Beteiligte
1) 2); Kläger und Revisionsbeklagte |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Umstritten ist ein Anspruch auf Versicherungsschutz aus der gesetzlichen Krankenversicherung, im besonderen ein Anspruch auf Krankenhauspflege nach § 184 der Reichsversicherungsordnung (RVO).
Der 1956 geborene Kläger zu 2) ist Nigerianer. Er wurde im Biafra-Krieg schwer verletzt. Der Kläger zu 1), der C…-Verband für die Diözese M…, brachte ihn in die Bundesrepublik Deutschland, wo er sich ab September 1969 wegen Sichelzellanämie, Osteomyelitiden und Gelenkfehlstellungen in stationärer Behandlung der Orthopädischen Klinik des St… befand. Auf Veranlassung des Klägers zu 1) wurde er am 1. September 1975 in das J…Heim B… in O… verlegt, um indessen Berufsbildungswerk (BBW) zum Orthopädie-Schuhmacher ausgebildet zu werden. Nach den Eintragungen im Krankenblatt des St… vom Juli 1975 ging es ihm gesundheitlich relativ gut; zwar mußten noch kleine Eiterstippchen wechselnden Ausmaßes und wechselnder Lokalisation im Bereich des linken Kniegelenkes antiseptisch behandelt werden, sie wurden jedoch als unerheblich angesehen. Am 24. September 1975 brach die Sichelzellanämie wieder auf. Der Kläger zu 2) mußte sich deshalb erneut (mindestens bis zum 18. März 1976) stationärer Behandlung unterziehen. Die Ausbildung zum Orthopädie-Schuhmacher konnte er nicht mehr fortsetzen, er wurde später zum Augenoptiker ausgebildet. Am 3. Oktober 1975 hatte ihn das J…Heim bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) B…, einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, mit Wirkung vom 1. September 1975 zur Krankenversicherung angemeldet. Es wies darauf hin, daß zwar zunächst lediglich eine Arbeitserprobung durchgeführt worden sei, jedoch habe auch diese nach dem seit 1. Juli 1975 geltenden Recht Versicherungspflicht begründet.
Die AOK lehnte es ab, aus Anlaß der am 24. September 1975 eingetretenen Erkrankung Leistungen zu gewähren, weil eine Ausbildung zum Orthopädie-Schuhmacher mit Aussicht auf Erfolg nicht möglich gewesen und daher kein Versicherungsverhältnis zustande gekommen sei. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren haben beide Kläger das Sozialgericht (SG) angerufen und beantragt, die Beklagte zur Übernahme der durch die Krankenhausbehandlung entstandenen Kosten zu verurteilen. Das SG hat die Klagen abgewiesen, die Klage des Klägers zu 1) wegen Unzulässigkeit, die des Klägers zu 2) wegen Unbegründetheit. Es hat die Auffassung vertreten, die Entscheidung der AOK verletze keine Rechte des Klägers zu 1). Der Kläger zu 2) habe keinen Anspruch auf Versicherungsschutz erworben. Eine Versicherungspflicht nach dem Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter (SVBehindertenG) komme nicht in Betracht, da das BBW des J…Heims nicht als Behindertenwerkstätte anerkannt sei. Aus § 165 Abs. 1 Nr. 2a Buchst. b RVO lasse sich der streitige Anspruch ebenfalls nicht ableiten, denn nach der Stellungnahme des Medizinaldirektors Dr. W… von der Vertrauensärztlichen Dienststelle M… vom 2. Februar 1978 sei der Kläger zu 2) niemals in der Lage gewesen, als Orthopädie- Schuhmacher zu arbeiten; es habe also ein mißglückter Arbeitsversuch vorgelegen.
Gegen dieses Urteil haben die Kläger Berufung eingelegt und vorgetragen: Die Verwaltungsentscheidung der Krankenkasse beschwere auch den Kläger zu 1), denn es sei damit zu rechnen, daß dieser in Anspruch genommen werde, falls die noch offenstehenden Rechnungen der verschiedenen Krankenhäuser nicht von der Beklagten beglichen würden. Ein mißglückter Arbeitsversuch lasse sich nicht nachweisen. Der Kläger zu 2) habe bis zu seiner Wiedererkrankung, die nicht vorhersehbar gewesen sei, 23 Tage in einem verbindlichen Lehrverhältnis gestanden und die ihm übertragenen Arbeiten verrichtet. Es treffe nicht zu, daß zunächst nur eine Erprobung beabsichtigt gewesen sei. Die Ausbildungsleiter im J…Heim habe den Kläger zu 2) schon vor dem 1. September 1975 kennengelernt und für kräftig genug gehalten.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die angefochtenen Entscheidungen aufgehoben und festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet sei, die Kosten der Krankenhausbehandlung des Klägers zu 2) in der Zeit ab 24. September 1975 zu tragen. Er hatte zuvor eine Auskunft des J…Heims B… eingeholt, wonach in den Fällen, in denen noch kein Ausbildungsplan durch das Arbeitsamt aufgestellt worden sei, die Eignung zunächst in ihrem Berufsbildungswerk erprobt werde; im Falle des Klägers habe sich sehr bald gezeigt, daß die körperliche Belastung doch zu hoch gewesen sei. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt: Das Berufungsbegehren sei dahin zu verstehen, daß über die Abänderung der angefochtenen Entscheidungen hinaus die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Tragung der Krankenhauskosten begehrt werde. Auch der Kläger zu 1) habe ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten. Es genüge, daß seine wirtschaftlichen Interessen berührt würden. Falls nicht die Beklagte zu leisten habe, würde er mit Sicherheit in Anspruch genommen werden, denn der Kläger zu 2) verfüge nicht über die erforderlichen Mittel. Das SG habe zutreffend angenommen, daß sich aus den Vorschriften des SVBehindertenG keine Versicherungspflicht des Klägers zu 2) in der Zeit ab 1. September 1975 und damit auch keine Leistungspflicht der Beklagten herleiten lasse. Das BBW des J…-Heims B… sei nicht als Werkstatt für Behinderte i.S. des § 1 Abs. 2 SVBehindertenG anerkannt, denn es werde im Verzeichnis der vorläufig anerkannten Werkstätten für Behinderte nach § 55 Abs. 1 des Schwerbehindertengesetzes - SchwbG - (ANBA 1978, 327ff.) nicht erwähnt. Entgegen der Auffassung des SG sei der Kläger zu 2) aber versicherungspflichtig nach § 165 Abs. 1 Nr. 2a Buchst. b RVO geworden. Es unterliege keinem Zweifel, daß er als Behinderter vom 1. bis 23. September 1975 an berufsfördernden Maßnahmen einer Einrichtung für Behinderte teilgenommen habe. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag, wie ihn § 4 des Berufsbildungsgesetzes vorsehe, sei zwar nicht abgeschlossen worden. Die Versicherungspflicht abhängig Beschäftigter trete jedoch unabhängig davon ein, ob ein rechtsgültiger Vertrag zustande gekommen sei (BSGE 15, 89, 91; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 9. Aufl., Seite 306h II). Das gelte auch für Lehrlinge bzw. Auszubildende.
Ob eine Absprache des Inhalts vorgelegen habe, daß die ersten Monate als Probezeit anzusehen seien, sei versicherungsrechtlich ohne Bedeutung. Auch während der Zeit der Erprobung bestehe bereits Versicherungspflicht. Hiervon könne in den Fällen des § 165 Abs. 1 Nr. 2a Buchst. b RVO keine Ausnahme gemacht werden. Was für Personen gelte, die in ihrer Erwerbsfähigkeit nicht beeinträchtigt seien, müsse für Behinderte, die einer Berufsförderung bedürften, erst recht zutreffen. Davon abgesehen, diene § 165 Abs. 1 Nr. 2a Buchst. b RVO dem Zweck, sich sonst ergebende Zweifel an der Versicherungspflicht auszuräumen (Begründung zum Regierungsentwurf des SVBehindertenG, BT-Drucks. 7/1992 Seite 10 zu Nr. lE und Seite 11 zu Nr. lc). Die Grundsätze vom mißglückten Arbeitsversuch ließen sich hier nicht anwenden. Ein mißglückter Arbeitsversuch liege nicht schon dann vor, wenn sich der Beschäftigte oder Auszubildende nachträglich als von vornherein ungeeignet erweise. Die Rechtsprechung verlange vielmehr, daß bereits zu Beginn der Beschäftigung bzw. Ausbildung Arbeitsunfähigkeit vorliege. Arbeitsunfähigkeit könne versicherungsrechtlich nur relevant werden, sofern sie auf einer Krankheit beruhe. Unzureichende Körperkräfte oder sonstige Eignungsmängel müßten daher auch in diesem Zusammenhang außer Betracht bleiben. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger zu 2) am 1. September 1975 als Auszubildender für den vorgesehenen Beruf krankheitsbedingt arbeitsunfähig gewesen sei. Die behinderungsbedingten Einschränkungen des Leistungsvermögens dürften nicht mit Arbeitsunfähigkeit gleichgesetzt werden. Da die Behinderung eine der Voraussetzungen darstelle, unter denen Versicherungspflicht nach § 165 Abs. 1 Nr. 2a Buchst. b RVO eintrete, könne sie, für sich allein genommen, nicht gleichzeitig den Ausschluß der Versicherungspflicht zur Folge haben. Die erneute stationäre Behandlung ab 24. September 1975 sei auch nicht wegen der Behinderungsfolgen erforderlich geworden, die schon am Ersten des Monats vorhanden gewesen seien. Sie sei vielmehr durch ein akutes Wiederauftreten der Sichelzellanämie mehr als drei Wochen später hervorgerufen worden.
Mit der gegen das Berufungsurteil eingelegten Revision rügt die Beklagte die Verletzung von mehreren gesetzlichen Vorschriften. Da ihre Leistungsverpflichtung davon abhänge, daß der Kläger zu 2) versichert gewesen sei, diese Frage aber bezüglich der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung nur einheitlich entschieden werden könne, hätten die Träger der Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung nach § 75 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) notwendig beigeladen werden müssen (BSG USK 79219); dies sei jedoch nicht geschehen. Das LSG, habe ferner die §§ 95 und 123 SGG verletzt, denn es hätte das prozessuale Verhalten der Kläger nicht als Feststellungsklage werten dürfen. Wollte man der vom LSG vorgenommenen Auslegung folgen, so bliebe eine Verletzung des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, da die Feststellungsklage gegenüber einer Anfechtungsklage subsidiär sei. Auf dem Umweg über die Feststellung könne nicht der vom SG herangezogene § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG (Klagebefugnis) umgangen werden. Der Kläger zu 1) besitze keine Klagebefugnis, er könne keine Ansprüche aus einem Versicherungsverhältnis gegen die Krankenkasse haben. Im übrigen verletze das LSG § 165 Abs. 1 Nr. 2a Buchst. b, § 183 Abs. 1 und § 184 RVO. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum mißglückten Arbeitsversuch seien auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Es wäre nicht sachgerecht, einen Behinderten auch dann an einer berufsfördernden Maßnahme teilnehmen zu lassen, wenn wegen der Schwere seiner Behinderung objektiv feststehe, daß er zur Teilnahme nicht fähig sei oder nur unter schwerwiegender Gefährdung seiner Gesundheit teilnehmen könne. Ein Versicherungsverhältnis sei auch deshalb noch nicht begründet worden, weil sich der Kläger zu 2) noch in einer Testphase befunden habe. § 165 Abs. 1 Nr. 2a Buchst. b RVO finde aber nur auf Behinderte Anwendung, die bereits an einer berufsfördernden Maßnahme teilnähmen. Solche Behinderte hätten stets eine vom Arbeitsamt veranlaßte ärztliche Untersuchung durchlaufen und eine Testphase absolviert.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. April 1980 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23. Mai 1978 zurückzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Sie erwidern: Das LSG habe festgestellt, daß sich der Kläger zu 2) seit dem 1. September 1975 in Berufsausbildung befunden habe. Das sei eine Tatsachenfeststellung, die für die Revisionsinstanz bindend sei. Die Behauptung, der Kläger zu 2) habe sich in einer "Testphase" befunden, in der noch keine Entscheidung über die Durchführung der berufsfördernden Maßnahme gefallen sei, sei ein Tatsachenvortrag, der nicht zutreffe und der insbesondere in der Revisionsinstanz nicht mehr geltend gemacht werden könne. Zu prüfen sei nur die Frage, ob die Rechtsprechungsgrundsätze zum mißglückten Arbeitsversuch grundsätzlich auch bei rechtsverbindlicher Begründung eines Ausbildungsverhältnisses in Einrichtungen für Behinderte anzuwenden seien.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Streitsache an das Berufungsgericht.
Die verfahrensrechtlichen Rügen der Beklagten greifen allerdings nicht durch. Es ist zunächst nicht zu beanstanden, daß in den Vorinstanzen eine Beiladung der Träger der Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung unterblieben ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Beiladung dieser Versicherungsträger nicht nach § 75 Abs. 2 Alternative 1 SGG notwendig. Die Versicherungspflicht, über die unter Umständen nur einheitlich entschieden werden kann, kommt im vorliegenden Fall lediglich als Vorfrage in Betracht. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung einer bestimmten Versicherungsleistung, nämlich zur Übernahme der Kosten einer Krankenhauspflege. Die Entscheidung darüber regelt ausschließlich Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger zu 2) und der Beklagten, sie greift nicht unmittelbar in die Rechtssphäre der Träger der Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung ein.
Ferner ist auch keine Rechtsverletzung darin zu sehen, daß das Berufungsgericht die Klage als eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gedeutet hat. Dem Wortlaut nach haben die Kläger zwar außer der Aufhebung der angefochtenen Bescheide die Verurteilung der Beklagten zur Übernahme der durch die Krankenhausbehandlung entstandenen Kosten, also zur Gewährung einer Leistung beantragt. Sie haben aber nicht angegeben, an wen geleistet werden soll. Es ist bisher nicht festgestellt, wer die Kosten der abgeschlossenen Krankenhausbehandlung getragen hat. Das Berufungsgericht durfte deshalb in Auslegung des Klageantrags (§ 123 SGG) davon ausgeben, daß es den Klägern in diesem Rechtsstreit lediglich um die Feststellung der Leistungsverpflichtung der Beklagten geht. Die Kläger haben ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung, denn es sind Leistungen (stationäre Behandlungsmaßnahmen) erforderlich geworden, für die die gesetzliche Krankenversicherung vorrangig leistungspflichtig ist. Die begehrte Feststellung der Leistungspflicht ist auch anderweitig versicherungsrechtlich von Bedeutung (z.B. hinsichtlich der Beitragsverpflichtung). Der Feststellungsklage steht nicht entgegen, daß eventuell eine Leistungsklage möglich gewesen wäre. Die Beklagte wird als öffentlich-rechtliche Körperschaft einer Feststellung der Leistungsverpflichtung in gleicher Weise Rechnung tragen wie einer Verurteilung zur Leistung. Die Möglichkeit einer Leistungsklage schließt deshalb in diesem besonderen Fall nicht das Rechtsschutzbedürfnis für eine Feststellungsklage aus (Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 2. Aufl., Rdnr. 19 zu § 55 m.w.N.).
Schließlich kann dem Berufungsgericht noch insoweit gefolgt werden, als es auch die Klagebefugnis des Klägers zu 1) bejaht. Die Feststellungsklage ist zwar unmittelbar nur auf die Klärung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger zu 2) und der Beklagten gerichtet. Das Rechtsverhältnis, dessen Klärung durch eine Feststellungsklage herbeigeführt werden soll (§ 55 SGG), muß aber nicht unbedingt zwischen den Beteiligten bestehen. Auch ein Dritter kann insoweit klagebefugt sein, wenn sein Rechtsbereich vom Bestehen oder Nichtbestehen des umstrittenen Rechtsverhältnisses wenigstens mittelbar berührt wird und er ein berechtigtes Interesse an der Feststellung besitzt (BSGE 15, 118, 126; 18, 190, 193; Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnr. 7 zu § 55; Hennig/Danckwerts/König, SGG, Kommentar, Stand: Juni 1982, Anm. 7 zu § 55; BVerwGE 39, 247, 249; 50, 60, 62; Kopp, VwGO mit Erläuterungen, 5. Aufl., Rdnr. 16 zu § 43; BGH vom 26. Oktober 1978 - II ZR 77/78 - NJW 1979, 871f.; Schumann/Leipold in Stein/Jonas, Kommentar zur ZPO, 19. Aufl., Anm. II.3. zu § 256). In Anbetracht der besonderen rechtlichen Verpflichtung, die der Aufenthalt des Klägers zu 2) in der Bundesrepublik Deutschland für den Kläger zu 1) mit sich bringt, kann die Klagebefugnis für die von diesem erhobene Feststellungsklage nicht verneint werden. Er hat den im Biafra-Krieg schwerverletzten Kläger zu 2) in die Bundesrepublik Deutschland gebracht und damit nicht nur diesem, sondern allen zur Krankenbehandlung und Rehabilitation in Anspruch genommenen Einrichtungen gegenüber die Verpflichtung übernommen, für die auf andere Weise nicht gedeckten Kosten der Behandlung letztlich einzustehen. Durch die Klärung des umstrittenen Rechtsverhältnisses zwischen dem Kläger zu 2) und der Beklagten werden deshalb nicht nur die Rechtsbeziehungen zwischen diesen beiden Beteiligten betroffen, sondern mittelbar auch die Rechtsbeziehungen des Klägers zu 1) und der Beklagten einerseits zu den in Anspruch genommenen Einrichtungen andererseits. Soweit die Beklagte die Kostenforderungen dieser Einrichtungen nicht zu erfüllen hat, haftet vor allem der Kläger zu 1) aufgrund der im Rahmen seines karitativen Einsatzes übernommenen Verpflichtung.
Die Beklagte rügt allerdings zu Recht eine Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann aufgrund des bisher festgestellten Sachverhalts nicht ausgeschlossen werden, daß nach den Rechtsgrundsätzen zum mißglückten Arbeitsversuch ein Versicherungsverhältnis nicht wirksam geworden ist.
Der Kläger zu 2) wurde am 1. September 1975 im BBW des J… Heims B… aufgenommen, um zum Orthopädie-Schuhmacher ausgebildet zu werden. Bei dieser Ausbildung handelt es sich um eine berufsfördernde Maßnahme, die in der Regel nach § 165 Abs. 1 Nr. 2a Buchst. b RVO Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung begründet. Der Kläger zu 2) konnte, wenn überhaupt, nur nach dieser Vorschrift den Versicherungsschutz der gesetzlichen Krankenversicherung erwerben. Die bei der Berufsförderung von Behinderten sonst noch in Betracht kommenden Möglichkeiten waren von vornherein nicht gegeben, § 165 Abs. 1 Nr. 4 RVO deshalb nicht, weil der Kläger zu 2) kein Übergangsgeld erhielt, §§ 1 und 2 SVBehindertenG nicht, weil er nicht in einer anerkannten Werkstatt oder in einer Einrichtung i.S. dieser Vorschrift beschäftigt war. Eine Versicherung nach § 165 Abs. 1 Nr. 2a Buchst. b RVO wäre nicht schon dann ausgeschlossen, wenn sich der Kläger zu 2), wie die Beklagte geltend macht, bis zum krankheitsbedingten Abbruch der Ausbildung am 24. September 1975 noch in einer Testphase befunden hätte. Das Gesetz enthält keine dahingehende Einschränkung, daß bei Teilnahme an einer in einem BBW durchgeführten berufsfördernden Maßnahme das Versicherungsverhältnis erst nach einer Testphase beginnt. Sollte jedoch, wie die Beklagte behauptet, vor Beginn der Ausbildung die gesundheitliche Eignung des Klägers zu 2) nicht festgestellt worden sein, so wird dieser Umstand gegebenenfalls bei der Prüfung zu berücksichtigen sein, ob eventuell nach den Rechtsgrundsätzen zum mißglückten Arbeitsversuch ein Versicherungsverhältnis nicht zustande gekommen ist.
Die den Versicherungsschutz begründende Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger beginnt, von hier nicht interessierenden Sonderfällen abgesehen, grundsätzlich mit dem Tage des Eintritts in die versicherungspflichtige Beschäftigung (§§ 206, 306 Abs. 1 RVO). Eine Mitgliedschaft kommt ausnahmsweise nur dann nicht zustande, wenn es sich bei der aufgenommenen Beschäftigung um einen mißglückten Arbeitsversuch gehandelt hat. Ein mißglückter Arbeitsversuch liegt vor, wenn objektiv feststeht, daß der Beschäftigte bei Aufnahme der Arbeit zu ihrer Verrichtung nicht fähig war oder die Arbeit nur unter schwerwiegender Gefährdung seiner Gesundheit - etwa unter der Gefahr einer weiteren Verschlimmerung seines Leidens - würde verrichten können, und wenn er die Arbeit entsprechend der darauf zu gründenden Erwartung vor Ablauf einer wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Zeit aufgegeben hat. Von einem mißglückten Arbeitsversuch kann jedoch dann nicht mehr gesprochen werden, wenn der Beschäftigte tatsächlich brauchbare Arbeit über einen wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Zeitraum geleistet hat und deshalb nach den Umständen des Falles darauf vertrauen durfte, durch seine Beschäftigung einen Versicherungsschutz erworben zu haben (BSG SozR 2200 § 165 RVO Nr. 33 m.w.N.). Diese von der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes (RVA) und des Bundessozialgerichts (BSG) entwickelten Grundsätze ergeben sich aus der gesetzlichen Ausgestaltung der sozialen Krankenversicherung. Arbeitnehmer und die ihnen gleichgestellten Personen bilden eine Versichertengemeinschaft, die einen umfassenden aktuellen Versicherungsschutz ihrer Mitglieder gewährleistet, in der Regel auch unter Einbeziehung bereits bestehender Erkrankungen. Dieses am Solidaritäts- und Versicherungsprinzip orientierte Leistungssystem kann jedoch nicht darauf verzichten, daß jedes Mitglied zunächst auch als Beitragszahler in Betracht kommt es kann also niemand Mitglied der Versichertengemeinschaft werden, der von vornherein als Beitragszahler ausscheidet (BSG SozR Nr. 63 zu § 165 RVO). Eine solche Person kann sich auch nicht durch eine kurzfristige Beschäftigung, zu deren Verrichtung sie von Anfang an aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, Zugang zur Versichertengemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung verschaffen. Ein Versicherungsschutz kann in diesem Falle jedoch dann nicht versagt werden, wenn das aus Gründen des Vertrauensschutzes geboten ist.
Diese Grundsätze sind auch auf Personen entsprechend anzuwenden,
-15-
die in Einrichtungen für Behinderte an einer berufsfördernden Maßnahme teilnehmen. Da die (Schwer-) Behinderten nicht allgemein, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen werden, können die Erwägungen zum mißglückten Arbeitsversuch (Versicherungsprinzip, Mißbrauchsabwehr - Vertrauensschutz) auch hier von Bedeutung sein. Es geht dabei nicht um die grundsätzliche Verpflichtung des Staates, für eine ausreichende medizinische Versorgung der in seinem Gebiet lebenden hilfsbedürftigen Behinderten zu sorgen, sondern darum, wer die damit verbundenen Lasten zu tragen hat, die Versichertengemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung oder die Allgemeinheit (§§ 37, 39f. des Bundesozialhilfegesetzes; vgl. hierzu die Vorlage des SG Duisburg an das Bundesverfassungsgericht zur verfassungsrechtlichen Prüfung, ob § 176c RVO mit dem Grundgesetz vereinbar ist - BVerfG 1 BvL 3/81 -). Ist, wie im vorliegenden Fall, eine berufsfördernde Maßnahme Voraussetzung der Versicherung, kann diese Voraussetzung nur als erfüllt angesehen werden, wenn der Behinderte gesundheitlich überhaupt in der Lage ist, die Ausbildung aufzunehmen. Der kurzfristige Aufenthalt in einem BBW allein reicht schon nach dem Wortlaut des § 165 Abs. 1 Nr. 2a Buchst. b RVO nicht aus, der Behinderte muß vielmehr an der berufsfördernden Maßnahme teilnehmen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt eine entsprechende Anwendung der Grundsätze zum mißglückten Arbeitsversuch auch dann in Betracht, wenn die Behinderung selbst die Teilnahme an der berufsfördernden Maßnahme unmöglich macht. Allerdings ist dem Umstand Rechnung zu tragen, daß der Behinderte durch berufsfördernde Maßnahmen erst befähigt werden soll, eine seinem Gesundheitszustand entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben. Die Erfolgsaussichten einer berufsfördernden Maßnahme, insbesondere auch die gesundheitliche Eignung des Behinderten, wird sich nicht stets bereits vor Beginn der Maßnahme hinreichend sicher feststellen lassen. Zu den berufsfördernden Leistungen der Rehabilitation zählen auch Maßnahmen der Berufsfindung und Arbeitserprobung, der Berufsvorbereitung einschließlich eines zur Teilnahme an diesen Maßnahmen erforderlichen schulischen Abschlusses (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 Rehabilitations-Angleichungsgesetz -RehaAnglG-). An die gesundheitliche Eignung des Behinderten für die ausgewählte berufsfördernde Maßnahme wird man daher keine zu strengen Anforderungen stellen dürfen. Der aus gesundheitlichen Gründen erfolgte Abbruch einer berufsfördernden Maßnahme kurze Zeit nach ihrem Beginn schließt deshalb den Versicherungsschutz nur dann aus, wenn die Nichteignung von Anfang an feststellbar gewesen wäre. In Zweifelsfällen wird eine gründliche ärztliche Untersuchung vor Beginn der Maßnahme unerläßlich sein. Ist eine Prüfung der gesundheitlichen Eignung unterblieben, so wird dies vor allem für die Frage von Bedeutung sein, ob ein Vertrauen auf einen erworbenen Versicherungsschutz gerechtfertigt war.
Im vorliegenden Fall reichen die Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts nicht aus, um eine abschließende Entscheidung treffen zu können. Insbesondere steht nicht fest, ob der Kläger zu 2) bei Aufnahme der Ausbildung zum Orthopädie-Schuhmacher die gesundheitliche Eignung für diese Ausbildung besaß. Das akute Wiederauftreten der Sichelzellanämie am 24. September 1975, das den sofortigen Abbruch der Ausbildungsmaßnahme und die erneute stationäre Behandlung erforderlich machte, läßt nicht den Schluß zu, die gesundheitliche Eignung des Klägers zu 2) habe bei Aufnahme der Ausbildung noch vorgelegen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Verschlechterung in den gesundheitlichen Verhältnissen gerade deshalb eingetreten ist, weil die körperliche Belastung der Ausbildung zu groß gewesen ist (s. Auskunft des BBW an das Berufungsgericht vom 18. Oktober 1975). Für eine fehlende gesundheitliche Eignung spricht, daß der Kläger zu 2) später einen anderen, körperlich nicht so belastenden Beruf erlernt hat. Für die Frage, ob der Kläger zu 2) darauf vertrauen durfte, einen Versicherungsschutz erworben zu haben, kann auch von Bedeutung sein, daß er zunächst nur "zur gezielten Erprobung" eingesetzt und dem BBW seine Krankheit bei Aufnahme verschwiegen worden sein soll (s. Auskunft des BBW vom 18. Oktober 1975).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung des Berufungsgerichts vorbehalten.
Fundstellen