Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken |
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Juli 1998 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Gewährung von Anschlußübergangsgeld im Anschluß an eine Rehabilitationsmaßnahme.
Der am 6. August 1949 geborene Kläger nahm vom 13. November 1995 bis zum 9. August 1996 an einer praxisorientierten Reintegrationsmaßnahme für Rehabilitanden (PRR) im Beruflichen Fortbildungszentrum (BFZ) W. teil, die von der Beklagten auf der Grundlage von § 16 Abs 1 Nr 3 SGB VI bewilligt worden war (Bescheid vom 27. Oktober 1995). Für diese Zeit erhielt er von der Beklagten Übergangsgeld (Übg). Im Rahmen der Maßnahme absolvierte der Kläger zunächst ein Praktikum bei der B. AG in A. und wechselte zum 18. März 1996 in Abstimmung mit der Beklagten aufgrund größerer Übernahmechancen zum OBI Bau- und Heimwerkermarkt in G.. Nach der Beendigung der PRR-Maßnahme meldete sich der Kläger am 10. August 1996 beim Arbeitsamt W. arbeitslos und stand – wie der Vertreter der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat mitgeteilt hat – erst ab 1997 wieder in einem Beschäftigungsverhältnis.
Am 6. September 1996 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Übg für die Dauer von sechs Wochen nach Abschluß einer berufsfördernden Maßnahme. Er stützte den Antrag auf § 25 Abs 3 Nr 3 SGB VI und fügte eine Bescheinigung des BFZ W. vom 15. August 1996 bei, in der es heißt, der Kläger habe die Berufsförderung mit Erfolg beendet. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 7. Oktober 1996; Widerspruchsbescheid vom 3. März 1997) und führte zur Begründung aus, der Kläger habe die PRR nicht mit Erfolg beendet, weil das Ziel einer dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht erreicht worden sei. Im Widerspruchsverfahren berief sich die Beklagte hierzu auf eine neue Bescheinigung des BFZ W. vom 17. Januar 1997. Darin wird „wie heute telefonisch besprochen” bestätigt, der Kläger habe die Maßnahme ohne Erfolg beendet, da er nach Maßnahmeende nicht in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen wurde.
Im Klageverfahren hat das SG Nürnberg die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 10. August 1996 für die Dauer von sechs Wochen Übg in gesetzlicher Höhe zu zahlen (Urteil vom 22. Juli 1997). Das Bayerische LSG hat die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 8. Juli 1998 zurückgewiesen und in Übereinstimmung mit dem SG die Voraussetzung des § 25 Abs 3 Nr 3 SGB VI bejaht.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 25 Abs 3 Nr 3 SGB VI durch das LSG und trägt im wesentlichen vor: Im Rahmen der beruflichen Rehabilitation nehme die PRR eine Sonderstellung als neuer und erfolgversprechender Weg zur Integration von behinderten Langzeitarbeitslosen ins Arbeitsleben ein. Besonderes Merkmal sei, daß die Maßnahme von Arbeitgeberverbänden initiiert und mitgetragen werde, indem diese dem Rehabilitanden einen Praktikumsplatz zur Verfügung stellten und ihn bei entsprechender Eignung in ein festes Arbeitsverhältnis übernähmen. Nach sehr guten Anfangserfolgen sei die Vermittlungsquote jedoch Mitte der 90er Jahre auf unter 50 % gesunken. Deshalb habe sich die Frage der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der PRR (§ 13 Abs 1 SGB VI) sowie der Weiterzahlung des Übg für sechs Wochen nach Maßnahmeende gestellt und bei den Reha-Dezernenten der Bayerischen Landesversicherungsanstalten die Auffassung durchgesetzt, daß von einer erfolgreichen Absolvierung der Maßnahme nicht ausgegangen werden könne, wenn keine Übernahme auf den Praktikumsplatz erfolge. Der Versicherte, dessen Eingliederungschancen sich mangels eines Prüfungszeugnisses durch die PRR nicht erhöht hätten, sei in einem solchen Fall wieder Arbeitssuchender mit Anspruch auf AFG-Leistungen. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn Anhaltspunkte dafür vorlägen, daß innerhalb der Sechs-Wochen-Frist nach Maßnahmeende ein Arbeitsplatz bereitgestellt werde. Im Falle einer Weiterzahlungspflicht der Rentenversicherungsträger bestünde zudem für die Arbeitsverwaltung auch nur ein verminderter Anreiz für intensive Vermittlungsbemühungen.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Juli 1998 und des Sozialgerichts Nürnberg vom 22. Juli 1997 aufzuheben sowie die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, daß der Kläger gemäß § 25 Abs 3 Nr 3 SGB VI einen Anspruch auf die Weitergewährung von Übg für die Dauer von sechs Wochen nach Abschluß der PRR hat. Der Bescheid der Beklagten vom 7. Oktober 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 1997 ist rechtswidrig.
Die Voraussetzungen des § 25 Abs 3 Nr 3 SGB VI sind erfüllt. Maßgebend ist hier gemäß § 301 Abs 1 SGB VI die im Zeitpunkt der Antragstellung (6. September 1996) bis zum 31. Dezember 1997 geltende Gesetzesfassung (vgl Senatsurteil vom 23. Februar 2000 – B 5 RJ 6/99 R – zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Danach wird das Übg für bis zu sechs Wochen weiter erbracht, wenn Versicherte im Anschluß an eine abgeschlossene berufsfördernde Leistung arbeitslos sind, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben und zur beruflichen Eingliederung zur Verfügung stehen. Dies alles trifft beim Kläger zu. Während der Dauer der neunmonatigen Rehabilitationsmaßnahme erhielt er von der Beklagten Übg. Die vom 13. November 1995 bis zum 9. August 1996 absolvierte PRR-Maßnahme stellte eine berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation iS von § 16 Abs 1 Nr 3 SGB VI dar. Im Anschluß an diese Maßnahme war der Kläger arbeitslos. Er hat sich gemäß der am 8. August 1996 ausgestellten Bescheinigung des Arbeitsamtes W. auch zum 10. August 1996 beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und stand der beruflichen Wiedereingliederung zur Verfügung. Entgegen der Ansicht der Beklagten lag im Falle des Klägers schließlich eine „abgeschlossene” Maßnahme iS des § 25 Abs 3 Nr 3 SGB VI vor.
1. Abschluß bedeutet, daß die vom Rehabilitationsträger geförderte Maßnahme mit Erfolg beendet worden ist. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Weitergewährung von Übg im Falle einer sich an die berufsfördernde Maßnahme anschließenden Arbeitslosigkeit. Ein solches Übg wurde für notwendig erachtet, weil Rehabilitanden nach dem Abschluß einer Maßnahme nicht stets sogleich einen Arbeitsplatz fanden, sondern ihnen bei rechtzeitiger Einleitung der Vermittlungsbemühungen spätestens innerhalb von sechs Wochen ein geeigneter Arbeitsplatz vermittelt werden konnte. In dieser Situation sollte der Rehabilitand nicht sofort einem Arbeitslosen gleichgestellt werden (vgl BT-Drucks 7/1237, S 60 f zum wortgleichen § 17 Abs 3 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974). Wird dagegen eine berufsfördernde Maßnahme erfolglos beendet, ist es nicht Aufgabe des für die Rehabilitation zuständigen Versicherungsträgers, den arbeitslosen Versicherten über die Beendigung der Maßnahme hinaus zu unterstützen, da die Arbeitslosigkeit in einem solchen Fall in keinem Zusammenhang mit der Maßnahme steht. Das Risiko der Arbeitslosigkeit fällt dann in den Verantwortungsbereich der Arbeitsverwaltung, sofern nicht die Voraussetzungen des § 25 Abs 3 Nr 4 SGB VI vorliegen und vor Beginn einer erforderlichen weiteren berufsfördernden Leistung die Gewährung von Zwischenübergangsgeld in Betracht kommt (vgl zum früheren Rechtszustand – § 1241e RVO – Senatsurteil vom 12. September 1978 – 5 RJ 8/78 – BSGE 47, 51, 52 f = SozR 2200 § 1241e Nr 5 S 10; BSG Urteil vom 8. Februar 1979 – 4 RJ 65/78 – Breith 1979, 801; Hoppe, Urteilsanmerkung, AuB 1979, 91; ferner Kreikebohm, SGB VI-Komm, 1997, § 25 RdNr 8; VerbandsKomm-SGB VI, § 25 RdNr 10, Stand Januar 1998).
2. Bei der Frage, ob eine berufsfördernde Maßnahme erfolgreich oder erfolglos abgeschlossen worden ist, muß unterschieden werden, ob die Maßnahme mit oder ohne Prüfung geendet hat.
a) Berufsfördernde Maßnahmen, die mit einer Abschlußprüfung und der entsprechenden Zeugniserteilung enden, sind nach ständiger Rechtsprechung des BSG nur dann erfolgreich abgeschlossen, wenn der Rehabilitand die vorgesehene Prüfung bestanden hat (vgl Senatsurteile vom 12. September 1978 – 5 RJ 8/78 – BSGE 47, 51, 52 f = SozR 2200 § 1241e Nr 5 S 10 und vom 13. September 1978 – 5 RJ 94/77 – SozR 2200 § 1246 Nr 32; BSG Urteil vom 8. Februar 1979 – 4 RJ 65/78 – Breith 1979, 801). Denn nur dann kann davon ausgegangen werden, daß der Versicherte das Maßnahmeziel erreicht und die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten tatsächlich erworben hat. Für einen erfolgreichen Abschluß der berufsfördernden Maßnahme und die Weitergewährung von Übg nicht erforderlich ist hingegen, daß der Versicherte außer dem Ausbildungsabschluß auch einen entsprechenden Arbeitsplatz gefunden hat. Dies ergibt sich gerade aus der Regelung des § 1241e Abs 3 RVO bzw § 25 Abs 3 Nr 3 SGB VI (vgl Senatsurteil vom 13. September 1978 – 5 RJ 94/77 – SozR 2200 § 1246 Nr 32).
b) Wenn dagegen die vorgesehene Prüfung nicht bestanden oder die Maßnahme vorzeitig abgebrochen wird, kann von einem erfolgreichen Abschluß der Maßnahme keine Rede sein.
c) Anders verhält es sich bei berufsfördernden Maßnahmen, die – wie im Fall des Klägers – keine Abschlußprüfung vorsehen, die das Erreichen des Maßnahmeziels dokumentiert. Hierbei ist von einem erfolgreichen Abschluß dann auszugehen, wenn der Rehabilitand die bewilligte Maßnahme planmäßig durchlaufen und daran bis zu dem vorgesehenen Ende nachweislich teilgenommen hat (vgl Baumjohann, Rehabilitationsmaßnahmen der Bundesknappschaft – im Blickfeld des Rentenreformgesetzes 1992 und der deutschen Einigung, Kompaß 1991, 23, 28; Bayerlein/Engelbrecht/Meyer/Wiesel, Die Übergangsgeldvorschriften, MittLVA Oberfr 1992, 589, 609; Ebenhöch in GemeinschaftsKomm-SGB VI, § 25 RdNr 70, Stand Oktober 1999; Römer in Hauck, SGB VII-Komm, K § 50 RdNr 13, Stand April 1998). Ebenso wie bei Maßnahmen, die mit einer Prüfung abschließen, ist es für einen erfolgreichen Abschluß nicht erforderlich, daß der Rehabilitand im Anschluß an die Maßnahme in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen wird.
Hiervon ausgehend sind die tatsächlichen Erfordernisse eines erfolgreichen Abschlusses beim Kläger erfüllt. Nach den nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den erkennenden Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG hat der Kläger bis zu dem vorgesehenen Maßnahmeende am 9. August 1996 an allen im Rahmen der PRR-Maßnahme vorgesehenen theoretischen und praktischen Ausbildungsabschnitten „erfolgreich” teilgenommen. Da das LSG zur Ergänzung des Tatbestandes zulässigerweise auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Beklagtenakte Bezug genommen hat, konnte der Senat außerdem auf diese Akten zurückgreifen. Daraus ergibt sich kein Anhalt für eine vorzeitige Beendigung oder etwa lange unentschuldigte Fehlzeiten. Derartige Hinweise finden sich insbesondere nicht in den qualifizierten Zeugnissen der Praktikumsbetriebe B. AG und OBI Bau- und Heimwerkermarkt vom 8. Februar 1996 bzw 9. August 1996 (vgl Bl 44 und 45 der Akten des SG). Im Gegenteil heißt es im Zeugnis des OBI Bau- und Heimwerkermarktes, der Kläger habe die ihm anvertrauten Aufgaben immer zur vollsten Zufriedenheit erledigt; durch Personal-Überbestand habe er leider nicht in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen werden können. Die ordnungsgemäße Erfüllung des Ausbildungsplanes ergibt sich auch aus der Bescheinigung des BFZ W. vom 15. August 1996 (vgl Bl 152 der Verwaltungsakten der Beklagten). Diese Feststellungen stehen nicht in Widerspruch zu dem Inhalt der Bescheinigung des BFZ W. vom 17. Januar 1997 (vgl Bl 163 der Verwaltungsakten der Beklagten). Denn sie enthält keine Angaben dahingehend, daß der Kläger nicht bis zum Ende des Ausbildungsplans ordnungsgemäß an der Maßnahme teilgenommen habe, sondern beurteilt lediglich deren Ablauf – wie mit der Beklagten telefonisch besprochen – nachträglich als erfolglos. Insoweit handelt es sich jedoch um eine Wertung, die ausdrücklich allein damit begründet wurde, daß der Kläger nicht in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen worden sei. Da dieser Umstand indessen entscheidungsunerheblich ist, kann auch der Wertung des BFZ nicht gefolgt werden.
Die Erlangung eines Arbeitsplatzes konnte im Falle des Klägers auch nicht unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände Kriterium für einen erfolgreichen Abschluß der berufsfördernden Maßnahme sein. Die Bewilligung der Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation war im Bescheid vom 27. Oktober 1995 auf § 16 Abs 1 Nr 3 SGB VI gestützt und sollte somit der beruflichen Anpassung, Fortbildung, Ausbildung oder Umschulung des Klägers dienen. Dies bedeutet – generell gesehen – nicht, daß die bewilligte Maßnahme nur dann erfolgreich abgeschlossen war, wenn der Kläger anschließend einen Arbeitsplatz erlangte. Daran änderten auch die konkreten Umstände nichts. Im Bescheid vom 27. Oktober 1995 heißt es lediglich, dem Kläger werde als berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation eine Maßnahme zur beruflichen Integration (§ 16 Abs 1 Nr 3 SGB VI) bewilligt; die Leistung werde in der Ausbildungseinrichtung BFZ W. durchgeführt (vgl Bl 37 der Verwaltungsakten der Beklagten). Über den Wortlaut des Bewilligungsbescheides hinaus bestand zwischen den Beteiligten zwar Einigkeit, daß der Kläger beim BFZ W. an einem theoretischen Unterricht sowie in einem Betrieb an einem Praktikum teilnehmen sollte, um ihn in das Berufsleben zu reintegrieren. Daß der Kläger nach der Maßnahme einen bestimmten Arbeitsplatz im Praktikumsbetrieb oder anderswo erlangte, mag entsprechend der Beschreibung der PRR-Maßnahme durch das BFZ (vgl Bl 39 ff der Akten des SG) das erstrebte Ziel der Beteiligten gewesen sein. Als entscheidenden Umstand für den erfolgreichen Abschluß der Maßnahme ist dieses Bestreben aber nach dem vom LSG zur Ergänzung des Tatbestandes in Bezug genommenen Inhalt aller Akten weder ausdrücklich noch andeutungsweise iS einer Bedingung oder Auflage (vgl § 32 SGB X) Gegenstand des Bewilligungsbescheides geworden. Ob eine derartige Vorgehensweise zulässig gewesen wäre, hatte der Senat nicht zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 743310 |
DRV 2001, 119 |
SozSi 2001, 143 |
SozSi 2002, 72 |