Entscheidungsstichwort (Thema)
Befreiung von der (rückwirkend festgestellten) Krankenversicherungspflicht nach dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG)
Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Befreiung von der (rückwirkend festgestellten) Krankenversicherungspflicht nach dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) vom 10. August 1972 (BGBl. I 1433).
Der 1923 geborene Kläger bewirtschaftet seit über zwanzig Jahren ein Forstgut mit einer Gesamtnutzungsfläche von ca 125 ha (= ca 114, 6 ha forstwirtschaftlich, der Rest landwirtschaftlich) und gehört seitdem der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft an. Er ist seit 1971 mit seiner Ehefrau und seinem Sohn bei der B. Krankenversicherung a. G. privat krankenversichert. Nachdem die Westfälische landwirtschaftliche Alterskasse (AK) die Mitgliedschaft des Klägers festgestellt hatte (Bescheid vom 10. Oktober 1984), wies auch die beklagte Westfälische landwirtschaftliche Krankenkasse (LKK) den Kläger auf seine Krankenversicherungspflicht nach dem KVLG hin.
Mit dem streitigen "Mitglieds- und Beitragsbescheid" vom 14. Juni 1985 setzte die Beklagte den Beginn der Mitgliedschaft auf den 1. Oktober 1972 fest und forderte, ausgehend von einem Gesamtflächenwert von ca 21.500,-- DM, unter Berücksichtigung der Verjährungsvorschriften Beiträge der Klasse 4 für die Zeit seit dem 1. Dezember 1980 ein; die - vom Kläger unter dem 26. Februar 1985 beantragte - Befreiung von der Versicherungspflicht lehnte sie ab. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. August 1985). Das Sozialgericht Dortmund (SG) hat durch Urteil vom 10. Juli 1986 die Beklagte antragsgemäß unter Aufhebung ihrer Bescheide verpflichtet, den Kläger von der Versicherungspflicht mit Wirkung vom 1. Oktober 1972 zu befreien. Das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG) hat dieses Urteil geändert und die Klage abgewiesen. In der angefochtenen Entscheidung vom 5. Mai 1988 ist im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger unterliege seit Inkrafttreten des KVLG (1. Oktober 1972) nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 dieses Gesetzes der Krankenversicherungspflicht; diese Versicherungspflicht gehe auch einer etwaigen Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner vor (§ 3 Abs. 1 Satz 2 KVLG). Allerdings wäre für den Kläger eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 94 Abs. 1 KVLG in Betracht gekommen, wenn er beim Inkrafttreten des Gesetzes bei einem Krankenversicherungsunternehmen versichert gewesen sei und für sich und seine Angehörigen Vertragsleistungen erhalten habe, die der Art nach den Leistungen der Krankenhilfe entsprochen hätten. Möglicherweise sei auch eine Befreiung nach § 4 Abs. 1 KVLG in Frage gekommen. Indessen hätte in beiden Fällen (§ 4 Abs. 2 Satz 1, § 94 Abs. 2 Satz 1 KVLG) die Befreiung von der Versicherungspflicht binnen drei Monaten seit dem 1. Oktober 1972 beantragt werden müssen; der Kläger habe aber erst 1985 einen entsprechenden Antrag gestellt. Er könne sich auch nicht darauf berufen, daß die Beklagte ihn auf die Frist hätte hinweisen müssen oder gegen Treu und Glauben verstoßen habe; das gelte auch, wenn er vom Eintritt der Versicherungspflicht nichts gewußt haben sollte.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihn rechtzeitig auf die Versicherungspflicht hinzuweisen; er hätte dann seine Privatversicherung anders abschließen können. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, Landkrankenkasse P. - , habe ohne größeren Aufwand die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe ihres Bereichs ermitteln und über die Einführung der Versicherungspflicht unterrichten können. Ihm - dem Kläger - sei es als Leiter eines großen Gewerbebetriebes nicht erkennbar gewesen, daß er wegen des Eigentums an Wäldern der Versicherungspflicht für Landwirte unterworfen werde. Im übrigen müsse auch im Rahmen der §§ 4, 94 KVLG hinsichtlich der Fristversäumnis Nachsicht gewährt werden (Hinweis auf Bundessozialgericht -BSG-, Beschluß des Großen Senats -GS- vom 9. Juni 1961 zu § 58 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes - BVG). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts habe die Beklagte auch ihr Recht, sich auf die Versäumung der Dreimonatsfrist zu berufen, verwirkt. Dazu sei ein Verschulden der Beklagten nicht erforderlich; es genüge, daß sie einen Vertrauenstatbestand durch Unterlassen (der Aufklärung durch ein Rundschreiben) geschaffen habe. Etwaige Kostenerstattungsansprüche kämen im übrigen nicht ihm, sondern seiner Privatversicherung zugute.
Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Landessozialgerichts abzuändern, den Bescheid der Beklagten vom 14.06.1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.1985 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger von der Mitgliedschaft in der Beklagten zu befreien. |
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Die Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen. |
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Sie wendet ein, Versicherungspflicht nach dem KVLG sei unabhängig von der Kenntnis des Betroffenen eingetreten (Hinweis auf u.a. BSG vom 13. Dezember 1984 - 11 RK 3/84); der daraus resultierenden Nachforderung von Beiträgen stünden auch mögliche Gegenleistungen in Form von Kostenerstattungen für die hierfür im Gesetz vorgesehenen Fälle gegenüber. Auf Verwirkung könne sich der Kläger nicht berufen; ihm sei bekannt gewesen, daß weder das Kataster der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft in Münster noch jenes der örtlichen Katasterbehörde die landwirtschaftlichen Unternehmer ausgewiesen habe, so daß in Anbetracht von über 200.000 Grundstückseigentümern auch nicht, wie er meine, durch ein kleines Rundschreiben in wenigen Exemplaren das KVLG jedem einzelnen Betroffenen hätte zur Kenntnis gebracht werden können.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG).
II
Die zulässige Revision des Klägers, mit der sinngemäß neben der Abänderung des LSG-Urteils die Zurückweisung der Berufung gegen das SG-Urteil beantragt wird, ist unbegründet. Das LSG hat mit Recht die Klage gegen den Bescheid vom 14. Juni 1985 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1985 abgewiesen.
Der Kläger ist - unstreitig - mit dem Tage des Inkrafttretens des KVLG, dem 1. Oktober 1972 (§ 116 Abs. 1 KVLG in der ursprünglichen Fassung), der Versicherungspflicht nach diesem Gesetz unterworfen worden; denn er war bereits damals Unternehmer der Land- und Forstwirtschaft, dessen Unternehmen, unabhängig vom jeweiligen Unternehmer, eine auf Bodenbewirtschaftung beruhende Existenzgrundlage bildet (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 KVLG). Diese gesetzliche Versicherungspflicht trat ein, ohne daß es auf die Kenntnis, den Willen oder das Bewußtsein des Klägers als des Versicherten ankommt (BSG, Urteil des 11. Senats vom 13. Dezember 1984 - 11 RK 3/84 = SozR 5420 § 2 Nr. 33). Ob dies ausnahmslos auch für die Beitragspflicht gilt, wie im vorgenannten Urteil (S. 65 a.a.O.) der damals für Angelegenheiten der Krankenversicherung in der Landwirtschaft geschäftsplanmäßig zuständig gewesene 11. Senat angenommen hat, bedarf in diesem Zusammenhang keiner Erörterung.
Der Kläger hätte sich allerdings auf Antrag unter den Voraussetzungen des § 94 Abs. 1 KVLG von der Versicherungspflicht nach § 2 KVLG befreien lassen können. Offenbar erfüllte er diese Voraussetzungen; denn er war beim Inkrafttreten des KVLG bei einem Krankenversicherungsunternehmen (der B. Krankenversicherung a. G.) versichert und erhielt für sich und seine Angehörigen, für die ihm Familienhilfe zustand, Versicherungsleistungen, die der Art nach den Leistungen der Krankenhilfe entsprachen. Der Antrag wäre aber binnen drei Monaten nach dem 1. Oktober 1972 bei der Beklagten als der zuständigen Krankenkasse zu stellen gewesen (§ 94 Abs. 2 Satz 1 KVLG in der bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung). Das ist nicht geschehen; der Kläger hat einen solchen Antrag nicht schon innerhalb der materiell-rechtlichen Ausschlußfrist bis zum 2. Januar 1973, sondern erst gestellt, nachdem er von der Beklagten auf seine Versicherungs- und Beitragspflicht hingewiesen worden war. Daß dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - mit dem Inkrafttreten Versicherungspflicht nach diesem Gesetz eingetreten ist, neben § 94 Abs. 1 KVLG überhaupt Raum für eine Befreiung nach § 4 Abs. 1 KVLG sein kann (wonach als zusätzliche Voraussetzung der damalige Einheitswert des landwirtschaftlichen Unternehmens 45.000,-- DM überstiegen haben muß), dürfte zu verneinen sein, kann aber offenbleiben. Denn auch ein solcher Befreiungsantrag hätte binnen drei Monaten seit Eintritt der Versicherungspflicht, also ebenfalls bis zum 2. Januar 1973, gestellt werden müssen.
Der Kläger kann auch nicht, wie das LSG ebenfalls entschieden und eingehend begründet hat, über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verlangen, so gestellt zu werden, als habe er sich rechtzeitig von der Versicherungspflicht nach dem KVLG befreien lassen. Eine - konkrete - Beratungs- oder Auskunftspflicht konnte für die Beklagte schon deshalb nicht entstanden sein, weil sie von der am 1. Oktober 1972 nach dem KVLG eingetretenen Versicherungspflicht des Klägers und somit von dem Versicherungsverhältnis keine Kenntnis hatte. Zwar kann nach Auffassung des 12. Senats des BSG unter Umständen auch die Verletzung der - allgemeinen - Informationspflicht einen Herstellungsanspruch begründen (vgl. BSG SozR 5428 § 4 Nr. 10 S. 26 mwN; aA wohl der 3. Senat in SozR 2200 § 1324 Nr. 3); dies ist aber nicht der Fall, wenn - wie hier - die Versicherungspflicht auf einem neuen Gesetz beruht und es zudem der Beklagten praktisch unmöglich war, den Kläger innerhalb der Dreimonatsfrist zu erreichen. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß zwar nach § 45 Abs. 1 und 2 KVLG die Träger der landwirtschaftlichen Krankenversicherung, der landwirtschaftlichen Altershilfe und der landwirtschaftlichen Unfallversicherung bei Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben sowie bei der Betreuung und Beratung der Versicherten zusammen zu arbeiten hätten, daß aber die Verquickung dieser drei Institutionen erst durch das KVLG selbst geschaffen worden sei und innerhalb der genannten Frist nicht habe realisiert werden können. Soweit der Kläger meint, die Beklagte müsse sich das Verschulden und Versäumnis ihrer Vorgängerin, der vorher zuständig gewesenen Landkrankenkasse M. , zurechnen lassen, übersieht er - worauf das LSG ebenfalls zutreffend in Übereinstimmung mit der Beklagten hingewiesen hat -, daß er keiner Landkrankenkasse angehört hatte, sondern eigenen Angaben zufolge schon damals privat krankenversichert gewesen war.
Ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben liegt auch nicht darin, daß sich die Beklagte auf die Versäumung der Ausschlußfrist beruft. Insbesondere vermag der Kläger seine gegenteilige Auffassung nicht auf den Beschluß des GS des BSG vom 9. Juni 1961 (BSGE 14, 246 = SozR Nr. 2 zu § 58 BVG) zu stützen. Jene Entscheidung betraf die "Anmeldung" von Versorgungsansprüchen Hinterbliebener innerhalb einer Ausschlußfrist (§ 58 Abs. 1 BVG aF). Ausgehend davon, daß jene Ausschlußfrist nur den Sinn gehabt habe, einen Überblick über das Ausmaß der Versorgungslast zu ermöglichen und die Verwaltung vor Aufklärungsschwierigkeiten für weit zurückliegende Vorgänge zu schützen, hat der GS dort entschieden, die Anwendung der Fristvorschrift werde deren Funktion nicht gerecht, wenn die Voraussetzungen des verspätet angemeldeten Anspruchs zweifelsfrei gegeben seien (a.a.O. S. 250). Hier dagegen bestand und besteht der Sinn und Zweck des § 94 KVLG darin, zum einen die Beibehaltung einer privaten Krankenversicherung zu ermöglichen, zum anderen aber auch, alsbald klare Verhältnisse zu schaffen (vgl. BT-Drucks VI/3012 S. 38 zu § 78). Es handelt sich - im Gegensatz zu dem der Entscheidung des GS zugrundeliegenden Sachverhalt, der die Geltendmachung eines Leistungsrechts betraf - um die Ausübung oder Nichtausübung eines an aktuelle Gegebenheiten anknüpfenden Gestaltungsrechts. Für solche Fallgruppen hat die Rechtsprechung des BSG keinen Anlaß gesehen, die Fristausschlußwirkung entsprechend BSGE 14, 246 zu durchbrechen (so BSG SozR 5486 Art 4 § 2 Nr. 2 S. 4, 5 mwN; SozR 2200 § 1227 Nr. 25).
Unter welchen Voraussetzungen gleichwohl dann, wenn ein Gestaltungsrecht nicht innerhalb der gesetzlich hierfür vorgesehenen Ausschlußfrist ausgeübt wurde, die Berufung auf Fristversäumnis gegen Treu und Glauben verstößt, weil Nachsicht gewährt werden muß, braucht hier nicht generell abgegrenzt zu werden. Denn abgesehen davon, daß ein Rechtsmißbrauch von der Rechtsprechung teilweise nur angenommen worden ist, wenn die Behörde vorsätzlich die Versäumung der Ausschlußfrist herbeigeführt hat (vgl. BSG 5486 Art 4 § 2 Nr. 2 S. 7 mit Hinweis auf BSGE 22, 257, 260), müßte die Ausschlußfrist u.a. für die Verwaltung von geringer Bedeutung sein, was das Berufungsgericht im Hinblick auf den Gesetzeszweck mit Recht verneint hat. Zudem müßte der Kläger an der Versäumung der Frist schuldlos sein (vgl. BSG SozR 5070 § 10 Nr. 19, wo die Nachsichtgewährung bei einem Verfolgten davon abhängig gemacht wurde, daß die Verspätung auf die unzureichenden Informationsmöglichkeiten an seinem ausländischen Wohnsitz zurückzuführen ist und ihn selbst an der Fristversäumung kein Verschulden trifft). So lag es beim Kläger nicht. Ihm war es zuzumuten, sich über den Inhalt etwa bestehender Rechtsvorschriften zu unterrichten (vgl. z.B. BSGE 16, 7, 10 = BSG SozR Nr. 10 zu § 145 SGG).
Schließlich kann der Kläger auch nicht einwenden, er werde durch die (Ablehnung der rückwirkenden Befreiung von der) Versicherungspflicht in eine Rechtsposition gedrängt, die der Beklagten fast nur Rechte einräume, ihm aber lediglich Pflichten auferlege. Von den Verfügungssätzen des Bescheides vom 14. Juni 1985 - Feststellung der Mitgliedschaft und Versicherungspflicht, Ablehnung des Antrages auf Befreiung von der Versicherungspflicht (Nach-) Forderung von Beiträgen - hat er lediglich die verneinte Befreiung von der Versicherungspflicht angegriffen, hinsichtlich der Beitragsnachforderung aber keinen Antrag, auch keinen Hilfsantrag, gestellt. Gegen die Feststellungen, die das LSG gleichwohl zur Berechtigung der Beitragsnachforderung und zur Höhe der Beiträge getroffen hat, sind von ihm keine Revisionsrügen erhoben worden, so daß der Senat weder verpflichtet noch berechtigt ist, hierauf einzugehen (§§ 163, 164 SGG). Im übrigen sind Rechtsfehler, was die Anwendung der Verjährungsvorschriften hinsichtlich der Beitragsnachforderung und die Einstufung in die Beitragsklasse 4 anlangt, nicht ersichtlich.
Nun hat der Kläger zwar innerhalb seines Klagebegehrens Einwände erhoben, die sich mit der "rückwirkenden Aktivierung" des Versicherungsverhältnisses befassen und im Kern das Argument enthalten, es verstoße gegen Treu und Glauben, wenn die Beklagte Beiträge für einen Zeitraum nachfordere, in welchem er keine Leistungsansprüche habe erheben können und für den er auch nachträglich in nur sehr begrenztem Rahmen etwas verlangen könne. Zunächst ist festzuhalten, daß - wie auch das LSG unter Bezugnahme auf das bereits erwähnte Urteil des 11. Senats des BSG (SozR 5420 § 2 Nr. 33) eingehend dargelegt hat - sich die vorliegende Fallgestaltung, zumal hier die Begründung der Versicherungspflicht unmittelbar auf einem neuen Gesetz beruhte, von den Fällen unterscheidet, in denen die Rechtsprechung wegen besonderer Umstände eine rückwirkende Beitragspflicht abgelehnt hat (vgl. BSGE 39, 235 = SozR 2200 § 315a Nr. 1, BSGE 51, 89 = SozR 2200 § 381 Nr. 44, SozR 2200 § 313 Nr. 8 und SozR 2200 § 517 Nr. 8). Vor allem aber ist bei einer Beitragserhebung für eine zurückliegende Zeit die Rechtsposition des Versicherten stärker, als der Kläger nur anzunehmen scheint und die Beklagte in ihrer Revisionserwiderung einräumt. Stellt nämlich die Krankenkasse rückwirkend Versicherungspflicht fest und "aktiviert" sie das Versicherungsverhältnis rückwirkend, indem sie unter Beachtung der Verjährungsvorschriften Beiträge nacherhebt, so kann sie insoweit, als Sachleistungen (Naturalleistungen) rechtlich und tatsächlich unmöglich (geworden) sind, unter Berufung auf das Sachleistungsprinzip Kostenerstattung jedenfalls dann nicht verweigern, wenn der Versicherte keine Kenntnis von der Versicherungspflicht hatte (Urteil des erkennenden Senats vom 4. Oktober 1988 - 4/11a RK 2/87 = SozR 2200 § 182 Nr. 113, Leitsatz). In jener Entscheidung ist ausgeführt, daß eine schwere Störung des Äquivalenzprinzips nicht hingenommen werden könne und bei der gleichen Ausgangslage - Unwissenheit über das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses schon in der Vergangenheit - der eine Teil (Träger) für die gleiche Zeit nur (durch Beitragsanspruch ohne Leistungsverpflichtung) begünstigt, der andere Teil (Versicherter) für die gleiche Zeit ausschließlich (durch Beitragspflicht ohne Leistungsanspruch) benachteiligt wäre. Deshalb ist dem Versicherten aus dem Versicherungsverhältnis unter den gegebenen Voraussetzungen derjenige Schutz zu gewähren, der bei dieser Sachlage noch erbringbar ist, nämlich eine Kostenerstattung anstelle der unmöglich gewordenen Sachleistung (a.a.O. S. 252, 253). Daraus folgt, daß die rückwirkende Feststellung der Versicherungspflicht und die auf vier Jahre rückwirkende Nacherhebung von Beiträgen dem Versicherungsträger auch Gegenleistungen aufbürden und im Einzelfall seine Geldleistungen sogar die Gesamtheit der nacherhobenen Beiträge überschreiten können. Um so weniger kann es unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit Treu und Glauben widersprechen, wenn die Krankenkasse aufgrund früher eingetretener Versicherungspflicht Beiträge für einen rückwärtigen Zeitraum erhebt.
Nach alledem konnte die Revision des Klägers keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.4 RK 4/88
BUNDESSOZIALGERICHT
Verkündet am 18. Januar 1990
Fundstellen