Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
AOK Schleswig-Holstein - Die Gesundheitskasse, Kiel, Gartenstraße 9, Beklagte und Revisionsklägerin |
1. … 2. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Berlin, Ruhrstraße 2 |
Tatbestand
I.
Streitig ist im wesentlichen, ob der Kläger Beiträge zur Krankenversicherung zu entrichten hat.
Der Kläger beschäftigte seit 1987 seine Ehefrau, die Beigeladene zu 1), und zahlte ihr bis März 1990 ein vereinbartes monatliches Nettoarbeitsentgelt von 3.000 DM, danach von 3.200 DM. Beiträge zur Krankenversicherung führte er nicht ab. Dieses stellte die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) bei einer Betriebsprüfung im November 1990 fest. Im Anschluß daran forderte sie mit Bescheid vom 4. März 1991 vom Kläger Beiträge für die Beigeladene zu 1) in Höhe von 33.005, 66 DM. Davon waren 27.779, 92 DM Krankenversicherungsbeiträge für 1987 bis 1990; der Rest betraf Nachforderungen zur Umlage nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) sowie von Beiträgen zur Rentenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit. Die Beigeladene zu 1) sei krankenversicherungspflichtig gewesen. Bei einer Nettolohnvereinbarung entfalle die Krankenversicherungspflicht nur, wenn "allein durch Übernahme der Versicherungsanteile zur Renten- und Arbeitslosenversicherung die Jahresarbeitsverdienstgrenze überschritten werde". Den Widerspruch des Klägers wies die AOK zurück (Widerspruchsbescheid vom 10. September 1991).
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben (Urteil vom 27. April 1993). Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat der Kläger den Bescheid zuletzt nur noch hinsichtlich der Beiträge zur Krankenversicherung und der Umlage nach dem LFZG angefochten. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen, soweit sie "Beiträge zur Krankenversicherung für die Zeit ab 1. Januar 1990 und die Umlage nach dem LFZG betrifft"; im übrigen hat es die Berufung der AOK zurückgewiesen (Urteil vom 1. Februar 1994). Die Beigeladene zu 1) habe aufgrund einer Nettolohnvereinbarung zunächst monatlich 3.000 DM, ab März 1990 3.200 DM bezogen. Zur Feststellung der Versicherungsfreiheit nach § 165 Abs. 1 Nr. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 HS 1 des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) seien dem Nettoarbeitsentgelt nach § 14 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) neben den Steuern alle Arbeitnehmeranteile an den Beiträgen hinzuzurechnen. Unerheblich sei, ob die Beiträge vom Arbeitgeber gezahlt worden oder wegen Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 HS 1 SGB V nicht zu entrichten gewesen seien. Hiernach überstiegen die Einnahmen der Beigeladenen zu 1) in der Zeit bis zum 31. Dezember 1989 die jeweils geltende Verdienst- bzw. Entgeltgrenze mit der Folge, daß Versicherungspflicht in der Krankenversicherung nicht bestanden habe. Die Anhebung der Jahresarbeitsentgeltgrenze zum 1. Januar 1990 habe allerdings bewirkt, daß die Beigeladene zu 1) die Grenze unterschritten habe und sie damit ab 1990 nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungspflichtig geworden sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der AOK, die den Bescheid erlassen hat. Die Beklagte rügt eine Verletzung des § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO und des § 6 Abs. 1 Nr. 1 HS 1 SGB V, jeweils i.V.m. § 14 Abs. 2 SGB IV. Bei einer Nettolohnvereinbarung bestehe keine Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung, wenn die Verdienst- bzw. Entgeltgrenze lediglich durch Hinzurechnen des Arbeitnehmeranteils an Krankenversicherungsbeiträgen überschritten werde. Tatsächlich habe der Arbeitgeber den Versichertenanteil hier nicht übernommen. Die Auffassung des LSG führe auch dazu, daß die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung umgangen werde, ohne daß der Arbeitnehmer über Beitragsanteile verfügen könne, um eine freiwillige Versicherung zu finanzieren.
Die Beklagte beantragt sinngemäß, das Urteil des LSG vom 1. Februar 1994 und das Urteil des SG vom 27. April 1993 zu ändern sowie die Klage auch insoweit abzuweisen, als sie die Krankenversicherung und die Umlage nach dem LFZG für die Jahre 1987 bis 1989 betrifft.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Rechne man nach § 14 Abs. 2 SGB IV zu dem vereinbarten Nettoarbeitsentgelt die Steuern und die Arbeitnehmeranteile hinzu, so ergebe sich ein Bruttoarbeitsentgelt, das zur Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung führe. Dem Arbeitnehmer stehe es dann frei, sich in der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung oder überhaupt nicht zu versichern. Ohne Abschluß einer Krankenversicherung sei der Arbeitgeber auch nicht verpflichtet, einen Beitragszuschuß zu zahlen. Es sei nicht einzusehen, daß ein Arbeitnehmer, der Nettoarbeitsentgelt vereinbare, der Entscheidungsfreiheit beraubt werde, die er habe, wenn er ein Bruttoarbeitsentgelt verabrede, das ihm letztlich dasselbe Nettoarbeitsentgelt einbringe.
Die Beigeladene zu 1) und die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Beigeladene zu 2) stellen keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten ist unzulässig, soweit sie die Umlage nach dem LFZG betrifft. Insofern hat die Beklagte ihre Revision nicht begründet (§ 164 Abs. 2 Satz 1, 3 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG).
Im übrigen hat die Revision der Beklagten Erfolg. Streitig ist im Revisionsverfahren noch die Beitragsforderung zur Krankenversicherung für 1987 bis 1989. Soweit der angefochtene Bescheid auch Beiträge zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung enthält, hat der Kläger die Aufhebungsklage vor dem LSG zuletzt nicht mehr weiterverfolgt. Hinsichtlich der Krankenversicherungsbeiträge für das Jahr 1990 ist das klageabweisende Urteil des LSG rechtskräftig, weil es nicht mit der Revision angegriffen worden ist.
Der Bescheid vom 4. März 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 1991 ist in dem hiernach noch streitigen Umfang rechtmäßig. Die AOK hat für 1987 bis 1989 mit Recht Beiträge zur Krankenversicherung gefordert. Die Beigeladene zu 1) war aufgrund ihrer Beschäftigung beim Kläger in den Jahren 1987 und 1988 nach § 165 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 RVO, im Jahre 1989 nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungspflichtig. Unter Berücksichtigung ihres monatlichen Nettoarbeitsentgelts von 3.000 DM lag ihr regelmäßiger Jahresarbeitsverdienst i.S. des § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO in den Jahren 1987 und 1988 nicht über 75 v.H. der für Jahresbezüge in der Rentenversicherung der Arbeiter geltenden Beitragsbemessungsgrenze. Seit dem 1. Januar 1989 war die Beigeladene zu 1) nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 HS 1 SGB V ebenfalls nicht versicherungsfrei. Ihr regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt i.S. dieser Vorschrift überstieg nicht den Betrag von 75 v.H. der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten. Weder in den Jahren 1987 und 1988 noch im Jahre 1989 war die so bestimmte Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung überschritten.
Der für die Versicherungspflichtgrenze maßgebende regelmäßige Jahresarbeitsverdienst (nunmehr: das Jahresarbeitsentgelt) wird aus dem Arbeitsentgelt i.S. des § 14 Abs. 1 SGB IV ermittelt. Die Steuern und die vom Beschäftigten zu tragenden Anteile der Beiträge zur Sozialversicherung und sein Beitrag zur BA (im folgenden: Arbeitnehmeranteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag) sind Bestandteil des Arbeitsentgelts (Bruttoarbeitsentgelts). Die Beigeladene zu 1) hatte mit dem Kläger Nettoarbeitsentgelt und nicht Bruttoarbeitsentgelt vereinbart. Ihr wurde ein feststehender Betrag als Monatsgehalt ausgezahlt. Deshalb waren die Steuern und Beiträge allein vom Kläger als Arbeitgeber zu tragen, auch soweit es sich um die Arbeitnehmeranteile handelte. Ist ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, so sieht § 14 Abs. 2 SGB IV vor, daß die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und Arbeitnehmeranteile als Arbeitsentgelt (Bruttoarbeitsentgelt) gelten. Das nach § 14 Abs. 2 SGB IV maßgebende Arbeitsentgelt (Bruttoarbeitsentgelt) wird durch Hochrechnung aus dem Nettoarbeitsentgelt ermittelt (sog Abtastverfahren, vgl. BSGE 64, 110, 112 = SozR 2100 § 14 Nr. 21). Nach den Feststellungen des LSG, die auf den Berechnungen der AOK im angefochtenen Bescheid beruhen, lag bei dem hier vereinbarten Nettoarbeitsentgelt von monatlich 3.000 DM und der Annahme von Krankenversicherungspflicht das Bruttoarbeitsentgelt unter Einschluß des Arbeitnehmeranteils am Krankenversicherungsbeitrag in den Jahren 1987 bis 1989 jeweils über der Versicherungspflichtgrenze, ohne den Arbeitnehmeranteil am Krankenversicherungsbeitrag jedoch darunter. Bei diesem Sachverhalt kann allein im Wege einer abstrakten Hochrechnung nicht festgestellt werden, ob bei dem vereinbarten Nettoarbeitsentgelt von 3.000 DM monatlich die Versicherungspflichtgrenze überschritten war und demnach Versicherungsfreiheit oder Versicherungspflicht in der Krankenversicherung bestand.
Versicherungspflicht in der Krankenversicherung ergibt sich allgemein, wenn die Hochrechnung des Nettoarbeitsentgelts nach § 14 Abs. 2 SGB IV zu einem Bruttoarbeitsentgelt führt, das die Versicherungspflichtgrenze nicht überschreitet. Dann hat die Hochrechnung lediglich noch für die Ermittlung des beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelts Bedeutung, von dem der Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu entrichten ist. Dies setzt aber voraus, daß das vereinbarte Nettoarbeitsentgelt in derselben Höhe auch ausgezahlt werden könnte, wenn ein entsprechend höheres Bruttoarbeitsentgelt vereinbart worden wäre. Der Betrag von 3.000 DM hätte der Beigeladenen zu 1) jedoch nicht ausgezahlt werden können, wenn ein Bruttoarbeitsentgelt vereinbart worden wäre. Da das Nettoarbeitsentgelt je nach Vorliegen von Versicherungspflicht oder -freiheit unterschiedlich hoch ist, gibt es bei gegebener Steuerklasse und feststehenden Beitragssätzen in den einzelnen Versicherungszweigen ausgehend vom Bruttoarbeitsentgelt immer einen bestimmten Bereich, der als Nettoarbeitsentgelt nicht ausgezahlt werden kann, gleichgültig in welcher Höhe ein Bruttoarbeitsentgelt vereinbart ist. Entspricht letzteres nämlich genau der Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung und wird es dann nur um eine einzige DM angehoben, so ist das nunmehr auszuzahlende Nettoarbeitsentgelt wegen des nicht mehr anfallenden und damit zusätzlich auszuzahlenden Arbeitnehmeranteils am Krankenversicherungsbeitrag stets um die Hälfte des Höchstbeitrages zur Krankenversicherung höher als bei einem vereinbarten Bruttoarbeitsentgelt, das der Versicherungspflichtgrenze entspricht.
Hierzu soll beispielhaft angenommen werden, daß die Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung monatlich 4.500 DM betrug (1988), der allgemeine Beitragssatz der Krankenkasse 12 v.H. und bei einem Bruttoarbeitsentgelt von 4.500 DM nach Abzug der Steuern und der Arbeitnehmeranteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag 2.830 DM netto auszuzahlen waren. Bei einem Bruttoarbeitsentgelt von 4.501 DM und Krankenversicherungsfreiheit hätte der Arbeitnehmer unter sonst gleichen Verhältnissen demgegenüber netto etwas mehr als 3.100 DM ausgezahlt bekommen: 2.830 DM zuzüglich des halben Höchstbeitrages zur Krankenversicherung von 270 DM und die 1 DM, vermindert um die auf sie entfallenden Steuern und die Arbeitnehmeranteile an den Beiträgen zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung. Der Betrag zwischen 2.830 DM und 3.100 DM kann zwar als Nettoarbeitsentgelt vereinbart werden, als solcher aber nicht zur Auszahlung gelangen, wenn ein Bruttoarbeitsentgelt vereinbart ist. Je nach der Lohnsteuerbelastung und den Beitragssätzen gibt es für jeden Beschäftigten an der Versicherungspflichtgrenze einen Bereich, der, ausgehend vom Bruttoarbeitsentgelt, als Nettoarbeitsentgelt nicht ausgezahlt werden kann, in diesem Verständnis also einen Bereich der "unmöglichen Nettoarbeitsentgelte". Im vorliegenden Fall hat die Beigeladene zu 1) ein solches "unmögliches Nettoarbeitsentgelt" vereinbart und erhalten. Als Nettoarbeitsentgelt hätte der Betrag nur ausgezahlt werden können, wenn nach anfänglichem Bestehen von Versicherungspflicht trotz späteren Überschreitens der Versicherungspflichtgrenze mit dem Bruttoarbeitsentgelt ausnahmsweise wegen § 165 Abs. 5 RVO (nunmehr § 6 Abs. 4 SGB V) vorübergehend noch Versicherungspflicht in der Krankenversicherung bestanden hätte. Dieser Sachverhalt liegt hier jedoch nicht vor. Ein unmögliches Nettoarbeitsentgelt ist immer dann gegeben, wenn die Hochrechnung bei Annahme von Versicherungspflicht in der Krankenversicherung ein Bruttoarbeitsentgelt über der Versicherungspflichtgrenze ergibt, dieses aber nach Abzug des Arbeitnehmeranteils am Krankenversicherungsbeitrag unter der Versicherungspflichtgrenze liegt. Dies war bei dem hier vereinbarten Nettoarbeitsentgelt der Fall. So betrugen im Jahre 1987 die anteilige (monatliche) Versicherungspflichtgrenze 4.275 DM, das Bruttoarbeitsentgelt 4.512, 77 DM und der Arbeitnehmeranteil am Krankenversicherungsbeitrag 307, 80 DM. Im Jahre 1988 lagen die Versicherungspflichtgrenze bei 4.500 DM, das Bruttoarbeitsentgelt bei 4.534, 85 DM und der Arbeitnehmeranteil am Krankenversicherungsbeitrag bei 333 DM. Im Jahre 1989 schließlich waren die Versicherungspflichtgrenze 4.575 DM, das Bruttoarbeitsentgelt 4.645, 11 DM und der Arbeitnehmeranteil am Krankenversicherungsbeitrag 338, 55 DM.
Bei ihrem Nettoarbeitsentgelt war die Beigeladene zu 1) von 1987 bis 1989 krankenversicherungspflichtig. Die Ansicht, die bei einem vereinbarten unmöglichen Nettoarbeitsentgelt Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung annimmt, geht bei der Hochrechnung von der Krankenversicherungspflicht aus und berücksichtigt einen Arbeitnehmeranteil am Krankenversicherungsbeitrag. Mit dem bei der Hochrechnung ermittelten Betrag aber will sie das Überschreiten der Versicherungspflichtgrenze und Versicherungsfreiheit begründen, bei der ein Krankenversicherungsbeitrag samt einem Arbeitnehmeranteil hieran entfällt. Dieses Vorgehen ist schon früher dahin beschrieben worden, daß es den Gesetzen der Logik widerspreche, die Versicherungspflicht (einschließlich der entsprechenden Beitragspflicht) bei der Hochrechnung zur Voraussetzung zu machen und damit das Gegenteil, nämlich den Wegfall der Versicherungspflicht und eine entsprechende Beitragsfreiheit, zu begründen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Breithaupt 1964, 979). Dieser Widerspruch zeigt sich auch darin, daß die genannte Ansicht keinen einheitlichen Begriff des Nettoarbeitsentgelts verwendet. Denn dem hochgerechneten Bruttoarbeitsentgelt entspricht ein Nettoarbeitsentgelt nach Abzug des Arbeitnehmeranteils am Krankenversicherungsbeitrag. Demgegenüber wird bei Annahme von Versicherungs- und Beitragsfreiheit wegen Überschreitens der Versicherungspflichtgrenze der ausgezahlte Betrag ohne Abzug des Arbeitnehmeranteils am Krankenversicherungsbeitrag als Nettoarbeitsentgelt verstanden. Hiernach kann anhand der Hochrechnung nach § 14 Abs. 2 SGB IV nicht gleichzeitig sowohl über die Höhe des beitragspflichtigen Entgelts als auch über die Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit wegen Überschreitens der Versicherungspflichtgrenze entschieden werden. Über das Bestehen von Versicherungspflicht ist vielmehr vorab zu befinden.
Für den Bereich der unmöglichen Nettoarbeitsentgelte ist logisch nicht feststellbar, was bei der Entscheidung über die Versicherungspflicht der gesetzliche Anteil an den Beiträgen i.S. des § 14 Abs. 2 SGB IV ist. Dieses ist für die Ansicht des LSG und des Klägers bereits dargelegt worden, gilt aber andererseits auch für die Ansicht der Beklagten. In dem genannten Bereich führt jede Entscheidung zu einem Abweichen von der im Gesetz vorgesehenen Lastenverteilung zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten und dessen mit der gesetzlichen Anordnung der Versicherungspflicht vorgesehenem Schutz: Entweder wird Krankenversicherungsfreiheit mit Beitragsfreiheit angenommen und dann der Beitragserhebung für die anderen Versicherungszweige ein Bruttoarbeitsentgelt unter der Versicherungspflichtgrenze der Krankenversicherung zugrunde gelegt. Oder es wird Krankenversicherungspflicht mit Beitragspflicht angenommen und für die Beitragsberechnung von einem über der Versicherungspflichtgrenze liegenden Bruttoarbeitsentgelt ausgegangen, wobei allerdings in der Krankenversicherung Beiträge nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu erheben sind, die in diesem Versicherungszweig mit der Versicherungspflichtgrenze übereinstimmt (vgl. § 385 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 180 Abs. 1 RVO, § 223 Abs. 3 SGB V).
Bei der gebotenen wertenden Entscheidung über die Frage, ob bei einem unmöglichen Nettoarbeitsentgelt Versicherungsfreiheit wegen Überschreitens der Versicherungspflichtgrenze eintritt, verdient die Ansicht den Vorzug, die den Schutz des Beschäftigten mindestens in dem vom Gesetz vorgesehenen Umfang gewährleistet. Da über die Versicherungspflicht oder -freiheit in der Krankenversicherung an der Versicherungspflichtgrenze ausgehend vom Bruttoarbeitsentgelt zu entscheiden ist, geht das Gesetz davon aus, daß Beschäftigte bis zu einem Bruttoarbeitsentgelt in Höhe dieser Grenze schutzbedürftig sind. Sie gehören der gesetzlichen Krankenversicherung als Versicherungspflichtige an und sind nur unter den im Gesetz vorgesehenen, hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen versicherungsfrei oder befreiungsberechtigt. Die gesetzliche Anordnung der Versicherungspflicht verwehrt es Arbeitgebern und Beschäftigten, den Eintritt der Versicherungspflicht durch eine Vereinbarung oder durch die Zahlungsweise von Beiträgen zu verhindern. Ein Beschäftigter wird durch das Gesetz so weit geschützt, daß er bei Überschreiten der Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung mindestens das als Nettoarbeitsentgelt erhält, was bei einem Bruttoarbeitsentgelt in Höhe der Versicherungspflichtgrenze auszuzahlen wäre, zuzüglich des Betrages, der nunmehr bei Versicherungsfreiheit nicht mehr als Arbeitnehmeranteil am Krankenversicherungsbeitrag einzubehalten ist. Dieser Nettobetrag darf nicht unterschritten werden, wenn die Versicherungspflicht entfallen soll. Wird demgegenüber schon bei einem vereinbarten unmöglichen Nettoarbeitsentgelt Versicherungsfreiheit angenommen, so wird die im Gesetz enthaltene Schutzgrenze zum Nachteil des Beschäftigten abgesenkt: Er erhält nur ein Entgelt ausgezahlt, das geringer ist als das Nettoarbeitsentgelt, das er mindestens ausgezahlt bekommen müßte, wenn er bei vereinbartem Bruttoarbeitsentgelt wegen Überschreitens der Versicherungspflichtgrenze versicherungsfrei werden soll. Dennoch hat er für eine anderweitige Krankenversicherung einen Betrag in Höhe des entfallenen Arbeitnehmeranteils aufzubringen und ihn aus dem vereinbarten und gezahlten Nettoarbeitsentgelt zu bestreiten; ein Beitragszuschuß des Arbeitgebers nach § 405 RVO und § 257 SGB V ersetzt lediglich den entfallenen Arbeitgeberanteil. Dagegen zeigt § 14 Abs. 2 SGB IV, daß bei der Vereinbarung von Nettoarbeitsentgelt grundsätzlich der Arbeitgeber den Arbeitnehmeranteil tragen soll. Wird das Bruttoarbeitsentgelt in diesem Fall nur unter Hinzurechnung der Arbeitnehmeranteile an den Beiträgen zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung ermittelt, so wird im übrigen für die Beitragsberechnung in diesen beiden Versicherungszweigen sogar nur ein Arbeitsentgelt angesetzt, das unter der Versicherungspflichtgrenze der Krankenversicherung liegt. So hat der Kläger hier ursprünglich auch das beitragspflichtige Arbeitsentgelt für die beiden anderen Versicherungszweige berechnet; darauf beruht die Nachforderung von Beiträgen zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung durch die Beklagte im Bescheid, über die aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr zu entscheiden ist.
Hiernach besteht jedenfalls dann, wenn ein unmögliches Nettoarbeitsentgelt vereinbart ist, Versicherungspflicht in der Krankenversicherung. Für die Entscheidung, ob diese Versicherungspflicht besteht, ist deshalb aus dem Nettoarbeitsentgelt unter Berücksichtigung der Steuern sowie unter Annahme von Versicherungspflicht in der Krankenversicherung und der Rentenversicherung, ferner der Beitragspflicht zur BA das Bruttoarbeitsentgelt festzustellen. Versicherungspflicht in der Krankenversicherung besteht solange, wie das auf diese Weise ermittelte Bruttoarbeitsentgelt nach Abzug des Arbeitnehmeranteils am Beitrag zur Krankenversicherung die Versicherungspflichtgrenze der Krankenversicherung nicht übersteigt.
Die vom LSG und dem Kläger für richtig gehaltene Berechnung führt demgegenüber im Ergebnis dazu, daß Arbeitgeber und Beschäftigte durch Vereinbarung eines Nettoarbeitsentgelts die Versicherungspflicht zum Nachteil der Beschäftigten beeinflussen können. Dies widerspricht dem in § 32 des Sozialgesetzbuchs - Allgemeiner Teil (SGB I) enthaltenen Verbot von Vereinbarungen zum Nachteil der Sozialleistungsberechtigten. Die Beigeladene zu 1) hätte zwar, worauf der Kläger mit Recht hinweist, durch Vereinbarung eines Arbeitsentgelts über der Versicherungspflichtgrenze bewirken können, daß sie krankenversicherungsfrei wurde. Mit dem hier tatsächlich vereinbarten Nettoarbeitsentgelt ließ sich das aber nicht erreichen, weil die Beigeladene zu 1) wirtschaftlich nicht so gestellt wurde, wie wenn sie ein Bruttoarbeitsentgelt über der Versicherungspflichtgrenze vereinbart hätte. Wie bei Vereinbarungen von Nettoarbeitsentgelt an der Geringfügigkeitsgrenze zu verfahren ist, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. dazu 2.1.4 der Geringfügigkeitsrichtlinien 1988 und 1995). Dort geht es anders als hier, wo eine Grenzüberschreitung von der Versicherungspflicht zur Versicherungsfreiheit beurteilt werden muß, um den Übergang von der Versicherungsfreiheit zur Versicherungspflicht. Soweit diese wegen Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze eintritt, trägt im übrigen zunächst der Arbeitgeber den Beitrag allein (vgl. für die Krankenversicherung § 381 Abs. 1 Satz 2 RVO, § 249 Abs. 2 Nr. 1 SGB V).
Aus den Gesetzesmaterialien ist nicht zu ersehen, daß mit Einführung des § 14 Abs. 2 SGB IV bei der Feststellung der Versicherungspflicht ein anderes Ergebnis beabsichtigt gewesen wäre. § 14 Abs. 2 SGB IV ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eingefügt worden und übernimmt nach der Begründung "die in der Praxis angewandten Grundsätze über die Berechnung des Nettoarbeitsentgelts" (BT-Drucks 7/5457 S. 4). Im vorliegenden Zusammenhang ist von jeher nach der von der Beklagten vertretenen Auffassung verfahren worden (vgl. Bescheid des Reichsversicherungsamtes vom 9. September 1941, AN 1941 II 409; Schreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 2. April 1955, BABl 1955, 255; Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 30. April 1964, Breithaupt 1964, 979). Der erkennende 12. Senat hält dieses weiterhin für zutreffend. Das Urteil des 2. Senats vom 13. Oktober 1993 (BSGE 73, 170 = SozR 3-2400 § 14 Nr. 7) enthält ebenfalls Ausführungen dazu, daß bei der Hochrechnung nur die auf den Beschäftigten konkret entfallenden Arbeitnehmeranteile zu berücksichtigen sind. Allerdings ist dort ausdrücklich nur entschieden, daß die für geringfügig Beschäftigte vom Arbeitgeber zu tragende Pauschalsteuer kein Arbeitsentgelt i.S. des § 14 Abs. 1 SGB IV ist.
Die Beklagte war nicht deshalb gehindert, die Beiträge zur Krankenversicherung zu erheben, weil sie nach der Betriebsprüfung im Jahr 1990 am 13. Dezember 1990 zunächst nur einen Bescheid über die Nacherhebung von Beiträgen für eine andere Beschäftigte erlassen hatte. Die Ausführungen des LSG hierzu sind zutreffend und vom Kläger nicht angegriffen. Die Höhe der Beiträge wird vom Kläger ebenfalls nicht beanstandet.
Hiernach war die Revision der Beklagten nur hinsichtlich der Umlage nach dem LFZG als unzulässig zu verwerfen. Im übrigen hatte sie Erfolg und führte unter Änderung der Urteile der Vorinstanzen zur Klageabweisung auch hinsichtlich der Krankenversicherung für die Jahre 1987 bis 1989.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
BSGE, 181 |
NJW 1997, 822 |
Breith. 1996, 375 |