Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Versicherungs- und Beitragspflicht. Vorstandsvorsitzender einer Aktiengesellschaft auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege oder des Gesundheitswesens. Wie-Unternehmer. keine selbständige Tätigkeit. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. keine Regelung der Versicherungspflicht im Beitragsbescheid. Begründungselement. Offenlassen des Vorliegens eines Verwaltungsakts. Geltendmachungsverzicht beider Parteien im Revisionsverfahren. sozialgerichtliches Verfahren
Leitsatz (amtlich)
Ein Vorstandsvorsitzender einer Aktiengesellschaft, die auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege oder des Gesundheitswesens tätig ist, ist nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung pflichtversichert.
Orientierungssatz
1. Vorstandsmitglieder einer AG sind in Tätigkeiten für das Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, auch wenn sie nicht am wirtschaftlichen Erfolg beteiligt sind und gegen Entgelt aufgrund eines Dienstvertrages tätig werden, keine Beschäftigten iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7, sondern werden wie selbstständige Unternehmer tätig (vgl BSG vom 14.12.1999 - B 2 U 38/98 R = BSGE 85, 214 = SozR 3-2200 § 539 Nr 48 zu § 539 Abs 1 Nr 1 RVO).
2. Dennoch sind diese wie Unternehmer tätigen Vorstandsmitglieder aber keine Unternehmer iS des § 136 Abs 3 Nr 1 SGB 7 (vgl auch BSG vom 1.2.1996 - 2 RU 7/95 = SozR 3-2200 § 723 Nr 2) und deshalb auch nicht selbst beitragspflichtige Unternehmer iS des § 150 Abs 1 S 1 SGB 7.
3. Eine "selbständige" Tätigkeit im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege iS des § 2 Abs 1 Nr 9 SGB 7 liegt bei einem als Wie-Unternehmer beschäftigten Vorstandsmitglied ebenfalls nicht vor.
4. Sollte es der Gesetzgeber für erforderlich halten, diesen Personenkreis in die Pflichtversicherung der gesetzlichen Unfallversicherung einzubeziehen, wie dies für in landwirtschaftlichen Unternehmen Tätige in § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst c SGB 7 erfolgt ist, bedürfte es hierfür einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung.
5. Werden in den Beitragsbescheiden nur die Berechnungselemente und die Beitragshöhe benannt und wird in diesem Rahmen auf die Unternehmerversicherung des Klägers verwiesen, treffen die Bescheide selbst keine Regelung über die Versicherungspflicht des Klägers, sondern führen diese lediglich als Grund für die Veranlagung und Beitragserhebung an.
6. Ob in einem Schreiben ein Verwaltungsakt liegt, kann im Revisionsverfahren dahinstehen, wenn die Vorinstanzen über eine Klage gegen den möglicherweise in diesem Schreiben enthaltenen Verwaltungsakt nicht entschieden haben, der Kläger im Revisionsverfahren keine Entscheidung hierüber begehrt und die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt haben, dass sie wechselseitig keine Rechte aus diesem Schreiben ableiten werden.
Normenkette
SGB 7 § 2 Abs. 1 Nrn. 9, 1, 5 Buchst. c; SGB 7 § 150 Abs. 1 Sätze 1-2; SGB 7 § 136 Abs. 3 Nr. 1; SGB 10 § 31; RVO § 539 Abs. 1 Nr. 1; SGG § 75 Abs. 2 Alt. 1, § 168 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 14. September 2016 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich dagegen, dass die Beklagte ihn in die "Unternehmerversicherung" aufgenommen und zur Zahlung von Beiträgen für die Jahre 2009 bis 2012 herangezogen hat.
Der Kläger ist Vorsitzender des Vorstandes einer Aktiengesellschaft (AG), deren Tätigkeitsbereich die Förderung der Altenpflege und des öffentlichen Gesundheitswesens ist. Am 30.12.2013 schrieb die Beklagte an den Kläger unter dem Betreff "Ihre Unternehmerpflichtversicherung Bestätigung der Zugehörigkeit zur Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege" und führte aus, ihre Zuständigkeit ergebe sich aus der Art der ausgeübten Tätigkeit. Für den Kläger persönlich bestehe mit Wirkung vom 1.1.2008 eine "Unternehmerpflichtversicherung". Die Beklagte veranlagte den Kläger sodann als pflichtversicherten Unternehmer für die Zeiträume 1.1.2007 bis 31.12.2012 sowie 1.1.2013 bis 31.12.2018 und forderte von ihm die Zahlung von Beiträgen für das Jahr 2009 iHv 239,89 Euro, für das Jahr 2010 iHv 243,26 Euro, für das Jahr 2011 iHv 245,50 Euro und für das Jahr 2012 iHv 246,62 Euro (Bescheide vom 30.12.2013). Der Kläger erhob Widerspruch, mit dem er ausführte, er sei weder als Selbstständiger noch unentgeltlich iS des § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII tätig. Er sei zwar berechtigt, einen Antrag auf eine freiwillige Versicherung zu stellen, stelle diesen Antrag jedoch ausdrücklich nicht. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück, weil der Kläger als unternehmerähnlich tätige Person eine selbstständige Tätigkeit iS des § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII ausübe (Widerspruchsbescheid vom 13.5.2014).
Das SG hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben (Urteil vom 18.6.2015). Zur Begründung hat es ua ausgeführt, der Kläger sei als Vorstandsmitglied einer AG kein Beschäftigter iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII bzw Wie-Beschäftigter iS des § 2 Abs 2 SGB VII, sodass die AG deshalb nicht gemäß § 150 Abs 1 S 1 SGB VII für ihn Beiträge zu entrichten habe. Er selbst habe jedoch ebenfalls keine Beiträge zu entrichten, denn er sei nicht nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII pflichtversichert, weil er nicht selbstständig tätig sei. Die Vorschrift des § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII stelle lediglich die selbstständig Tätigen unter Versicherungsschutz. Die "wie ein Unternehmer" tätigen Selbstständigen seien aber gerade nicht selbstständig tätig und gehörten daher bereits dem Wortlaut der Vorschrift nach nicht zum Kreis der Pflichtversicherten. Aus Systematik und Wortlaut des § 2 SGB VII ergebe sich, dass "wie ein Unternehmer" selbstständig Tätige den selbstständig Tätigen nur dann gleichgestellt sein sollten, wenn dies im Gesetz ausdrücklich geregelt werde. Aus § 6 Abs 1 Nr 2 SGB VII, nach dem sich Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbstständig tätig seien, auf Antrag freiwillig in der gesetzlichen Unfallversicherung versichern könnten, folge, dass diese Personen ohne entsprechende ausdrückliche gesetzliche Regelung generell versicherungsfrei seien.
Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 14.9.2016). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei als Vorstandsvorsitzender der AG in der gesetzlichen Unfallversicherung als selbstständig Tätiger nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII versichert. Jedoch habe nicht er, sondern die AG als Unternehmerin iS des § 150 Abs 1 S 1 SGB VII die Beiträge zu zahlen. Die Voraussetzungen des § 168 Abs 1 SGB VII seien nicht erfüllt, weil ein Beitragsbescheid an den Beitragspflichtigen zu richten sei, eine eigene Beitragspflicht des Klägers jedoch nicht bestehe. Der Kläger sei nicht Unternehmer iS des § 150 Abs 1 S 2 SGB VII, denn nicht ihm, sondern der AG gereiche das Ergebnis der Tätigkeit unmittelbar zum Vor- oder Nachteil. § 150 Abs 1 S 2 SGB VII sei auch nicht im Hinblick auf die Regelung des § 150 Abs 2 S 2 SGB VII entsprechend anwendbar, weil keine Regelungslücke bestehe. Freiwillig Versicherte nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VII seien mit Pflichtversicherten nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII nicht vergleichbar, weil die Pflichtversicherung nicht von einem freien Entschluss abhänge.
Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 150 Abs 1 SGB VII und des § 75 Abs 2 SGG. Der Kläger sei gemäß § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII pflichtversichert und habe für seine Pflichtversicherung selbst Beiträge zu zahlen. Soweit eine Norm über die Beitragspflicht der unternehmerähnlich selbstständig Tätigen fehle, sei § 150 Abs 1 S 2 SGB VII entsprechend anwendbar, weil eine Regelungslücke bzw ein gesetzgeberisches Versehen bestehe. Das LSG hätte von seiner Rechtsansicht her die AG beiladen müssen, weil es davon ausgegangen sei, dass die AG als Arbeitgeber der eigentliche Beitragsschuldner sei. Eine Entscheidung des Gerichts könne aber der AG und dem Kläger gegenüber nur einheitlich ergehen iS des § 75 Abs 2 SGG. Denn habe der Kläger selbst keine Beiträge gemäß § 150 Abs 1 S 2 SGB VII zu zahlen, bestehe nach § 150 Abs 1 S 1 SGB VII die Beitragspflicht der AG als Unternehmerin.
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Die Beklagte beantragt, |
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die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 14. September 2016 und des Sozialgerichts Halle vom 18. Juni 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen. |
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Der Kläger beantragt, |
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die Revision zurückzuweisen. |
Er hält das Urteil des LSG im Ergebnis für zutreffend. Als Vorstandsmitglied der AG sei er weder Selbstständiger noch Beschäftigter. Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbstständig tätig seien, seien nicht Unternehmer iS des § 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII und nicht versicherungspflichtig nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII. Aus der fehlenden Versicherungspflicht folge, dass keine Beitragspflicht bestehe.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das LSG entschieden, dass die Veranlagungs- und Beitragsbescheide vom 30.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.5.2014 aufzuheben sind, weil sie rechtswidrig sind. Der Kläger ist nicht zur Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung verpflichtet, weil er nicht Mitglied der Beklagten ist. Er ist nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII versichert.
1. Die in dem Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfenden Sachentscheidungsvoraussetzungen liegen vor. Insbesondere war die Berufung des Klägers ohne Zulassung gemäß § 143 SGG statthaft. Gegenstand der Berufung waren die Veranlagungs- und Beitragsbescheide vom 30.12.2013, die die Beitragserhebung für mehr als ein Jahr betrafen (§ 144 Abs 1 S 1 Nr 1 iVm S 2 SGG).
Im Revisionsverfahren ist über die Rechtmäßigkeit der Veranlagungsbescheide sowie der Beitragsbescheide für die Jahre 2009 bis 2012 vom 30.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.5.2014 zu entscheiden. Entgegen der Auffassung des LSG regeln diese Bescheide allerdings nicht die Versicherungspflicht des Klägers, sondern setzen sie voraus. Zur Bestimmung des objektiven Regelungsgehaltes eines Verwaltungsaktes kommt es darauf an, wie Adressaten und Drittbetroffene ihn nach Treu und Glauben verstehen mussten bzw durften. Unklarheiten gehen zulasten der Behörde (vgl BSG vom 3.4.2014 - B 2 U 25/12 R - BSGE 115, 256 = SozR 4-2700 § 136 Nr 6, RdNr 15 mwN). Der Wortlaut der Veranlagungs- und Beitragsbescheide spricht gegen eine Regelung der Versicherungspflicht des Klägers iS des § 31 SGB X. Die Veranlagungsbescheide benennen die Veranlagung zur Gefahrklasse entsprechend den jeweils geltenden im Einzelnen benannten Gefahrtarifen als Grundlage der Beitragsberechnung. In den Beitragsbescheiden werden nur die Berechnungselemente und die Beitragshöhe benannt. Soweit in den Bescheiden auf die Unternehmerversicherung des Klägers verwiesen wird, treffen sie keine Regelung über die Versicherungspflicht des Klägers, sondern führen diese lediglich als Grund für die Veranlagung und Beitragserhebung an.
Ob die Beklagte in dem nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen weiteren Schreiben vom 30.12.2013 die Versicherungspflicht des Klägers verbindlich festgestellt und der Kläger diese Regelung im Klageverfahren angefochten hat, konnte der Senat dahinstehen lassen. Die Vorinstanzen haben über eine Klage gegen den möglicherweise in diesem Schreiben enthaltenen Verwaltungsakt nicht entschieden und der Kläger hat im Revisionsverfahren keine Entscheidung hierüber begehrt. Vielmehr haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, dass sie wechselseitig keine Rechte aus diesem Schreiben ableiten werden.
2. Die Veranlagungs- und Beitragsbescheide der Beklagten vom 30.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.5.2014 sind rechtswidrig, wobei dahinstehen kann, ob der Kläger vor Erlass der Bescheide gemäß § 24 SGB X hinreichend angehört wurde, denn eine materiell-rechtliche Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung bestand für ihn ohnehin nicht. Der Kläger ist nicht nach § 150 Abs 1 S 1 SGB VII als Unternehmer beitragspflichtig, weil er kein Unternehmer ist (hierzu unter a). Der Kläger ist auch nicht selbst beitragspflichtig gemäß § 150 Abs 1 S 2 SGB VII, weil er nicht nach § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII in Verbindung mit einer Satzungsbestimmung der Beklagten versichert war bzw er sich nicht nach § 6 Abs 1 SGB VII freiwillig versichert hat. Er ist auch kein nach § 2 SGB VII versicherter Unternehmer, denn er war nicht gemäß § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII als Person, die selbstständig oder unentgeltlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig ist, pflichtversichert (hierzu unter b). Auch eine Beitragspflicht in entsprechender Anwendung des § 150 Abs 1 S 2 SGB VII scheidet aus (hierzu unter c).
a) Gemäß § 150 Abs 1 S 1 SGB VII sind beitragspflichtig die Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen. Unternehmer ist gemäß § 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Zu dem Personenkreis der Unternehmer iS des § 150 Abs 1 S 1 SGB VII gehört der Kläger nicht. Er war nach den nicht mit zulässigen und begründeten und damit den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) als Vorstandsvorsitzender einer AG tätig. Unternehmer einer juristischen Person ist jedoch diese selbst, nicht aber das sie vertretende Organ (vgl zB BSG vom 25.10.1989 - 2 RU 12/89 - USK 8998).
Vorstandsmitglieder einer AG sind in Tätigkeiten für das Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, auch wenn sie nicht am wirtschaftlichen Erfolg beteiligt sind und gegen Entgelt aufgrund eines Dienstvertrages tätig werden, keine Beschäftigten iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII, sondern werden wie selbstständige Unternehmer tätig (vgl BSG vom 14.12.1999 - B 2 U 38/98 R - BSGE 85, 214 = SozR 3-2200 § 539 Nr 48 zu § 539 Abs 1 Nr 1 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫). Dennoch sind diese wie Unternehmer tätigen Vorstandsmitglieder aber keine Unternehmer iS des § 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII (vgl auch BSG vom 1.2.1996 - 2 RU 7/95 - SozR 3-2200 § 723 Nr 2) und deshalb auch nicht selbst beitragspflichtige Unternehmer iS des § 150 Abs 1 S 1 SGB VII.
b) Die Voraussetzungen einer Beitragspflicht des Klägers nach § 150 Abs 1 S 2 SGB VII sind ebenfalls nicht erfüllt. Nach § 150 Abs 1 S 2 SGB VII sind selbst beitragspflichtig auch die nach § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII und § 6 Abs 1 SGB VII Versicherten sowie die nach § 2 SGB VII versicherten Unternehmer. Der Kläger ist kein Unternehmer, der nach § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII aufgrund einer Regelung in der Satzung der Beklagten pflichtversichert ist. Ebenfalls hat er sich nicht nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VII freiwillig versichert, einen solchen freiwilligen Beitritt vielmehr ausdrücklich abgelehnt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Kläger auch kein nach § 2 SGB VII versicherter Unternehmer iS des § 150 Abs 1 S 2 SGB VII. Der Kläger ist bereits kein Unternehmer, sondern als Vorstand einer AG lediglich wie ein Unternehmer tätig. Er ist entgegen der Auffassung des LSG und der Beklagten auch nicht nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII versichert. Nach der hier allein als Versicherungstatbestand in Betracht kommenden Vorschrift des § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII sind in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert Personen, die selbstständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind. Der Kläger gehört nicht zu diesem Personenkreis. Er ist nicht unentgeltlich, sondern als Vorstandsvorsitzender einer AG, deren Tätigkeitsbereich die Förderung der Altenpflege und des öffentlichen Gesundheitswesens durch den Betrieb von Einrichtungen der Altenhilfe sowie der Erbringung ambulanter Pflegeleistungen ist, im Gesundheitswesen bzw in der Wohlfahrtspflege aufgrund eines Dienstvertrages tätig. Er ist damit zwar "wie ein Unternehmer", jedoch nicht selbstständig iS des § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII tätig. Selbstständig tätig sind in Abgrenzung zu abhängig Beschäftigten Unternehmer, denen das Ergebnis des Unternehmens, für das sie tätig sind, unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht (vgl § 136 Abs 3 Nr 1 SGB VII; hierzu etwa BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 3/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 18 RdNr 17 - selbstständige Tagesmutter iS des § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII). Der Kläger ist aufgrund eines Dienstvertrages mit festem Gehalt tätig, ihm gereicht das wirtschaftliche Ergebnis seiner AG gerade nicht unmittelbar zum Vorteil.
Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten kann der Kläger auch nicht als "wie ein Unternehmer Tätiger" entsprechend unter den Versicherungstatbestand des § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII subsumiert werden. Dies folgt zum einen schon aus dem Wortlaut des § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII, der ausdrücklich nur auf Personen abstellt, die "selbstständig" oder "unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich" tätig sind. Die Entstehungsgeschichte des § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII bestätigt vielmehr, dass der Personenkreis der lediglich wie Unternehmer Tätigen gerade nicht zu den nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII versicherten selbstständig tätigen Personen gehören sollte. Den Gesetzesmaterialien zu § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII ist zu entnehmen, dass mit dieser Vorschrift der Regelungsgehalt des § 539 Abs 1 Nr 7 RVO übernommen und klargestellt werden sollte, dass ergänzend zu § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII nur die selbstständig oder unentgeltlich Tätigen von § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII erfasst werden, weil die Beschäftigten bereits nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versichert sind (vgl Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum UVEG, BT-Drucks 13/2204 S 75). Dass neben den unentgeltlich Tätigen und den als Unternehmer Selbstständigen die lediglich "wie Unternehmer" Tätigen von der Norm mit erfasst werden sollten, kann hieraus nicht geschlossen werden. Der Personenkreis der "wie ein Unternehmer Tätigen" ist in der gesetzlichen Unfallversicherung sowohl nach den Regelungen der früheren RVO als auch nach den nunmehr geltenden Vorschriften des SGB VII nicht den selbstständigen Unternehmern gleichgestellt worden.
Dies wird bestätigt durch die vom Gesetzgeber vorgenommenen Änderungen der § 539 Abs 1 Nr 5 RVO und § 545 Abs 1 RVO durch das Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) vom 25.7.1991 (BGBl I 1606), deren Regelungsgehalt später in § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst c SGB VII und § 6 Abs 1 Nr 2 SGB VII übernommen wurde, worauf schon das SG zutreffend hingewiesen hat. Durch § 539 Abs 1 Nr 5 RVO und § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst c SGB VII sind Personen, die in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie ein Unternehmer selbstständig tätig sind, in die Pflichtversicherung der landwirtschaftlichen Unternehmer einbezogen worden. Der Gesetzgeber hat dabei die Formulierung "wie Unternehmer selbständig tätig" ausdrücklich auf den Regelungsgehalt des § 539 Abs 1 Nr 5 RVO - heute § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst c SGB VII - beschränkt. Dem Personenkreis der in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie ein Unternehmer selbstständig Tätigen ist nach § 545 Abs 1 Nr 2 RVO - heute § 6 Abs 1 Nr 2 SGB VII - hingegen lediglich die Möglichkeit eröffnet worden, sich freiwillig in der gesetzlichen Unfallversicherung zu versichern. Dieser Regelungen hätte es nicht bedurft, wenn Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bereits nach § 539 Abs 1 Nr 5 RVO aF und § 545 Abs 1 RVO aF auch für die wie Unternehmer Tätigen bestanden hätte, weil sie den Unternehmern gleichgestellt gewesen wären. Dies war jedoch gerade nicht der Fall (vgl BSG vom 1.2.1996 - 2 RU 7/95 - SozR 3-2200 § 723 Nr 2).
Durch das RÜG sollte nur den in einem landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform der Kapital- oder Personenhandelsgesellschaft regelmäßig wie ein Unternehmer selbstständig Tätigen der Zugang zur Pflichtversicherung ermöglicht werden. Den übrigen in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie ein Unternehmer selbstständig Tätigen wurde lediglich die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung eröffnet (vgl auch BT-Drucks 12/405 S 153 Zu Nr 2). Eine besondere Schutzbedürftigkeit, der durch eine Pflichtversicherung Rechnung zu tragen ist, hat der Gesetzgeber mithin nur bei den in landwirtschaftlichen Unternehmen Tätigen im Hinblick auf die bestehenden Strukturen der Landwirtschaft im Beitrittsgebiet erkannt. Weitere Versicherungstatbestände für wie Unternehmer Tätige hat er nicht vorgesehen und diese auch nicht generell mit selbstständigen Unternehmern gleichgestellt. So hat er auch keine Möglichkeit geschaffen, diesen Personenkreis gemäß § 3 SGB VII durch Satzung in die Pflichtversicherung einzubeziehen. Vielmehr hat er für diese Gruppe allein die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung nach § 545 RVO - jetzt § 6 Abs 1 Nr 2 SGB VII - eröffnet, die der Kläger hier ausdrücklich ablehnt.
Der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang und dem Wortlaut der Regelungen in § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII (im Gegensatz gerade zur Formulierung in § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst c SGB VII) und § 6 Abs 1 Nr 2 SGB VII sowie den Gesetzesmaterialien zum RÜG den eindeutigen Willen des Gesetzgebers, dass für die Gruppe der in Kapitalunternehmen "wie Unternehmer Tätigen" lediglich die Möglichkeit bestehen soll, der gesetzlichen Unfallversicherung freiwillig beizutreten. Sollte es der Gesetzgeber für erforderlich halten, diesen Personenkreis, zu dem der Kläger, aber auch zB als Geschäftsführer und Alleingesellschafter einer GmbH wie ein Unternehmer Tätige gehören, in die Pflichtversicherung der gesetzlichen Unfallversicherung einzubeziehen, wie dies für in landwirtschaftlichen Unternehmen Tätige in § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst c SGB VII erfolgt ist, bedürfte es hierfür einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Denn hält der Gesetzgeber aus Gründen der Schutzbedürftigkeit eine Zwangsmitgliedschaft dieser Personengruppe für erforderlich, so müsste hierfür - etwa durch eine Ergänzung bzw Klarstellung des Wortlauts des § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII - eine für den damit verbundenen Eingriff in die durch Art 2 Abs 1 GG geschützte Handlungsfreiheit ausreichende Rechtsgrundlage erst geschaffen werden.
c) Eine Beitragspflicht des Unternehmens des Klägers oder des Klägers persönlich folgt entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 150 Abs 1 S 1 und 2 SGB VII "im Lichte des § 150 Abs 2 S 2 SGB VII". Die für eine analoge Anwendung erforderliche "unbewusste" Regelungslücke des Gesetzgebers besteht nicht. Vielmehr geht der Gesetzgeber in § 150 Abs 1 SGB VII insofern von einem schlüssigen Regelungskonzept aus. Hinsichtlich der versicherten Beschäftigten einer juristischen Person regelt § 150 Abs 1 S 1 SGB VII die Beitragspflicht so, dass die juristische Person als Unternehmerin zur Zahlung der Beiträge verpflichtet ist. Nach § 150 Abs 1 S 2 SGB VII wäre der Kläger selbst beitragspflichtig, wenn er sich freiwillig gemäß § 6 Abs 1 Nr 2 SGB VII versichert hätte oder ein nach § 2 SGB VII versicherter Unternehmer wäre. Da nach dem Wortlaut und Sinn und Zweck des § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII der Kläger - wie ausgeführt - keiner Versicherungspflicht unterliegt, bedurfte es insoweit keiner gesonderten Regelung einer Beitragspflicht. Der Gesetzgeber stellt für die Personengruppe des Klägers den Unfallversicherungsschutz in dessen Entscheidungsfreiheit (§ 6 Abs 1 Nr 2 SGB VII). Angesichts der typisiert unterstellten geringen Schutzbedürftigkeit der Personengruppe des Klägers besteht insofern auch keine Notwendigkeit zu einer entsprechenden Anwendung der Norm des § 150 Abs 1 SGB VII aus übergeordneten, verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten. Der Senat weist allerdings darauf hin, dass der Kläger damit aber auch im Falle eines Unfalls im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht.
4. Der Senat konnte auch abschließend in der Sache entscheiden, obwohl die AG nicht beigeladen worden ist. Das Verfahren vor dem LSG leidet entgegen der Ansicht der Beklagten nicht an einem im Revisionsverfahren fortwirkenden Verfahrensmangel aufgrund eines Verstoßes gegen § 75 Abs 2 Alt 1 SGG, der in der Revisionsinstanz nicht beseitigt werden könnte (vgl § 168 S 1 SGG). Gemäß § 75 Abs 2 Alt 1 SGG sind Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, zu dem Verfahren beizuladen. Die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung ist stets dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über das strittige Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre eines Dritten unmittelbar eingegriffen wird (BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 18). Der Senat konnte dahinstehen lassen, ob hier eine notwendige Beiladung gemäß § 75 Abs 2 SGG durch das LSG hätte erfolgen müssen, was aufgrund dessen Rechtsansicht zur Beitragspflicht der AG möglicherweise geboten gewesen wäre. Die AG ist jedoch - wie oben ausgeführt - unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt Beitragsschuldnerin gemäß § 150 Abs 1 SGB VII, weil der Kläger nicht ihr Beschäftigter iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII war und auch eine Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII ausscheidet. Einer Aufhebung und Zurückverweisung wegen einer unterlassenen notwendigen Beiladung bedarf es nicht, wenn sich im Revisionsverfahren ergibt, dass die zu treffende Entscheidung aus Sicht des Revisionsgerichts den potenziell Beizuladenden in keiner Weise benachteiligt (vgl BSG vom 24.10.2013 - B 13 R 35/12 R - SozR 4-2600 § 118 Nr 12). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG. Der Kläger führt den Rechtsstreit in seiner Eigenschaft als von der Beklagten zur Beitragszahlung in Anspruch genommener Versicherter iS des § 183 S 1 SGG. Er ist kein Unternehmer, der nicht kostenprivilegiert iS des § 183 SGG wäre (vgl dazu zB BSG vom 5.3.2018 - B 2 U 353/07 B - LSV RdSchr V 32/2008 und vom 17.5.2011 - B 2 U 18/10 R - BSGE 108, 194 = SozR 4-2700 § 6 Nr 2, RdNr 63). Der Kläger wurde von der Beklagten auch nicht als Unternehmer, sondern lediglich als nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII wie ein Unternehmer tätiger Versicherter zur Beitragszahlung herangezogen.
Fundstellen
Haufe-Index 11864737 |
BSGE 2019, 219 |
DStR 2018, 2585 |