Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Die auf Kosten des Klägers - überörtlicher Träger - der Sozialhilfe - in einer Landesnervenklinik untergebrachte Beigeladene bezieht nach ihrem im Jahre 1957 verstorbenen Vater wegen Gebrechlichkeit Waisenrente nach den bis zum 31, Dezember 1956 im Saarland geltenden Rechtsvorschriften (§ 42 Abs. 7 Satz 2 des Saarknappschaftsgesetzes -SKG-). Bereits im Jahre 1960 hatte die Beklagte der Beigeladenen mitgeteilt, daß sie Waisenrente gemäß Art. 2 § 31 des Knappschaftsversicherungs-Neuregelungsgesetzes (KnVNG) i.d.F. des saarländischen Einführungsgesetzes Nr. 635 vom 18. Juni 1958 im Betrage 42,-- DM über das 25. Lebensjahr hinaus weiterzahlen werde. In der Folge paßte die Beklagte die Waisenrente trotz Veränderung der Bemessungsgrundlagen nicht an.
Mit Bescheid vom 27. Juni 1970 und Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 1970 lehnte die Beklagte den vom Kläger gemäß § 1538 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gestellten Antrag ab, die Waisenrente anzupassen.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte am 25. Januar 1575 verurteilt, die Waisenrente entsprechend den bisher ergangenen Anpassungsgesetzen anzupassen. In der angefochtenen Entscheidung vom 23. Juni 1974 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Beklagten hiergegen zurückgewiesen. In er Begründung heißt es: Aus § 1 des Ersten Rentenanpassungsgesetzes (1. RAG) ergebe sich kein Anhalt, daß Besitzstandsrenten von der Anpassung auszunehmen seien. Nach § 3 des 4. RAG seien auch Waisenrenten wegen Gebrechlichkeit anzupassen, und zwar auch die auf einen festen Betrag umgestellten Waisenrenten (Art. 2 § 35 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes -ArVNG-; Art, 2 § 34 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes-AnVNG-). Auch die Gesetzesmaterialien zu den Rentenanpassungsgesetzen und § 8 der Rentenanpassungsgesetze zeigten, daß Besitzstandsrenten, die nicht nach den Grundsätzen des neuen Rechts berechnet worden seien, durchaus von der Anpassung ausgeschlossen werden sollten.
Die Beklagte hat die vom LSG in seinem Urteil zugelassene Revision eingelegt. Sie trägt vor: Art. 2 § 31 Abs. 1 KnVNG bestimme, daß eine saarländische Gebrechlichkeits-Waisenrente über das 25. Lebensjahr hinaus "weitergezahlt" werde. Das könne nur besagen, daß es sich um eine auslaufende Leistung handele, die nicht angepaßt werden könne. Nach der Systematik der Anpassungsgesetze fielen unter die jährliche Anpassung nur Renten, die nach den ab 1. Januar 1957 geltenden Vorschriften berechnet worden seien. Eine Ausnahme habe § 8 der Anpassungsgesetze für die Renten nach § 9 des saarländischen Gesetzes Nr. 635 gemacht.
Die Beklagte beantragt,das angefochtene Urteil sowie das Urteil des SG für das Saarland vom 25. Januar 1973 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
II.
Die zugelassene Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Nach § 11 Abs. 1 der jeweils seit 1958 ergangenen jährlichen Rentenanpassungsgesetze werden aus Anlaß der Veränderung der allgemeinen Rentenbemessungsgrundlage (§ 54 Abs. 3 des Reichsknappschaftsgesetzes -RKG-, § 1255 Abs. 2 RVO, § 32 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG -) alljährlich die Versicherungs- und Hinterbliebenenrenten aus bereits eingetretenen Versicherungsfällen entsprechend angepaßt. Dies gilt auch im Saarland (vgl., § 8 des 1. RAG). Seit dem 2. RAG ist durch § 8 des jeweiligen Rentenanpassungsgesetzes klargestellt, daß auch solche Renten angepaßt werden, die unter die Vorschriften der saarländischen Gesetze fallen, die die bundesdeutschen Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze im Saarland eingeführt haben.
Die der Beigeladenen gewährte Waisenrente ist zweifellos eine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 1 Abs. 1 der Rentenanpassungsgesetze. Die Beklagte glaubt jedoch, daß die in Art. 2 § 31 Abs. 1 Satz 1 KnVNG i.d.F. des saarländischen Gesetzes Nr. 635 zur Einführung des RKG und des KnVNG im Saarland vom 18. Juni 1958 (ABl. 109) getroffene Regelung die Waisenrente von der Anpassung ausschließe. Das ist nicht der Fall.
Nach der genannten Vorschrift wird eine vor ihrer Verkündung festgestellte Rente, die nur nach den bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Vorschriften zu gewähren ist, weitergezahlt, solange die bisherigen Voraussetzungen für die Gewährung vorliegen. Hiernach trifft zu, daß es sich bei der streitigen Waisenrente um eine Leistung handelt, die nach. Einführung des KnVNG im Saarland unter dem Gesichtspunkt der Wahrung eines erworbenen Besitzstandes weitergewährt wird. Zu Unrecht nimmt die Beklagte jedoch an, daß die Waisenrente wegen ihres Charakters als Besitzstandsrente nicht an der Rentenanpassung teilnehme.
Die Tatsache, daß eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach Grund oder Höhe wegen eines als schutzwürdig anerkannten Besitzstandes gewährt wird, haben den Gesetzgeber in den Rentenanpassungsgesetzen nicht gehindert, gleichwohl die Anpassung dieser Renten ausdrücklich vorzusehen. So werden seit dem 4. RAG die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung zum Zwecke ihrer alljährlichen Anpassung in drei Gruppen eingeteilt. In einer dieser Gruppen - der Gruppe der sogenannten übrigen Renten (vgl. § 4 der Rentenanpassungsgesetze) - werden die Renten zusammengefaßt, die vorwiegend aus Gründen des Besitzstandsschutzes nicht nach dem ab 1. Januar 1957 geltenden neuen Recht berechnet oder umgestellt worden sind (vgl. dazu Koch/Hartmann /v. Gellhorn, Komm. zum AVG, Bd. Va Einf. vor dem 10. RAG und Anm. I zum 10. RAG; an letztgenannter Stelle sind nicht weniger als zehn Arten von "Besitzstandsrenten" aufgeführt). Der Gesetzgeber hat mithin in den Rentenanpassungsgesetzen die sogenannten Besitzstandsrenten nicht nur nicht benachteiligt, sondern sie durch besondere Vorschriften sichergestellt, daß auch sie angepaßt werden können.
Die Absicht, Besitzstandsrenten in die Rentenanpassung einzubeziehen, kommt in den Rentenanpassungsgesetzen aber nicht nur in allgemeiner Weise, sondern gezielt auch auf die Besitzstandsrenten des Saarlandes zum Ausdruck. Seit dem 6. RAG stellt bereits der jeweilige § 1 Abs. 2 klar, daß selbst die Leistung nach § 27 des Sozialversicherungs-Angleichungsgesetzes Saar (SVAG Saar) an der Anpassung teilnimmt. Es handelt sich hierbei um die aus Gründen der Besitzstandswahrung verfügte Weitergewährung einer Fürsorgeleistung nach dem saarländischen Gesetz Nr. 345 vom 29. 1. Juli 1953 (ABl. 520) für im Ausland zurückgelegte Versicherungszeiten. Seit dem 7. RAG ist die Anpassung sogar der Leistungen nach § 28 SVAG Saar ausdrücklich vorgeschrieben. Hier handelt es sich um die Wahrung eines Besitzstandes sogar von im Saarland erworbenen Fürsorgeanwartschaften. Ausdrücklich klargestellt ist seit dem 2. RAG ferner, daß das saarländische Besitzstands-Altersruhegeld nach Art. 4 § 9 des RKG-Einführungsgesetzes Nr. 635 in die Anpassung einbezogen ist (vgl. § 8 der Anpassungsgesetze).
Die Tatsache, daß die beiden letztgenannten Besitzstandsrenten in den Rentenanpassungsgesetzen besonders erwähnt sind, gestattet nicht den Schluß, daß andere Besitzstandsrenten von der Anpassung ausgeschlossen sein sollen. Die Anführung der genannten beiden Rentenarten erklärt sich vielmehr daraus, daß es sich bei ihnen um speziell saarländische Rentenleistungen handelt, die einer Parallele im deutschen Recht entbehren und bei denen deshalb in besonderem Maße fraglich sein kann, ob sie von der Anpassung erfaßt werden sollen. Sie verdeutlichen mithin nur das Bestreben des Gesetzgebers, alle im Saarland entstandenen und für eine Zeit nach Rückgliederung in das Bundesgebiet mit Bestandsschutz ausgestatteten Leistungen, die sich im weitesten Sinne als Renten der Rentenversicherung ansprechen lassen, in die gesetzliche Rentenanpassung einzubeziehen.
Aus alledem folgt, daß auch die nach Art. 2 § 31 Abs. 1 Satz 1 KnVNG i.d.F. des saarländischen Gesetzes Nr. 635 fallenden RentenIeistungen unter § 1 Abs. 1 der Rentenanpassungsgesetze fallen. Es ist nicht einsichtig, weshalb eine nach saarländischem Recht wegen Gebrechlichkeit über das 25. Lebensjahr hinaus gewährte Waisenrente, deren Weiterzahlung nach Einführung der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze ausdrücklich angeordnet ist, von der Rentenanpassung ausgeschlossen sein sollte, wogegen eine Leistung aufgrund der in § 28 SVAG Saar bezeichneten Anwartschaften auf Fürsorge für im Ausland verbrachte Versicherungszeiten an ihr teilnehmen sollte.
Die hier streitige Gebrechlichkeits-Waisenrente ist mit dem Knappschaftssold, der nach § 1 Abs. 3 der Rentenanpassungsgesetze nicht anzupassen ist, nicht vergleichbar. Beim Knappschafftssold handelt es sich um eine auslaufende Leistung, die unabhängig von der Dauer der Versicherung und der Höhe der geleisteten Beiträge als fester Betrag an bestimmte ältere Bergleute - auch aus Arbeitsmarktgründen - gewährt wurde (vgl. Art. 2 § 31 KnVNG sowohl in der in der Bundesrepublik als auch der im Saarland geltenden Fassung). Die Gebrechlichkeits-Waisenrente läßt sich nicht mit dem Knappschaftssold anpassungsrechtlich gleichbehandeln.
Fällt aber die streitige Waisenrente unter § 1 Abs. 1 der Rentenanpassungsgesetze, so läßt sich die angefochtene Entscheidung nicht beanstanden. Die Revision der Beklagten war als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen