Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherungspflicht eines GmbH-Geschäftsführers
Leitsatz (redaktionell)
1. Selbst wenn die gesellschaftsrechtliche Gestaltung einer Familiengesellschaft ausschließlich aus Gründen der Steuerersparnis gewählt wurde, ändert dies nichts an ihrer Maßgeblichkeit auch für die sozialversicherungsrechtliche Versicherungspflicht. Die gewählte Konstruktion ist rechtswirksam.
2. Die Klägerin kann keinen Vertrauensschutz nach Art. 20 Abs. 3 GG aufgrund einer Änderung der Rechtsprechung beanspruchen. Eine verfassungsrechtlich relevante „Abkehr” von früheren Rechtsprechungsmaßstäben zur Versicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern in Familiengesellschaften gibt es nicht.
Normenkette
SGB III § 24 Abs. 1; SGB IV § 7 Abs. 1, § 25 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 28p Abs. 1 S. 5; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; GmbHG § 37 Abs. 1, § 46; GG Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. Februar 2019 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 59 533,32 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin, mittlerweile eine aus einer GmbH hervorgegangene GmbH & Co KG, wendet sich gegen eine Beitragsnachforderung der beklagten DRV Bund über 59 533,32 Euro für den Zeitraum 1.1.2010 bis 31.12.2013 wegen Versicherungspflicht ihres zu 1. beigeladenen GmbH-Geschäftsführers in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Die Klägerin ist ein Heizungsbau- und Sanitärinstallationsunternehmen. Sie wurde am 15.10.1992 in der Rechtsform einer GmbH gegründet. Am Stammkapital in Höhe von 50 000 DM waren der Beigeladene zu 1., ein Heizungs- und Sanitärinstallationsmeister, in Höhe von 24 500 DM und seine Ehefrau, die Beigeladene zu 2., Hausfrau und Buchhalterin bei der Klägerin, in Höhe von 25 500 DM beteiligt. Gegenstand des notariellen Gesellschaftsvertrages ist die Satzung der Klägerin vom 15.10.1992, nach der Beschlüsse mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden, soweit zwingende gesetzliche Vorschriften oder der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsehen. Änderungen des Gesellschaftsvertrages bedürfen der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter. Die Betriebsmittel standen im Eigentum des Beigeladenen zu 1., der diese an die Klägerin verpachtete (Pachtvertrag vom 1.12.1992).
Der Beigeladene zu 1. war auf Grundlage eines Geschäftsführervertrages vom 1.12.1992 alleiniger einzelvertretungsberechtigter und vom Verbot des Selbstkontrahierens befreiter Geschäftsführer der Klägerin. Am 3.1.2014 schlossen der Beigeladene zu 1. und die Beigeladene zu 2. eine schriftliche Stimmbindungsvereinbarung, nach der der Beigeladene zu 1. in seiner Geschäftsführerposition weisungsfrei sein sollte.
Nach früheren Betriebsprüfungen in den Jahren 2002 und 1998 blieb auch eine Betriebsprüfung durch die Beklagte für die Zeit vom 1.8.2006 bis 31.12.2009 ohne Feststellungen bzw Beanstandungen (Prüfmitteilung vom 17.11.2010). Nach erneuter Betriebsprüfung setzte die Beklagte nach Anhörung gegen die Klägerin für die Zeit vom 1.1.2010 bis 31.12.2013 eine Nachforderung von insgesamt 59 533,32 Euro wegen versicherungspflichtiger Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung für den Beigeladenen zu 1. fest (Bescheid vom 9.7.2015, Widerspruchsbescheid vom 22.9.2016).
Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des SG vom 12.10.2017; Urteil des LSG vom 6.2.2019). Das LSG hat ausgeführt, selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer müssten über eine Mindestkapitalbeteiligung von 50 vH oder eine "echte" Sperrminorität verfügen. Außerhalb des Gesellschaftsvertrages zustande gekommene, sich auf die Stimmverteilung auswirkende Abreden seien für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung ohne Bedeutung, ebenso familiäre Verhältnisse oder wirtschaftliche Verflechtungen. Weder die Entstehung der Klägerin noch die familiäre Bindung an die Mehrheitsgesellschafterin, die alleinige Fachkenntnis des Beigeladenen zu 1. mit tatsächlich vollständiger Handlungsfreiheit ("Kopf und Seele des Unternehmens") oder die Eigentumsverhältnisse am Betriebsvermögen änderten etwas an der Einordnung als Beschäftigter. Unerheblich sei auch die nachträglich geschlossene Stimmbindungsvereinbarung, die keine Rückwirkung entfalte. Aus den für frühere Zeiträume ohne Beanstandung vorgenommenen Betriebsprüfungen resultiere generell kein Vertrauensschutz für das geprüfte Unternehmen dahin, dass unbeanstandet gebliebene Umstände auch zukünftig unbeanstandet blieben. Das Vertrauen der Klägerin, ihr Geschäftsführer sei im statusrechtlichen Sinne als Selbstständiger zu beurteilen, sei vorliegend nicht schutzwürdig, weil es an der Vertrauensgrundlage in Gestalt einer früheren gefestigten und langjährigen Rechtsprechung dieses Inhalts fehle. Die in § 7 Abs 1 SGB IV definierte Beschäftigung sei vom BSG in ständiger Rechtsprechung "funktionsdifferent" ausgelegt worden iS eines leistungsrechtlichen Beschäftigtenbegriffes einerseits und eines beitragsrechtlichen andererseits. Ob diese Differenzierung in der Fachwelt hinreichend wahrgenommen worden sei, sei für die vorliegende Prüfung eines Vertrauensschutzes ebenso unerheblich wie der Umstand, dass die "funktionsdifferente" Auslegung kritisiert werde. Ein Vertrauensschutz bestehe auch nicht mit Blick auf die Verwaltungspraxis der Beklagten sowie die in den Rundschreiben samt Anlagen veröffentlichten Besprechungsergebnisse der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung. Schon der dortige Verweis auf die erforderliche individuelle Prüfung stelle klar, dass es in keinem Fall einen Automatismus und demgemäß kein schützenswertes Vertrauen dahingehend habe geben können. Die Annahme eines schutzwürdigen Vertrauens der Klägerin in eine vermeintliche Verwaltungspraxis scheitere auch daran, dass sie von den ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten, über den Status des Beigeladenen zu 1. eine verbindliche Statusentscheidung der Einzugsstelle oder im Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV seitens der Beklagten zu erhalten, keinen Gebrauch gemacht habe.
Zur Begründung ihrer Revision trägt die Klägerin vor, wegen der Rolle des Beigeladenen zu 1. sei nicht nur die "Kopf und Seele"-Rechtsprechung einschlägig, sondern auch die Ausnahmekonstellationen einer familienhaften Rücksichtnahme, einer Tätigkeit im eigenen Unternehmen und einer dominanten Stellung durch die wirtschaftliche Abhängigkeit der Klägerin von im Eigentum des Beigeladenen zu 1. stehenden Betriebsmitteln. Dieser habe seiner Ehefrau die Mehrheit der Anteile alleine aus steuerlichen Gründen eingeräumt. Zudem könne die Klägerin Vertrauensschutz in eine ständige, mindestens aber gefestigte Rechtsprechung beanspruchen, die bis zu den Entscheidungen des BSG vom 29.8.2012 bestanden habe und von der die Klägerin auch profitiert hätte. Hierbei sei auch die Instanzrechtsprechung zu berücksichtigen, der die Sozialversicherungsträger bis 2014 gefolgt seien. Die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, eine Klärung durch die Einzugs- oder Clearingstelle einzuholen.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. Februar 2019 und des Sozialgerichts Speyer vom 12. Oktober 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. September 2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Das LSG hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 9.7.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.9.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs 1 Satz 2 SGG). Die Beklagte hat zu Recht eine Beitragsnachforderung gegen die Klägerin festgesetzt.
Der Beigeladene zu 1. war im Streitzeitraum (1.1.2010 bis 31.12.2013) als Geschäftsführer bei der Klägerin beschäftigt und damit versicherungspflichtig in der GRV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (dazu 1.). Die Klägerin kann sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen in eine anderslautende Rechtsprechung des BSG oder eine entgegenstehende Verwaltungspraxis der Beklagten berufen (dazu 2. und 3.) oder Rechte aus den vorangegangenen beanstandungslosen Betriebsprüfungen herleiten (dazu 4.).
1. Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI, § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III). Der Beigeladene zu 1. war in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin beschäftigt.
a) Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs 1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Die hierfür vom Senat entwickelten Abgrenzungsmaßstäbe (vgl zuletzt BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - ≪Honorararzt≫, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) gelten grundsätzlich auch für Geschäftsführer einer GmbH. Ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, richtet sich bei Geschäftsführern einer GmbH aber in erster Linie danach, ob der Geschäftsführer nach der ihm zukommenden, sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmacht ihm nicht genehme Weisungen verhindern oder Beschlüsse beeinflussen kann, die sein Anstellungsverhältnis betreffen (vgl zuletzt BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 KR 13/17 R - BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35, RdNr 18 ff und BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 R 5/16 R - juris RdNr 13 ff).
b) Bei einem Fremdgeschäftsführer scheidet eine selbstständige Tätigkeit generell aus (BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 KR 13/17 R - BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35, RdNr 20; BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 10/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 79). Ist ein GmbH-Geschäftsführer zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 vH der Anteile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist dagegen grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn er exakt 50 vH der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Denn der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können. Demgegenüber ist eine "unechte", auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln (vgl BSG Urteil vom 11.11.2015 - B 12 R 2/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 27 RdNr 28 mwN; BSG Urteil vom 11.11.2015 - B 12 KR 10/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 28 RdNr 24 mwN; BSG Urteil vom 29.6.2016 - B 12 R 5/14 R - juris RdNr 39 ff; BSG Urteil vom 24.9.1992 - 7 RAr 12/92 - SozR 3-4100 § 168 Nr 8 S 16; BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 KR 13/17 R - BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35, RdNr 21). Ein rein faktisches, nicht rechtlich gebundenes und daher jederzeit änderbares Verhalten der Beteiligten ist hingegen nicht maßgeblich. Dies wäre mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren. Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit" lediglich in harmonischen Zeiten, während im Fall eines Zerwürfnisses die rechtlich bestehende Weisungsgebundenheit zum Tragen käme, ist nicht anzuerkennen (BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - BSGE 119, 216 = SozR 4-2400 § 7 Nr 24, RdNr 29 f mwN; BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32; BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 R 13/17 R - BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35, RdNr 20).
c) Gemessen daran war der Beigeladene zu 1. beschäftigt. Er verfügte über 49 vH der Gesellschaftsanteile, während der Gesellschaftsvertrag für eine Beschlussfassung grundsätzlich die einfache Mehrheit vorsieht. Zwar bedürfen Änderungen des Gesellschaftsvertrages der Zustimmung aller Gesellschafter, sodass eine entsprechende Beschlussfassung nur mit dem Einverständnis des Beigeladenen zu 1. in Betracht kommt. Allerdings vermag eine solche "unechte" Sperrminorität die für eine selbstständige Tätigkeit notwendige Rechtsmacht nicht zu vermitteln. Sie bezieht sich nicht allumfassend auf alle Angelegenheiten der Gesellschaft, sondern nur auf bestimmte Bereiche und versetzt den Beigeladenen zu 1. damit nicht in die Lage, sich gegenüber Weisungen der Mehrheitsgesellschafterin in Bezug auf seine Geschäftsführertätigkeit zur Wehr zu setzen, die ihm nicht genehm sind (vgl BSG Urteil vom 29.6.2016 - B 12 R 5/14 R - juris RdNr 41; BSG Urteil vom 24.9.1992 - 7 RAr 12/92 - SozR 3-4100 § 168 Nr 8 S 16). Die zwischen dem Beigeladenen zu 1. und seiner Ehefrau abgeschlossene Stimmrechtsvereinbarung ist schon deswegen nicht zu berücksichtigen, weil sie erst nach dem Streitzeitraum getroffen wurde.
d) Die Annahme von Beschäftigung wird durch die nach dem Geschäftsführervertrag vorgesehene Ausgestaltung der Geschäftsführertätigkeit bestätigt. Dieser Vertrag enthält typische Regelungen eines Arbeitsvertrages. Nach dem Geschäftsführervertrag sind Weisungen der Gesellschafterversammlung zu befolgen, soweit Vereinbarungen in der Satzung und dem Vertrag nicht entgegenstehen. Der Beigeladene zu 1. hatte unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens Anspruch auf ein festes Monatsgehalt von brutto 7000 DM, einen Zuschuss von 50 vH der Aufwendungen für die Altersversorgung sowie einen Urlaubsanspruch von 20 Tagen im Geschäftsjahr und Anspruch auf Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall für sechs Wochen. Die Gewährung einer gewinnabhängigen Tantieme genügt nicht, um eine Beschäftigung auszuschließen. Einer Tantieme kommt nur als ein Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen Bedeutung zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist. Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist, ist deren Gewicht für die Abgrenzung eher gering (BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 28 mwN). Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beigeladene zu 1. zur Alleinvertretung berechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit war. Allein weitreichende Entscheidungsbefugnisse bedingen nicht schon eine Selbstständigkeit (BSG Urteil vom 11.11.2015 - B 12 R 2/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 27 RdNr 24).
e) Selbst wenn - wie die Klägerin im Verfahren vorgetragen hat - die gesellschaftsrechtliche Gestaltung vorliegend ausschließlich aus Gründen der Steuerersparnis gewählt wurde, ändert dies nichts an ihrer Maßgeblichkeit auch für die sozialversicherungsrechtliche Versicherungspflicht. Die von der Klägerin bzw ihren Gesellschaftern gewählte Konstruktion ist rechtswirksam, weshalb sich die Klägerin an ihr festhalten lassen muss.
2. Die Klägerin kann auch keinen Vertrauensschutz nach Art 20 Abs 3 GG aufgrund einer Änderung der Rechtsprechung beanspruchen. Eine verfassungsrechtlich relevante "Abkehr" von früheren Rechtsprechungsmaßstäben zur Versicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern in Familiengesellschaften gibt es nicht.
a) Im Grundsatz besteht nach der Rechtsprechung des BVerfG kein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand höchstrichterlicher Rechtsprechung. Höchstrichterliche Rechtsprechung schafft kein Gesetzesrecht und erzeugt keine damit vergleichbare Rechtsbindung. Eine Rechtsprechungsänderung ist unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält. Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen kann nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere bei einer gefestigten und langjährigen Rechtsprechung entstehen. Eine rückwirkende Änderung ist ausgeschlossen, wenn im konkreten Einzelfall nach einer Gesamtwürdigung besondere Umstände für ein über die allgemeinen Grundsätze hinausgehendes besonderes Vertrauen bestehen, wobei Dispositionen in Erwartung einer bestimmten richterlichen Entscheidung für sich gesehen grundsätzlich nicht ausreichend sind (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 5.11.2015 - 1 BvR 1667/15 - juris RdNr 12, 25 mwN; BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 12 R 11/14 R - BSGE 120, 209 = SozR 4-2400 § 28p Nr 6, RdNr 30 ff; zum Ausschluss der rückwirkenden Anwendung einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Nachteil des Arbeitgebers im Beitragsrecht vgl BSG Urteil vom 18.11.1980 - 12 RK 59/79 - BSGE 51, 31, 36 ff = SozR 2200 § 1399 Nr 13 S 26 ff = juris RdNr 23 ff).
b) In Bezug auf das Mitgliedschafts- und Beitragsrecht der Sozialversicherung bestand keine gefestigte und langjährige Rechtsprechung, nach der die Tätigkeit des zu 1. beigeladenen Geschäftsführers als nicht versicherungspflichtig und damit beitragsfrei zu beurteilen gewesen wäre.
aa) Zwar haben insbesondere die für das Recht der Arbeitslosen- und Unfallversicherung zuständigen Senate des BSG sich für das jeweilige Leistungsrecht in der Vergangenheit auf die sog "Kopf und Seele"-Rechtsprechung gestützt. Danach konnte eine rechtlich bestehende Abhängigkeit durch die tatsächlichen Verhältnisse überlagert sein und eine selbstständige Tätigkeit etwa vorliegen, wenn ein Geschäftsführer aufgrund seiner Stellung in der Familie die Geschäfte der Gesellschaft wie ein Alleingesellschafter nach eigenem Gutdünken führte und die Ordnung des Betriebes prägte, er "Kopf und Seele" des Unternehmens war oder er - wirtschaftlich gesehen - seine Tätigkeit nicht wie für ein fremdes, sondern wie für ein eigenes Unternehmen ausübte (vgl etwa BSG Urteil vom 23.9.1982 - 10 RAr 10/81 - SozR 2100 § 7 Nr 7 S 6 = juris RdNr 23 ff; BSG Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85; BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - juris RdNr 31; BSG Urteil vom 11.2.1993 - 7 RAr 48/92 - juris RdNr 23 ff; BSG Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R - juris RdNr 21; BSG Urteil vom 28.1.1992 - 11 RAr 133/90 - USK 9201; im konkreten Fall abgelehnt: BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - juris; umgekehrt allerdings ≪Beschäftigung trotz Sperrminorität bei familiärer Bindung für möglich gehalten≫: BSG Urteil vom 6.2.1992 - 7 RAr 134/90 - BSGE 70, 81 = SozR 3-4100 § 104 Nr 8). Daraus lässt sich aber für die Klägerin kein Vertrauensschutz herleiten.
bb) Die "Kopf und Seele"-Rechtsprechung war stets eine Erscheinungsform der höchstrichterlichen einzelfallbezogenen Auslegung und Anwendung des Typusbegriffs der Beschäftigung. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist bei der Auslegung und Anwendung von § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV angesichts der Vielzahl denkbarer Fallkonstellationen eine eindeutige Vorhersehbarkeit des Ergebnisses ausgeschlossen, da die versicherten Personen ausgehend vom Normalfall in der Form eines Typus beschrieben sind. Es ist dabei nicht erforderlich, dass stets sämtliche als idealtypisch erkannten Merkmale vorliegen, diese können vielmehr in unterschiedlichem Maße und verschiedener Intensität gegeben sein; je für sich genommen haben sie nur die Bedeutung von Anzeichen oder Indizien. Entscheidend ist jeweils ihre Verbindung, die Intensität und die Häufigkeit ihres Auftretens im konkreten Einzelfall. Maßgeblich ist das Gesamtbild (zum Ganzen BVerfG Kammerbeschluss vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr 11 S 27 f = juris RdNr 7). Das BSG hat zur Konkretisierung des Begriffs der abhängigen Beschäftigung im Laufe der Zeit zahlreiche Indizien entwickelt, die für oder gegen abhängige Beschäftigung sprechen. Hierzu zählt auch die mögliche Bedeutung familienhafter Rücksichtnahme, wobei die "Kopf und Seele"-Rechtsprechung insbesondere der Leistungssenate sich aus einer Reihe von Einzelaspekten zusammensetzte, die in die Gesamtabwägung einbezogen wurden. Erforderlich waren über das Vorliegen familiärer Verbindungen hinaus stets weitere tatsächliche Kriterien (vgl etwa BSG Urteil vom 23.9.1982 - 10 RAr 10/81 - SozR 2100 § 7 Nr 7 S 5 = juris RdNr 21: Unternehmensgeschichte, Gesellschaftsgründung aus rein steuerlichen oder haftungsrechtlichen Gründen; BSG Urteil vom 11.1.1989 - 7 RAr 8/87 - juris RdNr 41: besonderer Sachverstand oder Branchenkenntnisse; BSG Urteil vom 28.1.1992 - 11 RAr 133/90 - juris RdNr 31: Interessenlage innerhalb der Gesellschaft nach dem "Gedanken der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft" gleichgerichtet; BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86: Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg). Einen Leit- oder Obersatz, nach dem bei familiären Bindungen regelmäßig keine Beschäftigung des Geschäftsführers vorgelegen hätte, hat das BSG nie gebildet (vgl auch Freudenberg, B+P 2019, 341, 344; beispielhaft dazu, dass dieses Verständnis auch in der Literatur bestand, Schäfers, GmbH-StB 2006, 176).
cc) Hinzu kommt, dass der für das Mitgliedschafts- und Beitragsrecht der Sozialversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung zuständige 12. Senat des BSG seine Rechtsprechung zur Gewichtung der tatsächlichen Verhältnisse gegenüber den vertraglichen Vereinbarungen bereits deutlich vor dem streitbefangenen Prüfzeitraum präzisiert hatte. Für Familiengesellschaften hat er bereits 2001 offengelassen, ob es von dem Grundsatz, dass Fremdgeschäftsführer wegen fehlender Rechtsmacht versicherungspflichtig beschäftigt sind, Ausnahmen gibt (BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 10/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 82 = juris RdNr 20). Ab 2006 hat er die Bedeutung der vertraglich eingeräumten Rechtsmacht betont. Er hat klargestellt, dass eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung der nur formellen Vereinbarung nur vorgeht, soweit eine formlose Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Der Senat hat insoweit ausdrücklich klargestellt, dass es nicht zur Disposition der Vertragsparteien steht, die Wirkungen eines aus steuer- bzw haftungsrechtlichen Gründen abgeschlossenen wirksamen Vertrages nach Maßgabe der Individualnützlichkeit auf bestimmte Rechtsgebiete zu beschränken (BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - juris RdNr 22; BSG Urteil vom 24.1.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 20).
dd) Darüber hinaus ist der Beschäftigungsbegriff seit jeher kontextabhängig und bereichsspezifisch ausgelegt worden (so ausdrücklich BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - BSGE 119, 216 = SozR 4-2400 § 7 Nr 24, RdNr 32; vgl bereits BSG Beschluss vom 11.12.1973 - GS 1/73 - BSGE 37, 10, 12 ff = SozR Nr 62 zu § 1259 RVO S Aa 76 ff = juris RdNr 21 ff zum Begriff des "versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses"). Insbesondere für das Leistungsverhältnis in der Arbeitslosenversicherung findet ein besonderer leistungsrechtlicher Begriff der Beschäftigung Verwendung (vgl BSG Urteil vom 28.9.1993 - 11 RAr 69/92 - BSGE 73, 126, 127 ff = SozR 3-4100 § 101 Nr 5 S 13 f mwN; aus Sicht des Versicherungs- und Beitragsrechts vgl BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 KR 31/07 R - SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 11; BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R - USK 2009-72 = juris RdNr 15). Diese Unterschiede zwischen dem versicherungsrechtlichen und dem leistungsrechtlichen Beschäftigtenbegriff hat der Gesetzgeber mit § 7a Abs 1 Satz 2 SGB IV, § 336 SGB III(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) aufgegriffen. Der erkennende Senat hat nur vereinzelt - soweit ersichtlich nur ein einziges Mal - auf die "Kopf und Seele"-Rechtsprechung zurückgegriffen (vgl BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - juris RdNr 18; zur Frage, ab wie vielen Entscheidungen von einer "ständigen" oder "gefestigten" Rechtsprechung ausgegangen werden kann: Pohl, Rechtsprechungsänderung und Rückanknüpfung, 2005, S 93 ff).
3. Auch besteht kein Vertrauensschutz aufgrund einer vermeintlich geänderten Verwaltungspraxis der Beklagten. Die Beitragspflichtigen dürfen zwar nicht für eine zurückliegende Zeit mit einer Beitragsnachforderung überrascht werden, die in Widerspruch steht zu dem vorangegangenen Verhalten der Verwaltung, auf deren Rechtmäßigkeit sie vertraut haben und vertrauen durften (vgl BSG Urteil vom 27.9.1983 - 12 RK 10/82 - BSGE 55, 297 = SozR 5375 § 2 Nr 1). Eine vertrauensstiftende gesicherte Rechtspraxis liegt aber gerade nicht vor, wenn - wie hier - eine Rechtsfrage nicht abschließend geklärt ist. Auch erweckten die Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger nie den Anschein, bei Familiengesellschaften griffe automatisch die "Kopf und Seele"-Rechtsprechung, sondern sie wiesen auf die Notwendigkeit individueller Prüfung hin. Nach Anlage 3 des Rundschreibens über die Statusfeststellung von Erwerbstätigen vom 13.4.2010 war, wenn dem Geschäftsführer gesellschaftsvertraglich kein maßgeblicher Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft eingeräumt war, "in allen anderen Fällen" jeweils individuell zu prüfen, ob ein abhängiges und damit sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliege.
Eine Selbstbindung aufgrund einer früheren Verwaltungspraxis kann im Übrigen nur im Rahmen eines der Verwaltung eingeräumten Beurteilungsspielraums oder Ermessens eintreten. § 7 Abs 1 SGB IV räumt den Behörden aber bereits keinen derartigen Spielraum bei der Beurteilung der Frage ein, ob eine Beschäftigung vorliegt oder nicht (vgl Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 3. Aufl 2016, § 7 RdNr 28). Im Widerspruch zu zwingenden gesetzlichen Vorgaben kann keine Selbstbindung der Verwaltung entstehen (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl 2018, § 40 RdNr 103 und 156; Kischel in BeckOK, GG, Stand 15.5.2019, Art 3 RdNr 112); einen aus Art 3 Abs 1 GG abzuleitenden Anspruch auf "Gleichbehandlung im Unrecht" gibt es nicht (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 9.10.2000 - 1 BvR 1627/95 - juris RdNr 52; BFH Beschluss vom 26.9.2007 - V B 8/06 - BFHE 219, 245). Offenbleiben kann insoweit, ob für die Annahme von Vertrauensschutz stets eine konkret-individuelle Feststellung in einem Verfahren der Clearing- oder Einzugsstelle herbeigeführt worden sein müsste.
4. Die Klägerin kann sich schließlich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die vorangegangenen Betriebsprüfungen keine Beanstandungen ergeben haben.
a) Arbeitgeber konnten aus beanstandungsfreien Betriebsprüfungen nach bisheriger Rechtsprechung in der Regel keine Rechte herleiten. Betriebsprüfungen hatten danach nur den Zweck, die Beitragsentrichtung im Interesse der Versicherungsträger und der Versicherten sicherzustellen. Ihnen kam keine Entlastungswirkung für den Arbeitgeber zu, weil sie nicht umfassend oder erschöpfend sein müssen und sich auf bestimmte Einzelfälle oder Stichproben beschränken dürfen (vgl § 11 Beitragsverfahrensverordnung ≪BVV≫). Eine materielle Bindungswirkung aufgrund einer Betriebsprüfung konnte sich nur insoweit ergeben, als Versicherungs- und Beitragspflicht sowie -höhe im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt wurden (BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 1/02 R - SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 20; BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 AL 2/11 R - BSGE 115, 1 = SozR 4-2400 § 27 Nr 5, RdNr 24; BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 R 7/14 R - juris RdNr 18).
b) Diese Rechtsprechung entwickelt der Senat insbesondere im Hinblick auf die Grundrechtsrelevanz (Berufsausübungsfreiheit, Art 12 Abs 1 GG) der Indienstnahme der Arbeitgeber für den Beitragseinzug (vgl dazu Schlegel, Die Indienstnahme des Arbeitgebers in der Sozialversicherung, Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht 2004, 265 ff) und angesichts der Einführung des § 7 Abs 4 Satz 2 BVV(mWv 1.1.2017 durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 11.11.2016, BGBl I 2500) fort. Danach ist davon auszugehen, dass Betriebsprüfungen insoweit auch eine Schutzwirkung für Arbeitgeber zukommt, seit den Betriebsprüfungsstellen aufgegeben wurde, die geprüften Sachverhalte offenzulegen.
c) Die Klägerin kann sich aber nicht auf die beanstandungsfreie vorangegangene Betriebsprüfung berufen, da diese nicht durch einen entsprechenden Verwaltungsakt abgeschlossen wurden. Eine materielle Bindungswirkung kann sich auch weiterhin nur insoweit ergeben, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch Verwaltungsakt festgestellt worden sind. Einer pauschal gehaltenen sog Prüfmitteilung, nach der die durchgeführte Betriebsprüfung "ohne Beanstandungen geblieben ist", kommt nach dem objektiven Empfängerhorizont kein Regelungsgehalt zu; sie ist daher kein Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 SGB X). Neben der pauschalen Feststellung der Beanstandungsfreiheit werden nämlich keine konkreten Prüfergebnisse in Form des Prüfungsgegenstandes und daraus entstehender Schlussfolgerungen mitgeteilt. Vorliegend enthielt die Prüfmitteilung der unmittelbar vorangegangenen Betriebsprüfung aber lediglich die Aussage, die durchgeführte Prüfung habe keine Feststellungen bzw Beanstandungen ergeben. Mangels Regelungscharakter liegt damit kein Verwaltungsakt vor, der Anknüpfungspunkt für Bestands- und Vertrauensschutz hinsichtlich der Statusfrage des Beigeladenen zu 1. auch für die Zukunft sein könnte.
d) Allerdings bleiben derartige nicht konkrete Prüfmitteilungen hinter den Anforderungen des § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV iVm § 7 Abs 4 Satz 1 und 2 BVV zurück. Nach § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsakts, sondern um einen verpflichtenden Auftrag, Umfang und Ergebnis der durchgeführten Prüfung anzugeben. Nach § 7 Abs 4 Satz 1 BVV ist dem Arbeitgeber das Ergebnis der Prüfung dementsprechend innerhalb von zwei Monaten nach Abschluss der Prüfung "mitzuteilen". Diesem Auftrag wird der betriebsprüfende Rentenversicherungsträger unproblematisch gerecht, wenn die Betriebsprüfung durch einen Prüfbescheid, dh einen Verwaltungsakt, abgeschlossen wird. Unzureichend ist hingegen der Abschluss der Betriebsprüfung durch ein mündliches Abschlussgespräch und/oder eine schriftliche Prüfmitteilung ohne Regelungscharakter. Vielmehr ist § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV im Lichte von Art 12 Abs 1 GG und im Einklang mit § 7 Abs 4 Satz 1 und 2 BVV dahingehend auszulegen, dass auch bei beanstandungsfreiem Abschluss einer Betriebsprüfung das Verfahren mit einer rechtswirksamen Feststellung zum (Nicht-)Bestehen von Versicherungs- oder Beitragspflicht in den stichprobenweise geprüften Auftragsverhältnissen und zum Ergebnis der übrigen geprüften Sachverhalte abzuschließen ist. Eine solche Auslegung trägt insbesondere der Berufsausübungsfreiheit der Arbeitgeber (Art 12 Abs 1 GG) Rechnung, die durch ihre Indienstnahme zum Zwecke des Beitragseinzugs und die damit verbundene Notwendigkeit, vielfach schwierige Statusfragen beurteilen zu müssen, berührt wird. Eine solche Indienstnahme muss daher stets dem Übermaßverbot genügen (ausführlich dazu Schlegel aaO). Hinzu kommt, dass eine Betriebsprüfung aufgrund der mit ihr einhergehenden verbundenen Duldungs- und Mitwirkungspflichten (§ 10 BVV) schon für sich genommen jedenfalls in die allgemeine Handlungsfreiheit der Arbeitgeber (Art 2 Abs 1 GG) eingreift und daher ebenfalls rechtfertigungsbedürftig ist. Es entspricht folglich grundrechtsschonender Auslegung, auch das Ergebnis beanstandungsfreier Betriebsprüfungen in dem Sinne "rechtssicher" auszugestalten, dass die Arbeitgeber sich hierauf berufen können.
§ 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV spricht auch allgemein von Verwaltungsakten "zur Versicherungspflicht" und beschränkt sich nicht auf deren positive Feststellung. Dies kommt seit 1.1.2017 auch in § 7 Abs 4 Satz 2 BVV zum Ausdruck, wonach der Arbeitgeber durch den Prüfbescheid oder das Abschlussgespräch zur Prüfung Hinweise zu den festgestellten Sachverhalten erhalten soll, um in den weiteren Verfahren fehlerhafte Angaben zu vermeiden. Der Arbeitgeber soll also vollumfänglich Kenntnis über die geprüften Sachverhalte erhalten und nicht nur über diejenigen, die Beitragsnachforderungen nach sich ziehen. Ziel der Regelung ist es nach der Begründung des Gesetzentwurfs, durch Hinweise an die Arbeitgeber die Zahl der fehlerhaften Einschätzungen von Sachverhalten in der Sozialversicherung weiter zu verringern (BT-Drucks 18/8487 S 62). § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV beinhaltet nach allem nicht nur die Befugnis der Betriebsprüfungsstelle, bei Betriebsprüfungen Verwaltungsakte zu erlassen, sondern auch eine entsprechende Pflicht. Ein entsprechender Prüfungsbescheid muss den formell- und materiell-rechtlichen Anforderungen genügen, darunter dem Bestimmtheitsgebot nach § 33 Abs 1 SGB X. Dieses verlangt, dass Gegenstand und Ergebnis der Betriebsprüfung in dem Verwaltungsakt genannt werden.
e) Die betriebsprüfenden Rentenversicherungsträger sind bei der Definition des Gegenstands einer Betriebsprüfung grundsätzlich weiterhin frei (vgl § 11 Abs 1 Satz 1 BVV). Die Betriebsprüfung erstreckt sich aber zwingend auf die im Betrieb tätigen Ehegatten, Lebenspartner, Abkömmlinge des Arbeitgebers sowie geschäftsführende GmbH-Gesellschafter, sofern ihr sozialversicherungsrechtlicher Status nicht bereits durch Verwaltungsakt festgestellt ist. Dies gilt insbesondere, wenn - wegen fehlender Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses und deshalb unterbliebener Arbeitgebermeldung - kein obligatorisches Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs 1 Satz 2 SGB IV durchgeführt worden ist. Dies folgt aus dem systematischen Zusammenspiel der Regelungen über die Statusfeststellung und der Schutzbedürftigkeit dieses Personenkreises, der der Gesetzgeber durch die Schaffung von § 7a Abs 1 Satz 2 SGB IV(durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 mit Wirkung zum 1.1.2005 eingeführt, BGBl I 2954, 2975) Rechnung getragen hat (vgl Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit zu dem Entwurf eines Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 15/1749 S 35). Dieser Schutzbedürftigkeit ist auch bei Betriebsprüfungen Rechnung zu tragen. Andernfalls bliebe die Schutzwirkung einer Betriebsprüfung hinter der eines (obligatorischen) Statusfeststellungsverfahrens zurück, was der grundsätzlichen Gleichwertigkeit dieser Verfahren nicht angemessen wäre (vgl § 7a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB IV, dazu BSG Urteil vom 4.9.2018 - B 12 KR 11/17 R - BSGE 126, 235 = SozR 4-2400 § 7a Nr 10, RdNr 12 f mwN; BSG Urteil vom 16.7.2019 - B 12 KR 6/18 R - SozR 4-2400 § 7a Nr 12, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Der Senat hat auch bereits entschieden, dass der für die Betriebsprüfung zuständige Träger der Rentenversicherung bei einem nach Einleitung einer Betriebsprüfung gestellten Statusfeststellungsantrag grundsätzlich gehalten ist, seine Prüfung auf das dem Anfrageverfahren zugrunde liegende Auftragsverhältnis zu erstrecken und hierüber eine Entscheidung zu treffen (BSG Urteil vom 4.9.2018 - B 12 KR 11/17 R - BSGE 126, 235 = SozR 4-2400 § 7a Nr 10, RdNr 15). Insoweit kann der Arbeitgeber den Gegenstand der Betriebsprüfung konsequenterweise jedenfalls insoweit bestimmen, als er die Prüfung des sozialversicherungsrechtlichen Status von im Betrieb tätigen Auftragnehmern verlangen kann.
f) Der Senat weist darauf hin, dass bei in der Vergangenheit abgeschlossenen beanstandungsfreien Betriebsprüfungen, die nicht durch einen hinsichtlich der Angabe von Gegenstand und Ergebnis der Prüfung hinreichend bestimmten Verwaltungsakt beendet wurden, zwar möglicherweise noch ein (formaler) Anspruch des Arbeitgebers auf Bescheidung in Frage kommt. Hieraus kann aber kein Bestands- und Vertrauensschutz für die Vergangenheit begründet werden, weil es an einem die Beanstandungsfreiheit regelnden Verwaltungsakt gerade fehlt. Auch ist der Rentenversicherungsträger selbstverständlich nicht verpflichtet, für vergangene Zeiträume zwischenzeitlich als rechtswidrig erkannte Feststellungen in dem zu erlassenden Verwaltungsakt zu treffen. Die Hemmung der Verjährung einer Beitragsforderung durch die Betriebsprüfung endet, unabhängig vom Erlass eines Bescheids, spätestens sechs Monate nach Abschluss der Prüfung (§ 25 Abs 2 Satz 4 SGB IV).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.
6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13692283 |