Entscheidungsstichwort (Thema)
Einnahmen zum Lebensunterhalt. Zweckbestimmung der Beschädigten-Grundrente/Hinterbliebenen-Grundrente
Orientierungssatz
1. Einnahmen zum Lebensunterhalt iS von RVO § 180 Abs 4 sind alle wiederkehrenden Bezüge und geldwerten Zuwendungen - unvermindert um gesetzliche Abzüge, zB die Einkünfte, die ein Unternehmer aus seinem Geschäftsbetrieb zur Bestreitung des Lebensunterhalts für sich und seine Familie erzielt oder entnimmt, Einnahmen aus Kapitalvermögen, den Zahlbetrag von Leibrenten sowie Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem BSHG.
Zweckbestimmte Zuwendungen, die lediglich einen besonderen schädigungs- oder behinderungsbedingten Mehraufwand abdecken sollen, sind jedoch nicht geeignet, die allgemeine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des betroffenen Versicherten gegenüber einem gesunden Versicherten zu verbessern. Solche Zuwendungen sind deshalb dem Grundlohn eines freiwilligen Mitglieds ebensowenig zuzurechnen wie dem Grundlohn eines anderen Mitglieds der gesetzlichen Krankenversicherung.
2. Der Beschädigten-Grundrente der KOV ist nicht die Aufgabe zugedacht, den allgemeinen Lebensunterhalt des Beschädigten und seiner Familie sicherzustellen; sie soll vielmehr eine Entschädigung für die körperliche Beeinträchtigung sein und Mehraufwendungen und Ausgaben, die ein gesunder Mensch nicht hat, oder den Ausfall von wirtschaftlichen Vorteilen aus einer Betätigung außerhalb des Berufes unabhängig von sonstigen Einkommen ausgleichen.
Sie ist daher keine Einnahme zum Lebensunterhalt iS von RVO § 180 Abs 4.
3. Es bleibt unentschieden, ob die Grundrente eines Hinterbliebenen ebenfalls keine Einnahme zum Lebensunterhalt iS des RVO § 180 Abs 4 ist. Es ist nicht zwingend, die Grundrenten der Beschädigten und der Hinterbliebenen in dieser Hinsicht gleich zu behandeln. Die Hinterbliebenen-Grundrente dient zumindest nicht in gleicher Weise wie die Beschädigten-Grundrente dem Zweck, einen schädigungsbedingten Mehrbedarf auszugleichen.
Normenkette
RVO § 180 Abs. 4 S. 1 Fassung: 1977-06-27; BVG § 31 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20
Verfahrensgang
SG Darmstadt (Entscheidung vom 29.11.1979; Aktenzeichen S 4 Kr 61/79) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei einem freiwilligen Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung die wegen einer Kriegsbeschädigung gewährte Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) als Grundlohn zu berücksichtigen ist.
Der Kläger, bei der beklagten Krankenkasse freiwillig versichert, bezieht eine Beschädigten-Grundrente aus der Kriegsopferversorgung. Unter Berücksichtigung dieser Rente als Grundlohn erhöhte die Beklagte den Krankenversicherungsbeitrag für die Zeit ab 1. Juni 1979. Dem Widerspruch des Klägers half die Beklagte nicht ab.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides verurteilt, den Krankenversicherungsbeitrag des Klägers ohne Anrechnung der Grundrente festzustellen. Zweckgebundene Zuwendungen (zB Schwerstbeschädigtenzulage, Blindenzulage und Pflegegeld) gehörten nicht zu den "Einnahmen zum Lebensunterhalt" iS des § 180 Abs 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Auch die Grundrente nach dem BVG diene nicht der Sicherstellung des Lebensunterhalts, sie bezwecke vielmehr, den vermehrten wirtschaftlichen Bedürfnissen, die Kriegsbeschädigte gegenüber Gesunden hätten, pauschal gerecht zu werden. Sie sei auch ein Ausgleich für den immateriellen Schaden. Die Zweckgebundenheit der Grundrente, nämlich den materiellen und ideellen Mehraufwand der Kriegsbeschädigten abzudecken, sei so stark, daß sie auch im privaten Unterhaltsrecht beachtet werde (OLG Stuttgart, Behindertenrecht, 1979, 84 ff).
Zur Begründung der dagegen eingelegten Sprungrevision macht die Beklagte geltend: Einnahmen zum Lebensunterhalt seien auch Leibrenten. Dazu gehörten die Grundrenten nach dem BVG. Der Begriff des Lebensunterhalts erstrecke sich auch auf besondere persönliche Bedürfnisse, wie sie sich zB aus Jugend, Alter und Wachstum ergäben, sowie die Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben. Sinn der mit Wirkung vom 1. Juli 1977 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelung (Wegfall des § 313a RVO und Neufassung des § 180 Abs 4 RVO) sei es, alle diejenigen Einnahmen zur Grundlohnermittlung heranzuziehen, über die der Versicherte tatsächlich verfüge. Dabei spiele es keine Rolle, ob diese Einnahmen steuerpflichtig oder steuerfrei seien und ob sie sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt darstellen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom
29. November 1979 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten kostenpflichtig
zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision der Beklagten ist unbegründet.
Das SG hat zutreffend entschieden, daß die Beschädigten-Grundrente nach dem BVG in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht dem Grundlohn eines freiwillig Versicherten hinzugerechnet werden darf. Für die versicherungspflichtigen Mitglieder ergibt sich das eindeutig aus dem Gesetz. Der Grundlohn, nach dem sowohl die baren Leistungen der Kassen, mit Ausnahme des Krankengeldes, als auch die Beiträge zur Krankenversicherung bemessen werden (§ 180 Abs 1 Satz 2 und § 385 Abs 1 Satz 1 Halbs 1 RVO), ist gemäß der allgemeinen gesetzlichen Regelung lediglich aus dem Arbeitsentgelt des Versicherten zu ermitteln (§ 180 Abs 1 Satz 2 RVO). Die Sonderregelungen für bestimmte Gruppen von Pflichtmitgliedern lassen es ebenfalls nicht zu, die Beschädigten-Grundrente der KOV in den Grundlohn einzubeziehen (vgl zB § 180 Abs 1a, Abs 3a und Abs 3b, § 385 Abs 2 RVO, § 4 des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter). Obwohl die Regelung für die freiwillig Versicherten nicht in gleicher Weise eindeutig ist, kann aus ihr nicht gefolgert werden, daß sich der Grundlohn dieser Versicherten auch auf die Beschädigten-Grundrente erstreckt.
Nach § 180 Abs 4 Satz 1 RVO in der ab 1. Juli 1977 geltenden und daher hier anzuwendenden Fassung (Art 1 § 1 Nr 5 des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes -KVKG- vom 27. Juni 1977, BGBl I 1069) sind bei freiwillig Versicherten neben dem Arbeitsentgelt auch die "sonstigen Einnahmen zum Lebensunterhalt" zu berücksichtigen. Was zu diesen Einnahmen zählt, wird im Gesetz selbst nicht näher erläutert. Die Gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung im Sozialgesetzbuch vom 23. Dezember 1976 -SGB IV- (BGBl I 3845) enthalten insoweit keine Begriffsbestimmung. Ihnen ist nur zu entnehmen, daß sich der Grundlohn eines freiwillig Versicherten nicht nur aus Einkünften iS des Einkommensteuerrechts ergibt; diese Einkünfte sind in § 16 SGB IV unter dem Begriff des Gesamteinkommens zusammengefaßt, bei der Neufassung des § 180 Abs 4 RVO durch das erst nach dem SGB IV erlassenen KVKG ist aber der Begriff des Gesamteinkommens bewußt nicht verwendet worden. Die Neufassung des § 180 Abs 4 RVO geht auf einen Vorschlag des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung zurück, wobei der Ausschuß zur Erläuterung ausgeführt hat, daß mit dem hier verwendeten Begriff der Einnahmen alle wiederkehrenden Bezüge und geldwerten Zuwendungen - unvermindert um gesetzliche Abzüge - gemeint sind, zB die Einkünfte, die ein Unternehmer aus seinem Geschäftsbetrieb zur Bestreitung des Lebensunterhalts für sich und seine Familie erzielt oder entnimmt, Einnahmen aus Kapitalvermögen, den Zahlbetrag von Leibrenten sowie Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz -BSHG- (BT-Drucks 8/338 S 60). Diese Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren bestätigen, worauf bereits der Wortlaut des Gesetzes ("Einnahmen zum Lebensunterhalt") hinweist, daß sich der Grundlohn eines freiwillig Versicherten nicht auf die Einkünfte iS des Einkommensteuerrechts beschränkt. Dem Gesetzeswortlaut ist aber andererseits auch zu entnehmen, daß nicht alle Einnahmen, sondern nur solche dem Grundlohn zuzurechnen sind, die dem Versicherten zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zufließen. Aus dieser Zweckbestimmung ergibt sich zunächst, daß als Grundlohn nur Einnahmen in Betracht kommen, die für den Lebensunterhalt zur Verfügung stehen.
Dem gesetzlichen Zusammenhang und der Bedeutung des Grundlohns ist ferner zu entnehmen, daß § 180 Abs 4 RVO nur Einnahmen erfaßt, die für den allgemeinen Lebensunterhalt bestimmt sind, nicht dagegen solche, die einen besonderen schädigungs- oder behinderungsbedingten Mehrbedarf abdecken sollen. Dafür spricht schon der gesetzliche Bezug zum Arbeitsentgelt. Die Krankenversicherungspflicht wird im Regelfall durch eine versicherungspflichtige Beschäftigung begründet. Der Grundlohn beschränkt sich dann auf das Arbeitsentgelt. Die freiwillige Krankenversicherung setzt ein Arbeitsentgelt nicht voraus; für sie bedurfte es daher einer ergänzenden Regelung. Die bei der freiwilligen Versicherung dem Grundlohn zuzurechnenden "sonstigen Einnahmen zum Lebensunterhalt" treten an die Stelle des fehlenden Arbeitsentgelts. Da das Arbeitsentgelt im Gegensatz zu zweckbestimmten Sozialleistungen, die einen besonderen Mehrbedarf abdecken, den allgemeinen Lebensunterhalt sicherstellt, ist die Schlußfolgerung gerechtfertigt, unter den in § 180 Abs 4 RVO dem Arbeitsentgelt gleichgestellten sonstigen Einnahmen nur solche zu verstehen, die dem allgemeinen Lebensunterhalt zur Verfügung stehen. Dieses Ergebnis wird auch der Bedeutung des Grundlohnes als Maßstab der Beitragsverpflichtung gerecht. Nach dem die gesetzliche Krankenversicherung beherrschenden Solidaritätsprinzip sind die finanziellen Lasten der Versichertengemeinschaft von den Mitgliedern entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu tragen. Zweckbestimmte Zuwendungen, die lediglich einen besonderen schädigungs- oder behinderungsbedingten Mehraufwand abdecken sollen, sind jedoch nicht geeignet, die allgemeine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des betroffenen Versicherten gegenüber einem gesunden Versicherten zu verbessern. Solche Zuwendungen sind deshalb dem Grundlohn eines freiwilligen Mitglieds ebensowenig zuzurechnen wie dem Grundlohn eines anderen Mitglieds der gesetzlichen Krankenversicherung.
Der Beschädigten-Grundrente der KOV ist nicht die Aufgabe zugedacht, den allgemeinen Lebensunterhalt des Beschädigten und seiner Familie sicherzustellen. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll sie vielmehr eine Entschädigung für die körperliche Beeinträchtigung sein und Mehraufwendungen und Ausgaben, die ein gesunder Mensch nicht hat, oder den Ausfall von wirtschaftlichen Vorteilen aus einer Betätigung außerhalb des Berufes unabhängig von sonstigen Einkommen ausgleichen (vgl Begründung zum Bundesversorgungsgesetz vom 20. Dezember 1950 in BT-Drucks I/1333 S 43, 45 und 56; Begründung zum Entwurf eines Kriegsopfer-Neuregelungsgesetzes in BT-Drucks III/1239 S 21). Im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens zum 2. Neuordnungsgesetz vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85) hat der Deutsche Bundestag einem Entschließungsantrag zugestimmt, wonach die wesentliche Funktion der Grundrenten des BVG in der Abgeltung des Mehraufwandes zu sehen ist, der den Beschädigten als Folge der Schädigung und den Hinterbliebenen als Folge des Verlustes des Ernährers in allen Lebenslagen erwächst (BT-Drucks IV/1831 S 13). Den allgemeinen Lebensunterhalt sollen, soweit nicht durch das sonstige Einkommen sichergestellt, andere Versorgungsbezüge gewährleisten (BT-Drucks I/1333 S 45 und III/1239 S 21). Ursprünglich waren hierfür nur die Ausgleichsrente und die Familienzuschläge vorgesehen (§§ 32 ff, 41 und 47 BVG), später sind als zusätzliche einkommensabhängige Versorgungsleistungen der Berufsschadensausgleich für den Beschädigten (§ 30 Abs 3 und 4 BVG) und der Schadensausgleich für die Witwe (§ 40a BVG) hinzugekommen. Die Grundrente wird gemäß ihrer besonderen Zweckbestimmung ohne Rücksicht auf sonstige Einkommen gewährt und bei zahlreichen Sozialleistungen, welche Unterhaltsfunktionen haben, von einer Anrechnung ausgenommen (zB § 25d Abs 1 Satz 2 BVG, § 76 Abs 1 Bundessozialhilfegesetz, § 138 Abs 3 Nr 5 Arbeitsförderungsgesetz, § 14 Abs 1 Nr 6 und 7 Wohngeldgesetz, § 21 Abs 4 Nr 1 Berufsausbildungsförderungsgesetz und § 267 Abs 2 Nr 2 Buchst a Lastenausgleichsgesetz; BT-Drucks I/1333, III/1239 u IV/1831 aaO). Eine unterschiedliche Behandlung erfahren die Grundrenten beim Berufsschadensausgleich; die Grundrente des Beschädigten wird seinem den Ausgleichsbetrag mindernden Einkommen nicht hinzugerechnet, dagegen wird die Grundrente der Witwe als Einkommen berücksichtigt (§ 30 Abs 4, § 40a Abs 2 BVG). Der erkennende Senat geht deshalb mit dem 5. Senat des BSG (BSGE 40, 225, 227 = SozR 2200 § 1265 Nr 8) davon aus, daß die Beschädigten-Grundrente nicht dem Zweck dient, den allgemeinen Unterhaltsbedarf des Beschädigten zu decken. Dem steht nicht entgegen, daß die Beschädigten-Grundrente zum Erwerb oder zur wirtschaftlichen Stärkung eigenen Grundbesitzes ganz oder teilweise kapitalisiert werden kann (§ 72 ff BVG). Es handelt sich hier um eine Vergünstigung, die geeignet ist, die Benachteiligung des Kriegsbeschädigten im sozialen und persönlichen Bereich zu mildern. Aus dieser Vergünstigung kann nicht auf eine Unterhaltsfunktion der Grundrente geschlossen werden. Wäre die Grundrente eine Leistung, die den allgemeinen Lebensbedarf sicherstellen soll, so könnte dies gerade dafür sprechen, eine Kapitalisierung nicht zu gewähren.
Trotz ihrer eindeutigen Zweckbestimmung wird die Beschädigten-Grundrente aber nicht stets außer Betracht gelassen, soweit es im Sozialleistungsbereich auf die Einnahmen zum Lebensunterhalt ankommt. Sie wird jedoch diesen Einnahmen in der Regel nur dann zugerechnet, wenn auch die schädigungsbedingten Mehraufwendungen auf der Bedarfsseite Berücksichtigung finden. Eine solche korrespondierende Berücksichtigung hat das BSG für rechtens gehalten, soweit die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Sozialleistungsberechtigten von Bedeutung gewesen sind. So hat es entschieden, daß bei der Beurteilung der Frage, ob die Rückforderung einer zu Unrecht gezahlten Rente nach § 47 Abs 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes-KOV wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Versorgungsberechtigten vertretbar ist, die Versorgungsgrundrente auf der Einkommensseite ebenso zu berücksichtigen ist, wie auf der Gegenseite die besonderen Aufwendungen des Versorgungsberechtigten (BSGE 21, 27, 32). Bei der Prüfung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenrente nach § 1265 Satz 1 RVO hat das BSG einen Unterhaltsanspruch nach dem Ehegesetz verneint, weil die Frau ihren angemessenen Unterhalt aus der Grund- und Ausgleichsrente nach dem BVG bestreiten konnte; es ist allerdings auch hier davon ausgegangen, daß bei der Bemessung des angemessenen Lebensbedarfs die schädigungsbedingten Mehraufwendungen zu berücksichtigen sind (BSGE 40, 225, 227). In weiteren Entscheidungen hat das BSG die Versorgungsbezüge ebenfalls einschließlich der Grundrente als Einkünfte für den Familienunterhalt iS des § 1266 Abs 1 RVO gewertet, dabei aber darauf hingewiesen, daß die Grundrente auch wegen der wirtschaftlichen Folgen der erlittenen Schädigungen gewährt wird und nach § 54 Abs 3 Nr 1 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil (SGB I) wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche grundsätzlich gepfändet werden kann (SozR 2200 § 1266 RVO Nr 6 mwN). Hier werden also ebenfalls die wirtschaftlichen Folgen der Schädigung in die unterhaltsrechtliche Prüfung einbezogen. Sie sind ferner von Belang für die Frage, ob die Pfändung einer Rente zulässig ist (§ 54 Abs 3 Nr 1 SGB I iVm §§ 850 ff der Zivilprozeßordnung; § 54 Abs 2 und Abs 3 Nr 2 SGB I; zur Pfändbarkeit einer Grundrente vgl BSGE 48, 217 ff = SozR 1200 § 54 SGB I Nr 3 sowie BT-Drucks 7/868 S 32). Diese Rechtsprechung stellt somit auf die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Versorgungsberechtigten ab, also auch auf den schädigungsbedingten Mehrbedarf einerseits und auf die wegen dieses Mehrbedarfs gewährte Beschädigten-Grundrente andererseits. Die Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse bei der Beurteilung der unterhaltsrechtlichen Vorfragen im Rahmen der §§ 1265, 1266 RVO zeigt sich besonders deutlich bei der ebenfalls vom BSG als rechtmäßig angesehenen Zurechnung des Blindengeldes zu dem Familienunterhalt dienenden Einnahmen (SozR 2200 § 1266 RVO Nr 7). An diese Rechtsprechung knüpfte der 11. Senat des BSG an, der die Grundrente zu den Nebeneinkünften eines landwirtschaftlichen Unternehmers iS des § 2 Abs 1 Nr 2 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte in der bis 30. Juni 1980 geltenden Fassung zählte (SozR 5420 § 2 KVLG Nr 8; Urteil vom 10. September 1980 - 11 RK 1/80 -). Nach Hinweis darauf, daß die Anrechnung von Einkommen stets von der jeweiligen Vorschrift her zu bestimmen ist, entnimmt der 11. Senat dem Wortlaut und dem Sinn des § 2 KVLG aF, daß hier alle Einnahmen, die zur Deckung des Lebensbedarfs eingesetzt werden können, zu berücksichtigen sind, zB auch der Pauschbetrag für Kleiderverschleiß (Urteil vom 10. September 1980 aaO).
Eine so umfassende Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse ist bei der Festsetzung des Grundlohnes eines freiwillig Versicherten nicht gerechtfertigt. Das hat der erkennende Senat bereits wiederholt zu § 313a RVO entschieden. Diese Vorschrift, die durch die Neufassung des § 313 RVO bedeutungslos geworden und daher weggefallen ist (Art 1 § 1 Nr 24 KVKG), sah die Neueinstufung eines freiwillig Weiterversicherten entsprechend seinen Einkommensverhältnissen vor, die Versetzung in eine höhere Klasse oder Stufe jedoch nur, wenn die bisherigen Beiträge des Versicherten in einem erheblichen Mißverhältnis zu seinem Gesamteinkommen und zu den ihm im Krankheitsfall zu gewährenden Kassenleistungen standen. Unter den "Einkommensverhältnissen" und dem gleichbedeutenden "Gesamteinkommen" iS dieser Vorschrift (nicht iS des jetzt geltenden § 16 SGB IV, der eine andere Bedeutung hat!) verstand der Senat zwar die gesamte wirtschaftliche Lage des Versicherten, jedoch mit der Einschränkung, daß die besonderen Verhältnisse des Versicherten nur insoweit zu berücksichtigen waren, als nach Gesetz oder Satzung solche Besonderheiten Unterschiede in der Beitragshöhe zur Folge hatten (BSGE 37, 127, 129 = SozR 2200 § 313a RVO Nr 1 mwN). Insbesondere durfte nach Auffassung des Senats weder der Gesundheitszustand noch der Familienstand berücksichtigt werden, weil sich diese Verhältnisse gemäß dem Solidaritätsprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nicht in der Beitragsbemessung niederschlagen (BSGE aaO; vgl auch die damit übereinstimmenden Entscheidungen anderer Senate des BSG: BSGE 42, 49 ff = SozR 2200 § 313a Nr 3; SozR 2200 § 313a Nr 6). Gleiches muß auch für § 180 Abs 4 Satz 1 RVO nF gelten, der nun den Grundlohn und damit auch die Beitragsverpflichtung für alle freiwillig Versicherten regelt und für die freiwillig Weiterversicherten an die Stelle des § 313a RVO getreten ist (BSG SozR 2200 § 180 RVO Nr 4). Daraus folgt für den vorliegenden Fall, daß die schädigungsbedingten Mehraufwendungen nicht die für die Beitragsverpflichtung (die Grundlohnhöhe) maßgebende wirtschaftliche Lage des Versicherten mitbestimmen, denn die Kriegsbeschädigung ist nach dem Gesetz ohne Einfluß auf die Beitragshöhe. Dann ist es aber auch nicht gerechtfertigt, die dem Versicherten zum Ausgleich der schädigungsbedingten Mehraufwendungen zufließenden Leistungen dem Grundlohn zuzurechnen.
Die Spitzenverbände der Krankenkassen vertreten im Grundsatz keine abweichende Ansicht. In ihrem gemeinsamen Rundschreiben vom 27. Mai 1980 (DOK 1980, 625) beschreiben sie die "Einnahmen zum Lebensunterhalt" als Einnahmen, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts bestimmt sind. Zu diesen Einnahmen rechnen sie nicht die Bezüge aus öffentlichen Mitteln, die wegen eines krankheitsbedingten, behinderungsbedingten oder aus anderen Gründen unabweisbaren Mehrbedarfs gewährt werden, zB Pflegegeld und Pflegezulage, Mehrbedarfszulagen nach dem Bundessozialhilfegesetz, Diätzulagen, Blindenhilfe, Kleiderverschleißpauschale nach dem BVG, Leistungen nach dem Gesetz über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder". Dagegen zählen sie die Beschädigten-Grundrente dazu, weil das BSG diese Renten - ungeachtet ihrer besonderen Zweckbestimmung und ihrer Nichtanrechnung auf sonstiges Einkommen und andere Sozialleistungen - als Einnahmen für den Lebensunterhalt der Familie gewertet habe (vgl Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 28./30. August 1978 in DOK 1979, 111). Sie nehmen dabei Bezug auf die Rechtsprechung des BSG zu § 1266 RVO, die aber, wie dargelegt, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten in einem umfassenderen Sinne, als es bei § 180 Abs 4 Satz 1 RVO zulässig ist, zu berücksichtigen hatte.
Eine Berücksichtigung der Beschädigten-Grundrente bei der Ermittlung des Grundlohnes nach § 180 Abs 4 RVO ist schließlich auch dann nicht gerechtfertigt, wenn man statt auf die Zweckbestimmung auf die Verwendung der Grundrente abstellt. Dabei kann es jedoch weder auf die tatsächliche Verwendung im Einzelfall noch auf die abstrakte Verwendungsmöglichkeit ankommen. Die Verwendung der Grundrente im Einzelfall ist einer Überprüfung und Einflußnahme durch den Krankenversicherungsträger entzogen. Ohne Beachtung ihrer konkreten Zweckbestimmung wäre die Grundrente als Geldbezug zwar für den allgemeinen Lebensunterhalt verwendbar, eine solche dem allgemeinen Lebensunterhalt vorbehaltene Verwendung entspräche aber nicht wie dargelegt, der Absicht des Gesetzes; sie kann daher nicht der Auslegung des Gesetzes zugrunde gelegt werden. Es kann daher nur die Bedeutung der Grundrente für die wirtschaftliche Lage eines Beschädigten gewürdigt werden. Soweit die Grundrente für schädigungsbedingte Mehraufwendungen benötigt wird, stellt sie den Kriegsversehrten im Vergleich zu einem gesunden Versicherten bei sonst gleichen Einkommensverhältnissen in wirtschaftlicher Hinsicht nicht besser, sie beseitigt oder mindert nur die schädigungsbedingte wirtschaftliche Schlechterstellung. Es ist daher lediglich Stellung zu nehmen, wie es sich verhält, wenn der durch die Schädigungsfolgen verursachte Mehraufwand nicht die ganze Grundrente in Anspruch nimmt. Für eine solche Möglichkeit sprechen vor allem die Höhe der Grundrente (im Jahre 1979 von 129,-- DM bei einer MdE um 30 vH bis 674,-- DM bei Erwerbsunfähigkeit) und der ihr - allerdings nicht unbestritten - zugesprochene Zweck, auch einen immateriellen Schaden finanziell zu entschädigen (zu letzterem bejahend Krasney, Zeitschrift für Sozialreform -ZSR-, 1973, 681 ff, verneinend BVerfGE 17, 38, 45 ff). Aber auch wenn man unterstellt, daß ein Teil der Grundrente allgemeinen Unterhaltsbedürfnissen zur Verfügung steht, ist eine entsprechende Zuordnung zum Grundlohn abzulehnen. Abgesehen davon, daß sich der schädigungsbedingte Mehrbedarf nicht nach einem allgemeinen Maßstab feststellen läßt und es daher auch nicht möglich ist, die Grundrente in einen Betrag für die besonderen Aufwendungen des Beschädigten und in einen anderen Betrag für den allgemeinen Lebensbedarf aufzuteilen, ist zu berücksichtigen, daß die durch die Kriegsversehrtheit gegebene körperliche Beeinträchtigung eine ergänzende Gestaltung der Lebensführung (zB auf dem Gebiete der Erholung und der Freizeitgestaltung) wünschenswert und gerechtfertigt erscheinen läßt. So wird es die Grundrente dem Beschädigten ermöglichen, auch nichtwirtschaftliche Nachteile teilweise auszugleichen. Einen solchen Versicherten nur deshalb zu einer höheren Beitragsleistung heranzuziehen, weil er eine Beschädigten-Grundrente nach dem BVG erhält, wäre, wie bereits ausgeführt, mit dem Solidaritätsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung nicht in Einklang zu bringen.
Der Senat kann die Frage unentschieden lassen, ob die Grundrente eines Hinterbliebenen ebenfalls keine Einnahme zum Lebensunterhalt iS des § 180 Abs 4 RVO ist. Es ist nicht zwingend, die Grundrenten der Beschädigten und der Hinterbliebenen in dieser Hinsicht gleich zu behandeln. Die Hinterbliebenen-Grundrente dient zumindest nicht in gleicher Weise wie die Beschädigten-Grundrente dem Zweck, einen schädigungsbedingten Mehrbedarf auszugleichen. Für die hier aufgeworfene Frage erscheint auch nicht ohne Bedeutung, daß Grundrenten bei der Feststellung des Berufsschadensausgleiches nach § 30 Abs 4 und des Schadensausgleiches nach § 40a Abs 2 BVG unterschiedlich behandelt werden (vgl im übrigen hinsichtlich der unterschiedlichen Behandlung der Grundrenten von Beschädigten und Hinterbliebenen: BSG SozR Nr 6 zu § 150 AVAVG; BVerwGE 19, 198, 201; BVerwG Buchholz 436.0 § 90 BSHG Nr 3; BVerwG FEVS 13 - 1967 - 241 = VerwRspr 18 - 1968 - 231; Scheffler BABl 1966, 722; Rohwer-Kahlmann, ZSR, 1968, 577; Wilke/Wunderlich, BVG, Komm 4. Aufl, Erläuterungen zu § 40).
Die Revision war aus diesen Gründen zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen