Entscheidungsstichwort (Thema)
Revision. Teilzulassung. Absenkung der Arbeitslosenhilfe. echte Rückwirkung. Vertrauensschutz. Anrechnung von Nebeneinkommen. Schätzung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Absenkung der Arbeitslosenhilfe für Bestandsfälle mit Wirkung ab 1.7.1996 stellt eine verfassungsrechtlich zulässige echte Rückwirkung dar.
2. Die Anrechnung von Nebeneinkommen auf Arbeitslosenhilfe in einem endgültigen Bescheid darf dann nicht im Wege der prospektiven Schätzung des zukünftigen Nebeneinkommens erfolgen, wenn das Arbeitsamt die rechtliche Möglichkeit hatte, einen vorläufigen Bescheid zu erlassen.
3. Zur Begrenzung der Zulassung der Revision auf einen Teil des Streitgegenstands unter Heranziehung der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
AFG § 115 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1994-07-26F: 1994-07-26, § 136 Abs. 2b Fassung: 1996-06-24, § 147 Abs. 1 S. 1, § 242v Fassung: 1996-06-24, § 242v Abs. 1 F: 1996-09-25, Abs. 1 S. 3 Hs. 2 Fassung: 1996-12-12; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20; SGB III §§ 201, 329 Abs. 1; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. November 1997 wird als unzulässig verworfen, soweit die Arbeitslosenhilfe für Zeiträume vor dem 1. Juli 1996 betroffen ist.
Das Urteil des Landessozialgerichts wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen, soweit die Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum ab 1. Juli 1996 betroffen ist.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger ab 1. April 1995 zustehenden Arbeitslosenhilfe (Alhi).
Der im Jahre 1941 geborene Kläger bezog bis zum 14. November 1994 Alhi. Nach Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung vom 15. November 1994 bis 31. März 1995 meldete er sich zum 1. April 1995 erneut bei der Beklagten arbeitslos. Die Beklagte bewilligte durch Bescheid vom 7. April 1995 dem Kläger Alhi ab 1. April 1995 nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) von 670,00 DM in Höhe von 228,00 DM wöchentlich (Leistungsgruppe A, keine Kinder). Den Widerspruch wegen der Höhe der bewilligten Alhi wies die Beklagte durch Bescheid vom 6. Juli 1995 zurück. Hiergegen hat der Kläger am 10. August 1995 Klage zum Sozialgericht (SG) erhoben.
Durch Bescheid vom 22. September 1995 dynamisierte die Beklagte die dem Kläger zustehende Alhi für den Zeitraum vom 13. September 1995 bis 12. September 1996 und bewilligte dem Kläger Alhi nach einem Bemessungsentgelt von 680,00 DM in Höhe von 230,40 DM.
Der Kläger erzielte ab 19. Juni 1995 Nebeneinkommen. Durch Bescheide vom 14. und 15. Dezember 1995, Änderungsbescheid vom 24. Mai 1996 und Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 1996 rechnete die Beklagte das Nebeneinkommen des Klägers auf die Alhi an und hob die Alhi-Bewilligung ab 19. Juni 1995 teilweise auf. Durch weitere Bescheide vom 24. Mai 1996 und 29. Mai 1996 regelte die Beklagte die Höhe der dem Kläger zustehenden Alhi unter Berücksichtigung von Nebeneinkommen für die Zeiträume ab 25. Dezember 1995. Die Widersprüche wies die Beklagte durch Bescheid vom 11. Juli 1996 zurück. Der Kläger hat getrennte Klagen sowohl gegen die Bescheide vom 15. Dezember 1995 und 24. Mai 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 1996 als auch gegen die Bescheide vom 24. Mai 1996 und 29. Mai 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 1996 erhoben, die das SG mit dem bereits anhängigen Rechtsstreit zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat.
Durch Bescheid vom 8. Juli 1996 setzte die Beklagte das Bemessungsentgelt für die Alhi des Klägers ab 1. Juli 1996 gemäß § 136 Abs 2b Arbeitsförderungsgesetz (AFG) iVm § 242v AFG um 3 vH von 680,00 DM auf 660,00 DM herab. Bei einem Leistungssatz von 230,40 DM und Anrechnung von Nebeneinkommen in Höhe von 36,90 DM ergab sich ein wöchentlicher Alhi-Zahlbetrag von 193,50 DM. Den Widerspruch wies die Beklagte durch Bescheid vom 24. September 1996 zurück. § 242v AFG iVm § 136 Abs 2b AFG idF des Arbeitslosenhilfe-Reformgesetzes (AlhiRG) vom 24. Juni 1996 (BGBl I, 878) sei hier verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß die Anpassung mit dem Anpassungsfaktor 0,97 nicht zum 1. April 1996, sondern zum 1. Juli 1996 zu erfolgen habe. Der Kläger erziele regelmäßig ein wöchentliches Nettoeinkommen von 103,82 DM, woraus sich gemäß § 115 AFG ein Anrechnungsbetrag in Höhe von 36,90 DM wöchentlich errechne. Durch Bescheid vom 30. August 1996 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alhi ab dem 13. September 1996 bis zum 12. September 1997 nach einem Bemessungsentgelt von 660,00 DM. Bei einem Anrechnungsbetrag wegen Nebeneinkommens von 36,23 DM ergab sich ein wöchentlicher Zahlbetrag der Alhi von 194,16 DM. Den Widerspruch wies die Beklagte durch Bescheid vom 24. September 1996 zurück. Der Anpassungsstichtag des § 242v AFG – der 1. Juli 1996 – trete hier an die Stelle des bisherigen Anpassungstags – 12. September 1996 – gemäß § 112a AFG, so daß das Bemessungsentgelt von 660,00 DM nicht zu dynamisieren gewesen sei. Da das berücksichtigungsfähige Nettoeinkommen des Klägers wöchentlich nunmehr 102,46 DM betrage, reduziere sich der Anrechnungsbetrag gemäß § 115 AFG auf 36,23 DM. Der Kläger hat gegen die Widerspruchsbescheide vom 24. September 1996 getrennt Klage zum SG erhoben. Das SG hat diese Klage nicht in den bereits anhängigen Rechtsstreit einbezogen.
Durch Urteil vom 17. Oktober 1996 hat das SG die Klagen des Klägers betreffend die Höhe der Alhi ab 1. April 1995 abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens ergingen neun weitere Bescheide der Beklagten:
- Bescheid vom 5. Dezember 1996 über die endgültige Abrechnung von Nebeneinkommen für die Zeit vom 1. August bis 31. Oktober 1996.
- Bescheid vom 3. Januar 1997 betreffend die Höhe der Alhi ab 1. Januar 1997. Anpassung der Höhe der Alhi an die Leistungsverordnung 1997 und Anrechnung von Nebeneinkommen (Alhi-Zahlbetrag 190,56 DM wöchentlich).
- Bescheid vom 10. April 1997 über die Höhe der Alhi ab dem 31. März 1997. Wegen Wegfall des Nebeneinkommens wurden dem Kläger wöchentlich 226,80 DM Alhi bewilligt.
- Bescheid vom 17. April 1997 über den Wegfall der Alhi ab dem 16. April 1997 wegen Arbeitsaufnahme.
- Bescheid vom 16. Mai 1997 über die Neubewilligung von Alhi ab dem 1. Mai 1997 in Höhe von 190,56 DM wöchentlich unter Anrechnung von Nebeneinkommen.
- Bescheid vom 30. Juni 1997 über die Abrechnung von Nebeneinkommen für die Zeit vom 1. November 1996 bis 31. Mai 1997.
- Bescheid vom 8. Juli 1997 über die Höhe der Alhi ab dem 2. Juni 1997 in Höhe von 187,82 DM wöchentlich unter Anrechnung von Nebeneinkommen.
- Bescheid vom 9. Juli 1997. Hierbei wurde eine Anpassung des Bemessungsentgelts nach § 136 Abs 2b AFG auf 650,00 DM durchgeführt und unter Anrechnung von Nebeneinkommen ein wöchentlicher Zahlbetrag von 185,52 DM bewilligt.
- Bescheid vom 2. September 1997 über die Weiterbewilligung von Alhi über den 13. September 1997 hinaus unter Anrechnung von Nebeneinkommen (Bemessungsentgelt 650,00 DM, Alhi-Zahlbetrag 185,52 DM).
Durch Urteil vom 5. November 1997 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Klage gegen den Bescheid vom 8. Juli 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. September 1996 und gegen den Bescheid vom 30. August 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. September 1996 sowie gegen die genannten neun weiteren Bescheide der Beklagten, die nach dem erstinstanzlichen Urteil ergangen waren, abgewiesen. Zugleich hat das LSG die vom Kläger erhobenen weiteren 24 Feststellungsklagen und Anträge abgewiesen. Die rechnerische Durchführung der Anrechnung des Nebeneinkommens sei gemäß § 115 AFG korrekt erfolgt und werde vom Kläger auch nicht in Frage gestellt. Soweit dieser rüge, daß durch die Anrechnung von Nebeneinkommen bei ihm Sozialhilfebedürftigkeit eintrete, verkenne er, daß durch die Anrechnung von Nebeneinkommen als solche gemäß § 115 AFG niemals Sozialhilfebedürftigkeit eintreten könne. Sozialhilfebedürftigkeit entstehe vielmehr ausschließlich dadurch, daß der Zahlbetrag der Alhi auch ohne Anrechnung von Nebeneinkommen zu gering sei. Hinsichtlich der Höhe des für die Bemessung der Alhi maßgebenden Arbeitsentgelts des Klägers ab 1. Juli 1996 hat das LSG ausgeführt, daß Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit des § 242v AFG nicht bestünden. Durch Art 6 Nr 6 des Gesetzes vom 25. September 1996 (BGBl I, 1461), der gemäß Art 13 des Gesetzes vom 12. Dezember 1996 (BGBl I, 1859) rückwirkend mit Wirkung zum 1. Juli 1996 in Kraft getreten sei, sei § 242v idF des AlhiRG geändert worden. § 136 Abs 2b AFG idF des AlhiRG vom 24. Juni 1996 sei hiernach erst mit Wirkung vom 1. Juli 1996 anzuwenden. Hierdurch sei klargestellt worden, daß die belastenden Vorschriften des AlhiRG nicht bereits rückwirkend zum 1. April 1996, sondern erst am 1. Juli 1996, mithin nur für die Zeit nach Verkündung des Gesetzes vom 24. Juni 1994 anzuwenden seien. Das LSG hat im Tenor die Revision zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat es zur Zulassung der Revision ausgeführt:
„Der erkennende Senat befindet sich mit seiner Auffassung in Übereinstimmung mit dem 1. Senat des LSG NRW …, weicht allerdings von einer Entscheidung des 13. Senats des LSG NRW vom 11.04.1997 – L 13 Ar 121/96 – ab. Der 13. Senat vertritt die Auffassung, daß § 242v AFG eine Herabbemessung der Arbeitslosenhilfe zum 01.07.1996 nicht rechtfertige, eine verfassungskonforme Auslegung jedoch dahin vorzunehmen sei, daß eine Anpassung aufgrund der neuen Gesetzeslage frühestens zum 01.07.1997 vorgenommen werden dürfe. Gegen dieses Urteil ist die zugelassene Revision eingelegt worden, die unter dem Aktenzeichen 7 RAr 72/97 beim BSG anhängig ist. Wegen der Abweichung von dieser Entscheidung war die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zuzulassen. Der Senat weist darauf hin, daß dies der einzige Grund war, die Revision zuzulassen. Er teilt insbesondere nicht die Auffassung des Klägers, der die Neufassung des § 136 Abs 2b AFG, der im Gegensatz zu früher jetzt eine automatische jährliche Reduzierung der Arbeitslosenhilfe vorsieht, für verfassungswidrig hält.”
Am Ende der Entscheidungsgründe heißt es, daß das LSG die Revision zugelassen habe, da es im Hinblick auf die Abweichung von dem Urteil des 13. Senats des LSG Nordrhein-Westfalen der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung in diesem Punkt beigemessen habe.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 136 Abs 2b AFG und des § 242v AFG. § 242v AFG entfalte in verfassungswidriger Weise echte Rückwirkung. Hieran könnten auch die nachfolgenden Gesetzesänderungen vom 25. September 1996 und 12. Dezember 1996 nichts ändern. Entsprechend dem Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 11. April 1997 (L 13 Ar 121/96) sei § 242v AFG verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß eine Anpassung frühestens zum 1. Juli 1997 erfolgen dürfe. Weiterhin rügt er eine Verletzung von § 115 AFG. Nach §§ 51 bis 54 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) sei eine Anrechnung von Nebeneinkommen nicht vorzunehmen, wenn der Betroffene sozialhilfebedürftig werde.
Der Kläger beantragt,
- das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. November 1997, das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 17. Oktober 1996 sowie die Bescheide vom 8. Juli 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. September 1996, den Bescheid vom 30. August 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. September 1996 sowie die Bescheide vom 5. Dezember 1996, 3. Januar 1997, 10. April 1997, 17. April 1997, 16. Mai 1997, 30. Juni 1997, 8. Juli 1997, 9. Juli 1997 und vom 2. September 1997 aufzuheben,
- die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 1. April 1995 höhere Arbeitslosenhilfe unter Einstufung des § 112 Abs 7 AFG, unter Nichtberücksichtigung von Nebeneinkommen und unter Außerachtlassung verfassungswidriger nachfolgender Leistungskürzungen, wie sie die Leistungsverordnungen 1995 und 1997 und der zum 1. Juli 1996 in Kraft getretene § 136 Abs 2b AFG in Verbindung mit § 242v AFG enthalten, zu gewähren und anschließend verfassungskonform zu dynamisieren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. November 1997 insoweit zurückzuweisen, als die Arbeitslosenhilfe ab 1. Juli 1996 betroffen ist, im übrigen als unzulässig zu verwerfen.
Sie beruft sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers war mangels Statthaftigkeit als unzulässig zu verwerfen, soweit die Bescheide der Beklagten für den Zeitraum vom 1. April 1995 bis 30. Juni 1996 angefochten sind (Bescheid der Beklagten vom 7. April 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 1995; Bescheid vom 22. September 1995; Bescheide vom 15. Dezember 1995, 24. Mai 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 1996; Bescheide vom 24. Mai 1996 und 29. Mai 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 1996). Insoweit war die Revision nicht zugelassen. Soweit die Bescheide der Beklagten für den Zeitraum ab 1. Juli 1996 bis zum Erlaß des Urteils des LSG am 5. November 1997 angefochten sind, ist die Revision im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG unter Zurückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Die tatsächlichen Feststellungen des LSG hinsichtlich der Anrechnung von Nebeneinkommen gemäß § 115 AFG ermöglichen keine abschließende Entscheidung des Senats.
Entgegen der Auffassung des Klägers liegt eine wirksame Teilzulassung der Revision vor, die auf den Leistungszeitraum ab 1. Juli 1996 begrenzt ist. Zwar hat das LSG die Begrenzung der Zulassung des Rechtsmittels nicht bereits im Urteilsspruch mitgeteilt. Jedoch ist der Umfang der Zulassung durch Heranziehung der Entscheidungsgründe zu ermitteln (BSG SozR 3-5050 § 15 Nr 5 S 22 mwN; BSG, Urteil vom 31. Juli 1997 – 4 RA 22/96), wenn – wie hier – der erwähnte Zulassungsgrund nicht alle Teile des Gesamtanspruchs, über den das LSG entschieden hat, erfaßt. Der Urteilsbegründung des LSG ist eindeutig zu entnehmen, daß es die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 242v AFG zum 1. Juli 1996 zulassen wollte. Die Ausführungen des LSG, daß es in dieser Frage von einer Entscheidung eines anderen Senats des LSG abweichen wolle und deshalb die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen werde, ist nur als Begrenzung der Zulassung verständlich. Ansonsten hätte das LSG nicht ausdrücklich betont, daß dies der einzige Grund gewesen sei, die Revision zuzulassen. Da nach § 160 Abs 2 SGG die Revision „nur zuzulassen ist”, wenn ein Revisionsgrund vorliegt und bei einem – wie hier – „teilbaren Streitgegenstand” (BSG SozR 1500 § 164 Nr 22) im Blick auf jeden versicherungsrechtlich abgrenzbaren Leistungszeitraum die Eröffnung der Revisionsinstanz gesondert zu prüfen ist, liegt ersichtlich eine Beschränkung der Zulassung des Rechtsmittels vor. Da das LSG die Zulassung der Revision auf einen Zeitraum – ab 1. Juli 1996 – begrenzt hat, für den der Kläger aus einem bestimmten Lebenssachverhalt die Gewährung höherer Alhi begehrt, liegt auch keine unwirksame Beschränkung der Zulassung auf die Entscheidung einer bestimmten Rechtsfrage vor (vgl dazu BSG SozR Nr 170 zu § 162 SGG). Allerdings ist der durch die zeitliche Zäsur – 1. Juli 1996 – gekennzeichnete streitige Zeitraum bis zum 5. November 1997 (Erlaß des LSG-Urteils) nicht in weitere Teile des Gesamtanspruchs abgrenzbar, so daß neben der fortlaufend wiederkehrenden Frage der zutreffenden Höhe des Bemessungsentgelts, aufbauend auf der Herabbemessung nach § 242v AFG, auch sämtliche andere in den nach dem 1. Juli 1996 erlassenen Bescheiden enthaltenen Regelungen hinsichtlich der Höhe des Anspruchs auf Alhi (insbesondere zur Anrechnung von Nebeneinkommen gemäß § 115 AFG) zur Überprüfung der Revisionsinstanz gestellt sind. Entgegen dem Revisionsvorbringen sind auch keine Gründe ersichtlich, nach denen sich die Entscheidung des Senats über die Anwendbarkeit der §§ 136 Abs 2b, 242v AFG auf Zeiträume vor dem 1. Juli 1996 auswirken könnte. Die Revision war hier mithin nur statthaft, soweit die Bescheide der Beklagten angefochten sind, die die Höhe des Anspruchs des Klägers auf Alhi ab 1. Juli 1996 regeln. Im übrigen war die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Soweit die Revision zulässig ist, erweist sie sich im Sinne der Zurückverweisung als begründet. Die tatsächlichen Feststellungen des LSG schon hinsichtlich der Anrechnung von Nebeneinkommen reichen nicht aus; hinsichtlich der Neubewilligung der Alhi ab 13. September 1996 fehlen jegliche Feststellungen zu Grund und Höhe des Anspruchs.
Das angefochtene Urteil des LSG beruht entgegen der Rechtsansicht der Revision nicht auf einer Verletzung der §§ 136 Abs 2b iVm 242v AFG. In der Sache hat die Beklagte mit den Bescheiden vom 8. Juli 1996/24. September 1996 eine „negative Dynamisierung” des Bemessungsentgelts nach §§ 242v, 136 Abs 2b AFG und eine entsprechende Kürzung der Alhi zum 1. Juli 1996 vorgenommen. Wegen der Besonderheiten, die bei der Anfechtung derartiger Bescheide zu beachten sind, beschränkt sich die rechtliche Überprüfung durch den Senat hier allein auf die Rechtsfrage, ob die Beklagte zu Recht das Bemessungsentgelt und daraus resultierend die Leistung ab 1. Juli 1996 herabgesetzt hat (vgl BSG SozR 3-4800 § 63 Nr 1). Es ist nicht festzustellen, ob dieser „Dynamisierungsbescheid” vom 8. Juli 1996 noch eine zusätzliche Regelung über die Anrechnung von Nebeneinkommen gemäß § 115 AFG enthält; dies wird das LSG unter Berücksichtigung der zeitlich vorhergehenden Bescheide der Beklagten noch zu ermitteln haben. Der Bescheid vom 8. Juli 1996 könnte insoweit auch lediglich den bisherigen Anrechnungsbetrag von Nebeneinkommen unverändert übernommen haben. Die weiteren Bescheide der Beklagten, die den Anspruch des Klägers auf Alhi ab dem 13. September 1996 regeln (beginnend mit dem Bescheid vom 30. August 1996/Widerspruchsbescheid vom 24. September 1996), stellen demgegenüber eine Neubewilligung für einen neuen Leistungsabschnitt bzw Änderungen der Neubewilligung dar. Insoweit sind die Voraussetzungen der Gewährung von Alhi ab 13. September 1996 sowohl dem Grunde wie auch der Höhe nach – einschließlich der Anrechnung von Nebeneinkommen – in vollem Umfange zu überprüfen (BSG SozR 3-4100 § 136 Nr 3 mwN).
Rechtsgrundlage für den Änderungsbescheid vom 8. Juli 1996 war § 136 Abs 2b AFG iVm § 242v AFG idF des Gesetzes zur Umsetzung des Programms für Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz – WFG – vom 25. September 1996, BGBl I, 1461 – ausgegeben am 27. September 1996) iVm dem Gesetz zur sozialrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt vom 12. Dezember 1996 (BGBl I, 1859; künftig: Gesetz vom 12. Dezember 1996). § 242v AFG normiert – insbesondere mit der Regelung in Abs 1 Satz 3 2. Halbsatz AFG – einen Spezialtatbestand, der für seinen Regelungsbereich ebenso wie die gleichgelagerten Bestimmungen des § 111 Abs 2 Satz 6 AFG und § 242q Abs 2 Satz 3 AFG die allgemeinen Vorschriften der §§ 44 ff Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ausschließt (vgl hierzu BSGE 76, 162, 173 = SozR 3-4100 § 112 Nr 22; BSGE 78, 201, 202 = SozR 3-4100 § 111 Nr 13; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 12, S 38; ebenso im Ergebnis Schlegel in Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, RdNr 19 zu § 242v).
Der Bescheid der Beklagten vom 8. Juli/24. September 1996 erweist sich als rechtmäßig, soweit die Beklagte ab 1. Juli 1996 die Alhi des Klägers gekürzt hat, indem sie das Bemessungsentgelt mit dem Anpassungsfaktor 0,97 (§ 112a Abs 2 AFG) angepaßt, dh um 3 vH vermindert hat (§§ 136 Abs 2b iVm § 242v AFG idF des WFG iVm dem Gesetz vom 12. Dezember 1996). Bezogen auf den Zeitpunkt ihres Erlasses bestanden freilich Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Bescheide. Rechtsgrundlage für die Anpassung der Alhi zum 1. Juli 1996 war zunächst § 136 Abs 2b AFG iVm § 242v AFG idF des am 28. Juni 1996 im BGBl verkündeten AlhiRG vom 24. Juni 1996. § 136 Abs 2b AFG idF des AlhiRG lautete:
„(2b) Das für die Bemessung der Arbeitslosenhilfe maßgebende Arbeitsentgelt wird jeweils nach Ablauf eines Jahres seit dem Entstehen des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe mit einem um 0,03 verminderten Anpassungsfaktor (§ 112a Abs 2) angepaßt. Das Arbeitsentgelt darf nicht durch die Anpassung 50 vom Hundert der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch unterschreiten … Die Anpassung des für die Arbeitslosenhilfe maßgebenden Arbeitsentgelts unterbleibt, wenn der nach Satz 1 verminderte Anpassungsfaktor zwischen 0,99 und 1,01 beträgt.”
Hierzu bestimmte die Übergangsvorschrift des § 242v AFG:
„Auf Ansprüche auf Arbeitslosenhilfe, die vor dem 1. April 1996 entstanden sind, ist § 136 Abs 2b in der ab 1. April 1996 geltenden Fassung mit der Maßgabe anzuwenden, daß als Zeitpunkt für die Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe der 1. April 1995 gilt und die Anpassung zum 1. April 1996 mit dem Anpassungsfaktor 0,97 erfolgt. Auf Antrag entfällt die Anpassung zum 1. April 1996, wenn in der Zeit zwischen dem 1. April 1995 und dem 31. März 1996 das für die Bemessung der Arbeitslosenhilfe maßgebende Arbeitsentgelt gemäß § 136 Abs 2b um mindestens 10 vom Hundert gemindert worden ist. Die Anpassungsbescheide sollen einen Hinweis auf den Antrag nach Satz 2 enthalten und in der Zeit vom 1. April bis 15. Mai 1996 ergehen; sie werden mit Wirkung vom 1. April 1996 wirksam.”
Art 4 des AlhiRG vom 24. Juni 1996 bestimmte, daß das Gesetz am 1. April 1996 in Kraft tritt. Mit dieser Regelung war also zunächst die Rechtsfolge bezweckt, die Alhi aller bereits im Leistungsbezug Stehenden einheitlich zum Stichtag 1. April 1996 durch Minderung des Bemessungsentgelts um 3 vH abzusenken (Anpassungsfaktor 0,97).
In dem Zeitraum unmittelbar nach der Verkündung des AlhiRG am 28. Juni 1996 ging die Beklagte aber selbst davon aus, daß eine rückwirkende negative Anpassung der Alhi zum 1. April 1996 entsprechend der Regelung des § 242v AFG idF des AlhiRG verfassungsrechtlich problematisch sei, und nahm deshalb eine Anpassung der Alhi erst zum 1. Juli 1996 vor. Ob sich die Beklagte mit diesem Vorgehen in Widerspruch zu § 31 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil (Vorbehalt des Gesetzes) setzt, der als spezialgesetzliche Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips (Art 20 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫) bestimmt, daß Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuches nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zuläßt, kann offenbleiben. Eine gesetzliche Grundlage für ein Handeln der Beklagten unter Zugrundelegung des Anpassungsstichtags zum 1. Juli 1996 wurde jedenfalls durch das am 27. September 1996 verkündete WFG vom 25. September 1996 geschaffen. Insofern handelte die Beklagte in der Zeit nach dem 1. Juli 1996 möglicherweise zunächst ohne gültige Rechtsgrundlage hinsichtlich des Dynamisierungsstichtags.
§ 242v AFG idF des Art 6 Nr 6 WFG lautet:
„(1) Auf Ansprüche auf Arbeitslosenhilfe, die vor dem 1. Juli 1996 entstanden sind, ist § 136 Abs 2b in der ab 1. April 1996 geltenden Fassung mit der Maßgabe anzuwenden, daß als Zeitpunkt für die Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe der 1. Juli 1995 gilt und die Anpassung zum 1. Juli 1996 mit dem Anpassungsfaktor 0,97 erfolgt. Auf Antrag entfällt die Anpassung zum 1. Juli 1996, wenn in der Zeit zwischen dem 1. Juli 1995 und dem 31. März 1996 das für die Bemessung der Arbeitslosenhilfe maßgebende Arbeitsentgelt gemäß § 136 Abs 2b um mindestens 10 vom Hundert oder in der Zeit zwischen dem 1. April 1996 und dem 30. Juni 1996 um mindestens 3 vom Hundert gemindert worden ist. Die Anpassungsbescheide sollen einen Hinweis auf den Antrag nach Satz 2 enthalten und in der Zeit vom 1. April bis 15. Mai 1996 ergehen; sie werden mit Wirkung vom 1. April 1996 wirksam.
(2) ….”
Art 12 des WFG bestimmte, daß das Gesetz zum 1. Januar 1997 in Kraft treten sollte. Für die Vorschrift des § 242v AFG idF des Art 6 Nr 6 WFG bestimmte sodann aber Art 13 des Gesetzes vom 12. Dezember 1996 (BGBl I vom 17. Dezember 1996, 1859), daß § 242v AFG bereits „mit Wirkung vom 1. Juli 1996” in Kraft tritt.
Der Senat geht davon aus, daß § 242v AFG iVm § 136 Abs 2b AFG idF des WFG iVm dem Gesetz vom 12. Dezember 1996 eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Rechtsgrundlage für die in den angefochtenen Bescheiden vom 8. Juli und 24. September 1996 geregelte Anpassung darstellen. Die Neufassung des § 242v AFG durch das WFG vom 25. September 1996 und insbesondere die rückwirkende Inkraftsetzung des § 242v AFG durch Art 13 des Gesetzes vom 12. Dezember 1996 zum 1. Juli 1996 stellen verfassungsrechtlich eine echte Rückwirkung dar. Der Senat kann hierbei dahinstehen lassen, ob der Rechtsprechung des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), der zwischen echter und unechter Rückwirkung unterscheidet (vgl BVerfGE 57, 361, 391; 63, 152, 175; 72, 175, 196; 89, 48, 66; zuletzt Beschluß vom 24. März 1998, 1 BvL 6/92) oder des 2. Senats des BVerfG zu folgen wäre, der begrifflich zwischen der Rückbewirkung von Rechtsfolgen und der tatbestandlichen Rückanknüpfung differenziert (vgl BVerfGE 63, 343, 353; 72, 302, 321; zuletzt Beschluß vom 3. Dezember 1997 – 2 BvR 882/97 –). Auch unter Zugrundelegung der formaleren Betrachtungsweise des 2. Senats (vgl hierzu im einzelnen Papier, SGb 1994, 105, 107; ders in von Maydell/Ruland, SRH, 2. Aufl 1996, S 118 ff; Jarass/Pieroth, GG, 4. Aufl 1997, Art 20, RdNrn 47 ff) liegt hier eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen vor. Eine Rechtsnorm entfaltet dann Rückwirkung, wenn der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs normativ auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem diese Norm rechtlich existent, also gültig wird. Die maßgebliche Grenze stellt bei dieser Betrachtungsweise der Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes dar. Liegt der Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs eines Gesetzes vor diesem Zeitpunkt, ist es ein rückwirkendes Gesetz. So liegen die Verhältnisse hier. Durch Art 13 des Gesetzes vom 12. Dezember 1996 wird der zeitliche Anwendungsbereich des § 242v AFG idF des WFG vom 25. September 1996 normativ auf den 1. Juli 1996 festgelegt, also auf einen Zeitpunkt, der vor Verkündung des Gesetzes am 17. Dezember 1996 lag. § 242v AFG entfaltet daher „echte Rückwirkung” (im Ergebnis ebenso Schlegel in Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, RdNr 20 zu § 242v). Dies gilt im übrigen auch dann, wenn dem Gesetz vom 12. Dezember 1996 hinsichtlich der Anwendung des § 242v AFG ab 1. Juli 1996 nur eine das WFG klarstellende Bedeutung beigemessen würde.
Der Senat ist allerdings der Überzeugung, daß die grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung des § 242v AFG hier ausnahmsweise gerechtfertigt ist, da das Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand der Rechtslage, wie sie vor dem 1. Juli 1996 gegeben war, nicht schutzwürdig ist. Nach der Rechtsprechung des BVerfG greift der Vertrauensschutz des Bürgers vor belastenden rückwirkenden Gesetzen auch im Falle der echten Rückwirkung bzw der Rückbewirkung von Rechtsfolgen nicht ein, wenn (a) der Bürger zu dem Zeitpunkt, auf den sich das rückwirkende Recht bezieht, mit der Neuregelung rechnen mußte, (b) die bisherige Rechtslage unklar und verworren war, (c) die bisherige Regelung wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig war, (d) zwingende Gründe des Gemeinwohls die Rückwirkung rechtfertigen, (e) durch die Rückwirkung kein oder nur ganz unerheblicher Schaden verursacht wird (Bagatellvorbehalt), (f) das bisherige Recht in einem Maße systemwidrig und unbillig war, daß ernsthafte Zweifel an seiner Verfassungsgemäßheit bestanden (vgl BVerfGE 13, 261, 271 f; 18, 429, 439; 30, 367, 387 ff; 72, 200, 258 ff; 88, 384, 404; Beschluß vom 3. Dezember 1997 – 2 BvR 882/97 –, S 19 des Umdrucks; BSG Teilurteil und Beschluß vom 28. Mai 1997 – 8 RKn 27/95 –, S 27 f des Umdrucks; Papier, aaO; Jarass/Pieroth, aaO, RdNr 51).
Der Senat hält es zunächst für zweifelhaft, ob die Änderungen der Alhi-Bemessung durch § 242v iVm § 136 Abs 2b AFG durch den sog Bagatellvorbehalt gerechtfertigt sein könnten (offengelassen bei Schlegel in Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, RdNr 21 zu § 242v). Obwohl es sich angesichts der Herabsetzung des Bemessungsentgelts um 3 vH = 20,00 DM (von 680,00 DM auf 660,00 DM) um eine Herabstufung der Alhi des Klägers nur um 4,20 DM wöchentlich handelte, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die durch die Gesetzesänderung bewirkten „Nachteile” für den Kläger unerheblich oder nur ganz gering waren (vgl hierzu insbesondere BVerfGE 30, 367, 389 f; 88, 384, 404; 95, 64, 87). Hierbei dürfte zugunsten des Klägers zum einen die absolute Höhe der ihm zustehenden Alhi, zum anderen auch die Tatsache zu berücksichtigen sein, daß bereits durch das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993 ≪1. SKWPG≫ (BGBl I, 2353) zum 1. Januar 1994 eine Absenkung der Alhi erfolgt war.
Der Senat geht davon aus, daß die Rechtslage vor dem 1. Juli 1996 unklar und verworren bzw verfassungsrechtlich problematisch war (vgl hierzu BVerfGE 11, 64, 73; 13, 261, 272; 88, 384, 404) und neigt zu der Auffassung, daß der Gesetzgeber berechtigt war, diese unklare Rechtslage (auch rückwirkend) zu beseitigen. Die Unklarheit über die Höhe und den maßgeblichen Zeitpunkt der Anpassung der Alhi ist zwar überhaupt erst durch das AlhiRG und die Dauer des Gesetzgebungsverfahrens zum AlhiRG entstanden. Der Deutsche Bundestag hatte am 9. Februar 1996 das AlhiRG beschlossen. Der Bundesrat rief am 1. März 1996 den Vermittlungsausschuß an. Nach erfolglosem Vermittlungsverfahren legte der Bundesrat am 24. Mai 1996 Einspruch ein. Der Deutsche Bundestag hat den Einspruch sodann am 13. Juni 1996 zurückgewiesen (vgl zur Gesetzgebungsgeschichte des AlhiRG die Begründung zur Neufassung des § 242v AFG durch den 11. Ausschuß des Bundestages in BT-Drucks 13/5108, S 16). Im Verlaufe dieses Verfahrens (Art 76 ff GG) ist der am 9. Februar 1996 beschlossene Anpassungsstichtag 1. April 1996 auch bei der Zurückweisung des Einspruchs durch den Bundestag am 13. Juni 1996 in § 242v AFG belassen worden, da andernfalls das Inkrafttreten des AlhiRG verzögert worden wäre; bei einer Änderung hätten nämlich ggf die gesetzgebenden Körperschaften erneut eingeschaltet werden müssen (BVerfGE 48, 1, 18). Mithin war bereits im Zeitpunkt des endgültigen Gesetzesbeschlusses (13. Juni 1996) offensichtlich, daß das AlhiRG in § 242v AFG mit dem Anpassungsstichtag 1. April 1996 Rückwirkung entfaltet, die verfassungsrechtlich bedenklich war.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG (aaO) ist der Gesetzgeber berechtigt, auch mittels echter Rückwirkung eine verworrene und verfassungsrechtlich zweifelhafte Rechtslage zu beseitigen. Der Senat hat hieran angesichts der konkreten Umstände des Gesetzgebungsverfahrens allerdings gewisse Zweifel, da die unklare und ggf verfassungswidrige Rechtslage erst durch das AlhiRG und die Dauer des Gesetzgebungsverfahrens entstanden ist. Möglicherweise wäre es dem Gesetzgeber zuzurechnen, daß er das AlhiRG nicht früher als Gesetzentwurf in das parlamentarische Verfahren eingebracht bzw angesichts der politischen Diskussion um die Kürzung der Alhi in § 242v AFG einen realistischeren (späteren) Stichtag als den 1. April 1996 gewählt hat.
Letztlich kann dies aber dahinstehen, da jedenfalls das Vertrauen des Klägers in den Bestand der vor dem 1. Juli 1996 geltenden Rechtsfolgenlage ohnehin nicht schutzwürdig war. Die betroffenen Bürger mußten nach der rechtlichen Situation zu dem Zeitpunkt, auf den die Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen wurde, mit dieser Regelung rechnen. Bereits in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum AlhiRG vom 3. November 1995 (BR-Drucks 732/95, S 11 f) wird zur Neufassung des § 136 AFG ausgeführt, daß künftig pauschalierend davon ausgegangen werden solle, daß bei Arbeitslosen jährlich ein Verlust von beruflicher Qualifikation eintrete, der zu einer Minderung des Bemessungsentgelts von 5 vH (so die ursprüngliche Konzeption des Gesetzgebers) führe. § 242v AFG bestimmte, daß für alle vor dem 1. April 1996 entstandenen Ansprüche die Anpassung zum 1. April 1996 mit dem Anpassungsfaktor 0,95 erfolgen werde. Hierzu wird ausgeführt (aaO, S 13), daß der Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs für alle Bestandsfälle auf den 1. April 1995 einheitlich festgesetzt werden müsse, da der Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs nicht gespeichert sei. Freilich können bloße Ankündigungen des Gesetzgebers, auch wenn sie, wie im vorliegenden Falle, von einer breiten gesellschaftlichen Diskussion begleitet waren, nicht das Vertrauen des Bürgers in den Fortbestand der Rechtslage erschüttern. Der verfassungsrechtlich maßgebliche Zeitpunkt für den Wegfall des Vertrauens lag hier in dem Zeitpunkt des endgültigen Gesetzesbeschlusses über die Neuregelung (vgl BVerfGE 13, 261, 272; 72, 260 ff; 95, 64, 87; Beschluß vom 3. Dezember 1997, aaO, S 19 f des Umdrucks). Mit dem Tag des Gesetzesbeschlusses müssen die Betroffenen mit der Verkündung und dem Inkrafttreten der Neuregelung rechnen. Es ist ihnen von diesem Zeitpunkt an zuzumuten, ihr Verhalten auf die beschlossene Gesetzeslage einzurichten (BVerfG, aaO). Der endgültige Gesetzesbeschluß des Bundestages erfolgte hinsichtlich des AlhiRG am 13. Juni 1996 (Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates). Ab diesem Tag mußten sich die Betroffenen darauf einrichten, daß alle zu einem bestimmten Stichtag bereits entstandenen Ansprüche auf Alhi durch Minderung des Bemessungsentgelts um 3 vH abgesenkt werden.
Allerdings war das Vertrauen der Betroffenen, daß diese Neuregelung nicht zum 1. April 1996 (rückwirkend) in Kraft treten werde, zumindest bis zum 13. Juni 1996 schützenswert, weil bis zu diesem Zeitpunkt nicht damit gerechnet werden mußte, daß der Anpassungsstichtag vor dem Gesetzesbeschluß liegen werde. Hieraus kann aber nicht gefolgert werden, daß die Betroffenen auch darauf vertrauen durften, § 242v AFG werde überhaupt nicht in Kraft treten. Vielmehr mußten sie damit rechnen, daß der Gesetzgeber insoweit zugunsten der bereits im Alhi-Bezug Stehenden lediglich den Stichtag auf einen verfassungsrechtlich unbedenklichen Zeitpunkt verschieben werde, hingegen die materielle Regelung des § 242v AFG – Absenkung des Bemessungsentgelts um 3 vH – als solche erhalten bleibe. Insoweit war das Vertrauen der Betroffenen in den Fortbestand der alten Rechtsfolgenlage mit dem 13. Juni 1996 unwiderbringlich zerstört. Dementsprechend hat der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung des Bundestages die Änderung des § 242v AFG durch das WFG wie folgt begründet (BT-Drucks 13/5108, S 16):
„Wegen der Dauer des Vermittlungsverfahrens konnte das Arbeitslosenhilfe-Reformgesetz nicht mehr vor dem vom Deutschen Bundestag beschlossenen Inkrafttreten verkündet werden. Es muß deshalb rückwirkend zum 1. April 1996 in Kraft treten. Um eine verfassungsrechtlich bedenkliche Rückwirkung einzelner den Bürger belastender Vorschriften des Arbeitslosenhilfe-Reformgesetzes zu vermeiden, soll durch die Änderung von § 242v klargestellt werden, daß– den Betroffenen belastende Vorschriften des Arbeitslosenhilfe-Reformgesetzes ab 1. Juli 1996, dh nur für die Zeit nach der Verkündung, anzuwenden sind, …”
Durch das WFG wurde mithin „klargestellt”, daß § 242v AFG idF des AlhiRG keine Rückwirkung zum 1. April 1996 entfaltet. Da der neu gewählte Stichtag – 1. Juli 1996 – zeitlich nach dem Gesetzesbeschluß des AlhiRG vom 13. Juni 1996 lag, konnte hinsichtlich der Rechtsfolgenlage nach dem 1. Juli 1996 kein Vertrauensschutz der Betroffenen mehr bestehen (ebenso im Ergebnis: Niesel, AFG, 2. Aufl, RdNr 1 zu § 242v). Dies wird im übrigen auch durch die Tatsache unterstrichen, daß die Beklagte die Neuregelungen des AlhiRG zum 1. Juli 1996 (allerdings zunächst ohne diesbezügliche Rechtsgrundlage) nahtlos umgesetzt hat. So hat der Kläger aufgrund des Bescheides vom 8. Juli 1996 zu keinem Zeitpunkt über den 1. Juli 1996 hinaus Alhi in der ursprünglich bewilligten Höhe weiter bezogen. Der Senat hatte daher auch nicht darüber zu befinden, ob aufgrund der Rechtslage zum 1. Juli 1996 das Vertrauen der Alhi-Bezieher zumindest dann schützenswert gewesen wäre, wenn sie zunächst Alhi in alter Höhe weiterbezogen hätten.
Schließlich vermag der Kläger auch keine Rechte daraus abzuleiten, daß § 242v Abs 1 Satz 3 AFG idF des WFG iVm dem Gesetz vom 12. Dezember 1996 unverändert aus § 242v AFG idF des AlhiRG übernommen worden ist. § 242v Abs 1 Satz 3 (insbesondere Halbsatz 2) AFG ist in der Neufassung durch das WFG unverständlich, da die Änderung durch das WFG gerade den Zweck verfolgte, die vom Gesetzgeber selbst für verfassungsrechtlich problematisch erachtete Rückwirkung auf den 1. April 1996 zu beseitigen. Mithin kann die Beibehaltung der Wirksamkeitsbestimmung des § 242v Abs 1 Satz 3 Halbsatz 2 AFG zum 1. April 1996 nur als legislatorisches Versehen betrachtet werden. Aufgrund der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 13/5108, S 16) muß vielmehr gefolgert werden, daß der Gesetzgeber mit dem WFG den Gesamtplan verfolgte, Anpassungsbescheide gerade nicht zum 1. April 1996, sondern zum 1. Juli 1996 wirksam werden zu lassen. Deshalb ist § 242v Abs 1 Satz 3 AFG verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß entsprechend den gesetzgeberischen Intentionen die Bescheide zum 1. Juli 1996 wirksam werden sollen (ebenso Schlegel in Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, RdNr 22 zu § 242v).
Auch die Voraussetzungen des § 242v Abs 1 Satz 2 AFG lagen nicht vor, da im vorliegenden Fall das für die Bemessung der Alhi des Klägers maßgebende Arbeitsentgelt nicht zwischen dem 1. Juli 1995 und dem 31. März 1996 gemäß § 136 Abs 2b AFG um 10 vH oder in der Zeit vom 1. April 1996 bis 30. Juni 1996 nicht um 3 vH gemindert worden ist.
Die Neuregelungen des § 136 Abs 2b iVm § 242v AFG idF des WFG iVm dem Gesetz vom 12. Dezember 1996 sind auch im übrigen nicht verfassungswidrig. § 242v AFG bewirkte hier, daß für alle Bezieher von Alhi, deren Ansprüche vor dem 1. Juli 1996 entstanden sind, eine Anpassung zu dem Stichtag 1. Juli 1996 mit dem Faktor 0,97 erfolgte. Damit enthält § 136 Abs 2b iVm § 242v Abs 1 Satz 1 AFG letztlich eine Leistungskürzung um 3 % für alle Alhi-Bezieher, die bereits im Leistungsbezug standen. Diese Regelung verstößt nicht gegen Art 14 Abs 1 GG, da der Alhi-Anspruch nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSGE 59, 227, 233 mwN = SozR 4100 § 134 Nr 29; BSGE 73, 10, 17 = SozR 3-4100 § 118 Nr 4; BSG SozR 3-4100 § 138 Nr 7) nicht der Eigentumsgarantie unterliegt. Im Gegensatz zum Arbeitslosengeld-Anspruch (vgl BVerfGE 72, 9 ff = SozR 4100 § 104 Nr 13) geht der aus Steuermitteln finanzierte Alhi-Anspruch von seiner Konzeption her nicht auf eine eigene Leistung des Anspruchsberechtigten zurück.
Der Kläger kann auch keinen Rechtsanspruch auf unverkürzte Alhi aus dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) ableiten. Das Sozialstaatsprinzip gewährt als solches keinen Anspruch auf eine bestimmte soziale Regelung oder einen Mindestbetrag an Alhi (hierzu BSGE 55, 115, 120 = SozR 1500 § 162 Nr 17, BSGE 73, 10, 18 = SozR 3-4100 § 118 Nr 4). Zudem steht dem Gesetzgeber im Rahmen des Sozialstaatsprinzips ein weiter Gestaltungsspielraum zu, wie er Sozialleistungen gewähren und ausgestalten will (BVerfGE 69, 272, 314 = SozR 2200 § 165 Nr 81; BVerfGE 82, 60, 80 = SozR 3-5870 § 10 Nr 1, BVerfGE 94, 241, 263 = SozR 3-2200 § 1255a Nr 5, S 16; zuletzt Urteil des Senats vom 29. April 1998 – B 7 AL 30/97 R – zur Veröffentlichung vorgesehen). Auch durch die Zahlung von Sozialhilfe wird dem Sozialstaatsprinzip genügt (vgl BSGE 73, 10, 18 = SozR 3-4100 § 118 Nr 4). Von daher kann in § 242v Abs 1 Satz 1 AFG auch kein Verstoß gegen die über Art 2 Abs 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit gesehen werden, da die Freiheitsrechte des Klägers nicht in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden. Zwar mag die fortlaufende Reduzierung der Höhe der Alhi-Ansprüche (zur Verfassungsgemäßheit der Leistungseinschränkungen durch das 1. SKWPG vgl BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 12 und Nr 13) hinsichtlich des Vertrauens der Betroffenen auf den Fortbestand einer gewissen Alhi-Zahlbetragshöhe problematisch sein, jedoch bleibt dem Kläger jedenfalls unverkürzt die Möglichkeit, ergänzende Sozialhilfe zu beantragen. Die „Verschiebung” der Lasten zwischen den Systemen Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe als solche gehört wiederum zu den Gestaltungsfreiheiten des Gesetzgebers im Rahmen des Art 20 GG.
Schließlich kann sich der Kläger nicht auf Art 3 Abs 1 GG (Gleichheitsgrundsatz) berufen. Zwar wird nach § 242v AFG nur bei der erstmaligen Anpassung der Bestandsfälle zum 1. Juli 1996 eine „negative Dynamisierung” (Minderung des Bemessungsentgelts um 3 vH ohne gleichzeitige „positive Dynamisierung”) vorgenommen. Für alle nach dem 30. Juni 1996 in den Leistungsbezug Eintretenden wird hingegen die Dynamisierung des für die Höhe der Alhi maßgeblichen Bemessungsentgelts zu den üblichen Stichtagen mit einem um 0,03 verminderten – positiven – Anpassungsfaktor (§ 112a AFG) vorgesehen, was bei einem entsprechend hohen Anpassungsfaktor auch zu einer (wenn auch um 0,03 verminderten) jährlichen Erhöhung des Alhi-Zahlbetrags führen kann (fortgeführt in § 201 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – ≪SGB III≫). Doch ist diese Regelung nicht zu beanstanden, da zwischen den beiden Gruppen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (hierzu BVerfGE 55, 72, 88; 71, 146, 154 f; 75, 382, 393 = SozR 4100 § 138 Nr 16). Wie die Bundesregierung bereits in der Begründung des AlhiRG vom 3. November 1995 feststellte (BR-Drucks 732/95, S 13), war für „den Bestand bei der ersten Anpassung nur eine Minderung und nicht gleichzeitig eine Dynamisierung möglich, weil diese regelmäßig bereits in den vorangegangenen 12 Monaten, zum Teil erst kurz vorher, erfolgt” sei. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt nach Überzeugung des Senats im Rahmen einer typisierenden Betrachtung die Ungleichbehandlung des „Bestands” an Alhi-Beziehern (Herabstufung um 3 %) mit den neu eintretenden Alhi-Fällen (lediglich um 3 % verminderter Anpassungsfaktor gemäß § 136 Abs 2b iVm § 112a Abs 2 AFG). Dafür sind, wie sich der Begründung der Bundesregierung (aaO) entnehmen läßt, vornehmlich verwaltungspraktische Gründe maßgeblich gewesen, denn es dient in erheblichem Maße der Verfahrensvereinfachung, wenn künftig alle Bestandsfälle zu einem einheitlichen Stichtag – jeweils der 1. Juli – dynamisiert werden. Insofern ergeben sich für den Senat unter Berücksichtigung von Gesichtspunkten der Verwaltungspraktikabilität und Vereinfachung des Verfahrens für die Massenverwaltung der Beklagten keine Ansatzpunkte für eine Verfassungswidrigkeit der getroffenen Regelung.
Der Senat ist allerdings mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen in dem angefochtenen Urteil nicht in der Lage, abschließend über die Rechtmäßigkeit der Anrechnung von Nebeneinkommen durch die Beklagte gemäß § 115 AFG iVm § 134 Abs 4 AFG in dem Bescheid vom 8. Juli 1996 (und den weiteren Bescheiden nach dem 1. Juli 1996, in denen Nebeneinkommen angerechnet wird) zu entscheiden. Insoweit war der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
§ 115 Abs 1 Satz 1 AFG (idF des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1994 vom 26. Juli 1994, BGBl I, 786) bestimmt: Übt der Arbeitslose während einer Zeit, in der ihm Alg zusteht, eine kurzzeitige Beschäftigung aus, so mindert sich das Alg, das sich nach § 111 AFG für die Kalenderwoche, in der die Beschäftigung ausgeübt wird, ergibt, um die Hälfte des um die Steuern, die Sozialversicherungsbeiträge und die Werbungskosten verminderten Arbeitsentgelts aus dieser Beschäftigung (Nettoarbeitsentgelt), soweit dieses Nettoarbeitsentgelt 30,00 DM übersteigt. § 115 AFG setzt mithin voraus, daß das Nebeneinkommen während des Leistungsbezugs erarbeitet worden ist. Als Rechtsfolge wird der wöchentliche Alhi-Auszahlungsbetrag praktisch um die Hälfte des Nettoarbeitsentgelts aus der kurzzeitigen Beschäftigung gemindert. Die Beklagte kann folglich eine Anrechnung von Nebeneinkommen gemäß § 115 AFG nur vornehmen, soweit eine Beschäftigungswoche tatsächlich einer Alhi-Leistungswoche zuordenbar ist (vgl BSG SozR 4100 § 115 Nrn 1 und 2 und Brand in Niesel, AFG, 2. Aufl, RdNr 7 zu § 115 AFG). Das LSG hat hier keine Feststellungen getroffen, wann, dh in welchen Zeiträumen der Kläger Nebeneinkommen (in welcher Höhe) erarbeitet hat. Soweit das LSG (auf Seite 22 des Urteils) hierzu ausführt, daß der Kläger selbst nicht in Abrede stelle, daß „die Anrechnung von Nebeneinkommen rechnerisch zutreffend” von der Beklagten vorgenommen worden sei, ersetzt dieses Vorbringen nicht die Notwendigkeit einer eigenständigen tatsächlichen Überprüfung der Voraussetzungen des § 115 AFG. Hierzu ist zu bemerken, daß die streitbefangenen Bescheide, soweit sie Regelungen über die Anrechnung enthalten, keine ausreichenden Angaben darüber enthalten, daß, wann und in welcher Höhe der Kläger Nebeneinkünfte erzielt hat. Entsprechende Feststellungen wären hier aber deshalb erforderlich gewesen, weil aus den Bescheiden der Beklagten möglicherweise geschlossen werden könnte (Bescheid vom 8. Juli 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. September 1996; ebenso in den Bescheiden vom 30. August 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. September 1996, vom 3. Januar 1997, 16. Mai 1997, 8. Juli 1997, 9. Juli 1997, 2. September 1997), daß den Bewilligungen der Beklagten jeweils Prognosen über zukünftige Nebenverdienste des Klägers zugrunde lagen und von der Beklagten mithin ein Einbehalt von geschätztem, zukünftigem Nebeneinkommen vorgenommen worden ist, ohne daß dies oder die konkrete Berechnungsweise offengelegt worden wäre. Der Senat hält ein solches Vorgehen – wenn die Ermittlungen des LSG diese Vermutung bestätigen sollten – für rechtswidrig. Die Beklagte darf solche (endgültigen) Bewilligungen mit Anrechnung zukünftigen, geschätzten Einkommens nicht vornehmen. Vielmehr ist aus § 115 AFG zu folgern, daß die Anrechnung von Einkommen jeweils erst nach erfolgtem Leistungsbezug und nach durchgeführter Nebentätigkeit möglich ist (anders nur Radüge in Gagel, AFG, RdNr 84 zu § 115 AFG). Der Senat sieht sich in seiner Auffassung, daß eine prospektive Schätzung des zu berücksichtigenden Nebeneinkommens durch die Beklagte, die in der Form eines endgültigen Bescheides ergeht, nicht zulässig ist (vgl hierzu auch BSG SozR 3-1300 § 32 Nr 4), durch die neue Vorschrift des § 329 SGB III bestätigt. Nach § 329 Abs 1 SGB III kann das Arbeitsamt das zu berücksichtigende Einkommen nach Anhörung des Leistungsberechtigten schätzen, soweit Einkommen nur für kurze Zeit zu berücksichtigen ist. Nach der Begründung der Bundesregierung zum Arbeitsförderungsreformgesetz (AFRG) vom 16. August 1996 (BR-Drucks 550/96, noch zu § 330 SGB III) soll die Vorschrift der Beschleunigung des Bewilligungsverfahrens dienen, wenn ua von Anfang an feststeht, daß das geschätzte Einkommen nur kurzzeitig bei der Berechnung der Höhe der Leistung zu berücksichtigen ist. Hieraus folgt im Umkehrschluß, daß bei einer fortlaufenden, mehrjährigen Erzielung von Nebeneinkommen – wie im Falle des Klägers – eine prospektive Schätzung des Nebeneinkommens nicht zulässig sein dürfte. § 147 Abs 1 Nr 1 AFG hat im übrigen insoweit der Beklagten auch eine rechtstechnische Möglichkeit an die Hand gegeben, wie mit der Unsicherheit über die zukünftige Höhe des Nebeneinkommens des Klägers umgegangen hätte werden können. Die Beklagte hat demgegenüber die jeweiligen (möglicherweise geschätzten) Nebeneinkommensanrechnungen in ihren Bewilligungsbescheiden unter keinen „Vorläufigkeitsvorbehalt” gestellt, sondern vielmehr nach Kenntniserlangung von den tatsächlich erzielten Nebeneinkünften offenbar „Endabrechnungen” für einzelne Zeiträume vorgenommen (Bescheide vom 5. Dezember 1996 für die Zeit vom 1. August bis 31. Oktober 1996 und vom 30. Juni 1997 für die Zeit vom 1. November 1996 bis 31. Mai 1997), die dann allerdings unter den rechtlichen Gesichtspunkten der §§ 45/48 SGB X (ggf iVm § 152 AFG idF des 1. SKWPG vom 21. Dezember 1993 – BGBl I, 2353) zu überprüfen gewesen wären, was das LSG ebenfalls nicht beachtet hat. Schließlich wird das LSG auch die Rechtmäßigkeit der in diesen „Abrechnungsbescheiden” offensichtlich erfolgten „Aufrechnungen”, die gemäß § 51 Abs 1 SGB I Ermessensentscheidungen der Beklagten darstellen, zu würdigen haben.
Das LSG wird also zunächst aufzuklären haben, welche konkreten Nebeneinkünfte der Kläger in welchen Bewilligungszeiträumen erarbeitet hat und ob diese tatsächlich erzielten Nebeneinkünfte den jeweiligen Bescheiden über die Anrechnung von Nebeneinkommen zugrunde lagen oder ob die Beklagte tatsächlich von geschätzten Nebeneinkünften für zukünftige Leistungszeiträume ausgegangen ist. Sodann wird anhand der konkreten Nebenverdienste des Klägers zu entscheiden sein, ob die Nebeneinkommensabrechnungsbescheide inhaltlich richtig waren, wobei bei einer Korrektur zu Lasten des Klägers jeweils § 45 oder § 48 SGB X sowie ggf § 51 SGB X zu beachten wäre.
Der Senat teilt im übrigen nicht die verfassungsrechtlichen und grundsätzlichen Bedenken des Klägers gegen die Vorschrift § 115 Abs 1 AFG. Im Ergebnis begehrt der Kläger unter Heranziehung von Rechtsgedanken aus dem SGB I, daß eine Anrechnung von Nebeneinkommen zu unterbleiben habe, soweit ein Anspruch auf ergänzende Sozialhilfe wegen zu geringer Alhi besteht. Sinn und Zweck des § 115 AFG ist es aber, den Arbeitslosen durch den teilweisen Verlust des aus einer kurzzeitigen Beschäftigung erzielten Verdienstes weiterhin zur Übernahme einer Vollzeitbeschäftigung und damit zur Beendigung der Arbeitslosigkeit zu motivieren. Dies wird insbesondere durch § 115 Abs 1 Satz 2 AFG zum Ausdruck gebracht (vgl Brand in Niesel, AFG, 2. Aufl, RdNr 2 zu § 115; vgl auch Heuer in Hennig/Kühl/Heuer/Henke, RdNr 9 zu § 115 mwN). Der Senat sieht unter Berücksichtigung dieser gesetzgeberischen Motive keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit, bei der Ausgestaltung der Alhi unter Berücksichtigung des Sozialhilferechts einen anderen Anrechnungsmodus oder einen höheren Freibetrag vorzusehen oder für Sozialhilfebedürftige von einer Anrechnung ganz abzusehen. Die Wahl und der Modus der Anrechnung von Nebeneinkommen auf Alg bzw Alhi unterliegt dem weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum bei der Gewährung von Sozialleistungen (vgl BVerfGE 69, 272, 314; 82, 60, 80; 94, 241, 263; vgl auch die Neuregelung in § 141 Abs 1 SGB III, der nunmehr von einem Freibetrag von 20 % des monatlichen Arbeitsentgelts aus der Nebenbeschäftigung ausgeht).
Der Senat vermag weiterhin nicht zu entscheiden, inwieweit der Bescheid vom 30. August 1996 (24. September 1996) rechtmäßig war. Bei diesem Bescheid handelt es sich um einen neuen Bewilligungsbescheid für den Bewilligungszeitraum ab 13. September 1996. Deshalb waren hier die Voraussetzungen für die Bewilligung von Alhi in vollem Umfang erneut zu überprüfen. Dies gilt sowohl für die Voraussetzungen dem Grunde wie auch der Höhe nach (vgl BSG SozR 3-4100 § 136 Nr 3 mwN; vgl Urteil des Senats vom heutigen Tage – B 7 AL 128/97 R –). Insoweit fehlt es an tatsächlichen Feststellungen durch das LSG, und zwar auch insoweit, als die auf dem Bescheid vom 30. August 1996 aufbauenden weiteren Bescheide der Beklagten vom 3. Januar 1997, 10. April 1997, 16. Mai 1997, 8. Juli 1997, 9. Juli 1997 und 2. September 1997 betroffen sind. Hierüber wird das LSG nunmehr im Rahmen seiner erneuten Entscheidung zu befinden haben. Hinsichtlich der Höhe des Bemessungsentgelts in dem angefochtenen Bescheid vom 30. August 1996 (Widerspruchsbescheid vom 24. September 1996) weist der Senat allerdings darauf hin, daß durch die verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden (s oben) Regelungen der §§ 136 Abs 2b iVm 242v AFG idF des WFG iVm dem Gesetz vom 12. Dezember 1996 der Dynamisierungsstichtag auf den 1. Juli 1996 festgelegt wurde. Eine nochmalige Anpassung der Höhe der Alhi des Klägers zum Ende des Bewilligungsabschnitts am 13. September 1996 gemäß § 112a AFG widerspricht dem Regelungskonzept der §§ 136 Abs 2b, 242v AFG. Die Anwendung soll, unabhängig von der Dauer des Bewilligungsabschnitts, jeweils zum 1. Juli eines Jahres erfolgen, da aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 242v Abs 1 Satz 1 AFG der 1. Juli 1995 als Zeitpunkt für die Entstehung des Anspruchs gilt. Der nächste Dynamisierungsstichtag war mithin für den Kläger der 1. Juli 1997, weshalb die Beklagte insoweit zu Recht der Neubewilligung ab 13. September 1996 weiterhin das gerundete wöchentliche Arbeitsentgelt von 660,00 DM zugrunde gelegt hat.
Das LSG wird unter Berücksichtigung des Ergebnisses des Revisionsverfahrens auch über die Kosten des Rechtsstreits abschließend zu entscheiden haben.
Fundstellen
BSGE 82, 198 |
BSGE, 198 |
SozR 3-4100 § 242v, Nr.1 |
SozSi 1999, 224 |
SozSi 1999, 261 |