Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des maßgeblichen Zugangsfaktors nach § 77 Abs 3 S 2 SGB 6 bei der Berechnung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach Umwandlung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Erhöhung des Zugangsfaktors der Folgerente nach § 77 Abs 3 S 3 Nr 2 SGB 6 für nicht in Anspruch genommene Entgeltpunkte der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
Normenkette
SGB VI § 77 Abs. 3 Sätze 2, 3 Nr. 2, § 264c Fassung: 2002-02-19, § 300 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. Juli 2021 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20. Februar 2018 geändert. Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 1. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2017 verpflichtet, den Bescheid über die Altersrente vom 4. Mai 2009 zu ändern und für die Hälfte der Entgeltpunkte, die bereits Grundlage der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung waren, den für die Altersrente ermittelten Zugangsfaktor von 0,970 sowie für die restlichen Entgeltpunkte den bisherigen Zugangsfaktor von 0,898 zugrunde zu legen. Sie wird verurteilt, die sich daraus ergebende höhere Altersrente dem Kläger rückwirkend ab Januar 2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für alle Rechtszüge nicht zu erstatten.
Tatbestand
Im Streit steht im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Höhe der Altersrente des Klägers. Umstritten ist insbesondere, ob der Kläger verlangen kann, dass der seiner Altersrente zugrunde liegende Zugangsfaktor, soweit er aus der vorangegangenen Rente übernommen wurde, im Hinblick darauf erhöht wird, dass er die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit mit Beginn der Altersrente nicht mehr in Anspruch genommen hat.
Der im Dezember 1944 geborene Kläger schied Ende Februar 2003 krankheitsbedingt aus seinem letzten Beschäftigungsverhältnis aus. Er bezog ab dem 1.3.2003 Arbeitslosengeld und ab dem 1.1.2005 Arbeitslosengeld II. Seinen Antrag vom 30.9.2003 auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung lehnte der beklagte Rentenversicherungsträger zunächst ab. Auf einen im Mai 2007 gestellten Antrag bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab dem 1.6.2007. Nachfolgend wurde für den Kläger rückwirkend ab Februar 2007 ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt. Daraufhin schlossen die Beteiligten im noch anhängigen Berufungsverfahren zum Anspruch auf Erwerbsminderungsrente einen Vergleich. Die Beklagte verpflichtete sich, dem Kläger unter Zugrundelegung einer seit dem 30.9.2003 bestehenden Berufsunfähigkeit eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit und auf der Grundlage eines im Februar 2007 eingetretenen Leistungsfalls eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte bewilligte die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 1.10.2003 auf der Grundlage von 43,2145 Entgeltpunkten (EP) und einem Zugangsfaktor von 0,898. Dieser Zugangsfaktor berücksichtigte den für den Kläger maßgeblichen Verminderungszeitraum (34 Monate) von März 2005 bis Dezember 2007 (Bescheid vom 30.4.2009). Die Beklagte gewährte die Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 1.3.2007 auf der Grundlage von 42,8303 EP (Bescheid vom 4.5.2009). Den Zugangsfaktor der Altersrente bestimmte die Beklagte für die Hälfte der EP, die bereits Grundlage der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit waren (dh für 21,6073 EP), wie bisher mit 0,898 und für die restlichen 21,2230 EP wegen der im Zeitraum März bis Dezember 2007 um 10 Monate vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente mit 0,970. Es errechneten sich auf dieser Grundlage für die Altersrente insgesamt 39,9897 persönliche EP (pEP) und damit etwas mehr als noch für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (dort 38,8066 pEP). Die Rechtsbehelfe des Klägers gegen die genannten Bescheide, mit denen er ua die Berechnung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und die Berücksichtigung eines Rentenabschlags bei der Altersrente für schwerbehinderte Menschen beanstandete, blieben überwiegend ohne Erfolg (Teilabhilfebescheid vom 1.7.2010, Widerspruchsbescheid vom 20.7.2010, Klageverfahren S 45 (40) R 151/09 im Januar 2012 aufgrund fiktiver Klagerücknahme erledigt).
Im März 2013 erhob der Kläger vor dem SG eine Untätigkeitsklage gegen die Beklagte. In diesem Verfahren fand am 6.1.2017 ein Erörterungstermin statt, in dem der Kläger auch seine Einwendungen gegen die Rentenbescheide vom 30.4.2009 und vom 4.5.2009 erneut vortrug. Die Beklagte sah diese Ausführungen als Überprüfungsantrag an. Eine Neuberechnung der Altersrente und der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung lehnte sie jedoch ab (Bescheid vom 1.8.2017, Widerspruchsbescheid vom 14.9.2017).
Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 20.2.2018). Das LSG hat nach Durchführung eines Erörterungstermins die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 2.7.2021). Es hat auf den Gerichtsbescheid des SG und den Widerspruchsbescheid Bezug genommen und ergänzend näher ausgeführt, weshalb der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu Recht ein Zugangsfaktor von lediglich 0,898 zugrunde gelegt worden sei. Zum Zugangsfaktor der Altersrente hat sich das Berufungsgericht im Urteil nicht weiter geäußert. Der Senat hat auf die Beschwerde des Klägers die Revision gegen das LSG-Urteil zugelassen, soweit es die Überprüfung der Höhe der ab dem 1.3.2007 bewilligten Altersrente für schwerbehinderte Menschen zum Gegenstand hat (Beschluss vom 8.2.2023 - B 5 R 243/21 B).
Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung von § 77 Abs 3 Satz 3 Nr 2 SGB VI. Die Beklagte habe die Vorschrift zur Erhöhung des Zugangsfaktors für EP, die Versicherte bei einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit einem Zugangsfaktor kleiner als 1,0 in einem näher bestimmten Zeitraum nicht in Anspruch genommen haben, bei der Berechnung seiner Altersrente zu Unrecht nicht angewandt. Er - der Kläger - habe aufgrund des Bescheids vom 30.4.2009 ab dem 1.10.2003 eine frühere Rente im Sinne dieser Bestimmung bezogen. Er habe diese Rente aber nicht bis zur Vollendung des 63. Lebensjahrs im Dezember 2007, sondern lediglich bis Februar 2007 tatsächlich erhalten. Damit habe er die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im maßgeblichen Zeitraum für 10 Monate nicht in Anspruch genommen. Das führe dazu, dass der Zugangsfaktor für den Teil der EP, die bereits Grundlage von pEP der Erwerbsminderungsrente waren, um (10 x 0,003 =) 0,03 zu erhöhen sei. Mithin sei für diesen Teil der EP (21,6073) ein Zugangsfaktor von (0,898 + 0,03 =) 0,928 zur Anwendung zu bringen und der Altersrente insgesamt 40,6379 pEP statt der bislang von der Beklagten berücksichtigten 39,9897 pEP zugrunde zu legen. § 77 Abs 3 Satz 3 Nr 2 SGB VI sei so zu verstehen, dass eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Sinne dieser Vorschrift auch dann "nicht in Anspruch genommen" worden sei, wenn sie aufgrund der Bewilligung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen nicht mehr gezahlt worden ist.
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Der Kläger beantragt, |
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das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. Juli 2021 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20. Februar 2018 aufzuheben, soweit die Altersrente für schwerbehinderte Menschen betroffen ist, und die Beklagte unter Änderung des Bescheids vom 1. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2017 zu verpflichten, den Bescheid über die Altersrente vom 4. Mai 2009 zu ändern und dabei insbesondere einen um 0,03 erhöhten Zugangsfaktor für diejenigen Entgeltpunkte anzuwenden, die bereits Grundlage der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung waren, sowie die sich daraus ergebende höhere Altersrente rückwirkend ab Januar 2013 zu zahlen. |
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Die Beklagte beantragt, |
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die Revision des Klägers zurückzuweisen. |
Sie habe die Altersrente des Klägers zutreffend berechnet. Bei dem im Dezember 1944 geborenen Kläger sei gemäß § 264c iVm Anlage 23 SGB VI in der ab dem 1.1.2001 bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung der Verminderungszeitraum vom 1.3.2005 bis zum 31.12.2007 maßgeblich. Demgemäß sei bei dieser Rente der Zugangsfaktor für 34 Monate um je 0,003 und damit insgesamt um 0,102 auf 0,898 zu vermindern gewesen. Eine Anhebung des geminderten Zugangsfaktors in einer Folgerente nach § 77 Abs 3 Satz 3 Nr 2 SGB VI setze voraus, dass die EP der Vorrente im maßgeblichen Verminderungszeitraum nicht oder nicht mehr vorzeitig in Anspruch genommen würden. Zwar habe der Kläger die EP der Erwerbsminderungsrente in der Zeit vom 1.3. bis zum 31.12.2007 nicht mehr in Anspruch genommen. Das sei jedoch für die Berechnung der Altersrente unerheblich, da hierbei stets auf den Zeitpunkt des Beginns der Rente (hier: 1.3.2007) abzustellen sei. Zu diesem Zeitpunkt seien alle EP der Vorrente stets in Anspruch genommen worden. Zudem könne eine Anhebung des Zugangsfaktors nach § 77 Abs 3 Satz 3 SGB VI nicht erfolgen, wenn die Verminderungszeiträume der beiden Renten identisch seien. Das sei hier der Fall gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist nur zum Teil begründet (vgl § 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Die Beklagte ist verpflichtet, den Bescheid über die Altersrente vom 4.5.2009 zu korrigieren, soweit darin die für diese Rente maßgeblichen pEP in zu geringer Höhe ermittelt worden sind. Sie hat aber nicht - wie vom Kläger primär gefordert - den Zugangsfaktor für diejenigen EP, die bereits Grundlage von pEP der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit waren, um einen Zuschlag von 0,003 für jeden der 10 Monate zu erhöhen, in denen diese Rente von März bis Dezember 2007 nicht mehr gezahlt worden ist. Das kann der Regelung in § 77 Abs 3 Satz 3 Nr 2 SGB VI, wie die Beklagte zutreffend angenommen hat, nicht entnommen werden, sodass die Revision insoweit zurückzuweisen ist (vgl § 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Beklagte muss jedoch den für die Altersrente ermittelten höheren Zugangsfaktor von 0,970 nach der Vorgabe in § 77 Abs 3 Satz 2 SGB VI nicht lediglich auf die "restlichen" 21,2230 EP, sondern auf die Hälfte der EP anwenden, die Grundlage der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung waren (mithin auf 21,6073 EP). Die sich daraus errechnende - geringfügig höhere - Altersrente hat sie gemäß § 44 Abs 4 Satz 1 und 3 SGB X dem Kläger rückwirkend ab dem 1.1.2013 zu zahlen.
1. Die nach Zulassung durch den Senat statthafte Revision (vgl § 160 Abs 1 SGG) ist zulässig erhoben. Auch die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung (vgl § 164 Abs 2 Satz 3 SGG) sind erfüllt. Der Kläger hat die aus seiner Sicht vom LSG verletzte Rechtsnorm bezeichnet und näher begründet, weshalb dies der Fall sein soll. Eine Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung war ihm insoweit nicht möglich, da die Vorinstanzen zu der von ihm beanstandeten Rechtsverletzung keine Ausführungen gemacht haben.
2. Gegenstand der revisionsrechtlichen Überprüfung ist neben der Berufungsentscheidung und dem darin in Bezug genommenen Gerichtsbescheid des SG (vgl § 153 Abs 2 SGG) der Überprüfungsbescheid der Beklagten vom 1.8.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.9.2017 nur insoweit, als darin eine Korrektur des bindend gewordenen Rentenbescheids vom 4.5.2009 über die Altersrente abgelehnt worden ist. Nur für diesen abtrennbaren Teil des Streitstoffs hat der Senat die Revision zugelassen. Soweit der Widerspruchsbescheid auch eine Korrektur des Bescheids vom 30.4.2009 über die Bewilligung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit abgelehnt hat, ist die hierzu ergangene Entscheidung des LSG aufgrund der insoweit nicht erfolgten Revisionszulassung rechtskräftig und die Verwaltungsentscheidung damit für die Beteiligten in der Sache bindend geworden (vgl § 160a Abs 4 Satz 3 iVm § 77 SGG).
3. Der Kläger verfolgt sein Begehren auf eine höhere Altersrente, nachdem der Rentenbescheid vom 4.5.2009 bestandskräftig geworden ist, zutreffend mit einer kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl § 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4, § 56 SGG - s hierzu zB BSG Urteil vom 6.9.2017 - B 13 R 33/16 R - SozR 4-2600 § 96a Nr 17 RdNr 17 mwN). Sie ist zunächst auf die Aufhebung der eine Korrektur ablehnenden Verwaltungsentscheidungen, sodann auf die Verpflichtung zur Vornahme der begehrten Korrektur und schließlich auf eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der danach vorenthaltenen Leistungen im Rahmen eines Grundurteils gerichtet (vgl § 130 Abs 1 Satz 1 SGG; s hierzu zB BSG Urteil vom 5.4.2023 - B 5 R 36/21 R - juris RdNr 13, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).
4. Als Rechtsgrundlage für das Überprüfungsverlangen des Klägers kommt nur § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit ua dann zurückzunehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden ist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ob das Recht richtig oder unrichtig angewandt worden ist, beurteilt sich nach der zum Zeitpunkt des Erlasses des zu überprüfenden Verwaltungsakts maßgeblichen Sach- und Rechtslage (vgl BSG Urteil vom 14.11.2002 - B 13 RJ 47/01 R - BSGE 90, 136, 138 = SozR 3-2600 § 300 Nr 18 S 86; BSG Urteil vom 26.2.2020 - B 5 R 21/18 R - SozR 4-6555 Art 25 Nr 1 RdNr 16). Bei Rentenbescheiden ist die Besonderheit zu beachten, dass es nach materiellem Recht hinsichtlich des Umfangs der bei der Rentenberechnung zu berücksichtigenden pEP (vgl § 64 Nr 1 iVm § 306 Abs 1 SGB VI) auf den Zeitpunkt des Beginns der hier mit Bescheid vom 4.5.2009 bewilligten Altersrente für schwerbehinderte Menschen, mithin auf die Sach- und Rechtslage am 1.3.2007 ankommt (vgl § 300 Abs 3 SGB VI; s auch Weiß in BeckOKG ≪Kasseler Komm≫, § 300 SGB VI RdNr 28, 30, Stand 15.5.2023; zum sog "Rentenbeginnprinzip" s auch BSG Urteil vom 10.11.2022 - B 5 R 29/21 R - juris RdNr 49, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2600 § 253a Nr 1 vorgesehen).
a) Die Beklagte hat bei Erlass des Bescheids über die Bewilligung der Altersrente für schwerbehinderte Menschen (vgl § 236a SGB VI) ab März 2007 anstelle der zuvor gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (vgl § 240 SGB VI) zu Recht keine Erhöhung des Zugangsfaktors für nicht in Anspruch genommene EP aus der Erwerbsminderungsrente berücksichtigt. Die Forderung des Klägers, für die zehn Monate von März bis Dezember 2007, in denen nach Bewilligung der Altersrente die zuvor geleistete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nicht mehr gezahlt wurde (vgl § 89 Abs 1 Satz 1 und 3 SGB VI), den insoweit auch für die Folgerente heranzuziehenden Zugangsfaktor von 0,898 um (10 x 0,003 =) 0,03 auf 0,928 anzuheben, findet im maßgeblichen Recht keine Grundlage.
aa) Nach § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI (in der ab dem 1.1.2001 bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung von Art 1 Nr 22 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ≪RRErwbG≫ vom 20.12.2000, BGBl I 1827) bleibt für diejenigen EP, die bereits Grundlage von pEP einer früheren Rente waren, der frühere Zugangsfaktor maßgebend. Das gilt nach § 77 Abs 3 Satz 2 SGB VI aber nicht für die Hälfte der EP, die Grundlage einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung waren. Soweit jedoch nach Satz 1 (aaO) der frühere Zugangsfaktor für die Folgerente maßgebend bleibt, ordnet § 77 Abs 3 Satz 3 SGB VI für die in Nr 1 bis 3 näher beschriebenen Konstellationen eine Erhöhung dieses (fortgeltenden) Zugangsfaktors an.
Hier kommt allein die Regelung in § 77 Abs 3 Satz 3 Nr 2 SGB VI in Betracht. Danach ist für EP, die Versicherte bei einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit einem Zugangsfaktor kleiner als 1,0 nach Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 60. Lebensjahres bis zum Ende des Kalendermonats des 63. Lebensjahres nicht in Anspruch genommen haben, der Zugangsfaktor um 0,003 je Kalendermonat zu erhöhen. Der in § 77 Abs 3 Satz 3 Nr 2 SGB VI bezeichnete Zeitraum - Vollendung des 60. bis 63. Lebensjahres - ist identisch mit dem Zeitraum, der nach § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 3, Satz 3 SGB VI (idF des RRErwbG) bei Erwerbsminderungsrenten für die Verminderung des Zugangsfaktors (sog Rentenabschlag) maßgebend ist. Ergänzend ist die Übergangsvorschrift in § 264c SGB VI (idF von Art 1 Nr 48 RRErwbG, in Kraft ab dem 1.1.2001 und gültig bis zum 31.12.2007) zu beachten. Sie bestimmt, dass bei Beginn einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor dem 1.1.2004 für die Ermittlung des Zugangsfaktors an die Stelle der Vollendung des 60. Lebensjahres die Vollendung des in Anlage 23 zum SGB VI (idF von Art 1 Nr 62 RRErwbG) aufgeführten Lebensjahres tritt. Nach der zuletzt genannten Regelung lief der sog "Verminderungszeitraum", der bei Bewilligung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für den im Dezember 1944 geborenen Kläger zu berücksichtigen war, vom Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 60. Lebensjahres und zwei Monaten bis zum Ende des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres, also von März 2005 bis Dezember 2007. Hiernach wäre für EP, die bereits Grundlage von pEP der vom Kläger zunächst bezogenen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit waren, die er jedoch im Zeitraum von März 2005 bis Dezember 2007 nicht in Anspruch genommen hat, der in die Folgerente zu übernehmende Zugangsfaktor für diese EP um 0,003 für jeden Kalendermonat der Nichtinanspruchnahme zu erhöhen.
bb) Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass hinsichtlich der EP, die bereits Grundlage für pEP der dem Kläger gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung waren, die Voraussetzungen, unter denen § 77 Abs 3 Satz 3 Nr 2 SGB VI eine Erhöhung des grundsätzlich weiterhin maßgebenden Zugangsfaktors im Rahmen der Folgerente anordnet, hier nicht erfüllt sind. Da dem Kläger aus diesen EP durchgehend Rentenleistungen gezahlt worden sind, ist es ausgeschlossen, sie als im Verminderungszeitraum "nicht in Anspruch genommen" zu behandeln. Das ergibt sich zwar nicht zwingend aus dem Wortlaut der Vorschrift, folgt aber aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung und wird bestätigt durch ihren Sinn und Zweck. Den besonderen Umstand, dass die Rente, die der Kläger erhalten hat, nur eine wegen teilweiser Erwerbsminderung gewesen ist und damit die zugrunde liegenden EP von ihm wirtschaftlich "nur zur Hälfte in Anspruch genommen" worden sind, berücksichtigt das Gesetz rechtstechnisch auf andere Weise. Es macht insoweit - für die Hälfte der EP - eine Ausnahme von der Perpetuierung des Zugangsfaktors und ordnet an, dass ein neuer Zugangsfaktor nach den Verhältnissen bei Beginn der Folgerente zu ermitteln ist (vgl § 77 Abs 3 Satz 2 iVm Abs 2 Satz 1 SGB VI, s dazu näher unter RdNr 28).
(1) Der Wortlaut der Vorschrift "Entgeltpunkte, (…) die Versicherte bei (…) 2. einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit einem Zugangsfaktor kleiner als 1,0 nach Ablauf des Kalendermonats (…) bis zum Ende des Kalendermonats (…) nicht in Anspruch genommen haben" gibt keine eindeutigen Hinweise darauf, unter welchen Voraussetzungen EP als "nicht in Anspruch genommen" anzusehen sind (zur ähnlichen Problematik, wann EP bei Altersrenten gemäß § 77 Abs 3 Satz 3 Nr 1 SGB VI "nicht mehr vorzeitig in Anspruch genommen" wurden, vgl BSG Urteil vom 13.12.2017 - B 13 R 13/17 R - BSGE 125, 46 = SozR 4-2600 § 77 Nr 11, RdNr 24).
Die Regelung wird angesichts ihres komplexen Inhalts und ihrer verwaltungstechnischen Sprache nachvollziehbar als "für einen rentenversicherungsrechtlichen Laien ohne erläuternde Hilfe regelmäßig unverständlich" bezeichnet (vgl Blüggel in jurisPK-SGB VI, 3. Aufl 2021, § 77 RdNr 44). Allerdings besteht auch bei den in der Literatur gegebenen Erläuterungen keine Einigkeit darüber, wann EP nicht in Anspruch genommen worden sind. Einige Autoren halten § 77 Abs 3 Satz 3 Nr 2 SGB VI für anwendbar, wenn - wie im Fall des Klägers - eine Erwerbsminderungsrente vor dem Ende des für sie maßgeblichen Verminderungszeitraums wegfällt und ihr eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen ohne oder mit geringerem Abschlag folgt. Dann sei bis zu dem maßgebenden Lebensjahr "die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit" nicht in Anspruch genommen worden (vgl von Koch in Kreikebohm/Roßbach, SGB VI, 6. Aufl 2021, § 77 RdNr 27; in diesem Sinne auch Wegener/Horstmann in Ruland/Dünn, GK-SGB VI, § 77 RdNr 108 ff, 112, Stand Mai 2021; Böttcher in Löschau, Gesetzliche Rentenversicherung ≪SGB VI≫, § 77 RdNr 101, Stand Januar 2021; s auch Fasshauer/Reimann/Rische/Ruland, KomGRV, § 77 SGB VI Anm 4.4 ≪S 35≫ und 4.4.2 ≪S 36 f - Beispiel 25≫, Stand Oktober 2007; Stahl in Hauck/Noftz, § 77 SGB VI RdNr 60, Stand Februar 2022; Scharf in Keck/Michaelis, Die Rentenversicherung im SGB, § 77 RdNr 18, Stand Oktober 2021). Andere stellen hingegen darauf ab, ob im Verminderungszeitraum trotz eines zuvor bestehenden Rechts auf Rente "keine monatlichen Geldleistungen" aus diesem Recht bezogen worden sind (zB wegen Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit oder nach Anrechnung von Hinzuverdienst; vgl Blüggel in jurisPK-SGB VI, 3. Aufl 2021, § 77 RdNr 52; ebenso Ziff 7.2, 7.3 und 7.6 der "Grundsätze der Rentenversicherungsträger zur Anwendung des § 77 SGB VI", abgedruckt bei Fasshauer/Reimann/Rische/Ruland, KomGRV, § 77 Anm 1.7, Stand Oktober 2007). Vertreten wird aber auch die Ansicht, es komme auf einen Vergleich der jeweiligen Verminderungszeiträume der Vorrente und der Folgerente an. Eine Erhöhung des bisherigen Zugangsfaktors ergebe sich nur dann, wenn der Verminderungszeitraum für den Zugangsfaktor der Altersrente kürzer sei als der Verminderungszeitraum für den Zugangsfaktor der vorangegangenen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (so Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil II, § 77 SGB VI RdNr 53a, Stand Juni 2020).
Unklar sind die verwaltungsinternen Arbeitsanweisungen der DRV Bund. Sie bekräftigen einerseits, eine Erhöhung des bisherigen Zugangsfaktors setze voraus, dass EP während des für sie maßgebenden Verminderungszeitraums "nicht mehr beziehungsweise nach Erreichen der Regelaltersgrenze nicht in Anspruch genommen werden" (vgl DRV Bund, Gemeinsame Rechtliche Anweisungen ≪GRA≫ zu § 77 SGB VI, Ziff 5.2 Abs 1, veröffentlicht unter www.rvrecht.deutsche-rentenversicherung.de). Andererseits führen sie aus, beim Wechsel von einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in eine Altersrente, der während des Verminderungszeitraums für den Zugangsfaktor der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erfolge, komme eine Erhöhung des Zugangsfaktors "in Betracht", wenn der Verminderungszeitraum für den Zugangsfaktor der Altersrente kürzer sei als derjenige für den Zugangsfaktor der Erwerbsminderungsrente. In einer solchen Konstellation sei der bisherige Zugangsfaktor um das 0,003-fache "der Differenzmonate zwischen den noch nicht in Anspruch genommenen Kalendermonaten des Verminderungszeitraums der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und den Kalendermonaten des Verminderungszeitraums der Altersrente anzuheben" (vgl GRA zu § 77 SGB VI, Ziff 5.2 Abs 13 Nr 2 und 3 sowie Beispiele 18 und 21, Stand 6.12.2022; ebenso GRA zu § 264d SGB VI, Ziff 3.3 Abs 3 sowie Beispiel 13, Stand 11.11.2015).
Der Wortlaut von § 77 Abs 3 Satz 3 Nr 2 SGB VI verlangt jedoch nicht, dass eine "Erwerbsminderungsrente nicht mehr vorzeitig" in Anspruch genommen wird. Ebenso wenig nimmt die Norm auf eine unterschiedliche Dauer der Verminderungszeiträume der aufeinanderfolgenden Renten Bezug. Die Vorschrift knüpft den Vorteil einer Erhöhung des Zugangsfaktors je Kalendermonat um 0,003 vielmehr allein an den Umstand, dass Versicherte "Entgeltpunkte nicht in Anspruch genommen haben", und zwar im Fall einer vorangegangenen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit innerhalb des in Nr 2 definierten Zeitraums (dem "Verminderungszeitraum" der Erwerbsminderungsrente). Mithin wird dem Wortlaut der Norm am besten eine Interpretation gerecht, die darauf abstellt, dass in dem definierten Zeitraum die betreffenden EP überhaupt nicht in Anspruch genommen sein dürfen, dh auch nicht bei der Folgerente. Dass die EP in diesem Zeitraum nur im Rahmen einer bestimmten Rentenart nicht mehr in Anspruch genommen sein dürfen (dh für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit), kommt im Normtext nicht zum Ausdruck.
(2) Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift lassen sich keine Argumente in die eine oder andere Richtung gewinnen. § 77 Abs 3 SGB VI war im Kern bereits in der ab dem 1.1.1992 geltenden Fassung des RRG 1992 (BGBl I 1989, 2261) enthalten. Die Vorschrift bezog sich damals jedoch nur auf vorzeitig in Anspruch genommene Altersrenten. Ein gekürzter Zugangsfaktor der Altersrente sollte danach "zugunsten von Versicherten bzw. ihren Hinterbliebenen verändert werden, wenn vor dem 65. Lebensjahr Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bzw. der Tod eintritt" (vgl Gesetzentwurf zum RRG 1992, BT-Drucks 11/4124 S 172 - zu § 76). Die hier relevante Frage stellte sich damals nicht, weil bei Erwerbsminderungsrenten noch kein verminderter Zugangsfaktor vorgesehen war. Die Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten wurden erst zum 1.1.2001 durch das RRErwbG (vom 20.12.2000, BGBl I 1827) eingeführt. Dabei wurde auch der bisherige § 77 Abs 3 SGB VI um die Regelungen in Satz 2 und Satz 3 Nr 2 ergänzt. Die Gesetzesbegründung äußerte sich nur allgemein zum Zweck der Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten. Mit ihnen sollte die Höhe der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit an die Höhe der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten angeglichen und Ausweichreaktionen von den Altersrenten in die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit entgegengewirkt werden (vgl BT-Drucks 14/4230 S 26). Unter welchen Voraussetzungen der Zugangsfaktor einer Erwerbsminderungsrente in einer nachfolgenden Altersrente erhöht werden soll, wurde in der Gesetzesbegründung nicht näher erläutert. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales diskutierte den Vorschlag des Gesetzentwurfs nicht weiter und übernahm ihn insoweit unverändert (vgl BT-Drucks 14/4630 S 10, 43 ff).
(3) Der Regelungszusammenhang, in dem die Vorschrift zur Erhöhung des Zugangsfaktors im Fall einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit steht, spricht jedoch für eine Auslegung in dem Sinne, dass eine Erhöhung nur in Betracht kommt, wenn EP in dem definierten Zeitraum überhaupt nicht für eine Rentenzahlung in Anspruch genommen werden. § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI ordnet als Grundsatz an, dass für EP, die bereits Grundlage von pEP einer früheren Rente waren, der frühere Zugangsfaktor auch für die Folgerente maßgebend bleibt. Dementsprechend wird für eine Folgerente ein eigenständiger (neuer) Zugangsfaktor nur hinsichtlich derjenigen EP ermittelt, die "noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente" waren (vgl § 77 Abs 2 Satz 1 SGB VI). Die damit gesetzlich geregelte Perpetuierung des Zugangsfaktors in Bezug auf EP, die bereits für Rentenzahlungen in Anspruch genommen ("verbraucht") wurden, für die gesamte Rentenlaufzeit entspricht der Funktion des Zugangsfaktors, die Vorteile und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer auszugleichen (vgl § 63 Abs 5 SGB VI und hierzu BT-Drucks 11/4124 S 144 - unter VII: "Die durch das Vorziehen bedingte längere Rentenlaufzeit soll durch einen Zugangsfaktor ausgeglichen werden, so daß aus einem vorzeitigen Rentenbezug im Vergleich zu anderen kein Vorteil mehr entsteht"). Unter Berücksichtigung der vom Gesetzgeber gewollten Dauerwirkung des über den Zugangsfaktor gesteuerten Abschlags aus der Vorrente auch bei Folgerenten (s dazu auch BSG Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 9/11 R - SozR 4-2600 § 77 Nr 10 RdNr 24 f; BSG Urteil vom 11.12.2019 - B 13 R 7/19 R - SozR 4-2600 § 77 Nr 12 RdNr 22, 25) bleiben EP, die durch Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung bereits in Anspruch genommen wurden, auch dann noch finanzwirksam "in Gebrauch", wenn sie bei einer Umwandlung in eine Altersrente nahtlos weiterhin Grundlage für fortlaufende monatliche Rentenleistungen sind. Davon, dass diese EP "nicht in Anspruch genommen" werden, kann in solchen Fallgestaltungen regelmäßig nicht gesprochen werden (zu den Besonderheiten beim Bezug einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung vgl § 77 Abs 3 Satz 2 SGB VI und hierzu sogleich unter RdNr 28).
(4) Auch nach dem Sinn und Zweck der Regelung kommt eine Erhöhung des Zugangsfaktors nach § 77 Abs 3 Satz 3 Nr 2 SGB VI nur in Betracht, wenn die betreffenden EP in einzelnen Monaten des dort näher bezeichneten "Verminderungszeitraums" überhaupt nicht in Anspruch genommen wurden, mithin zu keinerlei Rentenzahlungen geführt haben. Im Lichte des von der Regelung zum Zugangsfaktor intendierten Vorteilsausgleichs ist es nur geboten, den für weitere Rentenzahlungen grundsätzlich unveränderlichen Zugangsfaktor im Umfang von tatsächlich leistungsfrei gebliebenen Monaten kompensatorisch um 0,003 je Kalendermonat zu erhöhen (vgl Blüggel in jurisPK-SGB VI, 3. Aufl 2021, § 77 RdNr 42, 47). Wenn jedoch - wie im Fall des Klägers - im gesamten "Verminderungszeitraum" der Rente wegen Erwerbsminderung (März 2005 bis Dezember 2007) auf der Grundlage der ihr zugrunde liegenden EP eine Rentenleistung gezahlt wird, fehlt für eine Kompensation in Gestalt einer Erhöhung des fortgeltenden Zugangsfaktors in der Folgerente jede Rechtfertigung.
Das verdeutlicht auch folgende Überlegung: Das durchschnittliche Zugangsalter in eine Erwerbsminderungsrente betrug im Jahr 2021 53,6 Jahre (vgl DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen 2022, S 131). Der "Verminderungszeitraum" für eine solche Rente ist mittlerweile in § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 3 und Satz 3 SGB VI (idF des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20.4.2007, BGBl I 554) auf den Zeitraum nach Vollendung des 62. bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres festgelegt. Ein durchschnittlicher Versicherter, der ab dem Alter von 54 Jahren eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht und dabei die von ihm in seinem Versicherungsleben erworbenen EP nur mit einem Abschlag in Höhe von 10,8 % (Zugangsfaktor 0,82) in Anspruch nehmen kann, wird an diesem Abschlag dauerhaft festgehalten, wenn er nach Erreichen der Regelaltersgrenze (vgl § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI) in die Altersrente wechselt und diese bis zum Lebensende bezieht. Kann ein Versicherter, der in demselben Lebensalter und mit identischem Umfang an erworbenen EP eine Rente wegen Erwerbsminderung erhält, noch vor Vollendung des 65. Lebensjahres eine Altersrente vorzeitig und mit geringerem Abschlag in Anspruch nehmen (zB nach § 37 iVm § 236a SGB VI: Altersrente für schwerbehinderte Menschen), würde sich bei ihm die Altersrente erhöhen, wenn im Rahmen des § 77 Abs 3 Satz 3 Nr 2 SGB VI darauf abgestellt würde, dass gerade die Erwerbsminderungsrente von ihm nicht (mehr) in Anspruch genommen wird. Eine tragfähige Rechtfertigung dafür ist auch mit Rücksicht auf das Gleichbehandlungsgebot (vgl Art 3 Abs 1 GG) nicht ersichtlich. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Regelung in § 77 Abs 3 Satz 3 Nr 2 SGB VI bewusst Gestaltungsmöglichkeiten der Versicherten zur Optimierung ihrer Altersrente nach nahtlos vorangegangener Erwerbsminderungsrente schaffen wollte, finden sich in den Materialien zum Gesetzgebungsverfahren nicht.
b) Der Bescheid vom 4.5.2009 hat jedoch iS von § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X das Recht unrichtig angewandt, soweit dort bei der Berechnung der Altersrente der Zugangsfaktor der bisherigen Rente von 0,898 für die Hälfte der EP, die Grundlage der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit waren, als weiterhin maßgeblich erachtet wurde. Diese Vorgehensweise ist jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sich für die Altersrente nach den bei Rentenbeginn anzuwendenden Regelungen eine geringere Summe an EP ergibt als zuvor bei der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, mit der Vorgabe in § 77 Abs 3 Satz 2 SGB VI nicht vereinbar.
aa) § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI ordnet als Grundsatz die Fortgeltung des früheren Zugangsfaktors für alle EP an, die bereits Grundlage von pEP einer früheren Rente waren. Eine Ausnahme hiervon macht § 77 Abs 3 Satz 2 SGB VI für die Hälfte der EP, die Grundlage einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung waren. Das soll dem Umstand Rechnung tragen, dass für diese Rente nicht - wie bei einer Altersrente oder einer Rente wegen voller Erwerbsminderung - der Rentenartfaktor 1,0, sondern lediglich ein Rentenartfaktor von 0,5 gilt (vgl § 67 Nr 2 SGB VI). Damit werden im Sonderfall einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung die dieser Rente zugrunde liegenden EP durch die Rentenzahlung nur zur Hälfte "rentenwirksam" in Anspruch genommen (vgl auch § 66 Abs 4 SGB VI für eine aufgrund von Hinzuverdienst nur teilweise zu leistende Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit). Im Rahmen der Ausgestaltung des mit dem Zugangsfaktor bezweckten Vorteilsausgleichs wird dieser Umstand insoweit nicht durch eine Erhöhung des fortgeltenden Zugangsfaktors (wie nach § 77 Abs 3 Satz 3 Nr 2 SGB VI für die Monate der Nichtinanspruchnahme im Verminderungszeitraum), sondern vielmehr dadurch berücksichtigt, dass § 77 Abs 3 Satz 2 SGB VI "die Hälfte der Entgeltpunkte, die Grundlage einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung waren", von der Perpetuierung des für diese Rente maßgeblichen Zugangsfaktors nach Satz 1 ausnimmt ("Dies gilt nicht für die Hälfte …"). Das Gesetz beschreibt klar, eindeutig und keiner einschränkenden Auslegung zugänglich, in welchem Umfang EP, die für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Anspruch genommen wurden, von der Fortgeltung des Zugangsfaktors dieser Rente auch bei einer Folgerente freigestellt werden, sodass für sie ein neuer Zugangsfaktor nach den für die neue Rente maßgeblichen Regelungen zu bestimmen ist (vgl § 77 Abs 2 SGB VI; ebenso Böttcher in Löschau, Gesetzliche Rentenversicherung ≪SGB VI≫, § 77 RdNr 85, Stand Januar 2021). Dies ist vor allem von praktischer Relevanz in Fallgestaltungen, bei denen sich für die Folgerente eine niedrigere Summe an EP ergibt als sie noch für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ermittelt wurde. Solche Fallgestaltungen sind möglich, da der in § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI angeordnete "Besitzschutz" nur die pEP der Vorrente (dh nach Anwendung des Zugangsfaktors) garantiert.
bb) Die Beklagte hat das in § 77 Abs 3 Satz 2 SGB VI normierte Recht unrichtig angewandt, weil sie bei der Berechnung der Altersrente des Klägers nicht - wie vorgeschrieben - die Hälfte der EP seiner Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung von der Perpetuierung des früheren Zugangsfaktors freigestellt und hierfür den Zugangsfaktor der Folgerente zur Anwendung gebracht hat, sondern - umgekehrt - die Hälfte der EP, die bereits der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zugrunde lagen, weiterhin mit dem früheren (niedrigeren) Zugangsfaktor in die Ermittlung der pEP der Altersrente eingestellt hat. Im Ergebnis ist sie so vorgegangen, als ob § 77 Abs 3 Satz 2 SGB VI "nur für die Hälfte" der EP, die Grundlage einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung waren, die Anwendung des in Satz 1 (aaO) normierten Grundsatzes anordnen würde (vgl Ziff 5.1 der GRA der DRV Bund zu § 77 SGB VI: "Somit wird der bisherige Zugangsfaktor in der Nachfolgerente nur für die Hälfte der Summe aller Entgeltpunkte der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung übernommen" - s dazu auch Beispiel 18). Das entspricht jedoch - wie bereits ausgeführt - nicht der gesetzlichen Regelung. Als Folge davon hat die Beklagte hier nur für den kleineren ("restlichen") Teil der in die Rentenberechnung einzustellenden EP den höheren Zugangsfaktor der Altersrente für schwerbehinderte Menschen zur Anwendung gebracht. Dies hat im Ergebnis zur Berücksichtigung einer etwas zu geringen Summe an pEP in der Rentenformel bei der Ermittlung des Monatsbetrags der dem Kläger ab dem 1.3.2007 zustehenden Altersrente geführt (vgl § 64 Nr 1 SGB VI).
cc) Die Beklagte ist verpflichtet, den Altersrentenbescheid vom 4.5.2009 hinsichtlich der berücksichtigten pEP mit Wirkung für die Vergangenheit entsprechend zu korrigieren. Eine Nachzahlung des Differenzbetrags zwischen der dem Kläger tatsächlich gezahlten und der ihm zustehenden höheren Altersrente für die Vergangenheit kann gemäß § 44 Abs 4 Satz 1 und 3 SGB X allerdings nur für die Zeit ab Januar 2013 erfolgen. Der Kläger hat den Überprüfungsantrag, der dem hier streitbefangenen Zugunstenverfahren zugrunde liegt, am 6.1.2017 gestellt. Der maximal vierjährige Zeitraum für die rückwirkende Erbringung zu Unrecht vorenthaltener Sozialleistungen beginnt damit am 1.1.2017 und reicht bis Januar 2013 zurück.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 iVm § 193 Abs 1 und 4 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem Begehren wirtschaftlich nur zu einem so geringen Teil Erfolg gehabt hat, dass eine Quotierung der ihm entstandenen Kosten nicht gerechtfertigt ist. |
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Gasser |
Fundstellen
NZS 2024, 275 |
SGb 2023, 758 |