Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs. andere Sozialleistung. Altersrente. ähnliche Leistung öffentlich-rechtlicher Art. Ruhegehalt von Soldaten nach StrKrPersStruktG. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
- Das Ruhegehalt, das Soldaten auf Grund des Personalstrukturgesetzes-Streitkräfte beziehen, ist eine der gesetzlichen Altersrente vergleichbare öffentlich-rechtliche Leistung.
- Die Anwendung der Ruhensvorschriften der § 142 Abs 1 Nr 4 und § 142 Abs 2 Nr 3 Buchst b SGB 3 ist auch dann nicht verfassungswidrig, wenn auf Grund eines Versicherungspflichtverhältnisses Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet worden sind; aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von Einmalzahlungen lässt sich Gegenteiliges nicht herleiten.
Normenkette
SGB III § 142 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b, § 25 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1; StrKrPersStruktG § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Rechtsstreit betrifft einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) ab 29. September 1999; die Beteiligten streiten darüber, ob der Anspruch wegen des Bezugs von Ruhegehalt ruht.
Der am 10. August 1943 geborene Kläger war von April 1963 bis August 1988 Berufssoldat, zuletzt mit dem Dienstgrad eines Korvettenkapitäns. Mit Vollendung des 45. Lebensjahrs wurde er auf seinen Antrag nach dem Personalstrukturgesetz-Streitkräfte vom 30. Juli 1985 (BGBl I 1621) in den Ruhestand versetzt. Er bezieht Ruhegehalt in Höhe von 71 vH der ruhegehaltfähigen Bezüge und hat Anspruch auf Beihilfe im Krankheitsfall in Höhe von 70 vH, im Übrigen ist er privat krankenversichert.
Von September 1988 bis zum 31. Januar 1999 war der Kläger als Waffentechniker bei den H… werken-…AG mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von zuletzt 8.853,00 DM beschäftigt. Während der genannten Beschäftigung wurden Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 1999 und zahlte eine Abfindung von 194.706,00 DM. Vom 1. Februar bis 31. Mai 1999 war der Kläger mit 140 Stunden monatlich im Auftrag der Firma B… … tätig.
Nachdem die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) einen ersten Antrag auf Alg mit Bescheid vom 6. Januar 1999, Widerspruchsbescheid vom 9. September 1999, abgelehnt hatte, meldete sich der Kläger am 29. September 1999 arbeitslos und beantragte Alg. Auch diesen Antrag lehnte die BA mit Bescheid vom 3. November 1999, Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2000, ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger beziehe ein Ruhegehalt von 3.521,44 DM netto monatlich, was einem Betrag von 812,64 DM wöchentlich entspreche. Das Alg betrage bei einem gerundeten Arbeitsentgelt von 1.980,00 DM wöchentlich nach Leistungsgruppe C und erhöhtem Leistungssatz 790,00 DM. Da das Ruhegehalt den Zahlbetrag des Alg übersteige, ruhe der Anspruch auf Alg in vollem Umfang.
Mit der Klage hat der Kläger geltend gemacht, Soldaten, die frühzeitig in den Ruhestand treten, müssten Gelegenheit haben, Versorgungslücken durch Hinzuverdienst auszugleichen. Das schließe die Arbeitslosenversicherung ein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von Einmalzahlungen könnten die seit 1988 entrichteten Höchstbeiträge zur Arbeitslosenversicherung nicht unberücksichtigt bleiben. Danach sei die Ablehnung von Leistungen bei Arbeitslosigkeit verfassungswidrig.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 5. September 2001 abgewiesen. Das Ruhegehalt begründe als eine der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ähnliche öffentlich-rechtliche Leistung das Ruhen des Anspruchs auf Alg. Die vom Kläger herangezogene Rechtsprechung begründe dagegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Vielmehr habe das BVerfG die Beitragspflicht in einem mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt vergleichbaren Zusammenhang als verfassungsgemäß angesehen. Darauf komme es hier im Übrigen nicht an, denn Gegenstand des Verfahrens sei ein Anspruch auf Leistungen, nicht aber auf Beitragserstattung.
