Leitsatz (amtlich)
1. Die Entscheidung, daß die erstmalige Ernennung zum Beamten nach G131 § 7 unberücksichtigt bleibt, hat nicht zur Folge, daß diese Ernennung rückwirkend als nicht geschehen anzusehen ist. Für die Folgen eines Dienstunfalls eines Beamten, der im Zeitpunkt des Unfalls nicht zu dem vom Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung erfaßten Personenkreis gehört hat, werden durch eine solche Entscheidung keine Entschädigungsansprüche nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung begründet. VV G 131 zu G131 §§ 72, 72b Nr 16 S 2 (idF vom 1961-01-05, BAnz 1952 Beilage 9) beruht insoweit auf einer unzutreffenden Rechtsauffassung.
Tenor
Die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. September 1961 und des Sozialgerichts Speyer vom 28. September 1959 werden aufgehoben. Die Klage gegen den Bescheid des Gemeindeunfallversicherungsverbandes Rheinland-Pfalz vom 25. März 1957 wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger beansprucht Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) für die Folgen eines Unfalls vom 18. Dezember 1942.
Der Kläger, der am 10. Mai 1905 geboren ist, war seit dem 31. Juli 1933 in den Stadtwerken der Stadt Pirmasens als Hilfsarbeiter beschäftigt. Durch Ernennungsurkunde vom 20. September 1938, die vom Oberbürgermeister der Stadt Pirmasens unterzeichnet ist und die Überschrift trägt „Betr.: Einberufung von Nationalsozialisten in das Beamtenverhältnis”, ist er unter Berufung in das „Beamtenverhältnis” zum „Werksgehilfen” ernannt und mit Wirkung vom 1. Oktober 1938 in eine Beamtenstelle bei der Stadtverwaltung Pirmasens eingewiesen worden. In dieser Ernennungsurkunde ist auf einen Erlaß des Reichs- und Preußischen Ministers des Innern vom 19. November 1937 Bezug genommen.
Am 18. Dezember 1942 verunglückte der Kläger bei der Ausübung seines Dienstes beim Legen einer Omnibusleitung, er stürzte aus einer Höhe von 5 bis 6 m ab und zog sich u. a. einen Bruch des linken Unterarms und des linken Oberschenkelkopfes zu.
Als Unfallfürsorge wurde dem Kläger nur Heilbehandlung gewährt, weil keine Dienstunfähigkeit vorlag. Nach Kriegsende wurde der Kläger, der aus den Diensten der Stadt Pirmasens entlassen worden war, nicht wieder eingestellt.
In einem Wiedereinstellungsgesuch vom August 1951 berief sich der Kläger darauf, daß er durch den Dienstunfall vom Jahre 1942 noch geschädigt sei. Eine von der Stadtverwaltung veranlaßte Begutachtung durch das staatliche Gesundheitsamt in Pirmasens (vom 16. Juli 1954, Dr. B.) führt zu dem Ergebnis, daß noch eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. vorliege. Durch „Entscheidung” der Stadtverwaltung Pirmasens vom 1. Dezember 1955 wurde entschieden, daß die mit Wirkung zum 1. Oktober 1938 erfolgte Ernennung zum Beamten auf Widerruf nach § 7 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen (G 131) unberücksichtigt bleibe, weil diese Ernennung den beamtenrechtlichen Vorschriften widersprochen habe und auf Grund der Maßnahmen zur Unterbringung und Förderung verdienter Nationalsozialisten mit Rücksicht auf die Mitgliedschaftsnummer in der NSDAP (Mitgl.-Nr. 188 846) und die Zugehörigkeit zur SA seit 1929 erfolgt sei. Dieser Entscheidung stimmte das Ministerium des Innern des Landes Rheinland-Pfalz mit Erlaß vom 12. Oktober 1955 zu. In diesem Erlaß wird auf die Möglichkeit der Nachversicherung nach § 72 G 131 hingewiesen und gleichzeitig gebeten, zur Frage der Bewilligung eines Unterhaltsbetrages Stellung zu nehmen (§ 2 Abs. 2 des Landesergänzungsgesetzes vom 31. Mai 1952 GVBl S. 91 i.V.m. § 123 des LBG idF vom 28. 4. 1951 GVBl S. 114).
Mit Schreiben vom 9. März 1956 verständigte die Stadtverwaltung Pirmasens die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung (BAfU) davon, daß der Kläger mit Antrag vom 11. April 1954 die Bewilligung einer Unfallrente beantragt habe, und vertrat die Auffassung, daß nach Nr. 4 der Verwaltungsvorschriften zum G 131 vom 9. 5. 1952 (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 91) die Vorschriften der gesetzlichen UV auf den Anspruch des Klägers anzuwenden seien und die BAfU die Bearbeitung zu übernehmen habe. Die BAfU gab den Vorgang an den Gemeindeunfallversicherungsverband (GUV) Rheinland-Pfalz ab, den sie mit Rücksicht darauf für zuständig hielt, daß es sich um einen ehemaligen städtischen Bediensteten handele.
Der GUV lehnte durch Bescheid vom 25. März 1957 die Entschädigungsansprüche ab und führte zur Begründung u. a. aus, zum Unfallzeitpunkt sei der Kläger nach § 541 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF versicherungsfrei gewesen. Die rückwirkende Aberkennung der Beamtenrechte habe nicht zur Folge, daß das vorher bestehende Arbeitsverhältnis wieder hergestellt und dadurch Versicherungsschutz nach § 537 Nr. 1 RVO aF begründet werde; denn entscheidend seien die Verhältnisse im Unfallzeitpunkt. Der Kläger gehöre zum Personenkreis des § 72 Abs. 12 G 131; das sei auch von der Stadtverwaltung Pirmasens dadurch bestätigt worden, daß sie eine Nachversicherung nach § 72 Abs. 1 und 2 G 131 beabsichtige. Im übrigen wäre auch der GUV nicht zuständig, da die Tätigkeit des Verletzten im Unfallzeitpunkt bei der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen (BG) versichert gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 25. April 1957 Klage beim Sozialgericht (SG) Speyer erhoben mit dem Antrag,
die Beklagte zu verurteilen, ihm Unfallrente vom 19. Dezember 1942 an zu gewähren.
Das SG hat durch Beschlüsse vom 20. Mai 1957 und 5. Juli 1957 die BG und die BAfU unter Bezugnahme auf § 75 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beigeladen. Die BG hat den Standpunkt vertreten, durch Nr. 4 der Verwaltungsvorschriften zu G 131 (Beilage zu Nr. 91 des Bundesanzeigers 1952) sei bestimmt, daß in derartigen Fällen die Vorschriften der gesetzlichen UV anzuwenden seien, für die Entschädigung sei nach dieser Vorschrift die BAfU zuständig. Die BAfU hat ausgeführt, nach der Verordnung über die Errichtung der BAfU (vom 14. 3. 1951, BGBl I S. 190) sei sie nur für die Abwicklung der Aufgaben der in der Verordnung bezeichneten Ausführungsbehörden zuständig, nicht aber für Versicherte, die früher bei kommunalen Versicherungsträgern oder gewerblichen Berufsgenossenschaften in Bundesgebiet versichert gewesen seien. Sie hält die BG für den zuständigen Versicherungsträger. Mit Verfügung vom 16. Januar 1958 hat der Vorsitzende der Kammer des SG darauf hingewiesen, daß die Entscheidung von der Klärung der Vorfrage abhänge, ob der Kläger wegen seines Anspruchs auf Unfallentschädigung als Beamter im Sinne des G 131 anzusehen sei, und dem Kläger aufgegeben, dem SG mitzuteilen, ob eine Klage beim Verwaltungsgericht erhoben worden ist.
Daraufhin hat der Kläger am 19. März 1958 beim Bezirksverwaltungsgericht Neustadt (Weinstraße) gegen die Stadtverwaltung Pirmasens Klage erhoben mit dem Antrag,
festzustellen, daß der Kläger wegen seines Schadensersatzanspruches aus dem in Ausübung seiner Tätigkeit bei der Beklagten am 18. Dezember 1942 erlittenen Unfall als Beamter nach dem G 131 anzusehen sei.
Diese Klage hat das Bezirksverwaltungsgericht durch Urteil vom 12. November 1958 abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht u. a. ausgeführt: Das Widerrufsbeamtenverhältnis des Klägers sei schon durch den Globalwiderruf nach § 61 G 131 beendet worden. Außerdem sei der Bescheid der Stadtverwaltung vom 23. November 1955 über die Nichtberücksichtigung der Ernennung zum Beamten (§ 7 G 131) rechtskräftig geworden. Dieser Bescheid habe das Beamtenverhältnis des Klägers vom Inkrafttreten des Gesetzes im ganzen zum Erlöschen gebracht, so daß das frühere Arbeitsverhältnis bei der Stadtverwaltung wieder aufgelebt sei. Dieses ursprüngliche Arbeitsverhältnis habe daher noch zur Zeit des fraglichen Unfalls angedauert, so daß der zuständige Versicherungsträger hierfür einzustehen habe. Die Entscheidung, welcher Versicherungsträger zuständig sei, müsse dem SG überlassen werden, auch blieben die Rechte des Klägers nach § 72 G 131 gewahrt. Dieses Urteil ist rechtskräftig geworden.
Das SG hat durch Urteil vom 28. September 1959 die beigeladene BG verurteilt, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen und dem Kläger vom 9. März 1956 an für die Folgen Entschädigung aus der gesetzlichen UV zu gewähren.
Zur Begründung hat das SG u. a. ausgeführt, der Kläger habe den Unfall bei einer betrieblichen Tätigkeit erlitten, der Betriebsteil, in dem der Kläger tätig gewesen sei, sei bei der BG versichert gewesen. Der Umstand, daß der Kläger Widerrufsbeamter war, stehe der Annahme eines Arbeitsunfalles nicht entgegen; denn das Beamtenverhältnis sei schon durch den Globalwiderruf nach § 61 G 131 beendet worden. Auch sei der Bescheid der Stadtverwaltung über die Nichtberücksichtigung der Ernennung (§ 7 G 131) bindend geworden, und durch das rechtskräftige Urteil des Bezirksverwaltungsgerichts sei festgestellt, daß der Kläger wegen seines Anspruchs aus dem Dienstunfall nicht wie ein Beamter nach dem G 131 anzusehen sei. Der Kläger sei also so zu behandeln, als ob er niemals Beamter geworden wäre. Das Arbeitsverhältnis des Klägers als Arbeiter habe demnach zum Unfallzeitpunkt angedauert. Zuständig sei die BG, es sei unerheblich, daß sie für den Kläger seinerzeit keine Beiträge erhalten habe. Der Hinweis der BG auf Nr. 4 der Verwaltungsvorschriften zu G 131 greife nicht durch. Denn durch den Hinweis auf die Verordnung vom 14. März 1951 sei zum Ausdruck gebracht, daß der BAfU die Durchführung der Unfallversicherung nur insoweit obliege, als die unter das Gesetz fallenden Angestellten, Arbeiter und Scheinbeamten bei einem ihrer Rechtsvorgänger versichert waren bzw. versichert gewesen wären, wenn sie nicht als Beamte angesehen worden wären. Durch eine Verwaltungsvorschrift zu einem Gesetz, das etwas ganz anderes als die gesetzliche UV zum Gegenstand habe, könne auch der gesetzlich bestimmte Aufgabenkreis eines Trägers der UV nicht erweitert werden, dazu hätte es einer gesetzlichen Regelung bedurft. Eine solche Regelung enthalte jedoch § 72 G 131 nicht. Dort sei nur bestimmt, daß eine Unfallfürsorge gewährt werden könne, und diese Möglichkeit stehe dem Kläger noch offen. Sie beeinträchtige seinen Rechtsanspruch aus der gesetzlichen UV nicht. Dieser sei auch am 9. März 1956 rechtzeitig angemeldet worden, da er bis zur rechtskräftigen Aberkennung seiner Beamtenrechte durch außerhalb seines Willens liegende Verhältnisse an der Anmeldung gehindert gewesen sei.
Die BG, die den Empfang des Urteils des SG unter dem 3. März 1960 bescheinigt hat, hat gegen das Urteil am 31. März 1960 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz eingelegt.
Das LSG hat durch Urteil vom 15. September 1961 auf die Berufung der BG das Urteil des SG Speyer aufgehoben und die BAfU verurteilt, den Unfall des Klägers als Arbeitsunfall aus der gesetzlichen UV zu entschädigen.
Die Revision ist vom LSG zugelassen worden.
Zur Begründung hat das LSG u. a. ausgeführt: Die Nichtberücksichtigung einer Ernennung nach § 7 G 131 sei lediglich die gesetzliche Fiktion des Nichtgeschehens, in diesem Sinne habe sich auch Anders in der 3. Auflage seines Kommentars ausgesprochen, ebenso das Bundesverwaltungsgericht (Bd. 3 S. 58, 140). § 7 G 131 verhindere die Betroffenen nur, für die Zukunft sich auf unzulässigerweise erworbene Rechtspositionen zu berufen. Deshalb könne kein Versicherungsverhältnis aus der UV unmittelbar aus § 537 Nr. 1 RVO aF hergeleitet werden. Durch das G 131 werde in Fällen wie dem vorliegenden kein Anspruch aus der gesetzlichen UV begründet, insbesondere nicht durch § 72 Abs. 12 (früher Abs. 3) G 131. Das schließe jedoch einen Anspruch aus der gesetzlichen UV nicht aus. Wenn der Gesetzgeber das gewollt hätte, hätte er es ausdrücklich an dieser Stelle tun müssen, zumal da es sich bei den Leistungen aus § 72 Abs. 12 G 131 nur um Kannleistungen handele. Um G 131 richtig auszulegen, müßten die Verwaltungsvorschriften herangezogen werden, welche die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates (Art. 86 GG) erlassen habe. Denn diese Vorschriften erläuterten das Gesetz für die bundeseinheitliche Anwendung durch die Verwaltungsbehörden. Die Verwaltungsvorschrift Nr. 16 zu § 72 Abs. 12 G 131 enthalte entgegen der früheren Fassung in Nr. 4 den Hinweis auf die Verordnung vom 14. März 1951 nicht mehr. Aus ihr ergebe sich, daß sowohl die Bundesregierung als auch der Bundesrat davon ausgehen, daß neben dem Anspruch aus § 72 Abs. 12 G 131 zusätzlich ein Anspruch aus der gesetzlichen UV in Betracht komme. Das stehe nicht im Widerspruch zum Gesetz. Denn die Verwaltungsvorschrift Nr. 16 bringe nichts anderes zum Ausdruck, als was sich bereits aus § 7 G 131 ergebe. § 72 Abs. 12 G 131 befasse sich überhaupt nicht mit den Leistungen aus der gesetzlichen UV. Die Verwaltungsvorschrift Nr. 16 besage, es sei die rechtliche Auswirkung einer nach § 7 G 131 ergangenen Entscheidung, daß der Unfall eines Beamten, der unter § 7 falle, als Arbeitsunfall zu behandeln sei, also kein „Arbeitsunfall ist”. Bundesregierung und Bundesrat hätten auch die Entschädigungslast für Unfälle der von § 7 G 131 betroffenen Beamten der BAfU übertragen können und die Durchführung der UV in die Zuständigkeit des Bundes legen dürfen; denn bei dem in G 131 geregelten Gegenstand handele es sich um eine Angelegenheit des Bundes, so daß auch die Verwaltungsmaßnahmen zur Durchführung des G 131 primär in die Zuständigkeit des Bundes fielen. Der Bund könne mithin die Aufgaben der UV wahrnehmen, ohne daß es hierzu noch einer besonderen Ermächtigung durch Rechtssatz bedurft hätte. Hiernach hätte die BAfU den Unfall zu entschädigen. Sie habe auch dem Grunde nach verurteilt werden können, da nach dem Gutachten des staatlichen Gesundheitsamtes Pirmasens die MdE 1954 noch 30 v.H. betragen habe.
Die BAfU, die den Empfang des Urteils unter dem 24. Oktober 1961 bestätigt hat, hat hiergegen am 23. November 1961 Revision eingelegt mit dem Antrage,
Nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 24. Januar 1962 hat sie die Revision am 6. Januar 1962 begründet.
Sie ist der Auffassung, die Verwaltungsvorschriften seien keine gesetzliche Norm, auf Grund deren die BAfU hätte verpflichtet werden können. Der Kläger sei durch die Möglichkeit, Unfallfürsorge zu beziehen, ausreichend gesichert.
Die BG und der GUV haben sich den Anträgen der BAfU angeschlossen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sämtliche Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit zulässig. Sie hatte auch Erfolg.
Wie das LSG nicht verkannt hat, gehörte der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls vom 18. Dezember 1942 nicht zu dem vom Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung erfaßten Personenkreis, da er infolge seiner Ernennung zum Beamten der Stadt Pirmasens Anspruch auf Unfallfürsorge nach beamten-rechtlichen Vorschriften hatte (§ 541 Nr. 1 RVO in der seit dem 1. Januar 1942 geltenden Fassung nach dem 6. Änderungsgesetz vom 9. März 1942 – RVO aF; vgl. auch § 554 Abs. 1 Nr. 4 und 5 RVO in der bis zum 31. Dezember 1941 geltenden Fassung). Das Recht der gesetzlichen UV enthält keine Vorschrift, die zur Folge gehabt hätte, daß ein nachträglicher Verlust der den Ausschluß von der Unfallversicherung bewirkenden Beamtenrechte bei Vorliegen von Folgen eines Dienstunfalls Ansprüche aus der gesetzlichen UV begründete. Lediglich für die Angehörigen geistlicher Genossenschaften enthielt § 554 Abs. 3 RVO in der bis zum 31. Dezember 1942 geltenden Fassung eine Sondervorschrift, die in § 541 Abs. 2 RVO (in der Fassung des UVNG – RVO nF) mit verändertem Inhalt wieder aufgenommen worden ist. Im übrigen bestand in der Rentenversicherung für den Fall, daß von der Versicherungspflicht ausgenommene Personen (vgl. z. B. §§ 1234, 1235 RVO aF) ihre beamten-rechtlichen Ansprüche verloren, eine Nachversicherungspflicht, (vgl. § 1242 a RVO aF, für die Angestelltenversicherung § 18 AVG aF). Beamte, die infolge eines Dienstunfalls in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert waren oder einer Heilbehandlung bedurften, waren deshalb, wenn sie aus dem Beamtenverhältnis ohne beamten-rechtliche Versorgung ausschieden, auf die beschränkte Unfallfürsorge nach § 121 des deutschen Beamtengesetzes (vom 26. Januar 1937 RGBl. I 31 in der Fassung des Dritten Änderungsgesetzes vom 21. Oktober 1941 RGBl. I 646 – DBG) angewiesen (vgl. aber den Rechtsanspruch auf Unfallfürsorge nach § 120 DBG). Dem entsprach die Regelung in § 143 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) in der Fassung vor dem Dritten Gesetz zur Änderung beamten-rechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 31. August 1965 (BGBl I 1007), und – für das Land Rheinland-Pfalz – in § 153 des Landesbeamtengesetzes Rheinland-Pfalz (vom 11. Juli 1962 GVBl. S. 73), das nach § 1 auch für die Gemeindebeamten gilt.
Im Falle des Klägers sind die Rechtsfolgen, die sich daraus ergeben, daß der Kläger im Jahre 1938 zum Beamten der Stadt Pirmasens ernannt worden, später aber entlassen und nicht wieder eingestellt worden war, durch das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen geregelt. Der Kläger gehört als ehemaliger städtischer Beamter zu dem von Kap. II des G 131 (hier § 63) erfaßten Personenkreis, auf den auch § 7 G 131 entsprechend anzuwenden ist.
Die nach dieser Vorschrift getroffene – bindend gewordene – Entscheidung, daß die erstmalige Ernennung des Klägers zum Beamten „unberücksichtigt bleibt”, hat nicht zur Folge, daß diese Ernennung rückwirkend als nicht geschehen fingiert würde. Wie auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) wiederholt entschieden hat, regelt eine solche Entscheidung nach § 7 G 131 nicht den vom Betroffenen inne gehabten Rechtsstand anderweitig, sondern verhindert lediglich für die Zukunft, daß der Betroffene Rechte, insbesondere die durch das G 131 begründeten Ansprüche, aus einer Ernennung – oder Beförderung – herleiten kann, die unzulässigerweise erfolgt war (BVerwG 3, 88, 90; Sammlung BVerwG 234 Nr. 47 zu § 7 G 131; Brosche Gesetz zu Art. 131 GG 3. Aufl. S. 54 Anm. 7 zu § 7, vgl. auch BVerfG 3, 58, 140, 146). Das G 131 enthält keine Vorschrift, die für die von § 7 G 131 Betroffenen rückwirkend einen unfallversicherungs-rechtlichen Versicherungsschutz für die Folgen von Dienstunfällen und damit Ansprüche gegen einen Versicherungsträger der gesetzlichen UV begründet (vgl. hierzu auch BVerwG, Sammlung BVerwG 234 Nr. 3 zu § 72 G 131). § 72 G 131 regelt in den Absätzen 1 – 11 die Nachversicherung der unter Art. 131 GG fallenden Personen, die nach der im G 131 getroffenen Regelung keinen Anspruch oder keine Anwartschaft auf Alters- und Hinterbliebenenversicherung haben (vgl. hierzu auch BSG 18, 225; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung 6. Aufl., Stand Juni 1965, S. 626 § 14 ff). Im übrigen enthält § 72 Abs. 12 G 131 eine Regelung, die nach Wortlaut und Systematik der Regelung entspricht, die für Beamte unmittelbar durch § 143 BBG in der Fassung vor dem Gesetz vom 31. August 1965 und früher durch § 121 DBG für den Fall getroffen war, daß ein Beamter in einer Art und Weise aus dem Beamtenverhältnis ausschied, die zur Folge hatte, daß er keine beamten-rechtliche Versorgung und deshalb auch keine vollständige beamten-rechtliche Unfallfürsorge erhielt.
Das hat das LSG offenbar auch nicht verkannt. Es geht jedoch von einer unrichtigen Fragestellung aus, indem es darauf abstellt, daß die in § 72 Abs. 12 G 131 getroffene Regelung einen Anspruch aus der gesetzlichen UV nicht ausschließe und der Gesetzgeber einen solchen Ausschluß ausdrücklich hätte aussprechen müssen. Aus dem G 131 ergibt sich kein Anhalt dafür, daß der Gesetzgeber die Rechtsstellung der von § 7 G 131 Betroffenen, bei denen noch Folgen eines Dienstunfalls bestehen, anders und damit günstiger regeln wollte als die Rechtsstellung vergleichbarer anderer Beamter. Die Begründung eines unfallversicherungs-rechtlichen Entschädigungsanspruchs für die noch bestehenden Folgen eines Dienstunfalls hätte, da sie sich, wie dargelegt, nicht in Wege der Auslegung aus § 7 G 131 herleiten läßt, nur im Wege einer ausdrücklichen Entschließung des Gesetzgebers erfolgen können. Eine solche dem Gesetzgeber vorbehaltene Ergänzung des Gesetzes konnte auch nicht durch bloße Verwaltungsvorschriften erfolgen (vgl. z.B. für die Verwaltungsvorschriften zum Bundesversorgungsgesetz BSG 6, 175; 11, 216). Die Nr. 16 der Verwaltungsvorschriften zu den §§ 72, 72b G 131 (in der Fassung vom 5. Januar 1961 Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 9/1961) ist sonach entgegen der Auffassung des LSG nicht geeignet, einen Rechtsanspruch nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung zu begründen. Soweit in dieser Nummer ausgeführt ist, daß die Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung entsprechend auf Unfallverletzte Beamte anzuwenden seien, die einen Anspruch auf Unfallfürsorge nach beamten-rechtlichen Grundsätzen hatten, beruhen die Ausführungen auf der, wie dargelegt, unrichtigen Rechtsauffassung, die Anwendung des § 7 G 131 habe zur Folge, daß bei dem Betroffenen „ein wirksames Beamtenverhältnis nicht begründet worden” sei.
Da hiernach keine Rechtsgrundlage vorhanden ist, auf die ein Anspruch des Klägers auf Entschädigung nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung für die Folgen des Dienstunfalls vom 18. Dezember 1942 gestützt werden könnte, ist die Revision der BAfU begründet. Zugleich ergibt sich hieraus, daß auch kein anderer Versicherungsträger der gesetzlichen UV verpflichtet ist, dem Kläger für die Folgen dieses Unfalls Entschädigung zu gewähren. Infolgedessen waren die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage gegen den ablehnenden Bescheid des GUV vom 25. März 1957 abzuweisen.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens ergeht auf Grund von § 193 SGG.
Unterschriften
Brackmann, Dr. Baresel, Demiani
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 05.07.1966 durch Bohl RegObSekretär Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen