Beteiligte
…, Klägerin und Revisionsbeklagte |
Deutsche Angestellten-Krankenkasse, Hamburg, Nagelsweg 27-35, Beklagte und Revisionsklägerin |
Amt Steinbergkirche - Sozialamt -, Steinbergkirche, Holmlück 1 |
Tatbestand
G r ü n d e :
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die freiwillige Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten wegen Nichtentrichtung fälliger Beiträge geendet hat.
Die Beklagte hatte bereits im Dezember 1988 versucht, die seit 1984 bestehende freiwillige Mitgliedschaft der Klägerin wegen Beitragsrückständen zu beenden. Nachdem im Mai 1989 feststand, daß die Mitgliedschaft nicht beendet war, forderte die Beklagte die auf 128,00 DM monatlich festgesetzten Beiträge nach, die die Klägerin seit Januar 1989 nicht gezahlt hatte. Die Klägerin rechnete mit dem Einverständnis der Beklagten gegen die Beitragsforderung mit Leistungsansprüchen auf. Für den Monat Mai 1989 verblieb noch ein Beitragsrückstand von 114,50 DM. Die Klägerin zahlte weder diesen Betrag noch den für den Monat Juni am 15. Juli 1989 fällig gewordenen Beitrag von 128,00 DM. Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 26. Juli 1989 darauf hin, daß ihre Mitgliedschaft zum 15. August 1989 beendet werde, wenn sie bis zu diesem Zeitpunkt den Beitragsrückstand (Restbeitrag für Mai 1989: 114,50 DM; Beitrag für Juli 1989: 128,00 DM) nicht ausgleiche. Sie stellte außerdem Säumniszuschläge sowie Mahngebühren in Rechnung. Die Klägerin erklärte daraufhin die Aufrechnung mit verschiedenen ihrer Ansicht nach bestehenden Gegenforderungen. Mit Bescheid vom 10. August 1989 stellte die Beklagte fest, daß die Mitgliedschaft der Klägerin zum 15. August 1989 wegen eines Beitragsrückstandes gemäß § 191 Nr 3 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) ende. Die Klägerin legte Widerspruch ein, den sie mit der von ihr erklärten Aufrechnung begründete. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 1990). Von den Forderungen, mit denen die Klägerin die Aufrechnung erklärt hatte, erkannte sie lediglich einen Anspruch auf Erstattung von Kosten in Höhe von 28,40 DM an. Im übrigen vertrat sie die Auffassung, eine Aufrechnung mit vermeintlichen Gegenforderungen sei nicht zulässig. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 23. April 1992).
Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG und den Bescheid vom 10. August 1989 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 1990 aufgehoben (Urteil vom 12. Januar 1993). Die Voraussetzungen, unter denen nach § 191 Nr 3 SGB V die Mitgliedschaft ende, hätten am 15. August 1989 nicht vorgelegen. In diesem Zeitpunkt sei die Klägerin nicht mit zwei vollen Monatsbeiträgen rückständig gewesen. Der Beitrag für den Monat Mai sei zumindest zum Teil gezahlt gewesen. Nach § 191 Nr 3 SGB V bzw der entsprechenden Satzungsvorschrift der Beklagten (§ 12 Buchstabe c der Satzung) ende die Mitgliedschaft nur, wenn für zwei Monate die Beiträge am nächsten Zahltag nicht gezahlt worden seien. Mit dem Wort "Beiträge" in diesen Vorschriften seien die vollen Beiträge gemeint und nicht Teilbeiträge. Offenbleiben könne, ob die Klägerin die Beendigung der Mitgliedschaft dadurch abgewendet habe, daß sie am 28. Juli 1989 mit - zum Teil bestrittenen - Ansprüchen gegen die Beitragsforderung der Beklagten aufgerechnet habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten. Sie rügt die Verletzung des § 191 Nr 3 SGB V und meint, nach dieser Vorschrift werde die Mitgliedschaft schon dann beendet, wenn die Versicherte für zwei Monate die Beiträge jeweils nicht vollständig gezahlt habe.
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 12. Januar 1993 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 23. April 1992 zurückzuweisen. |
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Die Klägerin beantragt,
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die Revision zurückzuweisen. |
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
II
Die Revision der Beklagten ist iS einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet. Die Feststellungen des LSG lassen eine abschließende Entscheidung nicht zu.
Die Klägerin hat den Verwaltungsakt, mit dem die Beklagte das Ende der freiwilligen Mitgliedschaft festgestellt hat, nur mit der Anfechtungsklage angefochten. Dieser Antrag ist ausreichend, um auch das Weiterbestehen der Mitgliedschaft über den 15. August 1989 hinaus zu klären. Ein dahingehender zusätzlicher Antrag ist nicht erforderlich. Im Rahmen der Anfechtungsklage ist zu entscheiden, ob die Mitgliedschaft nach § 191 Nr 3 SGB V mit dem 15. August 1989 geendet hat. Nur wenn diese Feststellung unrichtig ist, ist der angefochtene Verwaltungsakt aufzuheben. Andere Gründe, die zur Aufhebung führen könnten, liegen nicht vor.
Die freiwillige Mitgliedschaft der Klägerin endete nach § 191 Nr 3 SGB V, der in § 12 Buchstabe c der Satzung der Beklagten wörtlich wiederholt wird, mit Ablauf des nächsten Zahltages, wenn für zwei Monate die fälligen Beiträge trotz Hinweises auf die Folgen nicht entrichtet wurden. Zahltag ist nach § 17 Abs 1 der Satzung der Beklagten der 15. des Monats, der dem Monat folgt, für den der Beitrag gilt. Das LSG hat festgestellt, daß die Klägerin bis zum 15. August 1989 für den Monat Mai 1989 jedenfalls einen Teil der geschuldeten Beiträge (13,50 DM von 128,00 DM) entrichtet hat, und offengelassen, ob die Forderung der Beklagten hinsichtlich der restlichen Beiträge für Mai und Juni 1989 durch Aufrechnung erloschen war. Ohne Feststellungen zum Umfang und zur Wirksamkeit der Aufrechnung ist eine Entscheidung des Rechtsstreits jedoch nicht möglich.
Wenn die restliche fällige Beitragsforderung von 114,50 DM für Mai und von 128,00 DM für Juni 1989 nicht durch Aufrechnung getilgt worden ist, hat die Mitgliedschaft mit dem 15. August 1989 geendet. Die Klägerin hatte dann "für zwei Monate die fälligen Beiträge nicht entrichtet", wie dies in § 191 Nr 3 SGB V vorausgesetzt wird. Unerheblich ist, daß die Klägerin für Mai nur noch mit einem Teil des geschuldeten Beitrags im Rückstand war. Die Vorschrift ordnet weder ausdrücklich noch sinngemäß an, daß die Zahlung eines Teilbetrages schon die Entrichtung des fälligen Beitrages ist und das Ende der Mitgliedschaft deshalb nur eintreten soll, wenn die Versicherte mit einem Betrag in Höhe von zwei Monatsbeiträgen im Rückstand ist. Eine Teilzahlung auf die Beitragsforderung ist nicht die Entrichtung des fälligen Beitrages, wie auch durch eine unvollständige Leistung keine Erfüllung eintritt (vgl Palandt/Heinrichs, BGB-Komm, 54. Aufl 1995, § 362 Anm 2). Der Beitrag ist vielmehr erst dann entrichtet, wenn die Beitragsforderung vollständig erfüllt ist. Ob und ggf in welchen Fällen die Beklagte entgegen § 266 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) überhaupt verpflichtet ist, Teilleistungen als Beitragszahlung entgegenzunehmen, kann in diesem Zusammenhang offenbleiben. Auch wenn dies, wie im vorliegenden Fall durch die Hinnahme der früheren Aufrechnung, geschehen ist, so ist damit doch nur ein Teil des fälligen Beitrages und nicht etwa der fällige Beitrag iS von § 191 Nr 3 SGB V entrichtet worden. Die Vorschrift über den Säumniszuschlag erfaßt mit dem Wort "Beiträge" ebenfalls Teile der jeweils insgesamt geschuldeten Beiträge. Nach § 24 Abs 1 und 3 des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung -(SGB IV) in der bis zum 31. Dezember 1994 geltenden Fassung waren bei nicht entrichteten Beiträgen Säumniszuschläge für "rückständige Beträge" zu erheben. Nach § 24 Abs 1 SGB IV in der ab 1. Januar 1995 geltenden Fassung (Art 2 Nr 8, Art 23 Nr 3 des 2. SGBÄndG vom 13. Juni 1994 - BGBl I 1229) sind Säumniszuschläge in Höhe des rückständigen Betrages zu erheben, wenn Beiträge nicht rechtzeitig gezahlt sind. Wenn in § 191 Nr 3 SGB V entgegen diesem Wortverständnis mit Beiträgen nur vollständige Monatsbeiträge gemeint sein sollten, hätte dies im Gesetz zum Ausdruck gebracht werden müssen. Dies hätte besonders nahegelegen, weil schon zu § 314 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung die Ansicht vertreten wurde, daß auch die zweimalige Nichtentrichtung von Teilen der fälligen Monatsbeiträge zur Beendigung der Mitgliedschaft führe (vgl Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand: Januar 1988, § 314 RVO Anm 2; Hoernigk/Romann/Schroeter, Krankenversicherung, Stand: Mai 1979, § 314 RVO Anm 5). Mit § 191 Nr 3 SGB V sollte § 314 RVO im wesentlichen übernommen werden. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich nicht, daß hinsichtlich des Begriffs "Beiträge" eine Änderung beabsichtigt war (vgl BT-Drucks 11/2237, S 217, zu § 200).
Es sind auch keine Gründe ersichtlich, weshalb entgegen dem früheren Verständnis des Begriffs in § 314 RVO in § 191 Nr 3 SGB V nur volle Monatsbeiträge gemeint sein sollen. Dieses kann insbesondere nicht mit der Begründung gerechtfertigt werden, der Versicherte müsse davor geschützt werden, daß die freiwillige Mitgliedschaft wegen eines unter Umständen nur geringfügigen Beitragsrückstandes ende. Schutzwürdig ist allerdings ein Versicherter, bei dem Beitragsrückstände nur versehentlich entstanden sind. Sein Schutz ist jedoch dadurch gewährleistet, daß die Mitgliedschaft nach § 191 Nr 3 SGB V nur endet, wenn der Versicherte auf die Folgen des Rückstandes hingewiesen worden ist, die bei Nichtzahlung der Beiträge eintreten. Damit ist sichergestellt, daß dem Versicherten vor Feststellung des Endes seiner Mitgliedschaft eindeutig vor Augen geführt wird, welche Folgen eine pflichtwidrige Nichtzahlung von Beiträgen für das Versicherungsverhältnis hat. Dies gilt gleichermaßen für den, der die Beiträge bisher nicht vollständig gezahlt hat, wie für den, der die Beiträge überhaupt nicht gezahlt hat. Im übrigen endet die Versicherung in der Regel selbst dann nicht nach § 191 Nr 3 SGB V, wenn zwar für zwei Monate hintereinander nur Beträge gezahlt worden sind, die jeweils einen vollen Monatsbeitrag nicht erreichen, anschließend aber weitere Beiträge entrichtet werden. Wenn hierbei nämlich keine Zweckbestimmung für die Beitragszahlung getroffen wird, tilgen die weiteren Zahlungen entsprechend § 366 BGB die lästigere bzw die ältere Schuld. Zahlungen ohne Zweckbestimmung sind deshalb zunächst auf ältere Beitragsforderungen anzurechnen. Die Rechtsfolge, die § 191 Nr 3 SGB V vorsieht, kann daher auch bei wiederholter Zahlung von Beitragsteilen im allgemeinen nur eintreten, wenn Beitragsrückstände aufgelaufen sind, deren Summe mehr als einen vollen Monatsbeitrag ausmacht. Eine Anrechnung auf die ältere Beitragsforderung entsprechend § 366 BGB ist nur dann ausgeschlossen, wenn aus der Bestimmung des Versicherten hervorgeht, daß er nur für künftige Monate zahlen und damit Rückstände oder Teilrückstände für vergangene Monate bestehenlassen will. Ein Versicherter, der so verfährt und trotz Mahnung die Rückstände nicht begleicht, muß sich die Folge dieses Verhaltens zurechnen lassen. Er nimmt das Ende der Versicherung in Kauf.
Die Beendigung der Mitgliedschaft nach § 191 Nr 3 SGB V auch in den Fällen, in denen die fälligen Beiträge für zwei Monate nur zum Teil gezahlt sind, entspricht auch der Rechtslage im privaten Versicherungsrecht. Das Kündigungsrecht bei Zahlungsverzug nach § 39 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) besteht auch, wenn die geschuldeten und angeforderten Prämien nicht vollständig gezahlt worden sind. Selbst eine geringfügige Abweichung von dem jeweils offenstehenden Betrag berechtigt zur Kündigung (vgl BGH, Versicherungsrecht 1988, 484), wie umgekehrt auch eine nur geringfügige Zuvielforderung die Mahnung des Versicherers unwirksam macht und in diesem Fall trotz Nichtzahlung der Prämien ein Kündigungsrecht des Versicherers nicht auslöst (vgl BGH, NJW 1993, 330).
Im vorliegenden Verfahren hat die Beklagte die Klägerin am 26. Juli 1989 auf die Folgen der Nichtzahlung der Beiträge iS des § 191 Nr 3 SGB V hingewiesen. Dies ist so rechtzeitig geschehen, daß die Klägerin vor dem Ablauf des nächsten Zahltages (15. August 1989) die fälligen Beiträge noch zahlen konnte. Der Hinweis war eindeutig und bestimmt. Die Beklagte hat die noch offene Beitragsforderung der Höhe nach richtig bezeichnet und auf die Rechtsfolge bei Nichtzahlung der Beiträge hingewiesen.
Es steht jedoch nicht fest, ob die für Mai und Juni 1989 noch bestehende Beitragsforderung nicht nach dem Hinweis vom 26. Juli 1989 durch Aufrechnung erloschen ist.
Die Klägerin konnte gegen die Beitragsforderung der Beklagten nach Maßgabe der §§ 387 ff BGB aufrechnen. Diese Vorschriften sind für die Aufrechnung der Versicherten mit eigenen Ansprüchen gegen Ansprüche der Versicherungsträger im Sozialversicherungsrecht grundsätzlich anwendbar (vgl BSGE 49, 154, 155 = SozR 5870 § 17 Nr 1; Urteil vom 15. Dezember 1994 - 12 RK 69/93, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR bestimmt). § 51 des Sozialgesetzbuchs - Allgemeiner Teil (SGB I) regelt nur Einschränkungen der Aufrechnungsbefugnis des Leistungsträgers gegenüber den Leistungsberechtigten. Zu Unrecht macht die Beklagte geltend, die Klägerin habe nur mit unbestrittenen Forderungen aufrechnen können. Eine Rechtsgrundlage für den Ausschluß oder eine Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis des freiwillig Versicherten gegen Beitragsansprüche der Krankenkasse besteht nicht. In den Vorschriften des SGB IV und des SGB V ist eine derartige Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis nicht enthalten, und die Beklagte hat sie seit dem 1. Januar 1989 auch in ihrer Satzung nicht mehr vorgesehen. Soweit nach den bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Versicherungsbedingungen der Beklagten, die Teil ihrer Satzung waren, ein Aufrechnungsverbot galt, ist dieses in der zum 1. Januar 1989 in Kraft getretenen Neufassung der Satzung nicht mehr enthalten.
Eine Einschränkung der Aufrechnungsbefugnis oder ihr Ausschluß kann nicht mit der entsprechenden Anwendung anderer Vorschriften begründet werden. In Betracht kämen insofern insbesondere § 226 Abs 3 der Abgabenordnung (AO), der eine Einschränkung der Aufrechnungsbefugnis des Steuerschuldners, oder § 26 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG), der einen Ausschluß der Aufrechnung durch den Versicherungsnehmer vorsieht. Gegen eine entsprechende Anwendung einer dieser Vorschriften spricht schon, daß für das Steuerrecht und das Recht der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit jeweils ausdrückliche und unterschiedliche Regelungen getroffen worden sind, die im Recht der Sozialversicherung fehlen. Insbesondere gegen eine entsprechende Anwendung von § 26 VAG spricht auch die Entwicklung der Gesetzgebung. Die Vorschrift galt über Art 2 § 2 Abs 2 der 12. Aufbauverordnung für die versicherungspflichtigen Mitglieder der Ersatzkassen bis zum Inkrafttreten des SGB V (vgl dazu BSG SozR 2200 § 511 Nr 1). Die entsprechende Anwendung des § 26 VAG für freiwillig Versicherte der Krankenkassen insbesondere seit dem 1. Januar 1989 ist schon deshalb nicht möglich, weil durch das Gesundheits-Reformgesetz vom 21. Dezember 1988 (BGBl I 2477) die Aufbauverordnung und damit auch die Verweisung auf § 26 VAG aufgehoben wurde, ohne daß eine entsprechende Regelung in das SGB V Eingang gefunden hat. Wenn die Aufrechnung gegen Beitragsforderungen für freiwillig Versicherte schon kraft Gesetzes ausgeschlossen werden sollte, hätte es nahegelegen, die Regelung des § 26 VAG zu übernehmen oder auf sie zu verweisen. Auch für eine Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis in entsprechender Anwendung von § 226 Abs 3 AO besteht keine hinreichende Vergleichbarkeit der Sachverhalte. Die Vorschrift soll verhindern, daß die Geltendmachung der Steuern durch zweifelhafte Gegenforderungen aufgehalten wird (vgl Tipke/Kruse, Abgabenordnung, 15. Aufl, Stand April 1991, § 226 AO RdNr 15). Wenn ein entsprechender Aufrechnungsausschluß im Beitragsrecht der Sozialversicherung gelten sollte, hätte es nahegelegen, diesen im SGB IV zu regeln. Dies ist nicht geschehen. Im übrigen kann ein freiwillig Versicherter, der sich in Zahlungsrückstand befindet und dem die Feststellung des Endes seiner Mitgliedschaft angedroht worden ist, das Ende der Versicherung nicht ohne weiteres verhindern oder hinauszögern, wenn er die Aufrechnung mit unbegründeten Gegenforderungen erklärt. Vielmehr kann in solchen Fällen die Krankenkasse ungeachtet der Aufrechnungserklärung das Ende der Mitgliedschaft feststellen; lediglich die Rechtmäßigkeit ihrer Feststellung ist dann noch in der Schwebe, bis die Unbegründetheit der Gegenforderung feststeht. Hieran zeigt sich, daß die gesetzliche Krankenversicherung auch bei Zulässigkeit der Aufrechnung mit dem Ende der Mitgliedschaft eine Sanktion für Beitragsrückstände bereithält, die weitergeht als ein Aufrechnungsausschluß. Die Funktionsfähigkeit der Versicherung, die auch von der regelmäßigen Beitragszahlung aller Versicherten abhängt, wird dadurch besonders wirksam geschützt.
Der Senat verkennt nicht, daß dennoch eine Einschränkung der Aufrechnungsbefugnis zweckmäßig sein kann. Wenn die Frage, ob eine Mitgliedschaft weiterbesteht, davon abhängt, ob die Beiträge rechtzeitig und vollständig entrichtet worden sind, so sollte dieses möglichst einfach festzustellen sein. Ein längerer Streit, uU ein Prozeß darüber, ob die Beitragsforderung durch Aufrechnung erloschen ist, steht mit dem Bestreben nach alsbaldiger Klarheit über Ende oder Bestand der Mitgliedschaft nicht in Einklang. Es mag deshalb erwägenswert sein, einen völligen Aufrechnungsausschluß wie in § 26 VAG auch für freiwillig Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung vorzusehen. Derartige Überlegungen allein reichen indes nicht aus, um ein Aufrechnungsverbot ohne eindeutige Rechtsgrundlage gleichsam kraft "Natur der Sache" anzunehmen. Der Senat hat im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden, ob die Beklagte durch eine Satzungsbestimmung eine Einschränkung der Aufrechnungsbefugnis oder ein Aufrechnungsverbot entsprechend § 226 Abs 3 AO oder § 26 VAG vorsehen sollte oder könnte oder ob derartige Regelungen einer gesetzlichen Grundlage bedürften.
Ist danach hier die Aufrechnung grundsätzlich zulässig und auch nicht etwa entsprechend § 226 Abs 3 AO auf unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen beschränkt gewesen, so wird das LSG festzustellen haben, ob und in welchem Umfang die Klägerin mit Forderungen gegen die Beklagte wirksam aufgerechnet hat. Es wird dabei zu beachten haben, daß die Aufrechnung mit fälligen Gegenforderungen jedenfalls bis zu dem für das mögliche Ende der Mitgliedschaft maßgeblichen Zahltag - hier bis zum 15. August 1989 - erklärt worden sein muß, und zwar unabhängig davon, wann die Aufrechnungslage (vgl § 389 BGB) entstanden ist. Ist hingegen das Ende der Mitgliedschaft bereits eingetreten, so kann dieser Zustand nachträglich und rückwirkend nicht mehr durch eine erst jetzt erklärte Aufrechnung beeinflußt werden. An der bisherigen Rechtsprechung, nach der eine erst nach Ende der Mitgliedschaft erklärte Aufrechnung hinsichtlich der Mitgliedschaft keine Rückwirkung hat (vgl BSGE 39, 83, 85 = SozR 2200 § 314 Nr 1), wird festgehalten.
Durch Aufrechnung kann die Klägerin das Ende der Mitgliedschaft schließlich nur dann verhindert haben, wenn sie damit bis zum 15. August 1989 die rückständigen Beiträge für Mai und Juni 1989 vollständig getilgt hatte. Dies ist notwendig, weil die Klägerin sonst weiter mit den fälligen Beiträgen für zwei Monate im Rückstand bliebe, denn am 15. August 1989 war bereits der Beitrag für den weiteren Monat Juli 1989 fällig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen
Haufe-Index 517691 |
BSGE, 28 |
Breith. 1996, 7 |