Leitsatz (amtlich)
1. Die Übergangsregelung für Leistungen zur Rehabilitation in § 301 Abs 1 SGB 6 gilt für alle darauf bezogenen Änderungen des SGB 6.
2. Die Höhe der Zuzahlung für eine nach den Vorschriften des SGB 6 erbrachte stationäre medizinische Leistung zur Rehabilitation richtet sich nach dem im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Recht.
Stand: 13. Juni 2000
Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 28. Januar 1999 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Zuzahlung für eine stationäre medizinische Leistung zur Rehabilitation.
Der Kläger beantragte im Oktober 1996 die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsleistung und stellte gleichzeitig einen Antrag auf Befreiung von der Zuzahlung. Mit Bescheid vom 9. Dezember 1996 bewilligte ihm die Beklagte ein stationäres Heilverfahren, das vom 23. Januar bis 25. Februar 1997 durchgeführt wurde. Der Bewilligungsbescheid enthielt den Hinweis „Sofern eine Zuzahlung zu leisten ist, erhalten Sie darüber einen gesonderten Bescheid”. Mit Bescheid vom 15. März 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 1998 lehnte die Beklagte die Befreiung von der Zuzahlung ab und forderte vom Kläger für 33 Tage insgesamt 825 DM, wobei sie sich für den Tagessatz von 25 DM auf § 32 Abs 1 Satz 1 SGB VI in der ab 1. Januar 1997 geltenden Fassung berief. Das SG hat den angefochtenen Bescheid aufgehoben (Urteil vom 13. August 1998). Das LSG hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Bescheid der Beklagten vom 15. März 1997 idF des Widerspruchsbescheides vom 19. März 1998 dahingehend abgeändert wird, daß der Kläger eine Zuzahlung in Höhe von 396 DM zu erbringen habe (Urteil vom 28. Januar 1999). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Die Zuzahlungspflicht des Klägers richte sich nach § 32 Abs 1 Satz 1 SGB VI in der bis 31. Dezember 1996 geltenden Fassung durch Verweis auf § 39 Abs 4 und § 310 Abs 1 SGB V und betrage danach 12 DM für jeden Tag des Heilverfahrens. § 32 Abs 1 Satz 1 SGB VI idF des Art 1 Nr 9 WFG finde keine Anwendung. Dies ergebe sich aus § 301 Abs 1 SGB VI. Danach seien für Leistungen zur Rehabilitation bis zum Ende der Leistung die im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Vorschriften weiter anzuwenden. Diese Vorschrift erfasse auch die gesetzlich festgelegte Zuzahlung. Dabei handele es sich zwar nicht um eine Rehabilitationsleistung. Die Zuzahlungspflicht bewirke aber, daß der Versicherte die Rehabilitationsleistung nur teilkostenfrei erhalte, indem im Augenblick der vollkostenfreien Vorleistung durch den Versicherungsträger ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegen den Versicherten entstehe. Vor diesem Hintergrund habe § 32 SGB VI zwar zu Art und Dauer der jeweiligen Rehabilitationsmaßnahme keinen Bezug, beeinflusse jedoch die vom Versicherungsträger für die Durchführung der Heilmaßnahme aufzubringenden Aufwendungen. Unter diesem Aspekt sei § 32 SGB VI als eine Vorschrift für „Leistungen zur Rehabilitation” iS des § 301 Abs 1 SGB VI anzusehen. Die Voraussetzung des § 32 Abs 1 Satz 2 SGB VI aF für eine zeitliche Begrenzung der Zuzahlung sei nicht gegeben; das durchgeführte Heilverfahren sei nicht mit einer Krankenhausbehandlung vergleichbar und habe sich auch nicht an eine solche angeschlossen. Die persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers erfüllten auch nicht die Voraussetzungen für eine vollständige oder teilweise Befreiung von der Zuzahlungspflicht nach § 32 Abs 4 aF SGB VI iVm den Richtlinien der Versicherungsträger für die Befreiung von der Zuzahlung bei medizinischen oder sonstigen Leistungen zur Rehabilitation in der im Oktober 1996 geltenden Fassung.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 301 Abs 1 SGB VI und trägt vor, diese Vorschrift sei auf § 32 SGB VI weder direkt noch entsprechend anwendbar. Die Auffassung des LSG verkenne Sinn und Zweck der Übergangsregelungen der §§ 300 und 301 SGB VI in Verbindung mit der Zuzahlungsvorschrift des § 32 SGB VI. Nach § 300 SGB VI sei grundsätzlich neues Recht anzuwenden. Ausweislich seines ausdrücklichen Wortlauts mache § 301 SGB VI hiervon lediglich für „Leistungen zur Rehabilitation” insoweit eine Ausnahme, als danach bis zum Ende der Leistungen die Vorschriften weiter anzuwenden seien, die im Zeitpunkt der Antragstellung oder, wenn den Leistungen ein Antrag nicht vorausgegangen sei, der Inanspruchnahme gegolten hätten. Bei der Verpflichtung zur Zuzahlung handele es sich aber nicht um eine „Leistung” zur Rehabilitation. Die Höhe der Zuzahlung müsse sich daher nach den bei Beginn der Leistung geltenden Vorschriften richten. Die ab 1. Januar 1997 geltende Zuzahlungsregelung sei somit auf alle Leistungen anzuwenden, die – wie hier – nach dem 31. Dezember 1996 begonnen hätten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 28. Januar 1999 zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 13. August 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Im Revisionsverfahren ist nur noch darüber zu entscheiden, ob die Beklagte vom Kläger die Zuzahlung mit dem höheren Tagessatz nach dem ab 1. Januar 1997 geltenden Recht verlangen kann. Dies haben die Vorinstanzen zu Recht verneint. Soweit das LSG auch über eine Befreiung des Klägers von der Zuzahlungspflicht und eine zeitliche Begrenzung der Zuzahlung entschieden hat, ist das Berufungsurteil nicht mit der Revision angegriffen.
Maßgebend für die Zuzahlungspflicht ist hier § 32 Abs 1 Satz 1 SGB VI in der durch Art 4 Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. Dezember 1992 (GSG – BGBl I, 2266) geänderten, bis 31. Januar 1992 geltenden Fassung, der folgenden Wortlaut hat:
„(1) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und stationäre medizinische Leistungen in Anspruch nehmen, zahlen für jeden Kalendertag dieser Leistungen den sich nach § 39 Abs 4 und § 310 Abs 1 des Fünften Buches ergebenden Betrag.”
Daraus ergab sich für die Zuzahlungspflicht im alten Bundesgebiet ab 1. Januar 1994 ein Tagessatz von 12 DM (§ 39 Abs 4 Satz 3 SGB V idF des Art 1 Nr 23 Buchst c GSG).
Nach § 32 Abs 1 Satz 1 SGB VI idF des Art 1 Nr 9 Buchst a WFG vom 25. September 1996 (BGBl I, 1461), der am 1. Januar 1997 in Kraft getreten ist (Art 12 Abs 1 WFG), hätte der Kläger 25 DM täglich zuzuzahlen. Denn in dieser neuen Fassung ist der Verweis auf § 39 Abs 4 SGB V durch den Verweis auf § 40 Abs 5 SGB V ersetzt; letztere Vorschrift enthält idF des Art 2 Nr 12 Buchst b Beitragsentlastungsgesetz vom 1. November 1996 (BeitragsEntlG – BGBl I, 1631), der ebenfalls am 1. Januar 1997 in Kraft getreten ist (Art 5 BeitragsEntlG), einen Zuzahlungsbetrag von 25 DM. § 32 Abs 1 Satz 1 SGB VI in der ab 1. Januar 1997 geltenden Fassung findet jedoch für den Kläger keine Anwendung. Dies ergibt sich, wie die Vorinstanzen zutreffend geurteilt haben, aus § 301 Abs 1 SGB VI.
Da das WFG keine Übergangsregelung enthält, beantwortet sich die Frage, welches Recht für die Zuzahlungspflicht des Klägers anzuwenden ist, nach den allgemeinen und besonderen Übergangsregelungen der §§ 300 ff SGB VI.
Nach der Grundregel des § 300 Abs 1 SGB VI gilt grundsätzlich neues Recht; die Vorschriften des SGB VI sind vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Abweichend davon bestimmt § 300 Abs 2 SGB VI, daß aufgehobene Vorschriften des Gesetzbuchs auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden sind, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Es bedarf keiner Entscheidung, ob für die Anwendung des § 300 Abs 1 oder 2 SGB VI im Fall der Zuzahlung allein auf den Zuzahlungsanspruch der Beklagten oder auch auf den Leistungsanspruch des Klägers abzustellen ist und ob dieser noch unter dem alten Recht (im Sinne eines fälligen Anspruchs – vgl Senatsurteil vom 24. Februar 1999 – B 5 RJ 28/98 R – SozR 3-2600 § 300 Nr 14) bestanden hat. Denn nach § 300 Abs 5 SGB VI gelten die Grundregel des Absatzes 1 und die Ausnahmeregel des Absatzes 2 nicht, soweit in den folgenden Vorschriften etwas anderes bestimmt ist. Dies ist hier der Fall. Die Regelungen in § 300 Abs 1 und 2 SGB VI werden durch § 301 Abs 1 SGB VI verdrängt. Danach sind für Leistungen zur Rehabilitation bis zum Ende der Leistungen diejenigen Vorschriften weiter anzuwenden, die im Zeitpunkt der Antragstellung oder, wenn den Leistungen ein Antrag nicht vorausging, der Inanspruchnahme galten. Diese von § 300 Abs 1 und 2 SGB VI abweichende Übergangsregelung erfaßt auch die Vorschrift des § 32 SGB VI über die Zuzahlung.
§ 301 Abs 1 SGB VI stellt wie § 301 Abs 1 und 2 SGB VI nicht lediglich auf das Inkrafttreten des SGB VI zum 1. Januar 1992 ab, sondern gilt auch für alle späteren Änderungen des SGB VI. Wie das BSG bereits entschieden hat, ergibt sich dies bei § 300 Abs 1 und 2 SGB VI bereits aus dem allgemeinen Wortlaut, der nicht nur auf das Inkrafttreten des SGB VI zu jenem Datum abstellt; es wird im übrigen durch die Gesetzesmaterialien bestätigt (vgl Begründung zum Entwurf des RRG 1992, BT-Drucks 11/4124 S 206 zu § 291 Abs 1 = § 300 Abs 1 SGB VI; ebenso Senatsurteil vom 1. Dezember 1999 – B 5 RJ 20/98 R – zur Veröffentlichung vorgesehen – und BSG Urteile vom 30. Oktober 1997 – 13 RJ 71/96 – SozR 3-2600 § 300 Nr 12 und 13 RJ 3/97 sowie vom 9. September 1998 – B 13 RJ 63/97 R – jeweils nicht veröffentlicht). § 301 Abs 1 SGB VI als Sonderregelung zu § 300 Abs 1 und 2 SGB VI ist nichts anderes zu entnehmen (wie hier: Niesel in Kasseler Komm § 301, Stand: Oktober 1991, RdNr 1; Hauck in Hauck-Haines, SGB-Komm, K § 301, Stand: Mai 1995, RdNr 3 und K § 32, Stand: Januar 1997, RdNr 13; Bayerisches LSG Urteile vom 16. Juni 1999 – L 13 RA 156/98, vom 25. August 1999 – L 1 RA 8/99 und vom 28. September 1999 – L 6 RJ 227/99; LSG Sachsen Urteil vom 22. Oktober 1999 – L 1 RA 19/99, vgl auch die Gesetzesbegründung zum RRG 1992, aaO, zu § 292 = § 301 Abs 1 SGB VI; aA Bayerisches LSG Urteil vom 11. März 1999 – L 14 RA 183/98). In den §§ 300 SGB VI ist jeweils differenziert formuliert, indem entweder ein ganz bestimmter (einziger) Zeitpunkt genannt wird, auf den es für die jeweilige Regelung ankommt, oder aber eine Regelung ohne Nennung eines Zeitpunkts auf Rechtsänderungen bezogen ist. Insoweit macht § 301 SGB VI keine Ausnahme, wenn in seinem Absatz 1 im Gegensatz zum Absatz 2 kein Zeitpunkt aufgeführt ist.
§ 301 Abs 1 SGB VI spricht von den Vorschriften für Leistungen zur Rehabilitation. Das Wort „Leistungen” ist dabei weder bestimmten Leistungen zur Rehabilitation noch bestimmten Leistungsverpflichteten zugeordnet, sondern lediglich einem bestimmten Zweck, nämlich der „Rehabilitation”. Bei Leistungen zur stationären medizinischen Rehabilitation können mithin unter den Leistungen sowohl die sächlichen Leistungen verstanden werden als auch alle anderen Leistungen, die – von wem auch immer – im Zusammenhang damit nach den rentenrechtlichen Vorschriften zu erbringen sind. Allerdings ist zuzugeben, daß der Begriff der Leistung im SGB VI in aller Regel enger als in seiner allgemeinen rechtlichen Bedeutung verwendet wird und nicht jedwede Zuwendung eines Vorteils an einen anderen (vgl zu diesem allgemeinen Verständnis des Leistungsbegriffs zB Palandt, BGB-Komm, 59. Aufl 2000, § 241 RdNr 4), sondern nur die im SGB vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen (Sozialleistungen) meint, die in § 11 SGB I als Gegenstand der sozialen Rechte bezeichnet werden und für die nach § 12 SGB I die Sozialleistungsträger zuständig sind. Gleichwohl gehört die Regelung der Zuzahlung in § 32 SGB VI zu den Vorschriften für Leistungen zur Rehabilitation iS des § 301 Abs 1 SGB VI. Dafür sprechen die Gesetzessystematik und – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch Sinn und Zweck der Übergangsregelung in § 301 Abs 1 SGB VI im Verhältnis zu § 32 SGB VI.
Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 11/4124 S 206) soll § 301 Abs 1 SGB VI sicherstellen, daß Versicherte, die vor Inkrafttreten der neuen Vorschriften Leistungen zur Rehabilitation beantragt oder bezogen haben, diese Leistungen nach dem vor Inkrafttreten der neuen Regelung geltenden und damit einheitlich nach demselben Recht erhalten (vgl auch BSG Urteil vom 29. August 1996 – 4 RA 11/94 – SozR 3-2600 § 301 Nr 1, S 5). Zu diesem Recht gehört nach der Systematik des SGB VI auch die Zuzahlungsregelung. Sie ist in dem mit „Leistungen” überschriebenen Zweiten Kapitel des SGB VI im Ersten Abschnitt im Sechsten Titel „Umfang der Leistungen” des Zweiten Unterabschnitts enthalten.
Mit der systematischen Zuordnung der Zuzahlungsregelung zum Leistungsrecht folgt das SGB VI der RVO. Die Zuzahlungsregelung war dort seit ihrer Einführung durch Art 19 Nr 28 Haushaltbegleitgesetz vom 20. Dezember 1982 (HBegleitG 1983 – BGBl I, 1857) in § 1243 RVO enthalten und damit Teil der im Zweiten Abschnitt des Vierten Buchs der RVO enthaltenen Vorschriften über die Leistungen zur Rehabilitation. Diese systematische Stellung stimmt mit dem Zweck der Regelung überein. Zwar wurde die – zugleich in der Renten- und in der Krankenversicherung eingeführte – Zuzahlung zunächst mit einer notwendigen Entlastung der Versicherungsträger begründet (BT-Drucks 11/2237, S 178) und in ihrer Höhe durch die häusliche Ersparnis gerechtfertigt, die für den Versicherten mit der freien Unterkunft und Verpflegung während der stationären Maßnahme verbunden war (vgl die Begründung der Zuzahlungsregelung im Zusammenhang mit dem Gesundheits-Reformgesetz ≪GRG≫ in BT-Drucks 11/3480, S 55, daß sich die Höhe der Zuzahlung an den in der Sachbezugsverordnung festgelegten Bezügen für Unterkunft und Verpflegung orientieren solle). Sie ist jedoch nicht lediglich der Ausgleich eines wirtschaftlichen Vorteils der Versicherten bei Durchführung einer stationären medizinischen Leistung, sondern darüber hinaus auch ein Instrument zur Steuerung des Kostenbewußtseins der Versicherten und ihres Leistungsverhaltens (Pauli, Selbstbeteiligung der Versicherten an stationärer Heilbehandlung, DAngVers 83, 288, 299; Kleemann in Wannagat, SGB-Komm, § 32 SGB VI, Stand: Juni 1997, RdNr 3; ausdrücklich zur Zuzahlung in § 31 SGB V auch die Gesetzesbegründung in BT-Drucks 12/3608, S 81 zu Art 1 Nr 18 GSG; vgl auch Schmidt in Peters, Handbuch der KV, 19. Aufl, § 39 SGB V, Stand: Januar 1997, RdNrn 404 ff, und Noftz in Hauck/Haines, SGB-Komm, K § 39 SGB V, Stand: Mai 1998, RdNr 135). Denn es handelt sich um einen pauschalen Betrag, den das Gesetz unabhängig von der konkreten Ersparnis des Versicherten festgelegt hat, so daß dieser sich schlüssig werden muß, ob ihm die erforderliche Leistung auch einen eigenen Aufwand wert ist (Wannagat, aaO). Dieser Steuerungsaspekt hat sich in der Erhöhung des Tagessatzes durch das WFG um mehr als das Doppelte des bisherigen Betrags noch verstärkt niedergeschlagen (zur Auswirkung auf die Zahl der im Jahr 1997 beantragten Rehabilitationsmaßnahmen vgl Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der RV, § 32 SGB VI, Stand: März 1998, RdNr 7). Dem Steuerungsaspekt entspricht es, daß sich die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung damit auseinandersetzen und darauf einrichten können, welcher Kostenbeitrag von Ihnen verlangt werden wird.
Wirtschaftlich betrachtet bestimmt die Zuzahlung den Wert der Leistung, die der Versicherungsträger erbringt. Zwar besteht kein Vergütungszusammenhang, auf den die Grundsätze von Leistung und Gegenleistung anzuwenden wären; der Versicherungsträger darf Bewilligung und Durchführung der Leistung nicht von der Zuzahlung abhängig machen (BSG Urteile vom 11. Juni 1986 – 1 RA 51/85 – SozR 1500 § 149 Nr 11 und vom 16. Dezember 1993 – 4 RK 5/92 – BSGE 73, 271, 291 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 4, S 30; vgl auch BT-Drucks 9/2074, S 35). Jedoch erwächst die Zuzahlungspflicht nur in Abhängigkeit von der tatsächlich erbrachten Leistung. Indem der Versicherte die Sachleistung nicht „voll-”, sondern nur „teilkostenfrei” erhält (BSG Urteil vom 16. Dezember 1993 – 4 RK 5/92 – BSGE 73, 271, 286 = SozR 3-2500 § 13 Nr 4, S 25 f), wird einerseits der Leistungsumfang auf seiten des Rentenversicherungsträgers (in Gestalt einer geringeren Kostenbelastung) verringert und andererseits der Wert dieser Leistung in Höhe der Zuzahlung auf Seiten des Versicherten herabgesetzt. Beeinflußt aber die Zuzahlung auf diese Weise den Umfang der vom Versicherungsträger zu erbringenden Leistung, so muß eine Vorschrift, die die Zuzahlung regelt, auch als eine Vorschrift für die Leistung im Sinne des § 301 Abs 1 SGB VI angesehen werden (so auch LSG Bremen Urteil vom 28. Januar 1999 – L 2 RJ 27/98; Bayerisches LSG Urteile vom 16. Juni 1999 – L 13 RA 156/98, vom 25. August 1999 – L 1 RA 8/99 und vom 28. September 1999 – L 6 RJ 227/99; LSG Sachsen Urteil vom 22. Oktober 1999 – L 1 RA 19/99; ferner, allerdings nicht entscheidend, Bayerisches LSG Urteil vom 11. März 1999 – L 14 RA 183/98 und wohl auch – ohne nähere Begründung – Hauck in Hauck/Haines, SGB VI-Komm, K § 32, Stand: Januar 1997, RdNr 13). Das Urteil des BSG vom 11. Juni 1986 (1 RA 51/85 – SozR 1500 § 149 Nr 11) läßt sich nicht gegen diese Auslegung anführen (so aber LSG Berlin Urteil vom 25. November 1998 – L 17 An 48/98). In dem dort entschiedenen Rechtsstreit ging es um die Frage, ob es sich bei der Zuzahlung um eine „Rückerstattung” (der Rehabilitationsleistung des Rentenversicherungsträgers) handelt und der Zahlungsanspruch des Versicherungsträgers auf Zuzahlung deshalb von dem auf Rückerstattungen bezogenen Berufungsausschließungsgrund des früheren § 149 SGG erfaßt wurde. Dies wird verneint und dabei ua ausgeführt, es rechtfertige auch nicht die entsprechende Anwendung des § 149 SGG (aF) auf die Zuzahlung, daß sie wirtschaftlich betrachtet als ein durch „Rückzahlung” reduziertes Leistungsmaß des Versicherungsträgers erscheine. Dem stehe vor allem der Grundsatz der Rechtsklarheit entgegen, der eine restriktive, vorwiegend am Wortlaut orientierte Auslegung gebiete. Zudem aber sei die Interessenlage bei einer Streitigkeit wegen der Rückerstattung von Leistungen und einer Streitigkeit wegen der Zuzahlungspflichten nicht „ähnlich”, weil es einen Unterschied mache, ob eine Leistung ohne Rechtsgrund erbracht und zurückgefordert werden dürfe oder ob sie mit Recht erbracht und an diesen Tatbestand als gesetzliche Folge die Beteiligung des Begünstigten geknüpft werde. Diese Erwägungen lassen sich auf die Auslegung des § 301 Abs 1 SGB VI und die Frage, welches die dort genannten Vorschriften für Leistungen zur Rehabilitation sind, nicht übertragen.
Die Übergangsregelungen der §§ 300 ff SGB VI dienen neben den Bedürfnissen der Verwaltung im Hinblick auf den mit Rechtsänderungen verbundenen Verwaltungsaufwand auch den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (vgl dazu BVerfG Beschlüsse vom 28. November 1984 – 1 BvR 1157/82 – BVerfGE 68, 287, 307 und vom 30. September 1987 – 2 BvR 933/82 – BVerfGE 76, 256, 356). Unter diesen Gesichtspunkten ermöglicht § 301 Abs 1 SGB VI in der hier vorgenommenen Auslegung, daß der Versicherte, der eine Rehabilitationsleistung beantragen möchte, Vor- und Nachteile des Rehabilitationsverfahrens abwägen kann und ihm die Rechtsposition, die ihm das bei der Antragstellung geltende und seine Abwägung bestimmende Recht für diese Leistung einräumte, erhalten bleibt. In den Grenzen seiner Mitwirkungspflichten umfaßt diese Rechtsposition ggf auch die Möglichkeit, den unter einem ungünstigeren Recht gestellten Antrag zurückzunehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
BSGE, 293 |
DRV 2001, 113 |
NZS 2000, 406 |