Mit der Berufung hat der Kläger sein Vorbringen wiederholt und weiter ausgeführt, von seinem Ruhegehalt von 3.521,44 DM seien Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von insgesamt 422,00 DM monatlich, 97,46 DM wöchentlich abzusetzen, sodass sich bei einem Alg-Anspruch von 790,02 DM selbst bei Anwendung der Ruhensvorschrift ein Zahlbetrag von 97,46 DM wöchentlich ergäbe.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung mit Urteil vom 17. Januar 2003 zurückgewiesen und ausgeführt, dem Kläger habe zwar dem Grunde nach ab 29. September 1999 ein Anspruch auf Alg zugestanden, dieser habe jedoch in vollem Umfang wegen des Bezugs des Ruhegehalts geruht, um eine Doppelversorgung aus öffentlichen Kassen zu verhindern. Ähnlich wie die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung diene das Ruhegehalt dazu, den Lebensunterhalt des Berechtigten zu gewährleisten. Das Ruhegehalt übersteige den Anspruch auf Alg, zumal es für einen Abzug der Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung keine Grundlage gebe. Der Ausschluss von Doppelleistungen sei nach der Rechtsprechung des BVerfG verfassungsgemäß. Die vom Kläger herangezogene Rechtsprechung zur versicherungsrechtlichen Behandlung von Einmalzahlungen sei hier nicht einschlägig.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung des § 142 Abs 1 Nr 4 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III). Das ihm zuerkannte Ruhegehalt sei nicht eine der Altersrente vergleichbare Leistung, sondern eine Teilleistung wie bei vorzeitig wegen Dienstunfähigkeit ausgeschiedenen Soldaten. Es handele sich nicht um öffentlich-rechtliche Bezüge, die bei Erreichen einer Altersgrenze gezahlt würden, als Lohnersatz gedacht seien und nach ihrer Gesamtkonzeption so bemessen seien, dass sie den Lebensunterhalt sicher stellten. Hätte der Kläger nicht von den Möglichkeiten des Personalstrukturgesetzes-Streitkräfte Gebrauch gemacht, hätte er mit 57 Jahren die Altersgrenze mit dem Höchstsatz von 75 vH, weitere Dienstalterstufen und die Besoldungsgruppe A 14 erreicht. Erst das hätte eine der Altersrente vergleichbare Leistung begründet. Das Ruhegehalt nach den Regelungen des Personalstrukturgesetzes-Streitkräfte eröffne die Möglichkeit zu einer zweiten beruflichen Karriere, die durch das vorzeitige Ausscheiden aus dem Dienst entstehende Versorgungslücken ausgleichen solle. Deshalb müsse auch das Risiko der Arbeitslosigkeit gedeckt sein. Da der Kläger nur eine Teilleistung beziehe, könne keine Rede davon sein, dass sein Lebensunterhalt durch das Ruhegehalt gedeckt sei. Die Ruhensvorschrift sei auf eine solche Teilleistung nicht anzuwenden. Andernfalls verletze sie die Art 3 und 14 Grundgesetz (GG). Im Übrigen seien dem geltenden Recht Doppelversorgungen nicht fremd.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 17. Januar 2003 und des Sozialgerichts Schleswig vom 5. September 2001, soweit es den Bescheid vom 3. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2000 betrifft, sowie diesen Bescheid aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 29. September 1999 ohne Anrechnung der Versorgungsbezüge zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet, denn die Entscheidung des LSG beruht nicht auf einer Gesetzesverletzung (§ 170 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
1. Das LSG ist ohne weitere Ausführungen davon ausgegangen, dem Kläger stehe ab 29. September 1999 grundsätzlich ein Stammrecht auf Alg zu.
1.1 Die versicherungsrechtliche Voraussetzung des Anspruchs, wonach während mindestens zwölf Monaten ein Versicherungspflichtverhältnis in der Rahmenfrist von drei Jahren vor der Erfüllung aller sonstigen Anspruchsvoraussetzungen bestanden haben muss (§ 123 SGB III), hat der Kläger auf Grund seiner Beschäftigung von 1988 bis zum 31. Januar 1999 mit einem Arbeitsentgelt von zuletzt 8.853,00 DM erfüllt. Dazu ist klar zu stellen, dass für den Anspruch auf Alg nicht die Beitragsentrichtung, sondern das Bestehen eines Versicherungspflichtverhältnisses, also die Versicherungspflicht maßgebend ist (BSGE 70, 81, 84 = SozR 3-4100 § 104 Nr 8). Diese ergab sich ab 1. Januar 1998 aus § 25 Abs 1 SGB III, denn der Kläger war als Waffentechniker in einem Industrieunternehmen gegen Arbeitsentgelt beschäftigt. Obwohl er als Soldat nach beamtenrechtlichen Grundsätzen Anspruch auf Fortzahlung seiner Bezüge und bei Krankheit auf Beihilfe oder Heilfürsorge hatte, war er nicht nach § 27 Abs 1 Nr 1 SGB III in der Arbeitsförderung versicherungsfrei. Dies ist ein tätigkeitsbezogener Tatbestand der Versicherungsfreiheit, der sich allein auf das Dienstverhältnis als Soldat bezieht, eine Beschäftigung auf Grund eines privaten Arbeitsverhältnisses aber nicht erfasst (Rolfs in: Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 29 RdNr 112). Die sozialpolitische Zweckmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen zur Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit ist auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht Gegenstand gerichtlicher Entscheidung (BVerfGE 53, 313, 330 = SozR 4100 § 168 Nr 12).
1.2 Der Kläger hat sich am 29. September 1999 arbeitslos gemeldet und Alg beantragt. Zweifelhaft kann allenfalls sein, ob er danach alle Möglichkeiten genutzt hat und nutzen wollte, um die Arbeitslosigkeit zu beenden. Das ist nach §§ 118 Abs 1 Nr 2, 119 Abs 1 Nr 1 SGB III Merkmal der Arbeitslosigkeit und damit Voraussetzung des Anspruchs auf Alg. Diese Frage kann hier auf sich beruhen, denn das LSG hat einen Zahlungsanspruch des Klägers zutreffend verneint, weil ein Stammrecht auf Alg jedenfalls ruht. Das Ruhen begründet ein Leistungsverweigerungsrecht der BA (BSGE 89, 13, 15 = SozR 3-4300 § 142 Nr 1) und steht damit dem geltend gemachten Anspruch auf Alg entgegen.
2. Der Anspruch auf Alg ruht ua während der Zeit, für die dem Berechtigten Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art zuerkannt sind (§ 142 Abs 1 Nr 4 SGB III). Letzteres trifft hier zu, denn das Ruhegehalt als Soldat auf Grund des § 1 Abs 1 Personalstrukturgesetz-Streitkräfte ist eine der Altersrente ähnliche Leistung. Dazu gehören Leistungen öffentlich-rechtlicher Träger, die bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze Entgeltersatz bieten und nach ihrer Konzeption den Lebensunterhalt des Berechtigten im Allgemeinen, nicht notwendig auch im Einzelfall sicher stellen (BSGE 41, 177, 179 = SozR 4100 § 118 Nr 2; BSGE 73, 10, 15 = SozR 3-4100 § 118 Nr 4). Die genannten drei Merkmale treffen für das Ruhegehalt des Klägers zu. Kennzeichnend für dieses Ruhegehalt ist, dass es auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses vom Bund als Dienstherrn nach Erreichen des 45. Lebensjahrs für bestimmte Geburtsjahrgänge Offizieren im Truppendienst gewährt wird und mit 71 vH der ruhegehaltfähigen Bezüge den Lebensunterhalt des Klägers gewährleisten soll. Dagegen waren Gesichtspunkte der Leistungsfähigkeit – wie bei der besonderen Altersgrenze von Strahlflugzeugführern – für die mit dem Personalstrukturgesetz-Streitkräfte eingeführte besondere Altersgrenze nicht entscheidend. Sie diente vielmehr dazu, die Altersstruktur der Streitkräfte wegen der Überbesetzung bestimmter Geburtsjahrgänge zu beeinflussen (BT-Drucks 10/2887 S 4 f). Deshalb eröffnete sie Offizieren die Möglichkeit des Eintritts in den Ruhestand, legte aber nicht das Ausscheiden bei Erreichen der Altersgrenze fest. Die Höhe des Ruhegehalts kommt dem Höchstsatz nahe. Der Verzicht auf das Erreichen weiterer Dienstaltersstufen und einer möglichen weiteren Beförderung rechtfertigt keine abweichende Einschätzung.
3. Da das dem Kläger zuerkannte Ruhegehalt während der Beschäftigung ohne Rücksicht auf die Höhe des Arbeitsentgelts gewährt wurde, ruht das Alg nach § 142 Abs 2 Nr 3 Buchst b SGB III nur bis zur Höhe des Ruhegehalts. Die Vorschrift soll gewährleisten, dass der Versicherte jedenfalls Bezüge in Höhe des Alg erhält. Das Ruhen in vollem Umfang hat das LSG im Ergebnis zutreffend bejaht. Der Senat kann von dem festgestellten Nettobetrag des Ruhegehalts von 3.521,44 DM (= 812,64 DM wöchentlich) ausgehen, denn bei richtiger Berechnung fällt der Vergleich mit dem Zahlbetrag des Alg für den Kläger noch ungünstiger aus. Bei der Feststellung des zutreffenden Netto-Ruhegehalts ist zwar entgegen der Ansicht des LSG der Beitrag zur Pflegeversicherung, den der Kläger mit monatlich 84,84 DM beziffert, als gesetzlicher Abzug zu berücksichtigen. Seinen Beitrag zur privaten Krankenversicherung kann er indes nicht absetzen. Aufwendungen zur Krankenversicherung müssen hier schon deshalb außer Betracht bleiben, weil die Voraussetzungen der §§ 207 ff SGB III, unter denen Bezieher von Alg einen Anspruch auf Übernahme der an ein privates Versicherungsunternehmen zu zahlenden Beiträge haben, nicht erfüllt sind. Das vom LSG festgestellte wöchentliche Ruhegehalt von 812,64 DM ist nach Abzug des wöchentlichen Pflegeversicherungsbeitrags von 19,58 DM mit 793,06 DM immer noch höher als das wöchentliche Alg von 790,02 DM. Deshalb kann offen bleiben, dass das LSG als Ruhegehalt den Zahlbetrag einer Bezüge-Mitteilung zu Grunde gelegt, jedoch nicht berücksichtigt hat, dass in diesem Betrag einerseits 250,00 DM Kindergeld enthalten sind, die nicht zum Ruhegehalt zählen, andererseits der Auszahlungsbetrag um den Einbehalt von 400,00 DM gemindert ist, die auf Grund einer als Vorausleistung erbrachten Kapitalabfindung von dem Ruhegehalt einbehalten wurden. Überdies sind Leistungen nach dem Sonderzuwendungsgesetz vom 23. Mai 1975 (BGBl I S 1238) zu berücksichtigen, da entsprechendes einmaliges Arbeitsentgelt auch bei der Bemessung des Alg zu berücksichtigen ist. Da der Kläger ein über der Beitrags- und Leistungsbemessungsgrenze liegendes Arbeitsentgelt erzielt hat, hat das LSG hier den zutreffend mit 790,02 DM wöchentlich ermittelten Anspruch auf Alg nicht nach § 434c SGB III erhöht. Es handelt sich bei dem Vergleich von Ruhegehalt und Alg nach § 142 Abs 2 Nr 3 Buchst b SGB III nicht um eine Bedürftigkeitsprüfung, sondern um eine typisierende Betrachtung zum Ausschluss von Doppelleistungen aus öffentlichen Kassen, die eine Prüfung der Bedürftigkeit schon vom Ansatz her überflüssig macht (BSGE 89, 13, 17 = SozR 3-4300 § 142 Nr 1).
4. Der Senat kann sich nicht die Überzeugung bilden, die Anwendung der Ruhensvorschriften des § 142 Abs 1 Nr 4 und Abs 2 Nr 3 Buchst b SGB III sei verfassungswidrig.
4.1 Zwar steht der Anspruch auf Alg als ein auf eigener Leistung des Versicherten beruhendes subjektiv öffentliches Recht unter dem Schutz der Eigentumsgarantie des Art 14 GG (BVerfGE 72, 9, 19 = SozR 4100 § 104 Nr 13). Die Ruhenstatbestände zum Ausschluss von Doppelleistungen aus öffentlichen Kassen enthalten jedoch eine dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechende Bestimmung des Inhalts und der Grenzen dieses Eigentums durch den Gesetzgeber (BVerfGE 53, 313, 331 = SozR 4100 § 168 Nr 12). Der Kläger hat den Anspruch nur mit dem Inhalt und in den Grenzen erworben, die den §§ 116 ff SGB III, einschließlich der Ruhensbestimmungen §§ 142 ff SGB III, zu entnehmen sind. Er kann auch nicht mit dem Einwand durchdringen, wegen des Ruhens sei seine Belastung durch die Beitragsentrichtung während des Bezugs von Ruhegehalt nicht verhältnismäßig. Gegenstand des Verfahrens ist – wie das SG mit Recht hervorgehoben hat – allein der Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit, nicht die Verfassungsmäßigkeit der Versicherungspflicht zur Arbeitsförderung. Wäre diese verfassungswidrig, hätte der Kläger erst recht keinen Anspruch auf Alg, weil dieser – wie zu 1. ausgeführt – Versicherungspflicht während der Rahmenfrist voraussetzt.
