Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Mai 1995 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Klägerin war bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Allgemeinen Ortskrankenkasse Reutlingen (AOK), pflichtversichert. Unter dem 14. Juni 1991 fragte sie die AOK, ob eine Kostenübernahme für die Brustverkleinerungsoperation in Frage komme, zu der sie sich wegen ihrer Wirbelsäulenbeschwerden entschlossen habe. Die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen eines Orthopäden vom 6. Juni 1991 und eines Frauenarztes vom 24. Juni 1991 bestätigten eine ausgeprägte Mamma-Hyperplasie bzw. -Hypertrophie. Nach sozialmedizinischer Begutachtung lehnte die AOK die Kostenübernahme ab, weil es sich um eine kosmetische Operation handele (Schreiben vom 10. Juli 1991, Bescheid vom 31. Oktober 1991, Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 1992). Für die am 15. Juli 1991 durchgeführte Operation in einer Privatklinik wandte die Klägerin insgesamt 11.215, 44 DM auf.
Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Sozialgericht (SG) hat ein orthopädisches Gutachten vom 9. Juni 1994 bei Dr. W.-S. eingeholt. Der Einschätzung des Sachverständigen, die Operation sei medizinisch notwendig gewesen, hat es sich im Urteil vom 9. September 1994 aus näher mitgeteilten Gründen jedoch nicht angeschlossen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 19. Mai 1995 zurückgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung, weil weder ein Notfall noch eine rechtswidrige Ablehnung durch die Beklagte vorgelegen habe. Die vom behandelnden Orthopäden, vom operierenden Chirurgen und vom Arzt des Medizinischen Dienstes übereinstimmend erhobenen orthopädischen Befunde hätten keine krankenversicherungsrechtlich relevante Krankheitssituation mit der Notwendigkeit einer Operation ergeben; der behandelnde Orthopäde habe lediglich eine Empfehlung ausgesprochen und die Klägerin nur einmal gesehen. Die Beeinträchtigung auf psychosozialem und psychischem Gebiet hätten eine entsprechende Behandlung, aber nicht die Operation rechtfertigen können. Die Besserung der Beschwerden nach der Operation belege nicht deren Notwendigkeit, da hierfür auch andere Gründe in Betracht zu ziehen seien.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzungen des § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Grundgesetz ≪GG≫) und auf ein faires Verfahren (Art 20 Abs. 3 GG). Bei rechtswidriger Verweigerung einer medizinisch notwendigen Operation sei der Kostenerstattungsanspruch auch dann gegeben, wenn diese in einem nicht zugelassenen Krankenhaus durchgeführt worden sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG vom 19. Mai 1995 und das Urteil des SG vom 9. September 1994 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 10. Juli 1991 und vom 31. Oktober 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Februar 1992 zu verurteilen, ihr 11.215, 44 DM zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und einen Verfahrensfehler nicht für gegeben. Der Anspruch scheitere auch daran, daß die Klägerin in einer Privatklinik operiert worden sei.
II.
Die Revision ist im Sinne der Zurückverweisung begründet. Die Verfahrensrüge gegen die Feststellung des LSG, die Operation sei medizinisch nicht notwendig gewesen, greift durch. Die Feststellungen im übrigen reichen zur abschließenden Entscheidung nicht aus.
Die Klägerin rügt zu Recht die Feststellung des LSG, daß die Brustverkleinerungsoperation medizinisch nicht notwendig gewesen sei. Ob insoweit alle Angriffe der Revision durchgreifen, mag dahinstehen. Jedenfalls hat das LSG den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt (Art 103 Abs. 1 GG, § 62 SGG). Das Urteil beruht auf der rechtlichen Erwägung, daß ein Kostenerstattungsanspruch nur in Frage komme, wenn die vom Versicherten selbst beschaffte Leistung medizinisch notwendig war. Hierzu hatte die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung auf das Gutachten vom 9. Juni 1994 verwiesen. Auf dieses Vorbringen ist das LSG nicht eingegangen, denn es hat sich mit dem Ergebnis dieses Gutachtens nicht auseinandergesetzt. Das Gericht ist zwar im Rahmen des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht verpflichtet, sich mit allen Punkten im Vortrag eines Beteiligten näher zu befassen (vgl. BVerfGE 70, 288, 293 m.w.N.). Wenn ein Sachverständigengutachten jedoch den Anspruch zu stützen geeignet ist, darf der darauf in der Rechtsmittelbegründung gegebene Hinweis nicht einfach übergangen werden. Andernfalls muß davon ausgegangen werden, das Gericht habe das fragliche Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen (vgl. BVerfGE 65, 293, 295 f; BVerfG NJW 1992, 2878).
Mit welchem Ergebnis das fragliche Gutachten zu würdigen ist und ob sich daraus ein Anlaß zu weiterer Sachaufklärung ergibt, ist nicht vom Senat zu entscheiden, denn die Beweiswürdigung obliegt dem Tatrichter. Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 170 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin richtet sich nach § 13 Abs. 2 (jetzt: Abs. 3) Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach hat die Krankenkasse Kosten zu erstatten, die dadurch entstehen, daß sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Voraussetzung 1) oder daß sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Voraussetzung 2). In beiden Fällen muß es sich um eine notwendige Leistung handeln, wie der letzte Halbsatz klarstellt und wie sich bereits daraus ergibt, daß die Kostenerstattung nach § 13 Abs. 1 SGB V an die Stelle der Sachleistung tritt, die ihrerseits nur dann geschuldet wird, wenn sie notwendig ist (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 2, hier i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Die Notwendigkeit der Brustoperation bei der Klägerin kann vom Senat nicht beurteilt werden, wie bereits ausgeführt wurde; sie wird daher im folgenden unterstellt.
Der Kostenerstattungsanspruch des § 13 Abs. 3 SGB V ist entgegen der beiläufig geäußerten Auffassung des SG (vgl. auch Kirsten, SGb 1991, 257, 260) nicht ohne weiteres dadurch ausgeschlossen, daß sich die Klägerin in einem nicht zugelassenen Krankenhaus hat operieren lassen. Andererseits kann der Senat auch der Auffassung der Revision nicht folgen, wonach die Kosten für eine privatärztliche Inanspruchnahme in jedem Fall zu erstatten seien. Vielmehr kommt es auf den – vom LSG nicht festgestellten – ursächlichen Zusammenhang mit der Ablehnung an.
§ 13 Abs. 3 SGB V gibt dem Versicherten einen Anspruch auf Kostenerstattung, um ihn so zu stellen, als hätte er die geschuldete Sachleistung erhalten; Kosten, die er trotz Leistungsbewilligung der Krankenkasse selbst hätte tragen müssen, sind nicht zu erstatten. In der Rechtsfolge stimmt die Vorschrift mit § 249 Satz 1, § 251 Abs. 1 BGB überein, so daß von einem „verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch” gesprochen werden kann (BSGE 73, 271, 274 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 4 S. 13). Insoweit hat sie Ähnlichkeit zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, der ebenfalls auf Naturalrestitution gerichtet ist, und stellt sich im Anschluß an die Rechtsprechung aus der Zeit vor dem SGB V (vgl. BSG SozR 2200 § 182 Nr. 57 S. 107f. mwN; BSGE 53, 273, 276f. = SozR 2200 § 182 Nr. 82 S. 163; BSG SozR 2200 § 182 Nr. 86 S. 179) als abschließende gesetzliche Regelung der auf dem Herstellungsgedanken beruhenden Kostenerstattungsansprüche im Krankenversicherungsrecht dar (in diesem Sinne auch BSG SozR 3-2600 § 58 Nr. 2 S. 4). Sowohl als Schadensersatz- wie als Herstellungsanspruch setzt § 13 Abs. 3 SGB V einen Kausalzusammenhang zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (bei Voraussetzung 1: Unvermögen zur rechtzeitigen Leistung; bei Voraussetzung 2: rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) voraus. Das kommt auch im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck, denn danach müssen die Kosten „… dadurch … entstanden” sein. Ohne Kausalzusammenhang zum haftungsbegründenden Umstand ist die Bedingung des § 13 Abs. 1 SGB V für eine Ausnahme vom Sachleistungsgrundsatz nicht erfüllt. Unerheblich ist demgegenüber, ob die Krankenkasse wegen der von ihr zu verantwortenden Umstände Aufwendungen erspart hat.
Der Erstattungsanspruch reicht demnach nur so weit wie der in § 13 Abs. 3 SGB V vorausgesetzte Kausalzusammenhang. Die Ablehnung muß zur Inanspruchnahme eines bestimmten Behandlers geführt haben, dem daraus ein Vergütungsanspruch gegen den Versicherten erwachsen sein muß (zum Ausschluß dieses Anspruchs, wenn das Vertragskrankenhaus auf die fehlende Eintrittspflicht der Krankenkasse nicht hinweist, vgl. OLG Köln NJW 1990, 1537). Die Kosten für nicht zugelassene Leistungserbringer sind nur zu erstatten, wenn deren Inanspruchnahme durch das Unvermögen oder die Ablehnung der Krankenkasse wesentlich mitverursacht wird. Das braucht im Rahmen der Voraussetzung 1 nicht eigens geprüft zu werden, denn die Krankenkasse ist nur dann zur rechtzeitigen Sachleistung außerstande, wenn kein anderer als ein außervertraglicher Leistungserbringer zur Verfügung steht (vgl. BSGE 73, 271 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 4). Im Rahmen der Voraussetzung 2 hängt es dagegen grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalles ab, ob der Versicherte in der Wahl des Leistungserbringers beschränkt ist. Allerdings wird der Kausalzusammenhang im allgemeinen zu bejahen sein, wenn die Rechtswidrigkeit der Ablehnung gerade darauf beruht, daß die Krankenkasse zur Erbringung der Leistung außerhalb des Vertragsarztsystems verpflichtet ist (vgl. BSG SozR 2200 § 182 Nr. 57; BSGE 53, 144 = SozR 2200 § 182 Nr. 80; im Versorgungsrecht: BSGE 65, 56 = SozR 3100 § 18 Nr. 11). Im übrigen müssen die Gründe für die Inanspruchnahme des Nichtvertragsarztes ermittelt werden (so auch BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 2 S. 8), außer wenn mangels vorheriger Einschaltung der Krankenkasse der Kausalzusammenhang schon deshalb zu verneinen ist (vgl. in Abgrenzung zu BSGE 53, 144: BSG SozR 3-2200 § 182 Nr. 15 S. 70f.).
Nach diesen Grundsätzen scheidet ein Anspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V bei der Klägerin nicht von vornherein aus. Zur Voraussetzung 1 hat das LSG unangegriffen festgestellt, daß die Operation nicht unaufschiebbar war. Anhaltspunkte für ein unrichtiges Verständnis dieses Rechtsbegriffs liegen nicht vor. Zutreffend wird der Anspruch insbesondere davon abhängig gemacht, ob der Zugang zur Sachleistung deswegen versperrt war, weil eine Verzögerung der Operation mit medizinischen Risiken verbunden gewesen wäre (BSGE 77, 227, 233 = SozR 3-2500 § 29 Nr. 3 S. 15f.). Da es auf den Zeitpunkt der Leistung nicht ankam, kann das (eventuelle) Unvermögen der Krankenkasse zurrechtzeitigen Leistung für die Operation in einer Privatklinik nicht kausal geworden sein. Allerdings greift § 13 Abs. 3 Voraussetzung 1 SGB V auch dann ein, wenn die notwendige Sachleistung überhaupt nicht zur Verfügung gestellt werden kann. Insofern kann der Anspruch davon abhängen, ob die Operation unter zumutbaren Bedingungen auch in einem Vertragskrankenhaus hätte durchgeführt werden können.
Auch ob § 13 Abs. 3 Voraussetzung 2 SGB V erfüllt ist, kann nicht abschließend entschieden werden. Auszugehen ist von der Ablehnung der Leistung durch die AOK vom 10. Juli 1991. Insoweit kommt es nicht auf den förmlichen Bescheid vom 31. Oktober 1991 an, denn auch ohne Rechtsmittelbelehrung enthält bereits das Schreiben vom 10. Juli 1991 hinreichend deutlich eine Versagung des Sachleistungsanspruchs. Schon vor der Bekanntgabe (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 1, § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB X≫) dieser ersten schriftlichen Ablehnung, nämlich am 29. Mai 1991, hatte sich die Klägerin jedoch nach den Feststellungen des LSG in der Klinik vorgestellt, in der sie bereits am 15. Juli 1991 operiert wurde. Außerdem hatte die Klägerin im Schreiben vom 14. Juni 1991 an die AOK erklärt, sie habe sich zur Operation entschlossen, ohne erkennen zu lassen, daß die Verwirklichung dieser Absicht von der Entscheidung der Krankenkasse über die Kostenübernahme abhing. Nur wenn das LSG aufgrund einer Gesamtbewertung dieser und noch zu ermittelnder weiterer Umstände – insbesondere des Zeitpunkts der Festlegung des Operationstermins und des Inhalts angeblicher fernmündlicher Auskünfte der AOK – die Überzeugung gewinnt, daß die streitigen Kosten durch die Ablehnung i.S. einer wesentlichen Bedingung (mit) verursacht wurden, kann die Klage letztlich Erfolg haben. Dabei muß sich der Kausalzusammenhang auch auf die Inanspruchnahme gerade der Privatklinik beziehen, denn § 13 Abs. 3 SGB V erfaßt nur die beim Versicherten konkret entstandenen Kosten. Weder die fiktiven Kosten für eine Leistung, die ebenfalls in Frage gekommen wäre, noch die Ersparnis der Krankenkasse gehören dazu. Sonst würde der Versicherte nicht so gestellt wie bei unverzüglicher Anerkennung der Leistungspflicht durch die Krankenkasse, sondern besser. Bei rechtswidrigen Ablehnungen wegen angeblich fehlender medizinischer Notwendigkeit dürften die Aufwendungen für ein nicht zugelassenes Krankenhaus (vorbehaltlich des gleichzeitigen Vorliegens der Voraussetzung 1) daher nur ausnahmsweise erstattungsfähig sein – beispielsweise, wenn ein Vertragskrankenhaus mangels ausreichender Informationsmöglichkeiten des Versicherten nicht erreichbar war.
Mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen kann der Senat nicht abschließend entscheiden; eine bestimmte Reihenfolge bei der Prüfung der entscheidungserheblichen Tatsachen im weiteren Verfahren ist rechtlich nicht vorgegeben. Allerdings darf der Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V nur bejaht werden, wenn sich das LSG sowohl von der medizinischen Notwendigkeit der Operation als auch von der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme eines Vertragskrankenhauses überzeugt.
Über die Kosten des Revisionsverfahrens wird in dem den Rechtsstreit abschließenden Urteil entschieden.
Fundstellen
BSGE, 125 |
NJW 1997, 1661 |
Breith. 1997, 664 |
SozSi 1997, 117 |
SozSi 1997, 237 |