Beteiligte
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Juni 1995 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist die Bewilligung eines Zuschusses zur Anschaffung und zur behindertengerechten Zusatzausstattung eines PKW.
Der im Jahre 1962 geborene Kläger ist querschnittsgelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Er bezieht aufgrund eines im Dezember 1990 geschlossenen Vergleichs gemäß Bescheid der Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz vom 27. Februar 1991 von dieser für Zeiten seit dem 1. Mai 1987 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU). Seit 1988 ist er als Telefonist bei der Stadt K. angestelltenversicherungspflichtig beschäftigt. Seit April 1990 beträgt seine wöchentliche Arbeitszeit als Telefonist 19,25 Stunden. Diese Tätigkeit übt er nur auf Kosten seiner Gesundheit und unter unzumutbarer Anspannung seiner Willenskräfte aus. Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) lehnte die im Januar 1991 beantragte Gewährung eines Zuschusses zu den Kosten für die Anschaffung und zur behinderungsgerechten Zusatzausstattung eines PKW ab, weil dadurch der Wegfall der EU nicht bewirkt werden könne (Bescheid vom 15. April 1991; Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 1991).
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Beklagte durch Urteil vom 15. Juli 1993 unter Aufhebung der streitigen Verwaltungsentscheidungen verurteilt, den Kläger neu zu bescheiden. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 26. Juni 1995). Das Berufungsgericht meint, nach dem hier maßgeblichen Recht des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG), aber auch nach den §§ 9 ff des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI), seien die Voraussetzungen für die Gewährung von Kraftfahrzeughilfe (Kfz-Hilfe) nicht erfüllt. Liege – wie beim Kläger – EU vor und könne Erwerbsfähigkeit durch Rehabilitation nicht wiederhergestellt werden, komme auch die Gewährung von Kfz-Hilfe nicht in Betracht.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 13, 14a AVG. Die Beklagte habe das ihr eingeräumte Ermessen nicht rechtmäßig ausgeübt. Das Berufungsgericht habe die tatsächliche Lebens- und berufliche Situation des Klägers verkannt. Nachdem er wegen des im Jahre 1981 erlittenen Verkehrsunfalles seine Berufstätigkeit als Prüfer im Bereich der Garneingangskontrolle nicht mehr habe fortsetzen können, habe er durch eigene intensive Bemühungen eine neue Arbeitsstelle als Telefonist gefunden. Er habe sich für diese Berufstätigkeit entschieden, obwohl sie auf Kosten seiner Gesundheit gehe. Er sei damit weiterhin beruflich in das Erwerbsleben eingegliedert und zahle Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung an die Beklagte. Dadurch werde seine Rentenanwartschaft erheblich gebessert. Der Wortlaut des § 13 AVG sei nicht entscheidend. Nach Sinn und Zweck sei diese Vorschrift auch anzuwenden, wenn dem Versicherten die Möglichkeit eröffnet werde, einen Arbeitsplatz weiterhin innezuhaben. § 13 Abs 2 AVG sehe ausdrücklich die entsprechende Anwendung des Abs 1 aaO für Empfänger von Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) oder EU vor. Die durch Rehabilitation zu behebende Erwerbsminderung bestehe darin, daß er seinen Arbeitsplatz wegen seiner Behinderungen nur mit einem Kraftfahrzeug erreichen könne; zur Erwerbsfähigkeit gehöre auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle überhaupt erst zu erreichen. Durch die begehrte Leistung könne also seine Immobilität beseitigt und seine Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert werden. Ferner habe das LSG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden, obwohl er hierzu sein Einverständnis nicht erteilt habe. Wegen des Vorbringens des Klägers im übrigen wird auf die Schriftsätze vom 28. Juli 1995, 28. August 1995 und vom 22. November 1995 (Bl 7 bis 8, 12 bis 22, 38 der Akte des Bundessozialgerichts [BSG]) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. Juni 1995 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15. Juli 1993 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).
II
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat der Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zu Recht stattgegeben. Die Klage gegen den Bescheid vom 15. April 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 1991 ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung der begehrten Zuschüsse. Er ist durch die streitigen Verwaltungsakte auch nicht in einem Recht auf fehlerfreie Ermessensbetätigung verletzt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen liegen nicht vor, von denen nach den hier noch gemäß § 301 Abs 1 SGB VI anwendbaren Vorschriften der §§ 13, 14a AVG die Befugnis der Beklagten abhängt, eine dem Versicherten einen Anspruch auf eine Rehabilitationsleistung gewährende Ermessensentscheidung zu treffen:
Nach § 13 Abs 1 Satz 1 AVG kann die BfA Leistungen zur Rehabilitation einem Versicherten erbringen, wenn dessen Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist, falls dadurch die Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder bei einer bereits geminderten Erwerbsfähigkeit durch diese Leistungen der Eintritt von BU oder EU abgewendet werden kann. Dies gilt nach Abs 2 aaO entsprechend für Empfänger von Rente wegen BU oder wegen EU. Damit bindet das Gesetz die Ermessensentscheidung der Beklagten gemäß dem Grundsatz des Vorranges der Rehabilitation vor Rente an das Ziel, daß durch die Leistungen (die Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert, wiederhergestellt oder) bei einer – wie im vorliegenden Fall – bereits geminderten Erwerbsfähigkeit der Eintritt von BU oder EU „abgewendet” werden kann. Deshalb darf die BfA Leistungen zur Rehabilitation nur dann bewilligen, wenn sie ua geeignet sind, die vorgenannten Ziele zu erreichen (ständige Rechtsprechung, stellvertretend BSG SozR 3-5765 § 10 Nr 3 S 17 mwN). Die BfA ist also als Rehabilitationsträger nicht schlechthin und unter allen denkbaren Gesichtspunkten gehalten, einen Behinderten in Arbeit, Beruf und Gesellschaft einzugliedern. Diese Aufgabe obliegt ihr grundsätzlich nur im eigenen Zuständigkeitsbereich, also nach den für sie geltenden besonderen Rechtsvorschriften. Aus den Vorschriften der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) vom 28. September 1987 (BGBl I S 2251), geändert durch Verordnung vom 30. September 1991 (BGBl I S 1950) ergibt sich nichts Abweichendes. Diese Rechtsverordnung beruht auf der Ermächtigungsgrundlage in § 9 Abs 2 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I S 1888), nach der die Bundesregierung zur Rechtsetzung nur „im Rahmen der für die Rehabilitationsträger geltenden besonderen gesetzlichen Vorschriften” befugt ist. Die KfzHV ist also im Rahmen der für die BfA geltenden und höherrangigen besonderen gesetzlichen Vorschriften auszulegen und anzuwenden (stellvertretend BSG SozR 3-5765 § 1 Nr 1 S 3 mwN).
Die Beklagte durfte demnach dem Kläger die begehrte Kfz-Hilfe nicht gewähren, weil sie ungeeignet ist, die bestehende EU „abzuwenden” (iS von § 13 Abs 1 Satz 1 Regelung 3 iVm Abs 2 aaO). Denn der Kläger ist erwerbsunfähig, dh gesundheitsbedingt außerstande, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit zu erzielen (§ 24 Abs 2 Satz 1 AVG). Dem steht seine Beschäftigung als Telefonist nur deswegen nicht entgegen, weil er auf Kosten seiner Gesundheit und unter unzumutbarer Anspannung seiner Willenskräfte arbeitet (sog Raubbauarbeit). Dies hat das Berufungsgericht mit bindender (§§ 163, 164 Abs 2 Satz 3 SGG) Wirkung für den Senat festgestellt; auch der Kläger selbst trägt dies vor. Ferner ist bindend festgestellt, daß der Gesundheitszustand des Klägers sich nicht mehr bessern und er auch dann erwerbsunfähig bleiben wird, wenn ihm die begehrte Kfz-Hilfe gewährt wird. Leistungen eines Rentenversicherungsträgers zur Rehabilitation scheiden aber von vornherein als nicht zweckgerecht aus, wenn diese lediglich dazu dienen sollen, den Versicherten vor weiterem Abgleiten im Beruf zu bewahren, ohne daß Aussicht besteht, der Versicherungsfall der EU könne beseitigt werden. Die Ausführungen des Berufungsgerichts hierzu treffen zu. Es widerspricht dem Zweck der Rehabilitation im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung, sog Raubbauarbeit, welche die Gesundheit schädigt, durch Leistungen zu ermöglichen oder zu fördern.
Die Rüge des Klägers, das Berufungsgericht habe entgegen § 124 Abs 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden, ohne daß er zuvor sein Einverständnis erklärt habe, ist – worauf die Beklagte richtig hingewiesen hat – unbegründet. Der Kläger hat – entgegen seinem Vortrag – ausweislich der Akten des Berufungsgerichts (Bl 145, 151) nicht nur im Schriftsatz vom 23. Januar 1995 darum gebeten, „ein nach Aktenlage bestätigtes und begründetes Urteil zu übersenden”, sondern auf ausdrückliches Befragen durch das LSG mit einer schriftlichen Erklärung vom 6. März 1995, die am 7. März 1995 beim LSG eingegangen ist, sich „damit einverstanden erklärt, daß das Gericht in dieser Streitsache gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet”.
Das Urteil des Berufungsgerichts ist also richtig, so daß die Revision des Klägers hiergegen zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG.
Fundstellen