Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung von Pflegegeld aus der privaten Pflegeversicherung wegen ungerechtfertigter Bereicherung. Leistungszusage als deklaratorisches Schuldanerkenntnis. Ausschluss von Einwendungen gegen die vertragliche Leistungspflicht
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Anspruch eines Versicherungsunternehmens gegen einen Versicherten auf Rückzahlung von Pflegegeld aus der privaten Pflegeversicherung wegen ungerechtfertigter Bereicherung, wenn der - zum Ruhen des Leistungsanspruchs führende - Bezug einer das Pflegegeld übersteigenden versorgungsrechtlichen Pflegezulage bei der Beantragung der Leistung trotz ausdrücklicher Frage im Formblatt nicht mitgeteilt worden ist.
2. Zur Frage, in welchem Umfang die Leistungszusage eines Versicherungsunternehmens in der privaten Pflegeversicherung als deklaratorisches Schuldanerkenntnis Einwände gegen die vertragliche Leistungspflicht ausschließt.
Normenkette
SGB 11 §§ 23, 34; BVG § 35; BGB § 812
Verfahrensgang
Tatbestand
Die klagende Postbeamtenkrankenkasse (PBeaKK), eine Sozialeinrichtung der früheren Deutschen Bundespost in der Form einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, verlangt von dem Beklagten die Rückzahlung von Pflegegeld in Höhe von 12.209,65 Euro, weil er in der Zeit von April 1995 bis Mai 2000 eine Pflegezulage nach § 35 Bundesversorgungsgesetz (BVG) bezogen hat, die höher war als das Pflegegeld nach der Pflegestufe III. Der Beklagte erhält Versorgungsleistungen nach dem BVG in erster Linie als Kriegsblinder und zudem wegen Beeinträchtigungen des Hör- und Geruchsvermögens. Seit 1993 leidet er schädigungsunabhängig unter einer fortschreitenden Parkinson-Erkrankung. Er wird zu Hause von seiner Ehefrau und seinem Sohn Siegfried W. betreut und gepflegt; mit Letzterem hat er im Jahre 1998 einen Pflegevertrag über drei Stunden tägliche Pflege (ab 2002 vier Stunden und 10 Minuten) geschlossen.
Der Beklagte ist als früherer Postbeamter Mitglied der Klägerin, die in Auftragsverwaltung als Beihilfestelle fungiert. Privat pflegeversichert ist er bei der "Gemeinschaft privater Versicherungsunternehmen zur Durchführung der Pflegeversicherung nach dem Pflege-Versicherungsgesetz vom 26.5.1994" (GPV), einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die durch Vertrag die praktische Durchführung der privaten Pflegeversicherung (PPV) der Postbeamten der Klägerin übertragen hat. Grundlage des Versicherungsvertrages sind die "Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung - Bedingungsteil - (MB/PPV 1996)", nach denen die Leistungspflicht ua dann ruht, soweit versicherte Personen Entschädigungsleistungen wegen Pflegebedürftigkeit nach § 35 BVG erhalten (§ 5 Abs 1b MB/PPV 1996).
Am 25.9.1995 beantragte der Beklagte die Zahlung von Pflegegeld aus der PPV. Dabei beantwortete er die in dem Formblatt enthaltenen Fragen nach "anderweitigen Ansprüchen wegen Pflegebedürftigkeit, zB nach dem BVG", sowie nach "Art und Höhe der Ansprüche" nicht. Die Klägerin erklärte sich nach Einholung eines Gutachtens der M.-GmbH vom 8.2.1996 vorbehaltlos bereit, den Beklagten wegen des krankheits- und behinderungsbedingten Hilfebedarfs bei der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung in die Pflegestufe III einzustufen und Pflegegeld in Höhe von monatlich 1.300 DM zu zahlen, wobei 70 vH auf die Beihilfe und 30 vH auf die PPV entfielen (Leistungszusage vom 8.3.1996, bestätigende Mitteilung vom 29.3.1999 nach einer ersten Nachuntersuchung). Eine aufgrund einer zweiten Nachuntersuchung (Gutachten vom 17.3.2000) zunächst erfolgte Rückstufung in die Pflegestufe II (Schreiben vom 28.3.2000) nahm die Klägerin aufgrund eines Widerspruchs des Beklagten und einer erneuten Nachuntersuchung (Gutachten vom 24.7.2000) wieder zurück (Schreiben vom 7.9.2000).
Den in dem Gutachten vom 17.3.2000 enthaltenen Hinweis auf eine Granatsplitterverletzung 1945 als Grund für die Erblindung des Beklagten nahm die Klägerin zum Anlass, eine Auskunft beim Versorgungsamt (VA) Rottweil wegen möglicherweise gezahlter Entschädigungsleistungen nach dem BVG einzuholen und die Pflegegeldzahlungen ab Juni 2000 einzustellen. Das VA Rottweil bestätigte mit Schreiben vom 9.8.2000 die Gewährung von BVG-Leistungen, ua einer Pflegezulage der Höchststufe VI. Diese jährlich angepasste Zulage belief sich im Jahre 1994 auf monatlich 2.326 DM und im Jahre 2000 auf monatlich 2.427 DM. Zusätzlich übernahm die Klägerin im Wege der Erhöhung der Pflegezulage die Vergütung des Sohnes Siegfried W. für die Pflege des Beklagten ab Februar 1998 (§ 35 Abs 2 BVG); der Erhöhungsbetrag belief sich im Jahre 2000 auf monatlich 1.914 DM.
Nachdem der Beklagte angehört und vergeblich zur Rückzahlung des Pflegegeldes aufgefordert worden war, hat die Klägerin am 28.6.2002 beim Sozialgericht (SG) Klage auf Rückzahlung des PPV-Pflegegeldes in Höhe von 12.209,65 Euro (April 1995 bis März 2000 monatlich jeweils 664,68 Euro, April und Mai 2000 jeweils 409,03 Euro = insgesamt 40.698,86 Euro, davon 30 vH) erhoben und dazu ausgeführt, die PPV-Leistungen hätten nach den Versicherungsbedingungen wegen des Bezugs der versorgungsrechtlichen Pflegezulage geruht und seien daher zu Unrecht gewährt worden. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, sie über seine BVG-Ansprüche zu unterrichten, habe jedoch in seinem Antrag vom 25.9.1995 die im Formblatt dazu gestellten Fragen nicht beantwortet.
Das SG hat den Beklagten verurteilt, der Klägerin 12.209,65 Euro nebst 5 vH Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1.8.2001 zu zahlen (Urteil vom 27.5.2004). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 21.7.2006). Es hat ausgeführt, der Beklagte sei nach § 812 Abs 1 Satz 1 BGB zur Erstattung des bezogenen Pflegegeldes verpflichtet, weil er diese Leistung im Hinblick auf ihre Nachrangigkeit gegenüber den Leistungen nach dem BVG ohne rechtfertigenden Grund lediglich zur Erfüllung einer in Wirklichkeit nicht bestehenden Verbindlichkeit erhalten habe. Der Zahlungspflicht stehe auch § 814 BGB nicht entgegen, weil der Klägerin im Hinblick auf den offensichtlich unvollständig ausgefüllten Leistungsantrag allenfalls grobe Fahrlässigkeit, nicht aber positive Kenntnis hinsichtlich der fehlenden Zahlungspflicht vorgeworfen werden könne. Kenntnis von der vorrangigen Leistung habe die Klägerin erst durch die Auskunft des VA vom 9.8.2000 erhalten. Eine Entreicherung sei nicht festzustellen, weil der Beklagte trotz ausdrücklicher Frage Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen verweigert habe. Der Bereicherungsanspruch sei auch nicht verjährt.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§§ 812, 814, 818 BGB, § 5 Abs 1b MB/PPV 1996). Er macht geltend, die Klägerin habe von Anfang an Kenntnis von seiner Kriegsverletzung und dem Bezug der BVG-Leistungen gehabt. Jedenfalls aber hätte sie dies bei sorgfältiger Antragsprüfung schon 1995 feststellen können. Er habe sich bemüht, das Antragsformular nach bestem Wissen auszufüllen. Da die Klägerin die Leistungspflicht anerkannt und die Beträge vorbehaltlos gezahlt habe, genieße er Vertrauensschutz. Die erhaltenen Beträge habe er an die Pflegepersonen weitergegeben, sodass er insoweit entreichert sei. Es sei auch fraglich, ob der Anspruch auf Leistungen der PPV durch die gezahlten Kriegsopferleistungen ausgeschlossen sei, zumal seine Pflegebedürftigkeit auch auf der Parkinson-Erkrankung beruhe.
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 21.7.2006 und des SG Reutlingen vom 27.5.2004 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Das beihilferechtliche Erstattungsverfahren ruht bis zum Abschluss dieses Rechtsstreits.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach den §§ 165, 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben den Beklagten zu Recht verurteilt, das von der Klägerin für die GPV in der Zeit vom April 1995 bis Mai 2000 überwiesene Pflegegeld in Höhe von insgesamt 12.209,65 Euro (30 vH von 40.598,86 Euro) zurückzuzahlen. Denn dem Beklagten stand im Hinblick auf die Nachrangigkeit des Leistungsanspruchs aus dem Versicherungsvertrag mit der GPV wegen der in demselben Zeitraum in Anspruch genommenen Leistungen nach dem BVG kein Pflegegeld aus der PPV zu. Die zu Unrecht bezogenen Leistungen sind daher zurückzuerstatten.
1) Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Wie der Senat mit Urteil vom 30.3.2000 (B 3 P 21/99 R - BSGE 86, 94 = SozR 3-3300 § 77 Nr 3) bereits entschieden hat, ist die PBeaKK in gewillkürter Prozessstandschaft für Streitigkeiten aus dem privaten Pflegeversicherungsverhältnis der Postbeamten mit der GPV im sozialgerichtlichen Verfahren prozessführungsbefugt (ebenso BSGE 88, 202 = SozR 3-3300 § 23 Nr 5 und BSGE 88, 268 = SozR 3-3300 § 23 Nr 6). Die Stellung der PBeaKK als gewillkürte Prozessstandschafterin schließt die daneben bestehende Aktivlegitimation der GPV als materiell Berechtigte der geltend gemachten Rückforderungsansprüche wegen zu Unrecht erbrachter Versicherungsleistungen nicht aus (BSGE 88, 202 = SozR 3-3300 § 23 Nr 5).
2) Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass die Regelungen über die Aufhebung von Verwaltungsakten, insbesondere von Leistungsbescheiden, nach den §§ 45 ff SGB X auf die PPV weder unmittelbar noch mittelbar durch Übertragung der in ihnen enthaltenen Rechtsgedanken anwendbar ist. Eine unmittelbare Anwendung der §§ 45 ff SGB X käme nur in Betracht, wenn die Unternehmen der privaten Krankenversicherung mit der Pflegeversicherung eine hoheitliche Aufgabe etwa als beliehene Unternehmen vornähmen. Dass dies nicht der Fall ist, hat der Senat ebenfalls bereits entschieden (BSGE 86, 94 = SozR 3-3300 § 77 Nr 3, BSGE 88, 202 = SozR 3-3300 § 23 Nr 5 und BSGE 88, 268 = SozR 3-3300 § 23 Nr 6). Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist im Urteil vom 3.4.2001 (1 BvR 2014/95 - BVerfGE 103, 197 = SozR 3-1100 Art 74 Nr 4 = NJW 2001, 1709) davon ausgegangen, dass die PPV auf privatrechtlicher Grundlage nach den normativen Vorgaben des Privatversicherungsrechts betrieben wird. Dies schließt eine Übernahme des Regelungskonzepts des SGB X über die Aufhebung von Leistungsbescheiden bei ursprünglicher Unrichtigkeit bzw bei Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse nicht grundsätzlich aus. Erforderlich wäre jedoch eine entsprechende Vereinbarung der Partner des Versicherungsvertrages, woran es hier fehlt. Aus verfassungsrechtlichen Gründen, vor allem im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG, besteht aber kein Anlass, den privat Pflegeversicherten entsprechende Rechtspositionen einzuräumen, weil die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen dem Versicherten den erforderlichen Rechtsschutz gewähren (BSGE 88, 202 = SozR 3-3300 § 23 Nr 5 und BSGE 88, 268 = SozR 3-3300 § 23 Nr 6 ).
3) Rechtsgrundlage des geltend gemachten Rückforderungsanspruchs ist § 812 Abs 1 Satz 1 BGB. Nach dieser Vorschrift ist derjenige zur Herausgabe wegen ungerechtfertigter Bereicherung verpflichtet, der durch die Leistung eines anderen (1. Alternative) oder in sonstiger Weise (2. Alternative) auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen der 1. Alternative erfüllt; denn nach § 5 Abs 1b MB/PPV 1996 besteht in der PPV keine Leistungspflicht des Versicherungsunternehmens, "soweit versicherte Personen Entschädigungsleistungen wegen Pflegebedürftigkeit unmittelbar nach § 35 BVG oder nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder aus öffentlichen Kassen aufgrund gesetzlich geregelter Unfallversorgung oder Unfallfürsorge erhalten". Diese Regelung der Vertragsbedingungen, die "Allgemeine Geschäftsbedingungen" (AGB) darstellen, ist nach § 305 Abs 1 BGB in den zwischen der GPV und dem Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrag einbezogen worden. Die Regelung hält auch einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff BGB stand. Sie ist wirksam, weil sie dem gesetzlichen Gebot nach Art und Umfang den Leistungen des 4. Kapitels des SGB XI gleichwertiger Vertragsleistungen in der PPV (§ 23 Abs 1 Satz 2 SGB XI) entspricht, indem sie wörtlich mit dem Ruhenstatbestand des § 34 Abs 1 Nr 2 SGB XI übereinstimmt, der für die soziale Pflegeversicherung gilt. Beide Bestimmungen sind Ausfluss der generellen Rangfolge-Regelung in § 13 Abs 1 SGB XI, wonach die Entschädigungsleistungen wegen Pflegebedürftigkeit nach dem BVG und den darauf verweisenden Gesetzen (Nr 1), aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Nr 2) und aus öffentlichen Kassen aufgrund gesetzlich geregelter Unfallversorgung oder Unfallfürsorge (Nr 3) den Leistungen der Pflegeversicherung vorgehen. Die MB/PPV 1996 verweisen in § 1 Abs 10 hinsichtlich des Umfangs des Versicherungsschutzes ergänzend auf die Vorschriften des SGB und damit auch auf § 13 Abs 1 SGB XI.
a) Der Beklagte hat die von der Klägerin für die GPV überwiesenen Pflegegeld-Beträge als Vertragsleistungen "ohne rechtlichen Grund" erhalten, weil der vertragliche Zahlungsanspruch (30 vH des Pflegegeld-Höchstbetrages) nach § 5 Abs 1b MB/PPV 1996 ( § 34 Abs 1 Nr 2 SGB XI) während des gesamten Leistungszeitraums von April 1995 bis Mai 2000 uneingeschränkt wegen des gleichzeitigen Bezugs der vorrangigen, insoweit auch nur mit dem entsprechenden Anteil von 30 vH zu berücksichtigenden (BSG SozR 3-3300 § 34 Nr 1) , aber dennoch höheren Pflegezulage der Stufe VI (§ 35 BVG) ruhte.
Dem Ruhen des Pflegegeldanspruchs steht auch nicht der Umstand entgegen, dass die Einstufung des Beklagten in die Pflegestufe III zu einem erheblichen Teil auch auf den körperlichen Funktionseinschränkungen durch die Parkinson-Erkrankung beruht, während die BVG-Leistungen in erster Linie wegen der im Zweiten Weltkrieg erlittenen Verletzungen und ihrer Folgen gewährt werden. Der Einwand des Beklagten, mangels Deckungsgleichheit der Leistungen habe der Pflegegeldanspruch nicht geruht, ist unbegründet.
Sinn der Ruhensregelung des § 34 Abs 1 Nr 2 SGB XI bzw des § 5 Abs 1b MB/PPV 1996 ist die Vermeidung einer Überversorgung durch Doppelleistungen. Dies setzt voraus, dass die beiden in Betracht kommenden Leistungen im Wesentlichen dem gleichen Zweck dienen (Zweckidentität, Gleichartigkeit) und zeitgleich bezogen werden, zumindest aber beansprucht werden können (Zeitgleichheit). Dies ist, wie der erkennende Senats bereits entschieden hat ( Urteil vom 29. April 1999 - B 3 P 15/98 R - SozR 3-3300 § 34 Nr 1 ), im Verhältnis zwischen den Pflegeleistungen nach den §§ 36, 37 SGB XI (Pflegesachleistung, Pflegegeld) und der Pflegezulage nach § 35 BVG der Fall, obgleich in beiden Gesetzen unterschiedliche Begriffe der Hilflosigkeit verwendet werden und die Pflegezulage grundsätzlich nur der Sicherung der Grundpflege dient, während die Leistungen der Pflegeversicherung auch die Sicherung der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 14 Abs 4 Nr 4 SGB XI) bezweckt. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Ruhensanordnung für die Pflegeleistungen sind daraus nicht herzuleiten, wie der Senat ebenfalls bereits entschieden hat ( BSG SozR 3-3300 § 34 Nr 1 ).
Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an einer Inkongruenz der Leistungen. Bei der Feststellung der nach § 35 BVG maßgebenden Hilflosigkeit eines Versorgungsberechtigten und deren Umfang (Stufen I bis VI) ist der gesamte Pflegebedarf zu berücksichtigen, wobei Blinde mindestens die Pflegezulage nach Stufe III erhalten (§ 35 Abs 1 BVG). Ergibt sich dabei der Pflegebedarf nicht nur aus den anerkannten Schädigungsfolgen, sondern daneben auch aus schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörungen, sind die Schädigungsfolgen "ursächlich im Rechtssinn", wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den jeweiligen Zustand der Hilflosigkeit zumindest annähernd gleichwertig sind (vgl Verwaltungsvorschrift Nr 2 zu § 35 BVG). Das war hier der Fall. Die Einstufung des Beklagten als Kriegsblindem in die Höchststufe VI und die danach gezahlte Pflegezulage (Grundbetrag nebst Erhöhungsbetrag, § 35 Abs 1 und 2 BVG) umfasst daher auch den Pflegebedarf, der aus der Parkinson-Erkrankung resultiert.
b) Der Heranziehung der Ruhensvorschrift des § 5 Abs 1b MB/PPV 1996 kann nicht entgegen gehalten werden, die Leistungszusage der Klägerin vom 8.3.1996 und deren Bestätigung vom 29.3.1999 seien rechtlich bindend und stünden deshalb dem Einwand der ungerechtfertigten Bereicherung entgegen.
Die Erklärung eines Versicherungsunternehmens gegenüber einem Versicherten über die Erbringung der bedingungsgemäßen Leistungen in der PPV wird nicht nur als faktische Erklärung, sondern als Leistungsanerkenntnis mit Bindungswillen angesehen (BSGE 88, 202 = SozR 3-3300 § 23 Nr 5 und BSGE 88, 268 = SozR 3-3300 § 23 Nr 6; stRspr) , weil das Versicherungsunternehmen durch ein Begutachtungsverfahren (§ 6 Abs 2 MB/PPV 1996) die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Leistungsanspruchs zu klären hat und mit der Zusage die Ungewissheit darüber beseitigt werden soll, ob beim Versicherten die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen für die Pflegebedürftigkeit vorliegen und welcher Pflegestufe er zuzuordnen ist (§§ 14, 15 SGB XI, § 1 MB/PPV 1996). Das Versicherungsunternehmen und der Versicherte sind dabei nach § 64 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) an die Feststellungen eines nach Maßgabe des § 6 Abs 2 MB/PPV 1996 tätig gewordenen Sachverständigen zum Umfang des Pflegebedarfs gebunden, sofern diese nicht offenbar von der wirklichen Sachlage abweichen (BSGE 88, 268 = SozR 3-3300 § 23 Nr 6). Die Leistungszusage stellt in solchen Fällen ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar, das vom Versicherten gemäß § 151 BGB dadurch angenommen wird, dass er die empfangenen Leistungen unwidersprochen entgegennimmt (BSGE 88, 202 = SozR 3-3300 § 23 Nr 5).
Die Erklärung der Klägerin, dem Beklagten Pflegegeld nach der Pflegestufe III zahlen zu wollen, weil die medizinische Begutachtung durch die M.-GmbH die Erfüllung der sachlichen und zeitlichen Voraussetzungen der Schwerstpflegebedürftigkeit (Pflegestufe III) ergeben habe, stellt demgemäß ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar, das nachträglich erhobene Einwände der Klägerin gegen den Eintritt des Versicherungsfalls und gegen das Bestehen der Zahlungspflicht grundsätzlich ausschließt (BSGE 88, 202 = SozR 3-3300 § 23 Nr 5 und BSGE 88, 268 = SozR 3-3300 § 23 Nr 6 ; Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl 2007, § 781 RdNr 3 und 4 mwN) . Dies gilt grundsätzlich auch für die Frage, ob der Versicherungsanspruch trotz eingetretenen Versicherungsfalls nach § 5 Abs 1b MB/PPV 1996 (§ 34 Abs 1 Nr 2 SGB XI) wegen Bezugs von Entschädigungsleistungen nach § 35 BVG ganz oder teilweise ruht. Das Ruhen von Leistungen bedeutet, dass ein dem Grunde nach bestehender Leistungsanspruch nicht zu verwirklichen ist. Der Leistungspflichtige schuldet trotz fortbestehenden "Stammrechts" keine Erfüllung; der Leistungsberechtigte kann eine ihm grundsätzlich zustehende Leistung nicht beanspruchen. Die Leistungspflicht ist in der sozialen Pflegeversicherung bereits kraft Gesetzes ausgeschlossen und in der PPV entfällt die Leistungspflicht schon aufgrund des geschlossenen Versicherungsvertrages. In beiden Fällen bedarf es keiner gesonderten Ruhensentscheidung des Versicherungsträgers bzw des Versicherungsunternehmens ( vgl Udsching, SGB XI, 2. Aufl 2000, § 34 RdNr 3 ).
Die Bindungswirkung eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses schließt allerdings nur solche Einwände tatsächlicher oder rechtlicher Art aus, die dem Erklärenden bei Abgabe des Anerkenntnisses bekannt waren oder mit denen er zumindest rechnete (BGH JZ 68, 633; BGH NJW 1973, 39 und 2019; BGH WM 1974, 410, Palandt/Sprau, aaO, § 781 RdNr 5) . Denn der Erklärungsempfänger kann sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gegenüber allen Einwänden tatsächlicher oder rechtlicher Art auf Vertrauensschutz berufen, mit denen er redlicherweise nicht mehr zu rechnen brauchte. Dies betrifft grundsätzlich alle Umstände, deren Nichtkenntnis in den Verantwortungsbereich bzw in die Risikosphäre des die Schuld anerkennenden Vertragspartners fällt. Hiernach ist die Klägerin mit dem Einwand, der Beklagte sei durch die Zahlung des Pflegegeldes in Höhe von 12.209,65 Euro ungerechtfertigt bereichert, weil der Leistungsanspruch nach § 5 Abs 1b MB/PPV 1996 wegen des gleichzeitigen Bezugs der höheren Pflegezulage (§ 35 BVG) geruht habe, nicht ausgeschlossen. Die Klägerin kannte nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) des LSG den versorgungsrechtlichen Leistungsbezug des Beklagten nicht und hat im Formblatt für den Antrag auf Leistungen der PPV ausdrücklich nach einem etwaigen Bezug von Entschädigungsleistungen wegen Pflegebedürftigkeit, zB nach dem BVG, gefragt. Zur wahrheitsgemäßen Beantwortung der Frage war der Kläger vertraglich verpflichtet (§ 9 Abs 2 MB/PPV 1996). Damit ist das aus der falschen, unvollständigen oder unterlassenen Beantwortung der Frage durch den Versicherten resultierende Risiko einer darauf beruhenden unrichtigen Leistungszusage des Versicherungsunternehmens und deren späterer Korrektur bei Aufdeckung des Fehlers in die Sphäre des Versicherten übergegangen. Der Beklagte hat die eindeutig und nicht missverständlich formulierte Frage nach dem Leistungsbezug gemäß § 35 BVG nicht beantwortet. Er konnte auch nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass der Klägerin dieser Leistungsbezug aus sonstigen Quellen bekannt sein würde. Damit konnte der Beklagte rechtlicherweise nicht annehmen, dass der Klägerin der auf § 5 Abs 1b MB/PPV 1996 fußende Einwand der vertragswidrigen Leistungsgewährung mit Erteilung der Leistungszusage auf Dauer entzogen sein würde. Er kann sich wegen der eigenen Obliegenheitsverletzung (§ 9 Abs 2 iVm § 5 Abs 1b MB/PPV 1996) nicht auf Vertrauensschutz berufen, auch wenn die Klägerin durch eine Nachfrage die Vervollständigung der Angaben im Formblatt hätte erreichen können. Durch die Leistungszusage war die Klägerin mithin nicht gehindert, sich auf die nach § 5 Abs 1b MB/PPV 1996 fehlende Leistungspflicht zu berufen und die gezahlten Beträge nach § 812 Abs 1 BGB herauszuverlangen bzw nach § 818 Abs 2 BGB Wertersatz zu fordern.
c) Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf den Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs 3 BGB berufen. Danach ist die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Wertersatz ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist und er den Mangel des rechtlichen Grundes beim Empfang der Leistung nicht gekannt hat (§ 819 Abs 1 BGB). Ist die empfangene Leistung weitergegeben oder verbraucht worden, besteht eine Bereicherung fort, soweit der Empfänger sich damit noch vorhandene Vermögensvorteile geschaffen hat (BGH NJW 1984, 2095), zB durch Schaffung anderweitiger Ersparnisse, durch Anschaffungen (BGH NJW 2000, 740), durch Verschaffung wirtschaftlich sinnvoller Dienstleistungen (BGH VersR 1989, 943) oder indem er durch die Verwendung des Erlangten Ausgaben erspart hat, die er notwendigerweise auch sonst gehabt hätte, dh von denen anzunehmen ist, dass sie ansonsten mit anderen verfügbaren Mitteln getätigt worden wären (BGH WM 2003, 1488; Palandt/Sprau, aaO, § 818 RdNr 34) .
Der Beklagte ist nicht als entreichert anzusehen, weil er - nach eigenen Angaben - das Pflegegeld jeweils an die Pflegepersonen weitergegeben hat, es also wirtschaftlich sinnvoll verwendet hat. Eine etwaige anderweitige Verwendung des Pflegegeldes, die als Entreicherung hätte gewertet werden können, konnte in den Vorinstanzen nicht ermittelt werden, weil der Beklagte der Aufforderung des SG, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse darzulegen und zu belegen (Verfügung des SG vom 19.3.2003), nicht nachgekommen ist. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 27.5.2004 hat die Ehefrau des Beklagten als damalige Prozessbevollmächtigte zudem ausdrücklich erklärt, der Beklagte sei nicht bereit, die hierzu vom Gericht gestellten Fragen zu beantworten. Die Feststellung von SG und LSG, der Beklagte habe damit die behauptete Entreicherung "nicht nachgewiesen", ist sachlich gerechtfertigt. Der Beklagte hat im Revisionsverfahren diese Behauptung auch lediglich pauschal wiederholt, aber keine Verfahrensrügen gegen die Feststellung des LSG erhoben.
d) Die Einrede des Beklagten, die Klägerin habe Kenntnis davon gehabt, dass er Entschädigungsleistungen nach dem BVG bezog, sodass der Bereicherungsanspruch nach § 814 BGB nicht entstanden sei, ist ebenfalls unbegründet. Nach dieser Vorschrift kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war (1. Alternative) oder wenn die Leistung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach (2. Alternative). Die hier allein in Betracht kommende 1. Alternative ist nicht erfüllt, weil die Klägerin - wie ausgeführt - im gesamten hier streitigen Leistungszeitraum von April 1995 bis Mai 2000 nicht wusste, dass der Beklagte Entschädigungsleistungen wegen Pflegebedürftigkeit nach dem BVG bezog. Diese Kenntnis hat sie erst mit Zugang der Auskunft des VA Rottweil vom 9.8.2000 erhalten. Die rechtsvernichtende Einrede nach der 1. Alternative des § 814 BGB setzt stets voraus, dass der Leistende positive Kenntnis von der Rechtslage hat, er also weiß, dass er rechtlich nicht zur Leistung verpflichtet ist (BGH NJW 1997, 2381; Palandt/Sprau, aaO, § 814 RdNr 3) . Die Kenntnis von Tatsachen, aus denen sich das Fehlen einer rechtlichen Verpflichtung ergibt bzw schließen lässt, reicht nicht aus (BGH DB 1968, 612) . Auch das "Kennen-müssen" (vgl dazu § 122 Abs 2 BGB) der Nichtschuld genügt nicht zum Ausschluss des Rückforderungsrechts nach § 814 BGB, selbst wenn die Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht (BGH WM 1973, 294; Palandt/Sprau, aaO, § 814 RdNr 3) . Daher ist der Umstand, dass die Klägerin möglicherweise aufgrund anderer Vorgänge in ihrem beihilferechtlichen Geschäftsbereich wusste, dass der Beklagte im Zweiten Weltkrieg erheblich verletzt worden und erblindet ist und deshalb den Bezug von vorrangigen Leistungen nach dem BVG wenigstens hätte vermuten müssen, ebenso unerheblich wie der Umstand, dass die Klägerin die unterlassene Beantwortung der Frage nach etwaigen Entschädigungsleistungen wegen Pflegebedürftigkeit nach dem BVG im Leistungsantrag vom 25.9.1995 entweder nicht bemerkt oder aber nicht zum Anlass genommen hat, beim Beklagten deswegen nachzufragen.
e) Auch die Einrede der Verjährung ist unbegründet. Für Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung galt bis zum 31.12.2001 die regelmäßige 30-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB aF, nicht aber die Frist von zwei Jahren nach § 12 Abs 1 Satz 1 VVG. Nach § 198 Satz 1 BGB aF begann diese Frist mit der Entstehung des Anspruchs. Ab dem 1.1.2002 galt dann allerdings die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB nF, die gemäß § 199 Abs 1 BGB mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Für den Fall, dass die Verjährungsfrist nach dem BGB in der seit 1.1.2002 geltenden Fassung kürzer ist als nach dem BGB in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung, regelt Art 229 § 6 Abs 4 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum BGB (EGBGB), dass die kürzere Frist vom 1.1.2002 an berechnet wird. Mithin begann die neue dreijährige Frist nach § 195 BGB nF am 1.1.2002, weil die Klägerin mit Zugang des Schreibens des VA am 14.8.2000 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erhalten hatte. Die Frist war daher bei Klageerhebung am 28.6.2002 noch nicht abgelaufen und wurde durch die Klageerhebung nach § 204 Abs 1 Nr 1 BGB nF gehemmt.
Der Einwand des Beklagten, im Bereich der sozialen Pflegeversicherung stünden Versicherte insoweit deutlich besser da, weil eine Pflegekasse eine rechtswidrige Leistungsbewilligung nur innerhalb von zwei Jahren hätte zurücknehmen dürfen, was wegen des Gleichwertigkeitsgebots des § 23 Abs 1 Satz 2 SGB XI auch im Bereich der PPV gelten müsse, ist schon deshalb unbegründet, weil der Beklagte im Leistungsantrag zumindest in grob fahrlässiger Weise unvollständige Angaben gemacht hat und deshalb die Rücknahmefrist nach § 45 Abs 3 Satz 3 Nr 1 iVm Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X zehn Jahre betragen hätte.
4) Der Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs 1 BGB. Durch die Rückforderungsschreiben der Klägerin befand sich der Beklagte spätestens ab 1.8.2001 mit der Erstattung in Verzug.
5) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Regelung des § 197a SGG über die Erhebung von Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes ist nicht einschlägig, weil auch Versicherte der PPV zu den in § 183 SGG genannten "Versicherten" gehören ( vgl BSG SozR 4-1500 § 184 Nr 1 RdNr 9; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 183 RdNr 5), bei deren Beteiligung am Rechtsstreit die §§ 184 bis 195 SGG heranzuziehen sind (§ 197a Abs 1 Satz 1 SGG).
Fundstellen
Haufe-Index 1779861 |
BSGE 2008, 205 |
NZS 2008, 211 |
HzA aktuell 2008, 45 |