Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des BSG vom 23.2.2017 - B 11 AL 3/16 R, das vollständig dokumentiert ist.
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. März 2016 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 17. Oktober 2014 zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisions- und des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Alg ab dem 18.6.2012. Im Streit ist, ob er die Anwartschaftszeit erfüllt hat.
Der Kläger war seit dem 1.6.1981 versicherungspflichtig beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis endete durch arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 3.3.2009 zum 31.1.2010. In der Zeit vom 28.1.2010 bis 1.5.2011 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt und erhielt von einer privaten Krankenversicherung vertragsgemäß ab dem 43. Kalendertag der Krankmeldung Krankentagegeld für die Zeit vom 11.3.2010 bis 1.5.2011. Danach nahm er vom 2.5. bis 9.12.2011 an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben des Rentenversicherungsträgers teil und bezog Übergangsgeld. Nach deren Abschluss war er bis zum 17.6.2012 erneut arbeitsunfähig erkrankt und bezog bis zum 31.5.2012 abermals Krankentagegeld.
Am 18.6.2012 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Alg. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, der Kläger habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt (Bescheid vom 3.8.2012; Widerspruchsbescheid vom 17.10.2012).
Das SG hat den Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 18.6.2012 Alg in gesetzlichem Umfang zu gewähren. Der Kläger erfülle neben den weiteren Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg auch die Anwartschaftszeit. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei der Bezug von Krankentagegeld in der Zeit vom 11.3.2010 bis 1.5.2011 nach § 26 Abs 2 Nr 2 SGB III als Versicherungszeit zu berücksichtigen, weil der Kläger unmittelbar vor Bezug des Krankentagegelds bis zum 31.1.2010 versicherungspflichtig nach dem SGB Ill gewesen sei. Die Lücke vom 1.2. bis 11.3.2010 hindere den Unmittelbarkeitszusammenhang nicht. Das Gesetz benenne keine feste Frist. Der Zweck des Unmittelbarkeitszusammenhangs sei es, im Ergebnis diejenigen Arbeitslosen vom Leistungsbezug auszuschließen, die den Bezug zur Arbeitslosenversicherung durch lange Unterbrechungen der Erwerbsbiografie verloren hätten. Hier beruhe die Lücke nicht darauf, dass der Kläger den Status als Arbeitnehmer aufgegeben habe.
Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, entgegen der Auffassung des SG sei der Kläger wegen der Lücke vom 1.2. bis 10.3.2010 (38 Tage) nicht unmittelbar vor Bezug des Krankentagegelds ab 11.3.2010 versicherungspflichtig nach dem SGB Ill gewesen. Nach der Gesetzesbegründung zu § 28a SGB Ill liege ein unmittelbarer Anschluss vor, wenn die Unterbrechung nicht mehr als einen Monat betrage. Dieser Zeitraum sei auch im Rahmen des § 26 Abs 2 SGB III als sachgerecht anzusehen.
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger eine Verletzung von § 26 Abs 2 SGB III geltend. Das LSG habe verkannt, dass § 26 SGB III die Versicherungspflicht sonstiger Versicherungspflichtiger regele, § 28a SGB III hingegen den Ausnahmecharakter der Antragspflichtversicherung. Der Gesetzgeber habe statt eine feste Monatsfrist zu normieren den unbestimmten Rechtsbegriff "unmittelbar" gewählt. Hieraus sei zu folgern, dass er auch die Prüfung des Einzelfalls zulassen wollte. Die Auslegung des Begriffs "unmittelbar" sei nach Sinn und Zweck des § 26 Abs 2 SGB III vorzunehmen. Das LSG habe es unterlassen, die für die Lücke ursächlichen Umstände zu prüfen. Es sollten nur Arbeitslose vom Leistungsbezug ausgeschlossen werden, die den Bezug zur Arbeitslosenversicherung durch lange Unterbrechungen der Erwerbsbiografie verloren hätten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. März 2016 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 17. Oktober 2014 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG). Das Urteil des Hessischen LSG vom 18.3.2016 ist aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG Gießen vom 17.10.2014 zurückzuweisen, denn das SG hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von Alg dem Grunde nach verurteilt.
Streitgegenstand in der Sache ist der Bescheid vom 3.8.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.10.2012, den der Kläger mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, 4 SGG) angreift. Er begehrt zulässigerweise dem Grunde nach (§ 130 Abs 1 S 1 SGG) Alg ab dem 18.6.2012.
Gemäß § 137 SGB III (anwendbar ist hier das SGB III in der seit dem 1.4.2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 - BGBl I 2854) setzt der Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit voraus, dass Arbeitnehmer (1.) arbeitslos sind, (2.) sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und (3.) die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Der Kläger hat sich zum 18.6.2012 arbeitslos gemeldet und ist nach dem Gesamtzusammenhang der tatsächlichen Feststellungen des LSG danach arbeitslos gewesen. Entgegen der Auffassung des LSG erfüllt er auch die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg.
Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 142 Abs 1 SGB III). Die Rahmenfrist beträgt zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg (§ 143 Abs 1 SGB III). Nicht eingerechnet werden in die Rahmenfrist Zeiten, in denen der Arbeitslose von einem Rehabilitationsträger Übergangsgeld wegen einer berufsfördernden Maßnahme bezogen hat (§ 143 Abs 3 SGB III).
Hier verläuft die Rahmenfrist - ausgehend von der Arbeitslosmeldung zum 18.6.2012 - zunächst vom 18.6.2010 bis 17.6.2012. Innerhalb dieses Rahmens hat der Kläger vom 2.5. bis 9.12.2011 wegen einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben vom Rentenversicherungsträger, die als berufsfördernde Maßnahme iS des § 143 Abs 3 SGB III anzusehen ist (vgl Söhngen in Eicher/ Schlegel, SGB III nF, § 143 RdNr 35, Stand April 2014), Übergangsgeld bezogen, sodass sich die Rahmenfrist um diese nicht einzurechnende Zeit verlängert auf den Zeitraum vom 8.11.2009 bis 17.6.2012. In dieser Zeit war der Kläger vom 8.11.2009 bis 31.1.2010 (84 Tage) versicherungspflichtig beschäftigt. Darüber hinaus ist jedenfalls auch der Bezug von Krankentagegeld in der Zeit vom 11.3.2010 bis 1.5.2011 (415 Tage) als Versicherungspflichtverhältnis gemäß § 26 Abs 2 Nr 2 SGB III zu berücksichtigen, wodurch die Anwartschaftszeit erfüllt ist.
Ob daneben auch der spätere Bezug von Krankentagegeld in der Zeit vom 12.12.2011 bis 31.5.2012 nach § 26 Abs 2 Nr 2 SGB III zu berücksichtigen ist, musste der Senat nicht entscheiden. Von Bedeutung wäre dies nur für die Anspruchsdauer (vgl § 147 SGB III), zu der sich die Beteiligten aber weder bis zum Abschluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG noch im Revisionsverfahren geäußert haben. Unter diesen Voraussetzungen kann ein Grundurteil auch unabhängig von einer Prüfung der Anspruchsdauer ergehen (vgl BSG Urteil vom 20.4.1999 - B 1 KR 15/98 R - SozR 3-1500 § 141 Nr 8 S 11).
Nach § 26 Abs 2 Nr 2 SGB III (in der insoweit unverändert gebliebenen Fassung der Vorschrift, die sie mit Wirkung vom 1.1.2004 durch das Vierte Gesetz zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze vom 19.11.2004, BGBl I 2902, erhalten hat) sind Personen in der Zeit versicherungspflichtig, in der sie von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen Krankentagegeld beziehen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig waren.
Der Kläger war bis zum 31.1.2010 als Beschäftigter versicherungspflichtig. Allein die Lücke zwischen dem Ende der Versicherungspflicht und dem Beginn der Zahlung des Krankentagegelds von 38 Tagen schließt es entgegen der Auffassung des LSG nicht aus, die Versicherungspflicht als "unmittelbar" vorhergehend anzusehen.
Die Beklagte sieht in ihrer Verwaltungspraxis einen Unterbrechungszeitraum von bis zu einem Monat stets als anschlusswahrend an - was schon aus Gründen der Praktikabilität nicht zu beanstanden ist -, aber keinen Zeitraum, der darüber hinausgeht (Geschäftsanweisung der BA zu § 26 SGB III RdNr 26.39; dem folgend die Kommentarliteratur, vgl etwa Wehrhahn in jurisPK-SGB III, 1. Aufl 2014, § 26 RdNr 32; Scheidt in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 6. Aufl 2017, § 26 RdNr 43; Fuchs in Gagel, SGB II/III, § 26 RdNr 29, Stand Dezember 2016). Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck des § 26 Abs 2 SGB III schließen es indes nicht aus, in Einzelfällen auch bei längeren Unterbrechungszeiträumen eine Versicherungszeit für den Bezug der in § 26 Abs 2 SGB III genannten Leistungen anzuerkennen.
Dem Begriff "unmittelbar" ist nach seiner Bedeutung im allgemeinen Sprachgebrauch keine starre zeitliche Grenze, auch nicht im Sinne einer bestimmten "Höchstdauer", zu entnehmen. Als Antonym von "mittelbar" beschreibt dieses Adjektiv nicht nur einen rein zeitlichen, sondern ebenso einen sachlichen Zusammenhang. In diesem Sinne als "unmittelbar" wird auch ein Zusammenhang zwischen zwei Umständen bezeichnet, der sachlich durch nichts Anderes, Drittes vermittelt sein darf (vgl nur Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Aufl 1999). Gegen ein Verständnis allein als bestimmte Höchstdauer oder als eine Frist spricht zudem, dass solche konkreten Zeitspannen sehr einfach zu bestimmen sind durch Angabe genauer Wochen- oder Monatszeiträume. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit regelt der Gesetzgeber konkrete Zeitgrenzen stets in dieser Weise. So bestimmt beispielsweise § 7 Abs 3 SGB IV, der vereinzelt zu Unrecht auch zur Auslegung von § 26 Abs 2 SGB III herangezogen wird (vgl Scheidt in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 6. Aufl 2017, § 26 RdNr 44), dass ein Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt nicht länger als - genau - einen Monat als Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt anzuerkennen ist (gegen ein "Hereinlesen" dieser Frist in § 26 Abs 2 SGB III auch Bienert, info also 2016, 71, 72; B. Schmidt, SGb 2014, 242, 246 f).
Aus der Entstehungsgeschichte des § 26 Abs 2 SGB III ergeben sich ebenfalls keine Hinweise darauf, dass der Begriff "unmittelbar" allein im Sinne eines rein zeitlichen und nicht auch eines sachlichen Zusammenhangs auszulegen ist. § 26 SGB III fasst insoweit die Regelungen in §§ 107 und 186 AFG zusammen, wonach bestimmte Lohnersatzleistungen Grundlage für eine Beitragspflicht waren (§ 186 AFG), die im Rahmen des Leistungsrechts Zeiten einer Beschäftigung gleichgestellt waren (§ 107 AFG; vgl BT-Drucks 13/4941 S 158 zu § 26). Eine Beitragspflicht war in § 186 Abs 1 AFG für bestimmte Lohnersatzleistungen angeordnet, wenn unmittelbar vor Beginn der Leistung eine Beschäftigung ausgeübt oder eine Lohnersatzleistung nach dem AFG bezogen wurde. Die Einfügung des Begriffs "unmittelbar" wiederum geht zurück auf eine Gesetzesänderung durch das Rentenreformgesetz (RRG) vom 18.12.1989 (BGBl I 2261) zum 1.1.1992. Die ursprüngliche Formulierung, wonach eine Beschäftigung oder der Bezug einer Lohnersatzleistung "unterbrochen" worden sein musste (vgl zum Begriff der Unterbrechung BSG Urteil vom 25.1.1994 - 7 RAr 30/93 - BSGE 74, 28, 34 = SozR 3-4100 § 107 Nr 6 S 22 in dem auch eine Übertragung der rentenrechtlichen Rspr zur "Überbrückungszeit" erwogen wird), wurde unter Hinweis auf die Anpassung an die Neuregelungen im SGB VI (vgl BR-Drucks 120/89 S 231 zu Nr 21 ≪§ 186≫) ersetzt. Anhaltspunkte für eine beabsichtigte inhaltliche Änderung im Sinne der Regelung einer starren Zeitgrenze finden sich in der Gesetzesbegründung zum RRG nicht.
Ist danach der in § 26 Abs 2 SGB III verwendete unbestimmte Rechtsbegriff "unmittelbar" auch als Beschreibung eines sachlichen Zusammenhangs zwischen zwei Umständen anzusehen, hat seine Auslegung vor allem Systematik sowie Sinn und Zweck der Gesamtregelung zu berücksichtigen, weil dadurch der geforderte sachliche Zusammenhang mitbestimmt wird (ähnlich für das Recht der Unfallversicherung bereits BSG Urteil vom 26.6.2007 - B 2 U 23/06 R - SozR 4-2700 § 45 Nr 1 RdNr 12 ff zu § 45 SGB VII). Dabei sind die Besonderheiten der einzelnen in § 26 Abs 2 SGB III geregelten Tatbestände zu beachten.
Der allgemeine Sinn und Zweck von § 26 Abs 2 SGB III ist die Stärkung des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung. Die Vorschrift bewirkt durch die ausdrückliche Anordnung der Versicherungspflicht während des Bezugs bestimmter Lohnersatzleistungen, dass Personengruppen erweiterter Versicherungsschutz in der Arbeitslosenversicherung vermittelt wird, die nicht nach § 25 SGB III - insbesondere als Beschäftigte - versicherungspflichtig sind. Für die in § 26 Abs 2 SGB III genannten Personen ist kennzeichnend, dass sie, obwohl sie einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht nachgehen, doch ursprünglich zum Kreis der Versicherungspflichtigen gehört haben oder gehören würden, wenn sie nicht durch besondere Umstände an einer Beschäftigung und damit an dem Bezug von Erwerbseinkommen gehindert wären (vgl zum Ganzen nur Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 26 RdNr 1 ff, 79 ff, Stand Juli 2016; Berchtold in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 26 SGB III RdNr 8 ff). Die Bedeutung der in § 26 Abs 2 SGB III bezeichneten Voraussetzung, unmittelbar vor dem Ausscheiden aus dem Kreis der Versicherungspflichtigen versicherungspflichtig gewesen zu sein oder Leistungen nach dem SGB III bezogen zu haben, liegt in diesem Zusammenhang darin, sicherzustellen, dass von dieser Begünstigung (nur) dem Kreis der Versicherungspflichtigen trotz Nichtbeschäftigung (noch) zuzurechnende Personen erfasst werden, also solche, die bereits zuvor einen hinreichenden Bezug zum System der Arbeitslosenversicherung hatten (Berchtold in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 26 SGB III RdNr 13).
Anders, als das LSG meint, kommt § 28a SGB III für die Auslegung von § 26 SGB III keine entscheidende Bedeutung zu. Zwar ist auch § 28a SGB III, der die Berechtigung zu einem Versicherungspflichtverhältnis in der Arbeitslosenversicherung auf Antrag regelt, auf die Vermittlung von Versicherungsschutz in der Arbeitslosenversicherung gerichtet. Nach dieser Vorschrift besteht diese Berechtigung einerseits, wenn ein Berechtigungstatbestand nach § 28a Abs 1 SGB III (selbstständige Tätigkeit; Beschäftigung im europäischen Ausland; bis zum 31.12.2016 Pflegezeiten, deren Berücksichtigung jetzt in § 26 Abs 2b SGB III geregelt ist; seit 1.1.2017 auch Elternzeit und Weiterbildung) vorliegt und innerhalb der letzten 24 Monate eine Beschäftigung von zwölf Monaten ausgeübt wurde (§ 28a Abs 2 S 1 Nr 1 SGB III). Andererseits kommt sie aber auch in Betracht bei einem dem Berechtigungstatbestand "unmittelbar" vorhergehenden Entgeltersatzleistungsbezug (§ 28a Abs 2 S 1 Nr 2 SGB III) oder einer unmittelbar vorhergehenden Ausübung einer geförderten Beschäftigung (§ 28a Abs 2 S 1 Nr 3 SGB III). In diesem Regelungszusammenhang sieht das BSG unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien nur eine Unterbrechung von nicht mehr als einem Monat als unmittelbar und damit anschlusswahrend an (vgl BSG Urteil vom 30.3.2011 - B 12 AL 2/10 R - SozR 4-4300 § 28a Nr 4 RdNr 22; BSG Urteil vom 4.12.2014 - B 5 AL 1/14 R - SozR 4-4300 § 28a Nr 9 RdNr 19; BSG Urteil vom 7.4.2016 - B 5 AL 1/15 R - juris RdNr 13).
Eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf die Auslegung von § 26 Abs 2 SGB III ist wegen der unterschiedlichen Zielrichtung und Ausgestaltung der beiden Vorschriften aber nicht geboten. Sinn und Zweck des § 28a SGB III ist es, Personen, die aufgrund selbst gewählter Gestaltung Versicherungsschutz verlieren würden, die Möglichkeit einzuräumen, diesen gegen Eigenleistung zu erhalten. Von dieser Ausnahmeregelung sollen zudem - abgesehen von der Anknüpfung an eine Beschäftigung von einem Jahr in den letzten beiden Jahren nach § 28a Abs 2 S 1 Nr 1 SGB III - nur Personen mit einem besonders engen Verhältnis zur Arbeitslosenversicherung profitieren können (BSG Urteil vom 30.3.2011 - B 12 AL 2/10 R - SozR 4-4300 § 28a Nr 4 RdNr 18). § 26 Abs 2 SGB III geht in seiner Zielrichtung darüber hinaus (ähnlich auch B. Schmidt, SGb 2014, 242, 246 f; Bienert, info also 2016, 71, 72) und ist darauf gerichtet, Personen zu schützen, die durch besondere, außerhalb ihres Einflussbereichs liegende Umstände an einer Beschäftigung mit Verbleib in der Versichertengemeinschaft gehindert sind (vgl Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 26 RdNr 79, Stand Juli 2016).
Der danach weitergehende Schutzzweck von § 26 SGB III erfordert deshalb zur Beantwortung der Frage, ob ein unmittelbarer Anschluss zwischen den Leistungen besteht, die Prüfung, welche besonderen Umstände im Einzelfall zur Unterbrechung geführt haben. Ein Ausschluss aus der Versichertengemeinschaft ist nur dann gerechtfertigt, wenn diese Umstände von solchem Gewicht sind, dass sie den Schluss rechtfertigen, die Betroffenen hätten sich von der Arbeitslosenversicherung abgekehrt. Besonderheiten der in § 26 Abs 2 SGB III jeweils bezeichneten Lohnersatzleistungen sind in diesem Rahmen zu berücksichtigen. Der Dauer der Unterbrechung kann dabei als Zeitmoment der geforderten Unmittelbarkeit eine indizielle Bedeutung zukommen, insbesondere wenn sie sich als besonders lange darstellt (vgl auch BSG Urteil vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 50/06 R - BSGE 99, 42 = SozR 4-4300 § 123 Nr 4, RdNr 16, die Unmittelbarkeit bei einer dreijährigen Unterbrechung verneinend).
Der Sinn und Zweck des hier anwendbaren § 26 Abs 2 Nr 2 SGB III, wonach auch der Bezug von Krankentagegeld von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen zur Versicherungspflicht führen kann, liegt darin, auch versicherungspflichtige Beschäftigte, die nicht gesetzlich krankenversichert sind, bei privater Absicherung für den Fall der Arbeitsunfähigkeit durch ein Krankentagegeld in gleicher Weise wie gesetzlich krankenversicherte Beschäftigte mit Anspruch auf Krankengeld zu behandeln (vgl nur Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 26 RdNr 89, Stand Juli 2016; Fuchs in Gagel, SGB II/III, § 26 RdNr 25, Stand Dezember 2016). Bei Letzteren führt der Bezug von Krankengeld nach § 26 Abs 2 Nr 1 SGB III stets zur Versicherungspflicht.
Diese Zielrichtung erfordert eine Gleichstellung auch in Fällen, in denen - wie hier - eine Leistungslücke eintritt, weil eine Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht für den Höchstzeitraum von sechs Wochen erfolgt. Bei gesetzlich Krankenversicherten setzt das Krankengeld in der Regel unmittelbar nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses ein (§ 44 Abs 1 iVm § 49 Abs 1 Nr 1 SGB V), sodass eine Lücke gar nicht erst entstehen kann. Eine enge Auslegung des Begriffs "unmittelbar" im Sinne eines stets erforderlichen zeitlichen Zusammenhangs von nicht mehr als einem Monat würde demgegenüber zu einer Ungleichbehandlung mit nicht gesetzlich krankenversicherten Beschäftigen führen, weil dann in bestimmten Fällen der zeitliche Zusammenhang verneint werden müsste. Zwar betrifft dies nur die wenigen Fälle, in denen die Arbeitsunfähigkeit kurz vor dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses - weniger als zwölf Tage vorher - eintritt, denn nur dann kann der Zeitraum der Nichtzahlung von Krankentagegeld (maximal sechs Wochen bzw 42 Tage) das Ende des Beschäftigungsverhältnisses um mehr als einen Monat überschreiten und zu einer Lücke von mehr als 30 Tagen führen. Der Schluss auf eine Abkehr des Betroffenen von der Arbeitslosenversicherung ist aber in diesen Fällen ebenso wenig gerechtfertigt, wie in den Fällen, in denen keine oder eine kürzere Lücke eintritt (so auch im Ergebnis LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 22.5.2014 - L 16 AL 287/13 - RdNr 30 ff - für den Fall des Ruhens des gesetzlichen Krankengelds für sechs Wochen gemäß § 49 Abs 1 Nr 7 SGB V), zumal die Dauer der Lücke von durch den Betroffenen nicht beeinflussbaren Zufällen abhängt.
Hier liegt der Ausnahmefall mit einer Lücke von mehr als 30 Tagen vor. Wegen der Arbeitsunfähigkeit kurz vor dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers am 28.1.2010 setzte die Krankentagegeldzahlung trotz des Wegfalls der Entgeltfortzahlung nach dem EFZG mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses zum 1.2.2010 erst am 11.3.2010 ein. Diese durch die besonderen Umstände des Einzelfalls geprägte Lücke von 38 Tagen ist als anschlusswahrend anzusehen, obwohl sie den Monatszeitraum um acht Tage überschreitet.
Besteht danach ein Anspruch des Klägers auf Alg dem Grunde nach ab dem 18.6.2012, ist die Berufung der Beklagten gegen das Grundurteil des SG zurückzuweisen.
Die Beklagte hat auch die Kosten des Revisions- und des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 193 SGG).
Fundstellen
NZA 2017, 1046 |
WzS 2017, 260 |
NZS 2017, 597 |
SGb 2017, 209 |
info-also 2017, 271 |