Orientierungssatz
1. Die Regelungen über die Aufhebung von Verwaltungsakten, insbesondere von Leistungsbescheiden, nach den §§ 48ff SGB 10 sind auf die private Pflegeversicherung weder unmittelbar noch durch Übertragung der in ihnen enthaltenen Rechtsgedanken anwendbar (vgl BSG vom 30.3. 2000 - B 3 P 21/99 R = BSGE 86, 94 = SozR 3-3300 § 77 Nr 3). Eine unmittelbare Anwendung der §§ 48ff SGB 10 käme nur in Betracht, wenn die Unternehmen der privaten Pflegeversicherung mit der Pflegeversicherung eine hoheitliche Aufgabe etwa als beliehene Unternehmen vornähmen.
2. Eine Legitimation zur Reduzierung des Umfangs der Leistungspflicht ergibt sich nicht aus § 6 Abs 2 MB/PPV 1996, wonach die Pflegebegutachtung in angemessenen Abständen zu wiederholen ist: Diese Regelung bedeutet nicht, dass nachträgliche Begutachtungen jederzeit möglich sind und besagt erst recht nichts über die Auswirkungen, die das Ergebnis einer erneuten Begutachtung auf eine zuvor vom Versicherer abgegebene Leistungszusage hat.
3. Dem allgemeinen Teil des BGB, aber auch dem privaten Versicherungsrecht ist zu entnehmen, dass mit Rechtsbindungswillen abgegebene Willenserklärungen grundsätzlich bindend sind und eine Beseitigung nur bei Irrtum, arglistiger Täuschung oder Wegfall der Geschäftsgrundlage sowie bei wesentlicher Änderung der rechtlichen und/oder tatsächlichen Verhältnisse möglich ist.
4. Die Erklärung, Pflegegeld nach der Pflegestufe II zu zahlen, ist eine derartige Willenserklärung, die durch den unwidersprochenen Empfang der Leistungen angenommen worden ist und daher als deklaratorisches Schuldanerkenntnis zu werten ist.
5. Die Leistungszusage führt zu einer Umkehrung der Beweislast. Nicht der Pflegebedürftige hat zu beweisen, dass seine Pflegebedürftigkeit gleich geblieben ist, sondern das private Pflegeversicherungsunternehmen hat zu beweisen, dass sich die gesundheitliche Situation des Pflegebedürftigen gebessert hat und die gewährte Pflegestufe nicht mehr gerechtfertigt ist.
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 18.05.2001) |
SG Ulm (Urteil vom 25.02.1999) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Mai 2001 sowie das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 25. Februar 1999 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger über den 31. August 1997 hinaus weitere 102,00 Euro monatlich zu zahlen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
Der im Jahre 1966 geborene Kläger ist wegen der Folgen der Kinderlähmung an beiden Beinen weitgehend gelähmt und wegen einer zusätzlichen Wirbelsäulenverkrümmung Rollstuhlfahrer. Er wird von seiner Ehefrau gepflegt. Seinen (vollschichtigen) Computerarbeitsplatz bei der T. AG erreicht er mit dem Kfz.
Für Pflegeleistungen ist der Kläger zur Hälfte beihilfeberechtigt. Zur anderen Hälfte ist er bei der beklagten Gemeinschaft privater Versicherungsunternehmen zur Durchführung der Pflegeversicherung nach dem Pflegeversicherungsgesetz für Mitglieder der Postbeamtenkrankenkasse (PBeaKK) und der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (GPV) "beihilfekonform" pflegeversichert; dem Versicherungsverhältnis lagen im hier maßgeblichen Zeitraum die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegeversicherung MB/PPV 1995 iVm dem Tarif PV zu Grunde, die - wie zuvor der Tarif MB/PPV iVm dem Tarif PVB - hinsichtlich der Pflegestufen und Pflegegeldleistungen dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) entsprachen.
Wegen seiner Behinderungen bezog der Kläger - nach Begutachtung durch Dr. Y. vom Juni 1995 - seit dem 1. April 1995 von der Beklagten 50 % der Leistungen nach Pflegestufe II iS der Versicherungsbedingungen MB/PPV 1995 iVm dem Tarif PVB (dh 50 % von 800 DM).
Nach einer weiteren Untersuchung durch denselben Gutachter im September 1997, bei der ohne Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse nur noch die Pflegestufe I festgestellt wurde, teilte die Beklagte dem Kläger durch Schreiben vom 15. Oktober 1997 mit, dass er ab 1. September 1997 die 50 %-Leistung nur noch nach Pflegestufe I der MB/PPV 1996 iVm dem Tarif PV erhalte (dh 50 % von 400 DM). Eine nach Einspruch des Klägers veranlasste Begutachtung von Dr. W. vom Februar 1998 - bei der der Kläger eine körperliche Untersuchung ablehnte - bestätigte das Ergebnis von Dr. Y.; danach benötigt der Kläger nach seinem Umzug am 22. Oktober 1997 in eine Erdgeschosswohnung Hilfe beim Treppensteigen sowie Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung nur noch im Umfang von zwei Minuten täglich, für die Grundpflege insgesamt 85 Minuten täglich. Durch Schreiben vom 3. März 1998 lehnte die Beklagte den Einspruch erneut ab.
Im Klageverfahren hat die Beklagte die unterschiedlichen Begutachtungsergebnisse - bei gleich gebliebenem Gesundheitszustand - mit der "Einführung" der Begutachtungsrichtlinien vom 21. März 1997 (BRi) erklärt. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 25. Februar 1999), das Landessozialgericht (LSG) hat - nach Einholung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Dr. H. vom Februar 2001 - die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 18. Mai 2001). Das LSG hat ausgeführt, der Kläger habe im Bereich der Grundpflege nur einen Hilfebedarf von 105 Minuten. Trotz gleich gebliebenen Gesundheitszustands sei die Beklagte nicht an einer Herabsetzung gehindert gewesen; insbesondere seien die Regelungen des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch (SGB X) im Bereich der privaten Pflegeversicherung weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.
Mit der Revision rügt der Kläger, auch in der privaten Pflegeversicherung müsse das SGB X angewendet werden, zumindest aber § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB); die Vorschriften des MB/PPV 1996 ständen dem nicht entgegen. Nachdem in den Vorinstanzen eine gesundheitliche Besserung verneint worden sei und er deshalb auch eine ärztliche Untersuchung habe verweigern dürfen, habe er weiterhin in die Pflegestufe II eingestuft werden müssen. Sein Umzug sei rechtlich unerheblich. Die BRi könnten nicht nachträglich zum Vertragsinhalt gemacht werden. Deshalb könne die Leistungszusage nur bei offensichtlicher Unrichtigkeit des ersten Gutachtens abgeändert werden, die nicht vorliege.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Mai 2001 - L 4 P 1209/99 - und das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 25. Februar 1999 - S 2 P 986/98 - aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für die Zeit vom 1. September 1997 bis 12. Dezember 2001 10.400,00 DM = 5.317,44 EUR zu bezahlen sowie ab 1. Januar 2002 monatlich weitere 102,26 EUR zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, den Rechtsstreit an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Sie erwidert, die §§ 45 ff SGB X seien in der privaten Pflegeversicherung weder unmittelbar noch mittelbar anwendbar. Die (Teil-)Leistungsverweigerung sei auch deshalb berechtigt gewesen, weil der Kläger nach dem Bericht vom Februar 1998 die Untersuchung verweigert habe. Das frühere Gutachten habe einen Hilfebedarf beim Treppensteigen angegeben, der durch den Umzug fast vollständig entfallen sei; auch wenn eine Zeitangabe fehle, sei die Differenz des Hilfebedarfs zwischen mindestens drei Mal täglich für 54 Stufen vor gegenüber drei Minuten nach dem Umzug ins Auge fallend. Daher sei auch eine weitere Begutachtung zulässig gewesen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist begründet. Er hat auch über den 31. August 1997 hinaus Anspruch auf Pflegegeld in Höhe von 50 % der Pflegestufe II iS des MB/PPV 1996 iVm dem Tarif PV.
- Die Klage ist zulässig. Die GPV ist – als die aus dem mit dem Kläger geschlossenen Versicherungsvertrag Verpflichtete – die richtige Beklagte. Sie ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (vgl BSGE 86, 94, 96 f = SozR 3-3300 § 77 Nr 3) und im Sozialgerichtsprozess als solche beteiligtenfähig (§ 70 Nr 2 SGG – vgl Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl 2002, § 70 RdNr 3). Auch gegen ihre Vertretung durch die PBeaKK bestehen keine Bedenken. Die PBeaKK ist eine Körperschaft des Öffentlichen Rechts zur Abwicklung der aus Vertrauensschutzgründen weiter zu gewährenden Beihilfeleistungen der früheren Deutschen Bundespost, die von der Beklagten vertraglich bevollmächtigt worden ist, sie in Leistungsstreitigkeiten auch gerichtlich zu vertreten oder als Prozessstandschafter aufzutreten (BSG SozR 3-3300 § 23 Nr 6).
Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat weiterhin Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II, weil ihm durch Schreiben vom 19. Juni 1995 eine entsprechende Leistungszusage gemacht worden ist, von der sich die Beklagte nicht lösen konnte.
Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Regelungen über die Aufhebung von Verwaltungsakten, insbesondere von Leistungsbescheiden, nach den §§ 48 ff SGB X auf die private Pflegeversicherung weder unmittelbar noch mittelbar durch Übertragung der in ihnen enthaltenen Rechtsgedanken anwendbar sind. Eine unmittelbare Anwendung der §§ 48 ff SGB X käme nur in Betracht, wenn die Unternehmen der privaten Krankenversicherung mit der Pflegeversicherung eine hoheitliche Aufgabe etwa als beliehene Unternehmen vornähmen. Dass dies nicht der Fall ist, hat der erkennende Senat bereits mit Urteil vom 30. März 2000 (B 3 P 21/99 R = BSGE 86, 94 = SozR 3-3300 § 77 Nr 3; vgl auch Urteil des Senats vom 22. August 2001 – B 3 P 21/00 R – BSGE 88, 262 = SozR 3-3300 § 23 Nr 5) entschieden. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist im Urteil vom 3. April 2001 (1 BvR 2014/95 = SozR 3-1100 Art 74 Nr 4) davon ausgegangen, dass die private Pflegeversicherung auf privatrechtlicher Grundlage nach den normativen Vorgaben des Privatversicherungsrechts betrieben wird. Dies schließt eine Übernahme des Regelungskonzeptes des SGB X über die Aufhebung von Leistungsbescheiden bei ursprünglicher Unrichtigkeit bzw bei Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse nicht grundsätzlich aus. Erforderlich wäre jedoch eine entsprechende Vereinbarung der Partner des Versicherungsvertrages, woran es hier fehlt. Die Notwendigkeit, aus verfassungsrechtlichen Gründen – vor allem im Hinblick auf den Gleichheitssatz – den privat Pflegeversicherten entsprechende Rechtspositionen einzuräumen, besteht nicht, weil die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen dem Versicherten den erforderlichen Rechtsschutz gewähren.
Entgegen der Auffassung des LSG lassen die hier maßgebenden zivilrechtlichen Vorgaben die Pflicht der Beklagten, Pflegegeld nach der Pflegestufe II zu zahlen, nicht ohne Weiteres entfallen. Eine Legitimation zur Reduzierung des Umfangs der Leistungspflicht ergibt sich nicht, wie das LSG angenommen hat, aus § 6 Abs 2 MB/PPV 1996, wonach die Pflegebegutachtung in angemessenen Abständen zu wiederholen ist. Diese Regelung bedeutet nicht, dass nachträgliche Begutachtungen jederzeit möglich sind und besagt erst recht nichts über die Auswirkungen, die das Ergebnis einer erneuten Begutachtung auf eine zuvor vom Versicherer abgegebene Leistungszusage hat. Dies richtet sich vielmehr nach allgemeinen zivilrechtlichen bzw privatversicherungsrechtlichen Vorschriften.
Wie der Senat in mehreren Entscheidungen (aaO) ausführlich entwickelt hat, ist bereits dem allgemeinen Teil des BGB, aber auch dem privaten Versicherungsrecht zu entnehmen, dass mit Rechtsbindungswillen abgegebene Willenserklärungen – wie hier die Leistungszusage der Beklagten – grundsätzlich bindend sind und eine Beseitigung nur bei Irrtum, arglistiger Täuschung oder Wegfall der Geschäftsgrundlage – die hier nicht in Betracht kommen und auch nicht geltend gemacht worden sind – sowie bei wesentlicher Änderung der rechtlichen und/oder tatsächlichen Verhältnisse möglich ist.
Die Erklärung der Beklagten, Pflegegeld nach der Pflegestufe II zu zahlen, ist eine derartige Willenserklärung, die durch den unwidersprochenen Empfang der Leistungen durch den Kläger angenommen worden und daher als deklaratorisches Schuldanerkenntnis zu werten ist. An dieses Schuldanerkenntnis ist die Beklagte bis zu einer Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse gebunden. Außerdem führt die Leistungszusage zu einer Umkehrung der Beweislast: nicht der Pflegebedürftige hat zu beweisen, dass seine Pflegebedürftigkeit gleich geblieben, sondern die Beklagte hat zu beweisen, dass sich die gesundheitliche Situation des Pflegebedürftigen gebessert hat und die gewährte Pflegestufe nicht mehr gerechtfertigt ist.
Hier ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass sich der pflegerelevante gesundheitliche Zustand des Klägers nicht gebessert hat, sondern gleich geblieben ist.
Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten berechtigen auch die am 1. Juni 1997 in Kraft getretenen BRi vom 21. März 1997 (abgedruckt bei Udsching, SGB XI, 2. Aufl 2002, Anh 3 – vgl zum Folgenden die dortige Kommentierung bei § 17 RdNr 4 mwN zur Rspr des Bundessozialgerichts) nicht zum Anlegen eines anderen – strengeren – rechtlichen Maßstabs. Die BRi richten sich unmittelbar ausschließlich an den zuständigen Hoheitsträger, sind also Verwaltungsbinnenrecht im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung. Sie haben weder die Rechtsqualität einer Satzung, noch diejenige einer Rechtsverordnung; unmittelbare Rechtswirkungen gegenüber den Versicherten kommt ihnen grundsätzlich nicht zu. Sie bedeuten deshalb keine Änderung der maßgeblichen rechtlichen Verhältnisse.
Ein Umzug mit einem danach geringeren Bedarf an Hilfe beim Treppensteigen kann zwar eine wesentliche tatsächliche Änderung sein, die eine vertragliche Anpassung der Leistung rechtfertigt. Denn maßgeblich für die Ansprüche des Versicherten einerseits und die Leistungsverpflichtung der Versicherung andererseits ist nicht nur der Gesundheitszustand eines Pflegebedürftigen, sondern auch sein häusliches Umfeld und seine konkrete Wohnsituation (vgl Urteil des Senats vom 21. Februar 2002 – B 3 P 12/01 R – zur Veröffentlichung vorgesehen). Hier beruhte die Leistungszusage der Beklagten zwar auch auf den früheren Wohnverhältnissen des Klägers; es lässt sich aber nicht feststellen, dass die Hilfe beim Treppensteigen für die Einstufung des Klägers in die Pflegestufe II ausschlaggebend war. Das aber ist entscheidend; es reicht nicht aus festzustellen, dass überhaupt eine Änderung eingetreten ist und die heutigen Verhältnisse eine Einstufung in die Pflegestufe II nicht mehr rechtfertigen. Es ist vielmehr festzustellen, ob auch bei Anlegung des früheren Maßstabs eine niedrigere Einstufung die Folge gewesen wäre; für eine wesentliche Änderung der Verhältnisse trägt nach Abgabe der Leistungszusage die Beklagte die objektive Beweislast.
Wegen der grundsätzlichen Bindung an das der Leistungszusage zu Grunde gelegte Gutachten stand es der Beklagten allerdings nicht frei, jederzeit ein neues Gutachten einzuholen (vgl Urteil des Senats vom 13. März 2001 – B 3 P 20/00 R = BSG SozR 3-3300 § 18 Nr 2). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 6 Abs 2 MB/PPV 1996. Eine Nachuntersuchung ist bei gesetzeskonformer Auslegung nur dann “angemessen”, wenn Gründe für die Annahme bestehen, der Umfang der Pflegebedürftigkeit könne sich in einem für die Einstufung relevanten Umfang verändert haben. Hier konnte es nur darum gehen, einen Arzt zu befragen, ob bei – unstreitig – gleich gebliebenem Gesundheitszustand die neue Wohnsituation zu einer Herabsetzung des von Dr. Y.… angesetzten Hilfebedarfs in einem “pflegestufenrelevanten” Ausmaß geführt haben könnte. Dazu war eine körperliche Untersuchung nicht erforderlich, sodass der Kläger sie auch verweigern durfte.
Die vom Senat zu Grunde zu legenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG belegen eine “pflegestufenrelevante” Veränderung (Verbesserung) der Wohn- und damit Pflegesituation des Klägers gegenüber dem Ausgangsgutachten von Dr. Y.… vom Juni 1995 nicht, sondern eher das Gegenteil. Das LSG hat dazu festgestellt, dass vom Gutachter seinerzeit ein Hilfebedarf beim “Treppensteigen und beim Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung” ohne konkrete Zeitangaben berichtet worden ist; auch Zeitangaben von Dr. Y.… über den Grundpflegebedarf und den Gesamtpflegebedarf des Klägers sind vom LSG nicht festgestellt worden. Die Beklagte müsste aber beweisen, dass (allein) durch den Umzug und den geringeren Bedarf an Hilfe beim Treppensteigen entweder der Grundpflege- oder aber der Gesamtpflegebedarf um 120 Minuten (auf 119 bzw 179 Minuten) gefallen ist, weil nur dann auch nach dem unbekannten früheren Maßstab mit Sicherheit die Pflegestufe I (vgl § 15 Abs 3 Nr 1 SGB XI), andernfalls aber weiterhin die Pflegestufe II vorliegen würde. Das ist die Folge davon, dass die Beklagte seinerzeit das Gutachten von Dr. Y.… unbeanstandet ihrer Leistungszusage zu Grunde gelegt hat, sodass – wegen dessen fehlenden Zeitangaben zum damaligen Hilfebedarf beim Treppensteigen, zum Grundpflege- und zum Gesamtpflegebedarf – nur die Höchstwerte der Pflegestufe II als Ausgangspunkt jeglicher Vergleichsbeurteilung genommen werden können.
Eine Absenkung des Hilfebedarfs beim Treppensteigen im Umfang von 120 Minuten kann den Feststellungen des LSG jedenfalls nicht entnommen werden. Die Revisionserwiderung stützt sich darauf, dass das Treppensteigen nach den Feststellungen des LSG “mindestens drei Mal täglich” erforderlich und nach den eigenen Angaben des Klägers 54 Stufen zu überwinden gewesen sowie dass der Hilfebedarf nach dem Umzug fast vollständig entfallen sein muss. Auch mit diesen Annahmen lässt sich nicht mit hinreichender Sicherheit erkennen, dass der weggefallene Hilfebedarf beim Treppensteigen die oben genannten hohen Werte erreicht. Da Dr. Y.… bei seiner zweiten Beurteilung im September 1997 – also noch vor dem Umzug (Oktober 1997) – bereits ebenso die Pflegestufe I angenommen hat wie Dr. W.… nach dem Umzug, ist es eher plausibel, dass die Feststellung eines geringeren Pflegebedarfs nicht, jedenfalls nicht maßgeblich, auf den Umzug zurückgegangen war, sondern auf eine strengere Beurteilung des unstreitig gleich gebliebenen Gesundheits- und Pflegezustands des Klägers.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen