Beteiligte
Klägerin und Revisionsklägerin |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) der klagenden Berufsgenossenschaft (BG) Beiträge zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung zu erstatten hat, die anläßlich der beruflichen Rehabilitation des Beigeladenen zu 3) wegen der Zahlung von Übergangsgeld (Übg.) entrichtet worden sind.
Die Klägerin führte für den Beigeladenen zu 3) wegen eines Arbeitsunfalls eine Umschulungsmaßnahme durch. Der Beigeladene zu 3) nahm ab 1. September 1978 an einem Tagunterricht des … mit dem Ziel der Ausbildung zum Industriekaufmann teil. Die Maßnahme sollte drei Monate dauern. Der Beigeladene zu 3) fehlte unentschuldigt vom 5. bis 11. September 1978 und ab 18. September 1978.
Die AOK zahlte dem Beigeladenen zu 3) im Auftrage der Klägerin ab 1. September 1978 Übg. Dieses wurde mit dem 30. September 1978 eingestellt. Für den Monat September 1978 entrichtete die Klägerin Gesamtsozialversicherungsbeiträge an die Beklagte für den Beigeladenen zu 3).
Das gezahlte Übg. wurde von der Klägerin zurückgefordert, soweit es auf die Tage entfiel, an denen der Beigeladene zu 3) nicht an der Maßnahme teilgenommen hatte. Es wurde insoweit von dem Beigeladenen zu 3) auch zurückgezahlt.
Die Klägerin beantragte gleichzeitig bei der Beklagten die Rückerstattung der für diese Zeiten gezahlten Sozialversicherungsbeiträge. Dies lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 19. Februar 1981).
Die Klage hatte keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Hannover - SG - vom 6. Dezember 1982). Das SG hat die Auffassung vertreten, daß es für die Versicherungspflicht von beruflichen Rehabilitanden in der Sozialversicherung allein auf den tatsächlichen Bezug von Übg. ankomme. Die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung sowie die Rückforderung des Übg. habe auf die einmal eingetretene Versicherungspflicht später keinen Einfluß mehr. Es beruft sich hierzu auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (BSG SozR 2200 § 381 Nrn. 29, 39, 40 und 43).
Mit der Sprungrevision macht die Klägerin geltend, daß der vorliegende Fall anders liege als die bereits vom BSG entschiedenen Fälle. Hier sei nämlich eine Rückzahlung der Leistung erfolgt. Für diesen Fall habe das BSG in der Entscheidung vom 13. Mai 1980 (BSG SozR 2200 § 381 Nr. 39) ausdrücklich eine Einschränkung gemacht unter Bezugnahme auf eine frühere Entscheidung des 3. Senats des BSG (BSG SozR Nr. 6 zu § 109 AVAVG).
Die Klägerin beantragt, das Urteil des SG Hannover aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Februar 1981 zu verurteilen, der Klägerin die für die Zeit vom 5. September bis 11. September 1978 und vom 18. September bis 30. September 1978 gezahlten Sozialversicherungsbeiträge zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie beruft sich im wesentlichen auf das angefochtene Urteil.
Die übrigen Beteiligten haben keine Anträge gestellt.
Alle Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß der Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) entschieden wird.
II
Die Sprungrevision ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat zutreffend entschieden, daß die Klägerin keinen Anspruch auf Rückerstattung der streitigen Sozialversicherungsbeiträge hat.
Das SG hat mit Recht darauf verwiesen, daß die Versicherungspflicht des Rehabilitanden und daraus folgend die Beitragspflicht des Rehabilitationsträgers im Rahmen der beruflichen Rehabilitation (§ 165 Abs. 1 Nr. 4 der Reichsversicherungsordnung - RVO -/§ 381 Abs. 3a Nr. 1 RVO; § 1227 Abs. 1 Nr. 8a Buchst. c RVO/§ 1385 Abs. 3 Buchst. f und Abs. 4 Buchst. g RVO, sämtlich i.d.F. bis zum 31. Dezember 1983; § 168 Abs. 1 AFG) grundsätzlich an den tatsächlichen Bezug von Übg. anknüpft. Das BSG hat dies nicht nur für die Fälle entschieden, in denen rückwirkend der Rechtsgrund für die Leistung ausgetauscht wurde (BSG SozR 2200 § 381 Nrn. 35 und 39), sondern auch für andere Fälle eines materiell zu Unrecht gezahlten Übg. (BSG SozR 2200 § 381 Nrn. 40 und 43).
Dieser Rechtsprechung liegt der Gedanke zugrunde, daß das Bestehen von Versicherungsschutz im jeweiligen Zeitpunkt klar erkennbar sein muß und deshalb rückwirkende Veränderungen grundsätzlich unbeachtlich sind (vgl. auch BSGE 39, 235, BSGE 49, 85 und BSGE 51, 89). Zwar enthalten die Bestimmungen über die Versicherungspflicht wegen des Bezuges von Übg. keine ausdrückliche Regelung dahin, daß das Versicherungsverhältnis nicht berührt wird, wenn die Entscheidung, die zu einem Leistungsbezug geführt hat, rückwirkend aufgehoben und/oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist. Eine solche Regelung findet sich nur in § 155 Abs. 2 Satz 3 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Das rechtfertigt aber nicht den Schluß, daß der dieser Regelung zugrunde liegende Schutzgedanke für den übrigen Bereich der Sozialversicherung nicht gilt. § 155 Abs. 2 Satz 3 AFG ist vielmehr nur eine besonders konsequente Ausprägung dieses Schutzprinzips und nicht etwa eine Ausnahme.
Rückwirkenden Einfluß auf den Versicherungsschutz kann die Aufhebung der Bewilligung und/oder die Rückzahlung der Leistung (oder ihre Erstattung auf andere Weise) allerdings dann haben, wenn die Leistung anstelle von Arbeitsentgelt erbracht wurde, weil durch die spätere Zahlung des Arbeitsentgelts der Versicherungsschutz im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses gewährleistet ist. Nur auf diesen Fall bezieht sich die von der Klägerin zitierte Entscheidung des 3. Senats (SozR Nr. 6 zu § 109 AVAVG) und die spätere Entscheidung des 1. Senats (BSGE 47, 109). Insoweit gelten selbst im Rahmen von § 155 AFG Einschränkungen (vgl. BSGE 52, 152; ferner Gagel, Komm. zum AFG § 155 Anm. 96 ff.).
Der Senat verkennt zwar nicht, daß es im Einzelfall unbillig erscheinen kann, wenn dem Übg.-Bezieher trotz mangelnder Kooperation der Vorteil kostenlosen Versicherungsschutzes verbleibt. Indes ist diese Unzuträglichkeit gegen das Bedürfnis nach jederzeitiger Klarheit des Versicherungsschutzes abzuwägen. Der Versicherte muß möglichst jederzeit wissen, ob er versichert ist, um ggf. durch anderweitige Versicherung für den Krankheitsfall Vorsorge treffen zu können. Für die Rentenversicherung ist dieses Bedürfnis zwar weniger drängend und in der Arbeitslosenversicherung, die keine freiwillige Versicherung kennt, tritt es sogar weit zurück. Der Gesetzgeber hat aber die Beitragspflicht einheitlich an den Bezug des Übg. geknüpft, so daß Differenzierungen insoweit nicht zulässig erscheinen. Im übrigen ist hervorzuheben, daß die Anknüpfung der Beitragspflicht an den tatsächlichen Bezug und die einheitliche Regelung für alle Versicherungszweige nicht nur im Interesse der Versicherten, sondern auch einer Verwaltungsvereinfachung liegen, weil dadurch unnötige arbeitsaufwendige Rückabwicklungen, ggf. noch mit Unterschieden in den einzelnen Versicherungszweigen, vermieden werden.
Der Senat hält deshalb an seiner Rechtsprechung, daß allein der tatsächliche Bezug von Übg. die Beitragspflicht auslöst, grundsätzlich auch für den Fall fest, daß das Übg. nachträglich rückwirkend entzogen, zurückgefordert und zurückgezahlt wurde. Soweit den früheren Urteilen des Senats Einschränkungen entnommen werden könnten, beziehen sich diese nicht auf die hier streitige Frage der Beitragspflicht bei Entziehung und Rückzahlung des Übg., die damals nicht zu entscheiden war. Eine Abweichung kommt, wie dargelegt, nur dann in Betracht, wenn das Übg. anstelle von an sich geschuldetem Arbeitsentgelt gezahlt wird und nach Klärung der Rechtsfrage und Abwicklung aller Ansprüche der Versicherungsschutz aus dem Beschäftigungsverhältnis an die Stelle des durch Übg. begründeten Versicherungsschutzes tritt. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
Die Revision konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.12 RK 7/83
Bundessozialgericht
Fundstellen