Entscheidungsstichwort (Thema)
Suchtentziehungsbehandlung
Leitsatz (redaktionell)
Alkohol-Entziehungskuren gehören sowohl zum Leistungsbereich der RV als auch zu dem der KV. Welcher Versicherungsträger zur Durchführung einer Rehabilitations-(teil-)maßnahme jeweils zuständig ist, richtet sich nach der Art der Maßnahme.
Normenkette
RVO § 182 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1974-08-07, § 184 Fassung: 1973-12-19, § 184a Fassung: 1974-08-07, § 1236 Abs. 1 Fassung: 1974-08-07, § 1237 Fassung: 1974-08-07; RehaAnglG § 6 Abs. 3 Fassung: 1974-08-07
Verfahrensgang
SG Münster (Entscheidung vom 15.03.1977; Aktenzeichen S 14 Kr 129/76) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wir das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 15. März 1977 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung, die Kosten einer Alkohol-Entziehungskur zu tragen.
Der Beigeladene ist aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses Pflichtmitglied der Beklagten und zur Klägerin versicherungspflichtig. Wegen Trunksucht mit Kontrollverlust beantragte er bei der Westfälischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme. Diese wurde in der Zeit vom 9. April bis 7. Oktober 1975 in einer Fachklinik für Suchtkranke durchgeführt. Die Kosten übernahm vorläufig die Klägerin. Sie forderte die Beklagte auf, ihr diese Kosten sowie die entstandenen Beiträge zur Kranken- und zur Rentenversicherung - insgesamt 17.405,12 DM - zu erstatten. Das lehnte die Beklagte ab, weil sie sich nicht für leistungspflichtig hielt. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin den genannten Betrag abzüglich der darin enthaltenen Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Erstattungsanspruch folge aus § 6 Abs 3 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974 - RehaAnglG - (BGBl I 1881). Die Klägerin sei für die von ihr erbrachte Leistung nicht zuständig gewesen. Auch nach Einführung des § 184a der Reichsversicherungsordnung (RVO) bleibe die Beklagte für die Abwicklung der Versicherungsfälle der Krankheit verantwortlich. Ein solcher Versicherungsfall liege hier vor; denn der Beigeladene habe an einer schweren Trunksucht gelitten und diese sei als Krankheit anzusprechen. Infolge der Trunksucht habe er einer stationären Behandlung in einer Spezialeinrichtung bedurft. Diese Behandlung sei als Krankenhauspflege zu werten. Damit seien die Voraussetzungen des § 184 RVO erfüllt. Nur wenn der Tatbestand dieser Vorschrift nicht vorliege, greife § 184a RVO ein.
Mit der - zugelassenen - Revision rügt die Beklagte Verletzung der §§ 184, 184a, 1236, 1237 RVO und des § 6 RehaAnglG. Zwar handele es sich auch bei einer schweren Trunksucht um eine Krankheit. Das SG habe aber das Verhältnis der §§ 184, 184a RVO zueinander verkannt. Es habe übersehen, daß beide Vorschriften an die Behandlung einer Krankheit anknüpften. Bei einer krankheitsbedingten Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit gebühre aber für die medizinische Rehabilitation den Rentenversicherungsträgern der Vorrang. Für die Behandlung in Spezialeinrichtungen der medizinischen Rehabilitation seien mithin bei Mitgliedern der gesetzlichen Rentenversicherung die Rentenversicherungsträger leistungspflichtig. Der Klägerin stehe deshalb hinsichtlich der von ihr übernommenen Kosten kein Ersatzanspruch zu.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG.
Zwischen den Beteiligten besteht in erster Linie Streit darüber, ob die in einer Fachklinik für Suchtkranke durchgeführte Alkohol-Entziehungskur dem Beigeladenen von der Klägerin als Träger der Rentenversicherung oder von der Beklagten als Träger der Krankenversicherung zu gewähren war. Diese Frage vermag der erkennende Senat nicht abschließend zu entscheiden, weil das angefochtene Urteil nicht die dafür erforderlichen Feststellungen enthält.
Das SG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß eine Trunksucht in dem Umfang, wie sie bei dem Beigeladenen vorgelegen hat, als "Krankheit" iS des § 182 Abs 1 RVO anzusprechen ist, weil sie bei ihm zum Kontrollverlust mit zwanghafter Abhängigkeit vom Alkohol geführt hat. Diese Auffassung entspricht einer ständigen Rechtsprechung (so schon RVA GE Nr 2140 in AN 1916, 341; vgl auch BSGE 28, 114; BSG in SozR Nr 23 zu § 184 RVO), die in der Literatur zunehmend Zustimmung gefunden hat (vgl Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 17. Aufl, Stand Juni 1977, § 182 Anm 3 c cc S 17-272-2-; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. - 8. Aufl, Stand 15. August 1977 S 384f; Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Aufl § 182 Anm 2.1) und an der auch der erkennende Senat festhält. Mit der Revision werden insoweit ebenfalls keine Zweifel vorgetragen. Daraus folgt jedoch noch nicht die Alleinzuständigkeit der Beklagten für Leistungen an den Beigeladenen. Die Klägerin verkennt, daß die von ihr zitierten früheren Entscheidungen des Senats die damals geltende Rechtslage betrafen. Die Änderung der Rechtslage dadurch, daß mit dem RehaAnglG die Vorschrift des § 184a neu in die RVO eingeführt worden ist (§ 21 Nr 9 RehaAnglG), muß aber dazu führen, für die Zeit nach dem 1. Oktober 1974 (§ 45 Abs 1 RehaAnglG) die Frage der Leistungsverpflichtung unter Beachtung der nunmehr geltenden gesetzlichen Regelung erneut zu überprüfen.
Da der Trunksucht des Beigeladenen Krankheitswert beizumessen war, standen ihm aufgrund seiner Behandlungsbedürftigkeit Ansprüche gegen die zuständige Krankenkasse auf Krankenpflege oder Krankenhauspflege - die Frage des Krankengeldes kann hier zunächst dahingestellt bleiben - zu. Diese Ansprüche folgen aus § 182 Abs 1 RVO, soweit es sich um Krankenpflege handelt, und aus § 184 RVO, soweit es sich um Krankenhauspflege handelt. Beide Leistungsarten stellt das Gesetz dem Versicherten als Rechtsansprüche zur Verfügung. Welche Leistung im einzelnen zu gewähren ist, bestimmt sich nach dem Maßstab der Zweckmäßigkeit und Erforderlichkeit (§ 182 Abs 2, § 184 Abs 1 RVO).
Zu den beiden genannten Leistungsarten hat der Gesetzgeber seit dem 1. Oktober 1974 durch § 184a RVO als weitere Maßnahme die Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung in Kur- oder Spezialeinrichtungen hinzugefügt. Auch hierfür gilt gleicherweise wie für die Krankenpflege und Krankenhauspflege der Maßstab der Zweckmäßigkeit und der Erforderlichkeit. Das kommt in § 184a RVO einerseits durch die Verweisung auf § 182 Abs 2 RVO und andererseits durch die Wortfassung ("wenn dies erforderlich ist") eindeutig zum Ausdruck. Daraus folgt, daß hier keine gesetzlich vorgeschriebene Rangfolge dahin besteht, daß zunächst die Voraussetzungen nach § 184 RVO zu prüfen wären und bei deren Erfüllung § 184a RVO nicht mehr zum Zuge käme. Das Gesetz stellt vielmehr Krankenpflege, Krankenhauspflege und Behandlung in Spezialeinrichtungen nebeneinander zur Verfügung und bestimmt als Auswahlkriterien dazu die Zweckmäßigkeit und Erforderlichkeit.
Dieser Grundsatz gilt uneingeschränkt, soweit die Gewährung von Leistungen an Personen in Betracht kommt, die lediglich in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind. Dem Umstand, daß die Leistung nach § 184a RVO als Ermessensleistung (vgl Peters, aaO, § 184a Anm 6; Krauskopf/Schroeder-Printzen, aaO § 184a Anm 5; RVO-Gesamtkommentar Dersch ua § 184a Anm 2; Brackmann aaO S 404 d) der Kasse ausgestaltet ist, wo hingegen Krankenpflege und Krankenhauspflege Rechtsansprüche darstellen, kommt jedenfalls in dem dargelegten Zusammenhang noch keine weitere Bedeutung zu und bedarf mithin zunächst keiner Erörterung.
Bei Versicherten dagegen, die Ansprüche nicht nur gegen die Krankenversicherung, sondern auch gegen die Rentenversicherung geltend machen können, sind außer den krankenversicherungsrechtlichen auch die rentenversicherungsrechtlichen Tatbestände zu prüfen, und danach ist zu ermitteln, ob ihnen (auch) Leistungen der Rentenversicherung zustehen. Als Voraussetzungen dafür bestimmt § 1236 Abs 1 RVO, daß einerseits die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwächen seiner körperlichen oder geistigen Kräfte gefährdet oder gemindert sein muß und andererseits, daß sie durch die Rehabilitationsmaßnahme voraussichtlich erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so kann der Rentenversicherungsträger Leistungen zur Rehabilitation gewähren, wobei allerdings die Verpflichtungen und Zuständigkeiten sonstiger Versicherungsträger unberührt bleiben (§ 1236 Abs 3 RVO). In diesem Zusammenhang gewinnt die Vorschrift des § 184a RVO ihre besondere Bedeutung; denn sie stellt klar, daß für eine Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung in Kur- oder Spezialeinrichtungen die Träger der Krankenversicherung nur subsidiär hinter den Trägern der Rentenversicherung leistungspflichtig sind. Ist somit eine Rehabilitationsmaßnahme als Behandlung iS des § 184a RVO zu werten, so hat dafür der Träger der Rentenversicherung einzustehen, selbst wenn es sich dabei nur um eine im pflichtgemäßen Ermessen des Versicherungsträgers stehende Leistung handelt. Als Rehabilitationsleistungen kommen auch medizinische Maßnahmen in Betracht (§ 1 Abs 1 RehaAnglG), und insoweit erläutert § 1237 RVO, daß dazu ua ärztliche Behandlung, Heilmittel, Belastungserprobung und Arbeitstherapie, vor allem in Kur- und Spezialeinrichtungen einschließlich der erforderlichen Unterkunft und Verpflegung, zu zählen sind. Schließlich sieht § 1239 RVO für den Fall, daß medizinische Leistungen zur Rehabilitation notwendig sind und dem Versicherten zugleich Ansprüche gegen einen Krankenversicherungsträger zustehen, vor, daß der Rentenversicherungsträger sogar die Befugnis hat, anstelle des Trägers der Krankenversicherung die Leistungen zu übernehmen (§ 1239 Satz 1 RVO).
Diese Regelung läßt erkennen, daß im Falle von Krankheit oder (drohender) Erwerbsminderung medizinische Maßnahmen - insbesondere Behandlung in Kur- oder Spezialeinrichtungen - auch dem Leistungsbereich der Rentenversicherung zuzuordnen sind. Daraus folgt, daß Maßnahmen zur Bekämpfung einer krankhaften Trunksucht sich weder ausschließlich dem Bereich der Krankenversicherung noch ausschließlich dem der Rentenversicherung zuordnen lassen; sie betreffen vielmehr eine Aufgabe, die beiden Versicherungszweigen zugeteilt wurde. Ist der Versicherte nur in einem Versicherungszweig versichert, so folgt daraus allerdings die alleinige Zuständigkeit dieses Versicherungszweiges. Ist er hingegen in beiden Versicherungszweigen versichert, so läßt sich aus den gesetzlichen Regelungen keine scharfe Trennungslinie für die jeweilige Zuständigkeit ableiten. Der Gesetzeswortlaut bietet dazu jedenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte. Eine Zuordnungsrichtlinie läßt sich auch aus einer finalen, am Zweck der Maßnahme orientierten Betrachtung nicht gewinnen; denn das Ziel der Krankenversicherung liegt vor allem darin, die Krankheit zu heilen und die Krankheitsfolgen zu beseitigen, und das Ziel der Rentenversicherung besteht vorrangig in der Wiederherstellung oder Erhaltung der Erwerbsfähigkeit. Die hier in Streit stehende Kurbehandlung der Trunksucht diente aber beiden Zwecken gleicherweise.
Schließlich kann eine klare Aufgabentrennung auch nicht aus der Entstehungsgeschichte des § 184a RVO abgeleitet werden. Das ergibt sich insbesondere aus der Begründung der verschiedenen Gesetzentwürfe zum RehaAnglG. Die Regelung des § 184a RVO war in dem ursprünglichen Gesetzentwurf des RehaAnglG (BR-Drucks 307/72) noch nicht in dieser Form enthalten (siehe § 21 Nr 6 - § 186b Nr 2 RVO). Erst in dem nächsten Entwurf (BR-Drucks 517/73) fand sie als § 21 Nr 9 Aufnahme, und zwar im wesentlichen bereits mit dem Inhalt, den sie dann auch in der endgültigen Gesetzesfassung behalten hat. Zur Begründung der Regelung wurde ausgeführt (aaO S 64), daß die neue Sachleistung eingeführt werde, um der Krankenkasse deren Zurverfügungstellung zu ermöglichen, wenn andere Sozialversicherungsträger diese Leistung nicht erbringen könnten. Die Gewährung von Kuren obliege vorrangig den Rentenversicherungsträgern; daran solle sich nichts ändern und die Krankenkasse werde deshalb nur subsidiär leistungspflichtig. In dem danach von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf (BT-Drucks 7/2245) ist zu § 184a RVO lediglich in den Ausschußberatungen noch die entsprechende Anwendbarkeit von § 183 Abs 1 Satz 2 RVO eingeführt worden, was für die Frage der Zuständigkeit der Versicherungszweige ohne Bedeutung ist (vgl die Begründung zu dieser Änderung in BT-Drucks 7/2256 S 11).
Aus dieser Entwicklung wird deutlich, daß der Gesetzgeber mit der Einführung des § 184a RVO weder an der herkömmlichen Zuständigkeitsverteilung zwischen Rentenversicherung und Krankenversicherung etwas ändern noch eine neue Leistungsart einführen wollte. Er beabsichtigte lediglich, der Krankenversicherung Leistungen auch in den Fällen zu ermöglichen, in denen bisher weder sie noch die Rentenversicherung helfend eingreifen konnte. Daraus folgt weiter, daß sich aus § 184a RVO nicht unmittelbar die grundsätzliche Zuständigkeit, sei es der Rentenversicherung oder sei es der Krankenversicherung, für die Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen bei krankhafter Trunksucht ableiten läßt, weil insoweit die Träger beider Versicherungszweige bereits vor Erlaß des RehaAnglG aufgrund der damaligen gesetzlichen Regelung eingreifen konnten und auch eingegriffen haben.
Läßt sich aus den gesetzlichen Grundlagen nicht unmittelbar die Zuordnung der hier durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme ableiten, so erscheint es sachgerecht, diese aus der Art und Weise der Maßnahme selbst zu erschließen, und zwar unter Berücksichtigung der für den jeweiligen Versicherungszweig spezifischen Eigenheiten (vgl dazu Tiedt, "Abgrenzung der Leistungen der Rentenversicherung von den Leistungen der Krankenversicherung", in: Rehabilitation durch die Rentenversicherung S 6). Dabei ist zu beachten, daß die Maßnahme eine stationär durchgeführte Behandlung betrifft. Im Bereich der Krankenversicherung wurden stationäre Behandlungen herkömmlich in Form der Krankenhauspflege (§ 184 RVO), im Bereich der Rentenversicherung als medizinische Kuren gewährt (§§ 1236, 1237 iVm § 1239 RVO; vgl auch die spezielle Leistung nach § 1244a RVO, insbesondere dazu § 1244a Abs 3 Satz 3 RVO). Soweit die Rentenversicherung in Betracht kommt, handelt es sich bei den stationären medizinischen Kuren keineswegs um Leistungen, die diesen Versicherungszweig erst seit neuerer Zeit zugewiesen wären. Vielmehr zeigen schon die bis zum 31. Dezember 1956 gültig gewesenen Vorschriften (§§ 1250, 1310, 1311 RVO aF) - danach konnte die Unterbringung des Versicherten "in einem Krankenhaus" oder "in einer Anstalt für Genesende" erfolgen - deutlich, daß auch Maßnahmen stationärer Behandlung, die mit denen der Krankenversicherung vergleichbar waren, im Zuständigkeitsbereich der Rentenversicherung lagen (vgl zB BSG in SozR Nr 9 zu § 1236 RVO). Sofern sich mithin überhaupt eine Differenzierung treffen läßt, kann sie am ehesten danach erfolgen, ob die Maßnahme im wesentlichen unter der aktiven und fortdauernden - in der Regel äußerlich - behandelnden Einwirkung des Arztes auf den Patienten unter Zuhilfenahme der technischen Apparaturen des Krankenhauses und unter ständiger Assistenz, Betreuung und Beobachtung fachlich geschulten Pflegepersonals erfolgt und regelmäßig darauf gerichtet ist, die Krankheit zu bekämpfen und entweder ausschließlich oder doch zumindest in erheblichem Maß den körperlichen Zustand des Patienten zu verbessern. In einem solchen Fall, in dem regelmäßig die pflegerische Tätigkeit der ärztlichen Behandlung untergeordnet ist, wäre die Maßnahme als Krankenhauspflege iS des § 184 RVO anzusehen und dem Zuständigkeitsbereich der Krankenversicherung zuzuordnen. Ist die Maßnahme hingegen - zwar ebenfalls unter ärztlicher Leitung, auch in stationärer Weise und gleichfalls unter Beteiligung besonders ausgebildetem Personals - vorwiegend darauf gerichtet, den Zustand des Patienten durch seelische und geistige Einwirkung und durch Anwendung von Heilmitteln zu beeinflussen, ihm Hilfestellung zur Entwicklung eigener Abwehrkräfte zu geben, hat die Veränderung des körperlichen Zustands des Patienten eine zwar nicht unwesentliche, jedoch mehr begleitende Bedeutung und ist die pflegerische Betreuung des Patienten der ärztlichen Behandlung eher nebengeordnet, so liegt es nahe, die Maßnahme als eine stationäre Behandlung iS des § 184a RVO anzusehen, die primär in den Zuständigkeitsbereich der Rentenversicherung fällt.
Diese Differenzierung kann allerdings nur einen annähernden Anhalt für die Zuordnung geben; im Einzelfall bedarf es jeweils einer genauen Prüfung aller in Betracht kommenden Umstände, um die Zuordnung zu dem einen oder dem anderen Versicherungszweig zutreffend vornehmen zu können; wobei es hin und wieder schwer möglich sein mag, eine klare Abgrenzung zu finden. Bei dieser Sach- und Rechtslage wäre es nur sachgerecht, wenn - nicht zuletzt im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Praktikabilität - zwischen den Trägern der beiden Zweige der Sozialversicherung im Wege vertraglicher Vereinbarung eine Regelung darüber getroffen würde, daß entsprechend den Erfahrungswerten solcher Maßnahmen die Kosten derselben unter ihnen prozentual aufgeteilt würden. Diese Kostenteilung könnte ungeachtet der Frage erfolgen, welcher Versicherungsträger die Maßnahme jeweils durchführt. Dabei könnte auch festgelegt werden, daß die gesamte Maßnahme in der Betreuung eines Versicherungsträgers verbleibt, weil sich auf diese Art ein Wechsel des Behandlungsträgers vermeiden und dadurch zweifellos eine effektivere Durchführung der Maßnahme erreichen ließe.
Solange keine solche dem Charakter der Selbstverwaltung durchaus entsprechende Abkommensregelung besteht, müssen die im jeweiligen Einzelfall durchgeführten Maßnahmen unter Beachtung der dargelegten Grundsätze dem Leistungsbereich der Krankenversicherung oder dem der Rentenversicherung zugeordnet werden. Hat ein unzuständiger Versicherungsträger Leistungen erbracht, so stehen ihm gegen den zuständigen leistungspflichtigen Versicherungsträger entsprechende Erstattungsansprüche zu.
Über die Art der dem Versicherten gewährten Maßnahmen sind im vorliegenden Fall bisher keine Feststellungen getroffen worden. Der Senat als Revisionsgericht kann diese Feststellungen nicht nachholen und ist deshalb nicht in der Lage, die Frage der Zuordnung zu entscheiden. Der Rechtsstreit muß deshalb an das SG zurückverwiesen werden, das die erforderlichen Feststellungen nachzuholen und die Zuordnung nach den dargelegten Grundsätzen zu treffen haben wird.
Sollte sich bei der weiteren Sachaufklärung ergeben, daß die Beklagte als voll leistungspflichtig in Betracht kommt, so könnte auch das allerdings noch nicht ausreichen, sie zur Zahlung des von der Klägerin begehrten Betrages zu verurteilen. Es bedürfte zunächst noch der Feststellung, aus welchen Kosten sich dieser Betrag zusammensetzt. Das angefochtene Urteil läßt Angaben darüber vermissen. Es erörtert lediglich den Anspruch dem Grunde nach. Zwar läßt sich aus der Anlage zum Schreiben der Westfälischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation an die Beklagte vom 17. Februar 1976 ersehen, daß sich der Gesamtbetrag aus den Kosten für das Einleitungsgutachten, für die Anreise des Beigeladenen, für seine Verpflegung und Unterkunft in der streitigen Zeit, für ein Angehörigenseminar, eine Besuchsfahrt, dem Übergangsgeld sowie den Kosten für Rentenversicherungs- und Krankenversicherungsbeiträge zusammensetzt. Auch insoweit bedarf es aber eindeutiger gerichtlicher Feststellungen.
Auch wenn man davon ausgehen wollte, daß die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, die Heilmaßnahmen durchzuführen, ließe sich daraus noch nicht ohne weiteres folgern, daß ein Erstattungsanspruch (§ 6 Abs 3 RehaAnglG) in dem von der Klägerin geltend gemachten Umfang begründet wäre, weil nicht auszuschließen ist, daß zwischen den Beteiligten rechtswirksam besondere Vereinbarungen darüber getroffen worden sind. Ob das der Fall ist, bedarf ebenfalls der Prüfung, weil die Maßnahme, deren Kostenerstattung im Streit steht, von einer westfälischen Arbeitsgemeinschaft zur Rehabilitation veranlaßt worden ist, an die jedenfalls die Klägerin angeschlossen ist. Ob auch die Beklagte daran - möglicherweise mittelbar - beteiligt ist, vermag der Senat nicht zu ersehen. Bei dieser Sachlage besteht die Möglichkeit, daß eine rechtswirksame Vereinbarung - öffentlich-rechtlicher Vertrag - vorliegt, die speziell für die Beurteilung von Erstattungsansprüchen zwischen Mitgliedern heranzuziehen wäre. Darin könnte auch die Frage geregelt sein, ob sich eine Erstattung nach den für den erstattungspflichtigen Versicherungsträger oder nach den für den erstattungsberechtigten Versicherungsträger geltenden Normen zu richten hat. Insoweit kann gerade in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht außer Betracht bleiben, daß im Falle einer Leistungspflicht der Beklagten diese dem Beigeladenen bei Arbeitsunfähigkeit zwar zur Zahlung von Krankengeld verpflichtet gewesen wäre (vgl § 182 Abs 1 Nr 2, § 186 RVO), das seiner Höhe nach dem von der Klägerin gezahlten Übergangsgeld entsprochen haben könnte, von dem aber weder Rentenversicherungsbeiträge noch Krankenversicherungsbeiträge abzuführen gewesen wären. Selbst bei Annahme einer Erstattungspflicht folgt daraus mithin noch nicht zwingend, daß sie den Umfang erreicht, den die Klägerin angegeben und den das SG offenbar ohne nähere Prüfung zugesprochen hat.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Fundstellen