Leitsatz (amtlich)
Beitragszeiten iS von § 1 Abs 1 S 1 HwVG sind auch Beschäftigungszeiten, die nach § 16 FRG einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung im Inland, für die Beiträge entrichtet sind, gleichstehen.
Normenkette
HwVG § 1 Abs. 1 S. 1; FRG § 16 Abs. 1 S. 1, § 15 Abs. 1 S. 1, § 19 Abs. 2
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 16.09.1985; Aktenzeichen L 2 J 258/84) |
SG Speyer (Entscheidung vom 07.08.1984; Aktenzeichen S 7 J 750/83) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger in der Zeit von Juni 1979 bis Juni 1980 und von April 1981 bis November 1981 (oder Februar 1982) der Versicherungspflicht nach dem Handwerkerversicherungsgesetz (HwVG) unterlag und entsprechende Beiträge zu entrichten hat.
Der 1942 in Rumänien geborene Kläger ist Volksdeutscher. Er erlernte in Rumänien den Beruf eines Maurers. In einer "Adeverinta" (Bescheinigung) vom 4. Februar 1981 sind folgende Angaben enthalten:
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Zeitraum |
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Arbeitsplatz |
Funktion |
15.9.1959 |
15.2.1964 |
TRCB T.--------- |
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(Bau & Transporte) |
Maurer |
18.2.1964 |
1.7.1966 |
Genossenschaft HYGIENE |
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in T.--------- |
" |
1.7.1966 - |
26.8.1967 |
Genossenschaft "Dienstleistung" |
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T.--------- |
" |
26.8.1967 |
- 28.12.1968 |
Grundwehrdienst |
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13.1.1969 |
- 1.11.1978 |
Genossenschaft "Dienstleistung" |
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T.--------- |
Maurer |
Im November 1978 kam der Kläger in die Bundesrepublik. Er ist Inhaber eines Vertriebenenausweises. Von November 1978 bis Mai 1979 (7 Monate) war er arbeitslos bzw versicherungspflichtig beschäftigt; in dieser Zeit wurden Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet. Am 17. Mai 1979 wurde er als selbständiger Handwerker in die Handwerksrolle eingetragen, die Eintragung jedoch am 24. Juli 1980 mit Wirkung vom 2. Juni 1980 zunächst wieder gelöscht. Für die Zeit von Juni 1980 bis Februar 1981 entrichtete der Kläger aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung 8 weitere Beiträge zur Rentenversicherung. Am 10. März 1981 wurde er erneut in die Handwerksrolle eingetragen.
Die Beklagte stellte ursprünglich mit Bescheid vom 19. September 1979, der bindend wurde, die Versicherungspflicht des Klägers nach § 1 Abs 1 HwVG fest und forderte für 1979 einen monatlichen Beitrag von 374 DM. Mit weiterem Bescheid vom 19. Januar 1982 erkannte die Beklagte ua die auf einem beigefügten Zuordnungsblatt eingetragenen "Beitrags- und Beschäftigungszeiten" vom 15. September 1959 bis 26. August 1967 sowie vom 1. Januar 1969 bis zum 1. November 1978 nach § 15 Fremdrentengesetz (FRG), gekürzt auf 5/6 nach § 19 Abs 2 Satz 1 Halbs 1 FRG, zu insgesamt 181 Monaten an. Mit Bescheid vom 30. April 1982 stellte sie erneut die Versicherungspflicht nach dem HwVG für die Zeit von Juni 1979 bis Juni 1980 und von April 1981 bis Februar 1982 fest und forderte Beiträge in Höhe von insgesamt 9.556 DM. Ab März 1982 entfalle die Versicherungspflicht, weil bis Februar 1982 - einschließlich der im Bundesgebiet entrichteten Pflichtbeiträge - 216 Beiträge nach § 1 Abs 1 Satz 1 HwVG vorhanden seien. Der Kläger erhob sinngemäß Widerspruch. Während des Widerspruchverfahrens hob die Beklagte mit Bescheid vom 9. März 1983 den Bescheid vom 19. Januar 1982 hinsichtlich der Anerkennung des Monats November 1978 auf, weil dieser Monat bereits in der Bundesrepublik mit einem Beitrag belegt war. Mit Schreiben vom 16. März 1983 erläuterte die Beklagte dem Kläger nunmehr, daß die 216 Monate - einschließlich der im Bundesgebiet vorhandenen Pflichtbeiträge - bis einschließlich November 1981 erreicht seien. Auf dieses Schreiben wies sie auch im Widerspruchsbescheid vom 10. November 1983 hin, mit dem sie jedoch den Widerspruch zurückwies, weil der Bescheid vom 30. April 1982 rechtmäßig sei.
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Speyer durch Urteil vom 7. August 1984 den Bescheid vom 30. April 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 1983 aufgehoben. Das Landessozialgericht (LSG) hat nach Beweiserhebung die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 16. September 1985 zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Der angefochtene Bescheid vom 30. April 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 1983 sei rechtswidrig, weil der Kläger nach den §§ 15, 19 FRG schon bei Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit in der Bundesrepublik mehr als 216 Monate an Pflichtbeitragszeiten aufzuweisen gehabt habe. Die Beschäftigungszeiten in Rumänien seien nicht nur zu 5/6, sondern voll anzurechnen. Denn der Kläger sei vom 15. September 1959 bis zum 1. November 1978 - nur unterbrochen durch den Wehrdienst - bei demselben Arbeitgeber beschäftigt gewesen, ohne daß - vom Wehrdienst abgesehen - Unterbrechungen vorgelegen hätten. Das ergebe sich zwar nicht schon daraus, daß in der Bescheinigung (Adeverinta) entsprechende Unterbrechungen nicht vermerkt seien. Unter Würdigung aller Umstände, auch der Aussagen der Zeugen H. und W. , sei jedoch erwiesen, daß solche Unterbrechungen nicht vorgelegen hätten. Wenn die Zeugen zu dem Wehrdienst keine genauen Angaben hätten machen können, so sei es unter Würdigung aller Umstände nicht gerechtfertigt, hieraus den Schluß zu ziehen, die Aussagen der Zeugen seien, wie die Beklagte meine, auch im übrigen ungenau und unbrauchbar. Bei allem sei zu berücksichtigen, daß es sich um Aussagen über schon lange zurückliegende Zeiten handele und die Aussagen zu Krankheit und Arbeitslosigkeit auf einem Gesamteindruck der Zeugen beruhten, während der Wehrdienst ein einzelnes Ereignis betreffe. Auch dürften infolge des Zeitablaufs keine allzu strengen Anforderungen an den Nachweis einzelner Tatsachen gestellt werden. Vielmehr seien alle Umstände zu berücksichtigen. Davon abgesehen müsse, auch wenn der Wehrdienst selbst nicht als Beitragszeit in Betracht komme, hier nach § 19 Abs 2 Satz 1 Halbs 2 FRG (mindestens zehn Jahre ununterbrochenes Beschäftigungsverhältnis bei demselben Arbeitgeber) eine volle Anrechnung erfolgen, weil der Kläger zwar weder vor noch nach dem Wehrdienst zehn Jahre, jedoch insgesamt 18 Jahre - nur unterbrochen durch den 16-monatigen Wehrdienst - beim selben Arbeitgeber beschäftigt gewesen sei.
Gegen das Urteil richtet sich die - vom Senat zugelassene - Revision der Beklagten, mit der sie im wesentlichen geltend macht: Dem LSG sei darin zuzustimmen, daß allein aufgrund der "Adeverinta" eine ununterbrochene Beitragszeit iS des § 15 FRG nicht bewiesen sei. Ihm könne aber nicht darin zugestimmt werden, daß es aufgrund von Zeugenaussagen "Ausfalltatbestände" ausgeschlossen und eine ununterbrochene Beitragszeit als nachgewiesen angesehen habe. Dieser Nachweis sei vielmehr durch die Aussage der Zeugen nicht erbracht. Von anderen Unstimmigkeiten abgesehen hätten die Zeugen H. und W. bekundet, daß ihnen vom Wehrdienst des Klägers nichts bekannt sei bzw daß der Kläger von 1962 bis 1975 "ununterbrochen" beim selben Arbeitgeber beschäftigt gewesen sei, obwohl in diese Zeit der Wehrdienst von 16 Monaten gefallen sei. Wenn sich aber beide Zeugen nicht an diese Unterbrechung erinnern könnten, müsse davon ausgegangen werden, daß ihnen die damaligen Verhältnisse nicht mehr im einzelnen in Erinnerung seien. Ihren Angaben, daß Krankheitszeiten - die vergleichsweise wesentlich kürzer gewesen und damit viel eher dem Erinnerungsvermögen entzogen sein könnten als der 16-monatige Wehrdienst - nicht vorgelegen hätten, könne deshalb keine so wesentliche Bedeutung zukommen, daß sie für die Entscheidung ausschlaggebend sein könnten. Den Ausführungen des LSG, daß die Aussagen lange zurückliegende Vorgänge beträfen und die Angaben über Krankheit und Arbeitslosigkeit auf einem Gesamteindruck der Zeugen beruhten, während der Wehrdienst ein einzelnes Ereignis betreffe, sei entgegenzuhalten, daß nach der Lebenserfahrung gerade die Erinnerung an größere Zeitabschnitte eher möglich sei als an kurze Zeiträume. Das LSG habe die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten. Die Lebenserfahrung spreche auch dagegen, daß in einem Zeitraum von 19 Jahren keine Unterbrechungen - außer durch den Wehrdienst - vorgelegen hätten. Wenn schon Urkunden wie Arbeitsbücher den Beweis einer vollen Beitragszeit nicht liefern könnten, sei das noch viel weniger durch Zeugenaussagen möglich, die über Beitragsleistungen überhaupt nichts enthielten. Auch der vom LSG zu § 19 Abs 2 Satz 1 Halbs 2 FRG vertretenen Auffassung sei nicht zu folgen, weil der Wehrdienst das Beschäftigungsverhältnis unterbrochen habe und für sich genommen weder die Zeit vorher noch die nachher eine Beschäftigung von zehn Jahren ergebe.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben sowie die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Vorsorglich bietet er weiteren Beweis dafür an, daß das Beschäftigungsverhältnis außer durch den Wehrdienst nicht unterbrochen gewesen sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 30. April 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 1983 ist in den Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht aufgehoben worden. Der Kläger war in der Bundesrepublik als selbständiger Handwerker nicht versicherungs- und beitragspflichtig.
Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der angefochtene Bescheid vom 30. April 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 1983 gerichtlich voll zu überprüfen ist. Denn die Beklagte hat darin über die Versicherungs- und Beitragspflicht nach dem HwVG sachlich neu entschieden. Auf die Bindungswirkung des früheren Bescheides vom 19. September 1979 über die Versicherungspflicht in der Handwerkerversicherung und auf die des Bescheides vom 19. Januar 1982 über Beitrags- und Beschäftigungszeiten nach dem FRG hat sie sich dabei nicht berufen.
Im Entscheidungssatz des Widerspruchsbescheides hat die Beklagte den Widerspruch uneingeschränkt zurückgewiesen. Aus der Begründung des Widerspruchsbescheides, insbesondere aus der Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 16. März 1983, ergibt sich jedoch, daß sie nunmehr selbst - zutreffend - von einem Ende der Versicherungs-und Beitragspflicht nach dem HwVG schon mit dem Monat November 1981 ausging. Ihren Bescheid vom 30. April 1982, der noch von einer Versicherungs- und Beitragspflicht bis Februar 1982 ausgegangen war, hätte sie schon aus diesem Grunde aufheben müssen. Bereits deswegen ist der angefochtene Bescheid für die Monate Dezember 1981 bis Februar 1982 durch die Vorinstanzen zutreffend aufgehoben worden.
Aber auch im übrigen erweist sich die Aufhebung als rechtens. Nach § 1 Abs 1 Satz 1 HwVG werden Handwerker, die in die Handwerksrolle eingetragen sind, in der Rentenversicherung der Arbeiter versichert, solange sie Beiträge für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit für weniger als 216Kalendermonate entrichtet haben. Diese Beitragszeit kann auch mit Beitragszeiten erfüllt werden, die nach § 15 FRG anzurechnen sind. Davon geht auch die Beklagte aus.
Die Beklagte selbst hat beim Kläger im angefochtenen Bescheid die Zeit vom 15.September 1959 bis 26. August 1967 sowie vom 1. Januar 1969 bis zum 1. November 1978 gemäß § 15 FRG angerechnet, jedoch nach § 19 Abs 2 Satz 1 Halbs 1 FRG nur mit fünf Sechsteln; sie kam dabei im Verwaltungsverfahren zuletzt, nachdem sie den Monat November 1978 statt als FRG-Zeit als inländische Beitragszeit berücksichtigt hatte, auf eine für die Beschäftigung in Rumänien anrechenbare Beitragszeit von 180 Monaten (nach Kürzung auf fünf Sechstel). Hinzu kamen vor dem angenommenen Beginn einer Versicherungspflicht als Handwerker (§ 1 Abs 3 HwVG, Juni 1979) 7 in der Bundesrepublik entrichtete Pflichtbeiträge. Damit waren selbst nach Auffassung der Beklagten 187 Beitragsmonate vorhanden, bevor eine Versicherungspflicht als Handwerker hätte beginnen können. An den für eine Versicherungsfreiheit nach dem HwVG erforderlichen 216 Beitragsmonaten fehlten nach ihrer Ansicht mithin 29 Beitragsmonate.
Die Beklagte macht zutreffend geltend, daß diese 29 Monate nicht bereits deswegen vorhanden sind, weil eine ununterbrochene Beitragszeit in Rumänien nachgewiesen ist. Die vom LSG getroffenen Feststellungen lassen die volle (nicht auf fünf Sechstel gekürzte) Anrechnung nach § 15 FRG nicht zu. Nach Abs 1 Satz 1 dieser Vorschrift stehen Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Dabei ist für eine über fünf Sechstel hinausgehende volle Anrechnung der fremden Zeiten erforderlich, daß sie entweder "nachgewiesen" sind (§ 19 Abs 2 Satz 1 Halbs 1 FRG) oder daß es sich um eine Zeit eines ununterbrochenen Beschäftigungsverhältnisses von mindestens zehnjähriger Dauer bei demselben Arbeitgeber handelt (§ 19 Abs 2 Satz 1 Halbs 2 FRG). Hierzu enthält das Urteil des LSG keine ausreichenden Feststellungen. Es hat vielmehr allein daraus, daß der Kläger - bis auf den Wehrdienst - ununterbrochen beschäftigt gewesen sei, auf eine ununterbrochene Beitragsentrichtung geschlossen, wie aus der Anwendung des § 15 FRG zu entnehmen ist. Ein solcher Schluß ist jedoch rechtlich nicht zulässig. Dieses haben der 4a-Senat und der 11a-Senat des Bundessozialgerichts (BSG) zu den mit der Regelung des FRG vergleichbaren Regelung der Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO) entschieden (SozR 5745 § 3 Nr 5; SozR 5745 § 1 Nr 2). Der erkennende Senat hält das auch für das FRG für zutreffend.
Das hier über § 15 FRG nicht anrechenbare sechste Sechstel ist dem Kläger jedoch nach § 16 FRG anzurechnen. Nach dieser Vorschrift steht eine nach Vollendung des 16. Lebensjahres vor der Vertreibung in bestimmten Gebieten, zu denen auch Rumänien gehört, verrichtete Beschäftigung einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung im Inland, für die Beiträge entrichtet worden sind, gleich, soweit sie nicht mit einer Beitragszeit zusammenfällt. Diese Regelung kann nach der Rechtsprechung des BSG dazu dienen, das fehlende Sechstel an nachgewiesener Beitragszeit iS des § 15 FRG mit einer (nachgewiesenen) Beschäftigungszeit aufzufüllen (BSGE 41, 163 = SozR 5050 § 15 Nr 4; BSG SozR 5050 § 15 Nr 16).
§ 16 FRG ist auch im Rahmen des § 1 Abs 1 HwVG anzuwenden. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs 1 HwVG hängt die Versicherungspflicht allerdings davon ab, ob der Handwerker für 216 Monate Beiträge für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit (tatsächlich) entrichtet hat. Demgegenüber steht nach § 16 Abs 1 Satz 1 FRG eine Beschäftigung in den Vertreibungsgebieten einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung im Inland, für die Beiträge entrichtet worden sind, lediglich gleich; hier wird also bei einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung eine Beitragsentrichtung lediglich unterstellt (fingiert). Den Gesetzesmaterialien zum HwVG ist nicht zu entnehmen, ob die Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG berücksichtigt werden sollten (BT-Drucks III/634, 993, 1379). Der Gesetzeszweck gebietet dieses jedoch. Denn auch ein Handwerker, der nur unter Berücksichtigung anrechenbarer Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG die Mindestzeit des § 1 Abs 1 HwVG erreicht, hat die Grundsicherung, von deren Erreichen an die Versicherungspflicht nach dem HwVG entfällt, im wesentlichen ebenso aufzuweisen, wie ein Handwerker, der die Mindestzeit mit Beiträgen für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit erfüllt hat.
Mit einer Beschäftigungszeit nach § 16 Abs 1 Satz 1 FRG kann das jährlich fehlende Sechstel allerdings nur aufgefüllt werden, wenn eine volle (ununterbrochene) Beschäftigungszeit nachgewiesen und nicht ihrerseits ebenfalls nur glaubhaft gemacht ist. Die dazu erforderlichen Feststellungen hat das LSG indes getroffen und, wie seine im wesentlichen auf die ununterbrochene Beschäftigung beschränkten Ausführungen zeigen, auch rechtlich sinngemäß nicht § 15 FRG, sondern § 16 FRG angewandt.
Das LSG hat in dem angefochtenen Urteil festgestellt, daß die vom Kläger in der Zeit vom 15. September 1959 bis zum 1. November 1978 ausgeübte abhängige Beschäftigung - abgesehen vom Wehrdienst in der Zeit vom 26. August 1967 bis zum 28. Dezember 1968 - nicht unterbrochen gewesen ist. Es hat sich dabei nicht nur auf die "Adeverinta" gestützt, sondern weitere Umstände, auch Zeugenaussagen, herangezogen. An die tatsächlichen Feststellungen ist das BSG gebunden, weil in bezug auf sie zulässige und begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht worden sind (§ 163 SGG). Das LSG hat die Feststellungen nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§128 Abs 1 Satz 1 SGG) getroffen. Seine Beweiswürdigung ist vom Revisionsgericht weder im einzelnen zu bewerten noch kann dieses eine eigene andere an die Stelle der des Tatsachengerichts setzen (vgl BSG SozR 1500 § 164 Nr 31). Zu den wenigen Gründen, aus denen heraus das Revisionsgericht eine Beweiswürdigung beanstanden kann, gehört allerdings das Überschreiten der Grenzen der freien Beweiswürdigung wegen Verstoßes gegen einen allgemeinen Erfahrungssatz. Dieses rügt die Beklagte, indes ohne Erfolg. Denn die von ihr behaupteten Erfahrungssätze bestehen nicht, was auch vom Revisionsgericht geprüft werden kann (vgl BSGE 36, 35, 36). Daraus, daß frühere Arbeitskollegen des Klägers als Zeugen zu seinem Wehrdienst keine Angaben machen konnten bzw die Unterbrechung nicht erwähnt haben, kann nicht mit der für einen Erfahrungssatz notwendigen hohen Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, auch -und erst recht - ihre Angaben dazu, daß andere Unterbrechungen der Beschäftigung nicht stattgefunden hätten, seien nicht glaubhaft und ihre Bekundungen daher "unbrauchbar". Denn es ist durchaus möglich, daß ein Zeuge sich an den Wehrdienst von 16 Monaten nicht erinnert oder diesen nicht erwähnt, aber andere - auch kürzere - Unterbrechungen durch Krankheit, Arbeitslosigkeit oder unbezahlten Urlaub dennoch ausschließen kann. Das mag dann zwar für das Tatsachengericht Anlaß sein, Zeugen ihr unterschiedlich ausgeprägtes Erinnerungsvermögen vorzuhalten und ihre Aussage kritisch zu würdigen. Ob dieses hinreichend geschehen ist, hat das Revisionsgericht jedoch nicht zu beurteilen. Ein Erfahrungssatz des Inhalts, daß die Erinnerung an kürzere Zeiträume schwächer ausgeprägt ist als an längere, besteht jedenfalls nicht. Erst recht gibt es den weiteren, von der Beklagten behaupteten Erfahrungssatz nicht, daß innerhalb von 19 Jahren - außer dem Wehrdienst - eine Unterbrechung der Beschäftigung stattgefunden haben müsse, weil eine so lange ununterbrochene Beschäftigung unwahrscheinlich sei.
Da der Kläger in Rumänien ohne den Wehrdienst mehr als 15 Jahre von der Beklagten bisher nur zu fünf Sechsteln angerechnete Beschäftigungszeiten aufzuweisen hat, diese Zeiten aber voll zu berücksichtigen sind, müssen bei der Anwendung des § 1 Abs 1 Satz 1 HwVG den bisher angerechneten 187 Monaten mindestens weitere 29 Monate hinzugerechnet werden. Damit war die Mindestversicherungszeit von 216 Monaten im Sinne dieser Vorschrift erreicht, bevor der Kläger eine selbständige Tätigkeit als Handwerker aufnahm.
Bei diesem Ergebnis kommt es nicht mehr darauf an, ob beim Kläger die Zeit, in der er in Rumänien beschäftigt gewesen ist, auch nach § 19 Abs 2 Satz 1 Halbs 2 FRG in vollem Umfang anzurechnen wäre. Das hinge davon ab, ob trotz des eingeschobenen Wehrdienstes ein ununterbrochenes Beschäftigungsverhältnis von mindestens zehnjähriger Dauer bei demselben Arbeitgeber angenommen werden könnte (vgl zu ähnlichen Fragen bei § 19 FRG und § 3 VuVO BSGE 31, 271 = SozR Nr 2 zu § 3 VuVO; BSG SozR Nr 3 zu § 3 VuVO; SozR Nr 4 zu § 19 FRG; SozR Nr 90 zu § 77 SGG; SozR Nr 5 zu § 3 VuVO; BSGE 51, 234 = SozR 5745 § 3 Nr 3). Schließlich kommt es auch nicht mehr darauf an, ob die Zeit des rumänischen Wehrdienstes selbst anrechenbar wäre (vgl in diesem Zusammenhang die Entscheidungen des Großen Senats des BSG in BSGE 60, 100 = SozR 5050 § 15 Nr 32 und in BSGE 62, 255 = SozR 5050 § 15 Nr 35 sowie des 5. Senats des BSG in SozR 5050 § 15 Nr 33 und des 4. Senats des BSG vom 17. November 1987 - 4a RJ 41/86 -).
Da sich die Revision der Beklagten als unbegründet erwies, war sie zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen