Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenkassenverband - Mitgliedskasse - Umlagebescheid - Verwaltungsakt - Landesverband - Bundesverband - Aufgabenüberschreitung - Haushaltsrecht - Werbemaßnahme - Unterstützungsaufgabe
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Krankenkassenverband setzt die von den Mitgliedern zu zahlende Verbandsumlage durch Verwaltungsakt fest.
2. Der Mitgliedskasse eines Krankenkassenverbands steht regelmäßig nicht das Recht zu, gegen die Höhe der Verbandsumlage mit der Behauptung gerichtlich vorzugehen, der Verband habe den Rahmen der ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben überschritten.
Normenkette
SGB V § 210 Abs. 1 S. 3 Nr. 6, § 211 Abs. 2, § 217 Abs. 2; SGB IV § 68 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. März 2001 wird zurückgewiesen.
Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die klagende Betriebskrankenkasse (BKK) wendet sich gegen die Höhe der von ihr für die Jahre 1997 und 1998 vom beklagten Bundesverband der BKKn geforderten Beiträge, die laut den entsprechenden Haushaltsbeschlüssen 16,30 DM bzw 16,09 DM je Versicherten und Jahr betragen sollten. Nachdem sich die Klägerin der allgemeinen Aufforderung des Vorstands des Beklagten zur rechtzeitigen Leistung der Umlage für das Jahr 1997 widersetzte, erließ der Beklagte am 6. Mai 1997 einen Umlagebescheid über insgesamt 8.012.607,30 DM. Im Laufe des sich daran anschließenden Klageverfahrens erging der Haushaltsbeschluss für das Jahr 1998 und die diesbezügliche allgemeine Zahlungsaufforderung des Vorstands mit Schreiben vom 1. Dezember 1997. Diese Aufforderung wurde ebenfalls als Umlagebescheid gewertet und ins Klageverfahren einbezogen.
Im Laufe der weiteren Auseinandersetzung hat die Klägerin die fraglichen Beträge schließlich bezahlt. Gegen ihre Beitragspflicht hat sie eingewandt, die Umlage enthalte Kosten für Werbemaßnahmen, die für sie ohne Nutzen seien; deshalb sei die Beitragserhebung insoweit unzulässig. Die Klage hatte weder in erster noch in zweiter Instanz Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Februar 1999; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 16. März 2001).
Zur Begründung führt das LSG im Wesentlichen aus: Die Beitragserhebung entspreche der Satzung und höherrangigem Recht, denn Aufklärungsmaßnahmen gehörten nach § 13 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) auch dann zu den gesetzlichen Aufgaben der Verbände der Sozialleistungsträger iS von § 217 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), wenn sie sich besonderer Mittel werbender Art bedienten, um die Zielgruppe auch tatsächlich zu erreichen. Die Klägerin habe nicht im Einzelnen dargelegt, dass die vom Beklagten durchgeführten Maßnahmen ausschließlich werbenden Charakter gehabt hätten. Die hierzu vorgelegten Unterlagen beträfen in erster Linie Ausgaben im Jahr 2000 und nicht die streitigen Jahre 1997 und 1998. Soweit ein “BKK Info-Spot” als Aufgabenüberschreitung gerügt werde, könne sich das LSG der Auffassung nicht anschließen, dass diesem kein Aufklärungscharakter beizumessen sei. Selbst wenn die Maßnahmen des Beklagten – insbesondere die von der Klägerin als Ganzes angegriffene “Imagekampagne” – nicht als Wahrnehmung von Aufklärungsaufgaben, sondern als Unterstützungsmaßnahmen iS von § 217 Abs 2 SGB V einzuordnen seien, habe der Beklagte die angefochtenen Beiträge zu Recht erhoben. Den gesetzlich nicht abschließend vorgegebenen Katalog habe der Beklagte in seiner Satzung um “Öffentlichkeitsarbeit und Marketing für die betriebliche Krankenversicherung” erweitern dürfen. Insofern sei unerheblich, ob die Klägerin in der Lage sei, diese Aufgabe für sich selbst wahrzunehmen, denn davon könne die Beitragspflicht der Verbandsmitglieder nicht abhängen. Diese beruhe auf der gesetzlich angeordneten Eingliederung in das Verbandswesen und nicht auf dem jeweiligen individuellen Bedarf des Mitglieds. Der hierzu höchstrichterlich entschiedene Fall der Finanzierung eines Rechenzentrums sei mit dem zu entscheidenden Sachverhalt nicht vergleichbar, denn bei anderen Aufgaben als bei der Einrichtung eines Rechenzentrums verlange das Gesetz nicht die “Abstimmung” mit den Mitgliedskassen. Unabhängig davon habe der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass auch die Klägerin entgegen ihrer Behauptung Nutzen aus den von ihr bekämpften Werbekampagnen gezogen habe. Nachdem sich die Klägerin zum 1. Januar 1998 für Mitglieder außerhalb der betrieblichen Zuständigkeit geöffnet habe, könne ihr Einwand, für sie habe Mitgliederwerbung keinen Sinn, schon deshalb nicht mehr greifen.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 217 SGB V, § 13 SGB I. Die streitigen Maßnahmen seien keine dem Beklagten gesetzlich zugewiesenen Aufgaben, weil dann für die Unterstützungsmaßnahmen des § 217 Abs 2 SGB V kein Raum bliebe. Auch die vom LSG vorgenommene Grenzziehung zwischen Maßnahmen zur Aufklärung und solchen mit ausschließlich werbendem Charakter führe zur Aushöhlung des Anwendungsbereichs von § 217 Abs 2 SGB V. Deshalb sei die “Imagekampagne” des Beklagten als Unterstützungsmaßnahme aufzufassen, bei der es darauf ankomme, ob die Mitglieder der Unterstützung bedürfen. Auch wenn das Bundessozialgericht (BSG) diese Frage im Urteil vom 9. Dezember 1986 ausdrücklich offen gelassen habe, so habe es doch zu erkennen gegeben, dass der Wortlaut diese Auslegung jedenfalls nicht ausschließe. Eine “Unterstützung” komme nach dem Wortsinn nur dort in Betracht, wo eine Aufgabe nicht aus eigener Kraft und mit eigenen Mitteln zu bewältigen sei. Da dies hinsichtlich der Imagekampagne des Beklagten nicht zutreffe, dürften die dadurch verursachten Kosten von der Klägerin nicht erhoben werden.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Bescheide des Beklagten insoweit abzuändern, als darin ein Verbandsbeitrag für Werbemaßnahmen erhoben wird.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet.
Die Klage ist zulässig.
Das LSG hat die Festsetzung des Verbandsbeitrags für das Jahr 1997 in der Zahlungsaufforderung vom 6. Mai 1997 zu Recht als Verwaltungsakt behandelt. Für die allgemeine Aufforderung vom 1. Dezember 1997 zur pünktlichen Beitragsleistung für das Jahr 1998 ist das zweifelhaft, weil ihr eine konkrete Zahlungspflicht nicht zu entnehmen ist; insbesondere bleibt offen, mit welcher Versichertenzahl der darin genannte Faktor von 16,09 DM zu multiplizieren ist – der vom LSG auch für 1998 genannte Betrag von 16,30 DM beruht ersichtlich auf einer Verwechslung. Nachdem die Klägerin jedoch durch die tatsächliche Beitragsentrichtung zu erkennen gegeben hat, dass die Zahlungsaufforderung für die Beteiligten hinreichend bestimmt war, lassen sich daraus Bedenken in Bezug auf die Verwaltungsaktqualität nicht ableiten. Dass es keiner bezifferten Zahlungsaufforderung bedarf, wenn die Berechnungsgrundlagen zwischen den Beteiligten geklärt sind, zeigt die gesetzliche Fiktion des vollstreckungsfähigen Leistungsbescheids nach § 28 f Abs 3 Satz 5 (bis zum 18. Juni 1994: Satz 3) Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV).
Der Umstand, dass die Klägerin inzwischen der umstrittenen Zahlungsverpflichtung nachgekommen ist, zwingt nicht zur Änderung des Klagebegehrens – etwa mit dem Ziel der Erstattung der zu Unrecht vereinnahmten Beträge. Das ergibt sich im Gegenschluss aus § 131 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn die darin dem Gericht eröffnete Möglichkeit, die Vollziehung rückgängig zu machen, soll ersichtlich neben die in erster Linie verfolgte Beseitigung des angefochtenen Verwaltungsakts treten. Ein eigener Antrag in dieser Richtung war nicht veranlasst, denn es stand nicht zu erwarten, dass der Beklagte im Fall des Unterliegens die Rückzahlung der Beiträge verweigert hätte.
Die Klage ist unbegründet, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.
Der Beklagte ist befugt, die Verbandsumlage per Verwaltungsakt festzusetzen. Insoweit besteht zwischen dem Bundesverband und seinen Mitgliedern ein Überordnungsverhältnis. Diese Frage ist im Gesetz nicht eigens geregelt; die in § 216 Satz 3, § 210 Abs 1 Satz 3 Nr 6 SGB V festgelegte Pflicht, in der Verbandssatzung über die Aufbringung und Verwaltung der Mittel zu bestimmen, besagt nichts darüber, auf welchem Weg der Verband seine Ansprüche begründet und durchsetzt. Klar ist lediglich, dass der Verband mit Rücksicht auf die zitierten Vorschriften berechtigt ist, in der Satzung eine Umlagepflicht der Mitglieder vorzuschreiben, und dass über die Höhe der Umlage im jährlich festzustellenden Haushalt des Verbands zu entscheiden ist. Denn § 214 Satz 2, § 208 Abs 2 Satz 2 SGB V verweist insoweit auf das im SGB IV geregelte, für alle Sozialversicherungsträger geltende Haushaltsrecht, so dass nach § 67 Abs 1 SGB IV alle Einnahmen auf einem Haushaltsansatz beruhen müssen. Dieser begründet nach § 68 Abs 2 SGB IV jedoch im Verhältnis zu Dritten keine Ansprüche des Verbands. Vielmehr wird die generell in der Satzung vorgeschriebene Umlagepflicht der Mitglieder erst durch die Umsetzung der Haushaltsbeschlüsse seitens der Verbandsverwaltung konkretisiert. Die Mitwirkung der einzelnen Mitglieder bzw ihrer Repräsentanten bei der Feststellung des Haushalts hat dabei lediglich die Bedeutung einer Rechtfertigung nach innen; die Konkretisierung der Umlageforderung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gegenüber ihren Mitgliedern ist demgegenüber ein Akt mit Außenwirkung, der typischerweise in der Form eines Verwaltungsakts getroffen wird, wie er auch im Beitragsrecht der Sozialversicherungsträger gegenüber deren Mitgliedern vorgeschrieben ist. Mit ähnlichen Erwägungen wird in der neueren verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung angenommen, dass die Umlage der Mitgliedsgemeinden zu einem gemeindlichen Zweckverband per Verwaltungsakt erhoben wird (VGH Baden-Württemberg vom 14. Mai 1996 – 2 S 590/94 mwN – auch zu der vor allem früher vertretenen Gegenmeinung; im gleichen Sinne wohl auch OVG Nordrhein-Westfalen vom 18. Juli 1997 – 9 A 2933/95 – KStZ 1998, 219). Die dagegen erhobenen Bedenken gehen auf die zitierte Rechtsprechung nicht ein und knüpfen an den Charakter des Zweckverbands als freiwilligen Zusammenschluss (Kraft-Zörcher/ Neubauer, LKV 2000, 528, 530 f); sie vermögen daher unabhängig von ihrer verwaltungsrechtlichen Schlüssigkeit in Bezug auf die Zwangsverbände der BKKn keine Bedenken zu begründen. Die Qualifizierung der Verbände als Körperschaften des öffentlichen Rechts unterstreicht, dass ihre Tätigkeit öffentlichen Interessen zuzuordnen ist, und die Zuweisung eines eigenen gesetzlichen Aufgabenkatalogs belegt spezifische (und somit hoheitliche) Befugnisse auch im Verhältnis zu den Mitgliedern, die ihrerseits öffentliche Aufgaben wahrzunehmen haben.
Die materiellen Einwände der Klägerin gegen die Beitragsschuld greifen nicht durch. Der Umfang der gerichtlichen Überprüfung ist für Verbandsumlagen in der gesetzlichen Krankenversicherung bisher kaum höchstrichterlich geklärt. Hierzu hat das LSG Nordrhein-Westfalen in den Urteilen vom 23. Januar 2001 und vom 20. Januar 1998 (L 5 KR 115/00 zum Revisionsverfahren B 1 KR 14/01 R und L 5 KR 15/97) auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) hingewiesen, wonach der Beitrag zur verfassten Studentenschaft oder zu berufständischen Kammern auch bei rechtswidriger Verbandstätigkeit grundsätzlich nicht verweigert werden darf (BVerwGE 59, 242, 249 = Buchholz 421.2 Nr 79 S 229 f; BVerwG Buchholz 430.3 Nr 12 S 7 f sowie Nr 13 S 13).
Der vom BVerwG für die Beiträge zu anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts entwickelte Grundsatz, dass es einen Missbrauch darstellt, wenn eine Körperschaft mittels Anfechtung der von ihr erlassenen Umlagebescheide zur Beachtung der ihr rechtlich vorgegebenen Aufgabenbeschränkungen angehalten und für eventuelle Überschreitungen in der Vergangenheit zur Rechenschaft gezogen werden soll, gilt auch für die Verbandsumlagen im Krankenversicherungsrecht. Neben den hierfür vom BVerwG angeführten Argumenten des regelmäßig fehlenden Bezugs zwischen dem Beitrag des einzelnen Mitglieds und der gerügten Tätigkeit der Körperschaft sowie der schon grundsätzlich fehlenden Eignung der Beitragsverweigerung, um rechtmäßiges Verhalten durchzusetzen (BVerwG aaO, insbesondere Buchholz 430.3 Nr 13 S 13), müssen auch die haushaltsrechtlichen Implikationen beachtet werden. Darauf hat bereits der 12. Senat des BSG in einem vergleichbaren Zusammenhang hingewiesen, als er über die Klage eines Arbeitgebers zu entscheiden hatte, der unter Hinweis auf angebliche Aufgabenüberschreitungen die Beitragspflicht zur Krankenversicherung zur Überprüfung stellte (BSG SozR 2200 § 385 Nr 10 S 41 f). Dabei geht es nicht nur um das Gebot, bei der Haushaltsaufstellung sämtliche voraussehbaren Ausgaben zu berücksichtigen. Vielmehr würde eine ordnungsgemäße Haushaltsverwaltung der Körperschaft unmöglich, wenn zunächst über die Einwände der Mitglieder gegen einzelne Haushaltsansätze vor Gericht verhandelt werden müsste. Vollends unerträglich wäre es, wenn nach Jahr und Tag in einer Zweifelsfrage zu Gunsten des Mitglieds entschieden würde und die Umlage möglicherweise für mehrere Jahre in der Vergangenheit neu berechnet werden müsste.
Dass derartige Folgen unausweichlich sein können, wenn nachträglich spezifische Fehler der Umlageerhebung (etwa bei der Berechnung) festgestellt werden, ist keine Rechtfertigung dafür, auf dem Umweg über das Beitragsrecht eine unbeschränkte Überprüfungsmöglichkeit auch in Bezug auf diejenigen Entscheidungen zu eröffnen, welche die “Strategie” der Verbandstätigkeit betreffen und die das Gesetz daher der besonderen Erörterung und Willensbildung innerhalb der Körperschaftsorgane unterwirft. Trotz der Möglichkeiten des einzelnen Mitglieds, über seine Repräsentanten auf diesen Willensbildungsprozess Einfluss zu nehmen, ist einzuräumen, dass es dabei zu rechtswidrigen Mehrheitsentscheidungen kommen kann. Dagegen ist aber nicht im Wege der Anfechtung von Umlagebescheiden vorzugehen. Vielmehr kommt in diesen Fällen in erster Linie der Rechtsschutz in Betracht, wie ihn die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung gegenüber angeblichen Aufgabenüberschreitungen von Zwangskörperschaften unter Berufung auf Art 2 Abs 1 Grundgesetz (GG) entwickelt hat und im Wege der Unterlassungsklage gewährt (BVerwGE 64, 298 = Buchholz 430.1 Nr 8 = DVBl 1982, 639 mwN; BVerwGE 64, 115 = Buchholz 430.1 Nr 7 = DVBl 1982, 204). Für die Beziehung zwischen Vertragsarzt und Kassenärztlicher Vereinigung hatte der 6. Senat des BSG zwar zu dieser Frage ursprünglich eine eher ablehnende Meinung vertreten (Urteil vom 21. Januar 1966 – BSG SozR Nr 109 zu § 54 SGG), sich später jedoch der Rechtsprechung des BVerwG ausdrücklich angeschlossen (BSGE 62, 231, 234 = SozR 2200 § 368b Nr 4 S 5) und den Rechtsschutz lediglich in Bezug auf die sog Konkurrentenklage weiter differenziert (vgl zuletzt BSGE 88, 6, 8 = SozR 3-2500 § 103 Nr 6 S 40; BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 40 S 84 f jeweils mwN). Aus dieser Rechtsprechung lassen sich Beschränkungen der vom BVerwG befürworteten Unterlassungsklage bei willkürlicher Benachteiligung von Verbandsminderheiten nicht ableiten; auf diese Rechtsschutzmöglichkeit müssen sich die Verbandsmitglieder daher verweisen lassen, denn dabei sind die oben erwähnten Unzuträglichkeiten nicht zu befürchten.
Der Umstand, dass in Kassenverbänden keine natürlichen Personen, sondern ihrerseits Körperschaften des öffentlichen Rechts zusammengeschlossen sind, begründet keine Abweichung vom dargestellten Grundsatz. Allerdings ist den staatlichen Körperschaften ein Grundrechtsschutz grundsätzlich versagt (stellvertretend: BVerwGE 111, 354, 360 = Buchholz 310 § 42 Abs 2 VwGO Nr 7 S 14 = DVBl 2001, 563, 565; BVerfGE 75, 192, 196 ff = DVBl 1987, 844 jeweils mwN). Das heißt jedoch nicht, dass ihnen die Rechtsschutzmöglichkeit über eine Unterlassungsklage verschlossen ist, so dass sie dennoch auf den indirekten Weg über das Beitragsrecht angewiesen wären. Der Schutz der Minderheit vor willkürlicher Benachteiligung durch die Mehrheit in Zwangsvereinigungen ist nicht nur nach Art 2 Abs 1 GG geboten; da er ebenso aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 3 iVm Art 3 Abs 1 GG abzuleiten ist, hat der Senat keinerlei Bedenken, den Verbandsmitgliedern die Unterlassungsklage gegenüber rechtswidrigen Übergriffen des Verbands zu eröffnen (zum Schutz von Körperschaften als Beteiligte im Gerichtsverfahren vor Willkürakten des parlamentarischen Gesetzgebers: BVerfGE 76, 130, 139 = SozR 1500 § 184 Nr 4 S 8 = NVwZ 1988, 345). Daneben wäre die Zulässigkeit der Unterlassungsklage unter dem Gesichtspunkt des prozessrechtlichen bzw prozessökonomischen Gebots zu erörtern, an Stelle der mittelbaren Rechtsfolge (Umlagehöhe) das angeblich rechtswidrige Verhalten selbst (Aufgabenüberschreitung) zum Streitgegenstand zu machen. Im Übrigen sind keine Besonderheiten erkennbar, die einer Übertragung des vom BVerwG entwickelten Grundsatzes entgegenstehen könnten. Dass sich die Mitgliedskörperschaften ebenso auf gesetzliche Aufgabenzuweisungen berufen können wie der Verband, bestätigt die Bewertung als Kompetenzstreit und widerspricht der letztlich unzutreffenden Etikettierung als Beitragsstreit.
Der dargestellte Vorrang der Unterlassungsklage für Einwände der Verbandsmitglieder gegen die Art und Weise der Verbandsführung gilt allerdings nicht ausnahmslos. Vielmehr schlägt eine Aufgabenüberschreitung in zwei Fallgestaltungen auf die Beitragshöhe durch: In der ersten wird ein konkret festgelegter Anteil einer Umlage (“Sonderbeitrag”) für gesetzesfremde Tätigkeiten erhoben (vgl nochmals BVerwGE 59, 242, 249 = Buchholz 421.2 Nr 79 S 229 f; BVerwG Buchholz 430.3 Nr 12 S 7 f sowie Nr 13 S 13). Eine weitere Ausnahme hat das BVerwG für den Fall erwogen, dass wegen der Umlage der zahlungspflichtigen Körperschaft keine finanzielle Mindestausstattung zur Wahrnehmung ihrer eigenen Aufgaben verbleibt (Beschlüsse vom 16. Januar 2001 – 5 B 134/00 sowie vom 28. Februar 1997 – Buchholz 11 Art 28 Nr 108 S 39).
Der zuletzt angesprochene Gesichtspunkt ist von vornherein ungeeignet, der hier erhobenen Klage zum Erfolg zu verhelfen. Denn die Verbandsumlage von etwas über 16 DM je Versicherten und Jahr ist im Verhältnis zur durchschnittlichen Beitragsleistung eines Versicherten zur Krankenversicherung so geringfügig, dass darauf eine finanzielle Auszehrung der Klägerin oder anderer Verbandsmitglieder keinesfalls beruhen könnte. Deshalb kann offen bleiben, ob das BVerwG das fragliche Argument nur dann für erwägenswert hält, wenn die betroffene Körperschaft in ihrem Selbstverwaltungsrecht durch Art 28 GG verfassungsrechtlich geschützt ist, was bei den Sozialversicherungsträgern und ihren Verbänden nicht der Fall ist.
Auch der Gesichtspunkt des “Sonderbeitrags” greift zu Gunsten der Klägerin nicht durch. Bei einem solchen ist die Berücksichtigung der Einwände gegen die Verbandstätigkeit im Streit über die Umlage ausnahmsweise dadurch gerechtfertigt, dass der Sonderbeitrag eigens zu dem Zweck erhoben wird, eine bestimmte Aufgabe finanzieren zu können: Dann vermag die Rechtswidrigkeit des Zwecks ohne weiteres auch die Beitragserhebung als rechtswidrig erscheinen zu lassen. Letzteres ist allerdings nur dann anzunehmen, wenn der fragliche Beitragsanteil mit einem Vorhaben so eng verknüpft ist, dass eine Verwendung für andere Zwecke ausscheidet – wenn also bereits im Umlagebeschluss der über die Bindung an einen bestimmten Haushaltstitel hinausreichende verpflichtende Charakter der Zweckbestimmung deutlich wird. Dabei kann offen bleiben, ob eine besondere Form dieses Beschlusses (etwa außerhalb der Feststellung des normalen Haushalts) zu fordern ist und ob schon die nach § 211 Abs 2 Nr 8 SGB V (früher: § 414e Satz 2 Buchst h RVO) notwendige “Abstimmung mit den Mitgliedskassen” einem etwaigen Beschluss über die Beteiligung an den Kosten für ein Rechenzentrum diesen besonderen Charakter verleiht. Es kommt auch nicht darauf an, ob die dazu ergangene Entscheidung des 8. Senats des BSG vom 9. Dezember 1986 (BSGE 61, 75 = SozR 2200 § 414e Nr 2) im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG zum Sonderbeitrag zu verstehen ist und ob sich der erkennende Senat dem anschließen könnte. Denn jedenfalls ist die dabei angewandte Spezialvorschrift auf andere Verbandsaufgaben nicht übertragbar und die aufgezeigten allgemeinen Erwägungen vermögen beim hier zu beurteilenden Sachverhalt die Annahme eines Sonderbeitrags nicht zu rechtfertigen.
Allerdings war die Umlage in den Mitteilungen des Beklagten unter Nennung der einschlägigen Kontennummern für den Haushalt (Haushaltstitel) bestimmten Zwecken zugeordnet, und zwar in Höhe von jeweils 1,96 DM bzw 0,62 DM für Werbemaßnahmen, von 0,19 DM bzw 0,18 DM für den Medizinischen Dienst der Spitzenverbände und von 15,13 DM bzw 15,29 DM für den verbleibenden Verbandsbeitrag. Dennoch ist die erforderliche enge Zweckbindung bei den für die umstrittenen Werbemaßnahmen angesetzten Teilbeträgen von 1,96 DM bzw 0,62 DM pro Versichertem nicht festzustellen. Eine solche kann nicht schon auf Grund der Zuweisung bestimmter Mittel zu einem bestimmten Vorhaben im Haushaltsplan angenommen werden, sonst könnte für jeden einzelnen Rechenposten im Haushaltsplan ein “Sonderbeitrag” errechnet und eigens angefochten werden. Die Ansätze des Haushaltsplans stellen sich lediglich als Kalkulationsgrundlage für den finanziellen Gesamtbedarf des Verbands und als Begründung für die von den Mitgliedern insgesamt zu tragende Umlage dar. In diesem Sinne hat schon das BVerwG über eine Klage gegen den Beitrag zu einer Zahnärztekammer entschieden, von dem ein bestimmter Teilbetrag an den entsprechenden Bundesverband weitergeleitet werden sollte (nochmals BVerwG Buchholz 430.3 Nr 13 S 13). An diesem Ergebnis ändert sich nichts dadurch, dass der Betrag für die Werbemaßnahmen auch in den Umlagebescheiden getrennt aufgeführt wird. Die Bezugnahme auf den jeweiligen Haushaltstitel zeigt, dass es sich lediglich um eine Erwähnung der haushaltsrechtlichen Festlegung handelt, um die Verbuchung bei den Verbandsmitgliedern zu erleichtern. Daraus ergibt sich nicht, dass es sich um einen Sonderbeitrag handelt, dessen Verknüpfung mit der damit geplanten Aufgabe über den für alle Einnahmen und Ausgaben erforderlichen Haushaltsansatz hinausreicht.
Die Klage ist mithin schon deshalb unbegründet, weil sich die Klägerin gegenüber der Umlagepflicht auf ein rechtswidriges Verhalten des Verbandes nicht berufen kann und andere Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der Umlage sprechen, nicht ersichtlich sind. Da bereits die Vorinstanzen den Anspruch der Klägerin auf Beitragsermäßigung zu Recht verneint haben, kann auch die Revision keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs 4 Satz 1 SGG; der am 2. Januar 2002 durch das Sechste Gesetz zur Änderung des SGG vom 17. August 2001 (BGBl I 2144 – 6. SGG-ÄndG) eingeführte § 197a SGG, der auf die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung verweist, findet hier noch keine Anwendung. § 193 SGG in der bisherigen Fassung bleibt für Prozesse wie den vorliegenden jedenfalls dann anwendbar, wenn das Verfahren vor dem 2. Januar 2002 in den gegenwärtigen Rechtszug gelangt ist. Das hat der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des 6. Senats des BSG entschieden (Urteile vom 19. März 2002 – B 1 KR 34/00 R –, SozR 3-2500 § 207 Nr 1 und vom 30. Januar 2002 – B 6 KA 12/01 R –, SozR 3-2500 § 116 Nr 24).
Fundstellen
BSGE 89, 277 |
BSGE, 277 |
NZS 2003, 592 |
SozR 3-2500 § 217, Nr. 1 |