4.2 Wegen ihrer Zielsetzung, Doppelleistungen auszuschließen, verstößt die Ruhensvorschrift auch nicht gegen die nach Art 3 Abs 1 GG gewährleistete Gleichheit vor dem Gesetz (vgl BVerfGE 53, 313, 331 = SozR 4100 § 168 Nr 12). Zwar umfasst diese nicht nur die “Rechtsanwendungsgleichheit”, sondern auch die “Rechtssetzungsgleichheit”, aus der sich Grenzen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ergeben können. Diese besteht indes gerade darin, “diejenigen Sachverhalte” auszuwählen, an die er (der Gesetzgeber) dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (BVerfGE 53, 313, 329 = SozR 4100 § 168 Nr 12; BVerfGE 90, 226, 239 = SozR 3-4100 § 111 Nr 6; BSGE 76, 224, 227 f = SozR 3-8120 Kap VIII E III Nr 5 Nr 4).
4.3 Im Übrigen hat das BVerfG zur Beitragspflicht bei einem vergleichbaren Sachverhalt entschieden, wegen der umfassenden Aufgabenstellung der BA (vgl jetzt: § 3 SGB III) verliere die Unterscheidung beitragsabhängiger und beitragsunabhängiger Leistungen ihre zentrale Bedeutung. Der Gesetzgeber sei bei der Ausgestaltung sozialversicherungsrechtlicher Systeme nicht gehalten, Geldleistungen in voller Äquivalenz zu den Beiträgen festzusetzen, zumal die Gesamtleistung an Alg im Einzelfall typischerweise nicht in einer Beziehung zur jeweiligen Beitragsleistung stehe. Die Besonderheit des Risikos der Arbeitslosigkeit und die gemeinsame Interessenlage aller Beschäftigten rechtfertige es, Beschäftigte auch dann der Beitragspflicht zu unterwerfen, wenn ihnen das Alg nicht zugute kommen könne, weil andernfalls eine “Überversorgung” einträte (BVerfGE 53, 313, 328 f = SozR § 168 Nr 12; vgl auch BVerfGE 51, 115, 124 f = SozR 4100 § 112 Nr 100). Der Senat schließt sich dem an und verkennt nicht, dass der präventive Charakter der Arbeitsförderung nach geltendem Recht (§§ 77 ff SGB III) im Vergleich zu dem Rechtszustand zur Zeit der Entscheidung des BVerfG weniger ausgeprägt ist. Institutionell sind jedoch weiterhin Leistungen der Arbeitsförderung auch für Soldaten möglich, die frühzeitig in den Ruhestand getreten sind und sich einem zivilen Beruf zugewandt haben. Ob sie individuell in Betracht kommen, ist für die verfassungsrechtliche Betrachtung nicht erheblich (BVerfGE aaO 327).
4.4 Aus der von der Revision herangezogenen Rechtsprechung des BVerfG zur sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von Einmalzahlungen, insbesondere zum Gebot gleichen Erfolgswerts von Beiträgen bei Versichertengruppen mit gleicher Beitragsleistung (BVerfGE 92, 53, 71 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6; BVerfGE 102, 127, 142 = SozR 3-2400 § 23a Nr 1) lässt sich Gegenteiliges nicht herleiten. Dies gilt schon deshalb, weil das BVerfG hier die Aussage, eine versicherungsmathematische Äquivalenz von Beitrag und Leistung sei verfassungsrechtlich nicht geboten, mit Hinweis auf seine früheren Entscheidungen ausdrücklich bestätigt hat (BVerfGE 92, 53, 71 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6). Die Rechtsprechung zu Einmalzahlungen bezieht sich ausschließlich auf die Bemessung von kurzfristigen Entgeltersatzleistungen, die nicht von Zufälligkeiten der Lohnzahlung abhängig sein soll. Auf die begrenzte Tragweite dieser Entscheidungen hat der Senat schon in anderem Zusammenhang hingewiesen (BSG DBlR 4722b, AFG/§ 112). Die Aussage, einer Entrichtung von Beiträgen müssten auch Leistungen entsprechen, lässt sich ihnen nicht entnehmen. Eine solche Aussage wäre auch mit der Eigenart einer Risikoversicherung nicht vereinbar. Beschäftigte werden ohne Rücksicht auf ihr individuelles Arbeitslosigkeitsrisiko zur Beitragsleistung herangezogen (BVerfGE 51, 115, 124 f = SozR 4100 § 112 Nr 10).
5. Da die Entscheidung des LSG weder auf einer Gesetzes- noch auf einer Verfassungsverletzung beruht, kann die Revision des Klägers keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1113629 |
FA 2004, 191 |
EzA-SD 2004, 19 |
NZS 2004, 330 |
SozR 4-4300 § 142, Nr. 2 |
GuS 2004, 61 |