat (BVerfGE 79, 87, 103). Diese Sonderstellung des Selbständigen im Unfallversicherungsrecht ermöglicht ihm zwar, innerhalb festgelegter Mindest- und Höchstgrenzen die Höhe seines Beitrags und damit die Höhe seines Verletztengeldes selbst zu bestimmen (BVerfGE aaO). Das hiernach errechnete Verletztengeld steht ihm dann aber auch in entsprechender Höhe zu, wie ebenfalls vorliegend der Fall ist.
Aus den vorliegenden Erwägungen wird auch deutlich, daß entgegen der Auffassung des Klägers ebensowenig eine Verletzung des Grundrechts auf Eigentum (Art 14 GG) vorliegt. Es kann dahinstehen, ob die “Anwartschaft” auf Krankengeld, die ein Versicherter von Beginn seiner Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse an für den Fall erwirbt, daß die Leistungsvoraussetzungen eintreten, dem Eigentumsschutz des Art 14 GG unterliegt. Denn daraus würde nicht zugleich folgen, daß der Krankengeldanspruch erhalten bleiben müßte. Der Gesetzgeber kann nämlich im Rahmen seiner Befugnis, Inhalt und Grenzen des Eigentums zu bestimmen (Art 14 Abs 1 Satz 2 GG), die Voraussetzungen regeln, unter denen Krankengeld zu gewähren ist. Diese Regelungsbefugnis erlaubt es, jedenfalls ohne daß dadurch in das Eigentumsrecht des Versicherten unzulässig eingegriffen wird, unter bestimmten Voraussetzungen – insbesondere zur Vermeidung von Doppelzahlungen – einen Krankengeldanspruch nicht entstehen, wegfallen oder ruhen zu lassen. Die Gliederung des deutschen Systems der sozialen Sicherung bringt es mit sich, daß Ansprüche auf Leistungen getrennt erwachsen und sich häufen können, wenn ein einziger Vorgang mehrere Versicherungsfälle (Leistungsfälle) in verschiedenen Zweigen gleichzeitig herbeiführt. Bei Geldleistungen kann die Kumulierung zu einer Gesamthöhe führen, die sozialpolitisch nicht erwünscht ist (s BVerfGE 31, 185, 189). Schon der Grundgedanke auf Gewährung von Lohn- oder Einkommensersatz, der dem gesamten System immanent ist, läßt eine Beschränkung angezeigt erscheinen. Es unterliegt dabei der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, wie er die im einzelnen unerwünschte Doppelbelastung verhindert (s BVerfGE 31, 185, 192 ff; 53, 313, 331 f). Der Ausschluß des Krankengeldanspruchs bedroht den freiwillig versicherten Selbständigen nicht in seiner Existenzsicherung; er behält jedenfalls den vollen Anspruch auf Verletztengeld entsprechend dem maßgebenden JAV.
Die Revision war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen