Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Der im April 1987 geborene Kläger leidet an Mukoviszidose; er begehrt Pflegegeld.
Den entsprechenden Antrag vom April 1995 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. September 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 1996 ab.
Im Widerspruchsverfahren hat der Kläger u.a. eine Aufstellung vorgelegt, wonach Pflegeleistungen von ca drei Stunden/Tag für Hilfen zum Atmen und zur Reinigung der Lunge (Hilfe und Überwachung bei der autogenen Drainage, bei Inhalationen, bei Gymnastik sowie bei ca. dreimal im Monat wiederkehrenden nächtlichen Störungen wegen Husten) notwendig seien, ca. 60 Minuten/Tag an Hilfen im Bereich der Ernährung (mundgerechtes Zubereiten der Nahrung, Überwachung der Nahrungsaufnahme, Überwachung der Medikamentenaufnahme) sowie ca. 30 Minuten/Tag im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung (Bereiten von Zwischenmahlzeiten, Bereiten und Überwachung der Einnahme hochkalorischer Nahrung).
Die Klage, mit der sich der Kläger u.a. auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. April 1996 - 3 RK 28/95 (= SozR 3-2500 § 53 Nr. 10 - Schwerpflegebedürftigkeit i.S. des § 53 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - [SGB V] a.F. bei Mukoviszidose) stützte, hat das Sozialgericht (SG) Hannover mit Urteil vom 12. Februar 1997 abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen mit Urteil vom 26. August 1997 zurückgewiesen. Es hat in der mündlichen Verhandlung den Kinderarzt Prof. Dr. J. gehört, der eine Hilfebedürftigkeit für die Verrichtungen des § 14 Abs. 4 Sozialgesetzbuch - Elftes Buch - (SGB XI) in folgender Weise bejaht hat: Körperpflege: das Reinigen des an den Mund anschließenden Atemwegstraktes von Schleimabsonderungen (sofern zur "Zahnpflege" gehörig), Kontrolle des Stuhlgangs und des Darmausgangs ("Darm- oder Blasenentleerung");
Ernährung: Zubereitung und Darreichung besonders kalorienreicher Nahrung ("mundgerechte Zubereitung");
Mobilität: möglicherweise Hilfe beim Tragen einer schweren Schultasche ("Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung");
Hauswirtschaftliche Versorgung: Herstellung besonders kalorienreicher Nahrung ("Kochen"); besondere Reinigung und Keimfreihaltung des Inhalationsgerätes ("Reinigen der Wohnung"); häufiger Wäschewechsel wegen starker Salzausscheidungen ("Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung").
Das LSG führt zur Begründung seines Urteils aus, ein Hilfebedarf des Klägers im Bereich der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität bestehe im wesentlichen nicht. Die vom Sachverständigen für nötig gehaltene Reinigung des Atemwegstraktes sowie die Kontrolle des Stuhlgangs und des Darmausganges zählten nicht zu den Verrichtungen der "Zahnpflege" bzw. der "Darm- oder Blasenentleerung". Ebensowenig zum Bereich der Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI gehöre die Zubereitung und Verabreichung besonders kalorienreicher Kost. Maßnahmen der sogenannten einfachen Behandlungspflege (Verabreichung der Medikamente sowie die therapeutischen und rehabilitativen Maßnahmen, wie Inhalieren, Abklopfen, Gymnastik) könnten bei der Feststellung des Pflegebedarfs im Bereich der Grundpflege oder der hauswirtschaftlichen Versorgung nur berücksichtigt werden, wenn sie im zeitlichen Zusammenhang mit der Wahrnehmung entsprechender Verrichtungen erbracht würden, um diese unmittelbar ausführen zu können. Diese Voraussetzungen würden im Falle des Klägers jedoch nicht erfüllt. Darüber hinaus könnten Maßnahmen der einfachen Behandlungspflege nicht berücksichtigt werden. Nur ein bestimmter vitaler Lebensbereich von Grundbedürfnissen des Alltags solle durch die Pflegeversicherung abgedeckt werden. Diese Entscheidung des Gesetzgebers begegne auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Hiergegen wendet sich die Revision des Klägers. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts. Er sei zumindest erheblich pflegebedürftig, so daß ihm wenigstens Pflegegeld der Stufe I in Höhe von DM 400,00/Monat zu gewähren sei. Den in seinem Fall erforderlichen Pflegeaufwand, entsprechend dem Vortrag im Widerspruchsverfahren, beziffert er mit 255 Minuten/Tag. Die zu gewährende Hilfe bestehe überwiegend in den lebensnotwendigen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Atmungsfunktion und zur Reinigung der Lunge. Diese Hilfe sei bei der Bemessung des Hilfebedarfs nach § 14 Abs. 4 SGB XI zu berücksichtigen. Der in dieser Vorschrift enthaltene Katalog sei nicht abschließend zu verstehen. Er umfasse Verrichtungen, die von nicht pflegebedürftigen Personen selbstverständlich ohne Nachzudenken selbständig vorgenommen werden könnten. Hierzu zähle auch die Hilfe beim Atmen, die hier nicht in der Übernahme der Funktion selber bestehe, sondern in ihrer Unterstützung (Schleimverbesserung, -transport und -expektoration). Das "Atmenkönnen" sei zentrale Voraussetzung dafür, daß die anderen Verrichtungen überhaupt geleistet werden könnten; deshalb müsse die für die "Ermöglichung des Atmenkönnens" aufzuwendende Zeit zu den übrigen Pflegezeiten addiert werden (Hinweis auf BSG vom 17. April 1996 - 3 RK 28/95 zu § 53 SGB V aF). Er, der Kläger, müsse unmittelbar nach dem Aufstehen inhalieren, dem folge die Lymphdrainage und das Abhusten. Er bedürfe fremder Unterstützung zur Vorbereitung des Inhaliergerätes und dessen anschließender Reinigung, zur Lymphdrainage und Ausführung der verschiedenen Abhusttechniken. Ohne diese Maßnahmen könne er sich kaum eigenständig waschen, anziehen oder frühstücken und die Schule erreichen. Aufgrund seiner Erkrankung müsse er ferner ständig zur Essensaufnahme angehalten und diese überwacht werden; auch die Gabe von Medikamenten und die gymnastischen Maßnahmen seien bei der Bestimmung des Hilfebedarfs im Rahmen der Grundpflege zu berücksichtigen.
Der Kläger beantragt:die angefochtenen Urteile und Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Pflegegeld in Höhe von wenigstens DM 400,00 monatlich ab dem 1. April 1995 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt:die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist in dem Sinne begründet, daß der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen war. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger einen Anspruch auf Pflegegeld aus der gesetzlichen Pflegeversicherung hat.
Nach § 14 Abs. 1 SGB XI sind pflegebedürftig i.S. des SGB XI solche Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer zumindest in erheblichem Maße der Hilfe bedürfen. Zu berücksichtigen ist hierbei ausschließlich der Umfang des Pflegebedarfs bei jenen gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen, die Abs. 4 der Vorschrift innerhalb der Bereiche Körperpflege, Ernährung, Mobilität sowie hauswirtschaftliche Versorgung aufzählt. Die Einordnung in die - niedrigste - Pflegestufe I (erheblich pflegebedürftig) als Voraussetzung für einen Anspruch auf ein entsprechendes Pflegegeld (§ 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB XI) setzt nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI voraus, daß der Betroffene bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen - aus einem oder mehreren Bereichen - mindestens einmal täglich der Hilfe bedarf; zusätzlich muß er mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Hieraus folgt, daß ein Hilfebedarf allein im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung einen Anspruch auf Pflegegeld nicht auslöst. Dies gilt auch für Pflegebedürftige im Kindesalter (s hierzu insgesamt BSG, 3. Senat vom 19. Februar 1998 - B 3 P 3/97 R; zur Veröffentlichung in BSGE und SozR bestimmt).
Den erforderlichen zeitlichen Umfang hat das SGB XI in seiner ursprünglichen Fassung nicht selbst näher bestimmt. § 15 Abs. 3 SGB XI ermächtigte seinerzeit lediglich die Spitzenverbände der Pflegekassen bzw. das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, den in den einzelnen Pflegestufen jeweils mindestens erforderlichen zeitlichen Pflegeaufwand in den Richtlinien nach § 17 SGB XI bzw. in der Verordnung nach § 16 SGB XI zu regeln. Die Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen über die Abgrenzung der Merkmale der Pflegebedürftigkeit und der Pflegestufen sowie zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit (Pflegebedürftigkeits-Richtlinien [PflRi] vom 7. November 1994, abgedruckt z.B. in DOK 1995, 53, geändert durch Beschluß vom 21. Dezember 1995, Neufassung abgedruckt z.B. in DOK 1996, 435) enthielten (in beiden Fassungen) unter Nr. 4.1.1 bezüglich des Mindestzeitaufwands bei der Pflegestufe I die Voraussetzung, der wöchentliche Zeitaufwand, den eine nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für Grundpflege, hauswirtschaftliche Versorgung und pflegeunterstützende Maßnahmen benötige, müsse im Tagesdurchschnitt mindestens eineinhalb Stunden betragen, wobei der pflegerische Aufwand gegenüber dem hauswirtschaftlichen Aufwand im Vordergrund stehen müsse. Die in § 16 SGB XI vorgesehene Verordnung ist nicht erlassen worden.
Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI i.d.F. des 1. SGB XI-Änderungsgesetzes ([1. SGB XI-ÄndG] vom 14. Juni 1996, BGBl. I S. 830, in Kraft seit 25. Juni 1996 [Art 8 Abs. 1 1. SGB XI-ÄndG]) setzt die Zuordnung eines Pflegebedürftigen zur Pflegestufe I im Einklang mit der o.a. Regelung der PflRi voraus, daß der Zeitaufwand, den eine nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, "wöchentlich im Tagesdurchschnitt" (gemeint ist: täglich im Wochendurchschnitt) 90 Minuten beträgt, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen. Ob § 15 Abs. 3 SGB XI in seiner ursprünglichen Fassung verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprach, kann offenbleiben. Der Gesetzgeber hat jedenfalls ein etwaiges Regelungsdefizit durch die Neufassung des § 15 Abs. 3 SGB XI auch für die zurückliegende Zeit ausgefüllt, weil diese Regelung deutlich macht, daß die damit - jedenfalls für die Pflegestufe I übereinstimmenden - Regelungen des Mindestzeitbedarfs in den PflRi ebenfalls von seinem Willen getragen waren (vgl. Urteil des 3. Senats des BSG vom 19. Februar 1998 - B 3 P 7/97 R, Umdruck S. 3 f.; zur Veröffentlichung in SozR bestimmt).
Die genannten Bestimmungen sind einer erweiternden Auslegung in dem durch die Revision vertretenen Sinne nicht zugänglich. Nachvollziehbar ist zwar die (unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 17. April 1996, SozR 3-2500 § 53 Nr. 10 zu den Voraussetzungen der früheren Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit i.S. der früheren §§ 53 ff. SGB V aF) vorgetragene Sicht des Klägers, die Fähigkeit zu atmen sei zentrale Voraussetzung dafür, daß die anderen Verrichtungen überhaupt geleistet werden könnten. Der erkennende Senat vermag sich jedoch nicht der vom Kläger hieraus gezogenen Folgerung anzuschließen, daß aus diesem Grunde diejenige Zeit, die insgesamt aufgewendet werden muß, um die Fähigkeit zu atmen herzustellen und zu erhalten, zu den übrigen Pflegezeiten addiert werden müsse. Dem steht der abschließend formulierte und - wie die Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergibt - abschließend verstandene Katalog (s hierzu im einzelnen Wilde/Pilz, SGb 1997, 409 ff.) der für die Einstufung maßgebenden Kriterien entgegen. Letztlich ist jeglicher krankheitsbedingte Pflegeaufwand Voraussetzung für ein möglichst beschwerdefreies und selbständiges Leben; dazu gehört u.a. die eigenständige Bewältigung der Verrichtungen des § 14 Abs. 4 SGB XI. Deshalb kann krankheitsbedingter Pflegeaufwand, selbst wenn er medizinisch notwendig ist, nicht stets bei der Bemessung des Pflegebedarfs zu berücksichtigen sein. Die Pflegeversicherung bewirkt - entgegen mancher Erwartungen der Betroffenen - keine vollständige Absicherung des Pflegerisikos. Sie beschränkt sich bewußt darauf, nur Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens (§ 14 Abs. 1 SGB XI) in ihren Schutzbereich einzubeziehen. Sie orientiert sich am Lebensrhythmus eines Gesunden und berücksichtigt Verrichtungen, die nur wegen einer Krankheit oder Behinderung zusätzlich erforderlich werden, für sich genommen nicht. Die in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgeführten einzelnen Verrichtungen (zB Duschen/An- und Auskleiden) umgrenzen den berücksichtigungsfähigen Kreis der Verrichtungen abschließend; auch innerhalb der vier Bereiche jener Vorschrift (zB Körperpflege oder Mobilität) dürfen nicht weitere gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen einbezogen werden. Bei einem Hilfebedarf für andere als die in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen können allenfalls Ansprüche nach § 68 Abs. 1 Satz 2, § 69b Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bestehen. Der erkennende Senat stimmt mit dem 3. Senat des BSG (zB Urteil vom 19. Februar 1998 - B 3 P 3/97 R, Umdruck S. 10 f.) darin überein, daß die so verstandenen Regelungen verfassungsmäßig sind.
Krankheitsspezifische Maßnahmen sind jedoch auch auf dieser Grundlage nicht von vornherein mit der Begründung aus dem berücksichtigungsfähigen Pflegebedarf auszuschließen, daß es sich um Behandlungspflege handele, die der Krankenversicherung zuzuordnen sei. Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen zählen nach Auffassung des Senats (in Fortführung des Urteils des 3. Senats des BSG vom 19. Februar 1998 - B 3 P 3/97 R, siehe auch Leitsatz 2), insbesondere wenn sie zur Aufrechterhalten von Grundfunktionen erforderlich sind, zur Grundpflege, soweit sie Bestandteil der Hilfe für die sogenannten Katalog-Verrichtungen sind oder im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dieser Hilfe erforderlich werden. § 14 SGB XI stellt bei der Beschreibung der Voraussetzungen für die Annahme von Pflegebedürftigkeit nur darauf ab, ob bei den in Absatz 4 dieser Vorschrift aufgeführten Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens überhaupt Hilfebedarf besteht, ohne nach dessen Ursache, nach der Art der benötigten Hilfeleistungen und deren finaler Ausrichtung zu differenzieren. Das Gesetz setzt gerade voraus, daß der Hilfebedarf krankheits- oder behinderungsbedingt ist (vgl. hierzu BSG, 3. Senat a.a.O. mit eingehender Begründung). Soweit § 14 Abs. 4 SGB XI die in dessen Absatz 1 bezeichneten Verrichtungen im einzelnen benennt, ist jeweils auf die einzelne Verrichtung bezogen in lebensnaher Betrachtungsweise zu prüfen, welche Tätigkeiten oder Abfolgen von Tätigkeiten hiermit umschrieben werden. Daraus erschließt sich die volle Bedeutung der in § 14 Abs. 4 SGB XI verwendeten Begriffe; erst damit wird es möglich, den Umfang des berücksichtigungsfähigen Pflegebedarfs zutreffend festzulegen.
Setzt man all dies voraus, kann nicht abschließend entschieden werden, ob dem Kläger Pflegegeld zusteht. Die tatsächlichen Feststellungen des LSG lassen nicht die Entscheidung zu, ob der Hilfebedarf des Klägers die Untergrenze des § 15 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 und § 14 Abs. 4 SGB XI überschreitet.
Im Bereich der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI) ist auf der Grundlage der Feststellungen des LSG fraglich, ob der Kläger von den in der Vorschrift aufgeführten Verrichtungen (Waschen, Duschen, Baden, Zahnpflege, Kämmen, Rasieren, Darm- oder Blasenentleerung) die Darmentleerung selbständig bewältigen kann.
Das LSG hat die von ihm angeführten - vom Kläger jedoch nicht als Hilfebedarf geltend gemachten - Kontrollen des bereits entleerten Stuhles auf seine Konsistenz und des Darmausganges zur Feststellung eines eventuell bestehenden Darmvorfalles nicht als Hilfe bei der Darmentleerung gewertet, da beim Entleerungsvorgang selbst Hilfe nicht erforderlich sei. Es hat jedoch ungeprüft gelassen, ob es sich hier nicht um eine jener krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen handelt, die im og Sinne Bestandteil der Hilfe für die sogenannten Katalog-Verrichtungen sind oder im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dieser Hilfe erforderlich werden. Bestandteil der Hilfe für die Stuhlentleerung kann jedoch die Sichtkontrolle der Konsistenz des Stuhles sein; diese wird - und sei es unwillkürlich - auch von Gesunden im unmittelbaren Zusammenhang mit der Stuhlentleerung durchgeführt. Ist der Kläger (noch) nicht in der Lage, diese - in bezug auf sein Krankheitsbild sachgerecht - selbständig durchzuführen, hat eine Pflegeperson insoweit die Verrichtung "Stuhlentleerung" i.S. des § 14 Abs. 3 SGB XI teilweise zu übernehmen. Nichts anderes gilt für die Kontrolle des Darmausgangs, die normalerweise - unbewußt - beim Reinigen des Afters vorgenommen wird. Wenn hierbei ein Darmvorfall festgestellt werden kann, der Kläger dies jedoch (noch) nicht selbständig zu leisten vermag, stellt auch die entsprechende Kontrolle durch eine Hilfsperson eine Hilfeleistung im Rahmen des § 14 Abs. 4 SGB XI dar (so im Ergebnis auch Wilde in: Hauck/Wilde, SGB XI, K § 14 Rdnr. 34a unter 7 - Stand: 1997 -).
Im Bereich der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI - mundgerechtes Zubereiten und Aufnahme der Nahrung) macht die Revision einen Hilfebedarf von insgesamt 40 Minuten/Tag geltend. Der Kläger trägt insoweit vor, daß aus dem chronischen Lungenleiden eine ständige Appetitlosigkeit folge, gleichwohl müsse eine 150 bis 170%ige Nahrungsmittelzufuhr gewährleistet sein. Deshalb müsse er ständig zur Essensaufnahme angehalten und diese auch überwacht werden.
Insoweit fehlen nähere Feststellungen des LSG, da dieses die entsprechenden Hilfestellungen von vornherein für Maßnahmen der hauswirtschaftlichen Versorgung bzw. einfachen Behandlungspflege hält, die im Bereich der Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI nicht berücksichtigungsfähig seien. Dem kann in dieser Form jedoch nicht zugestimmt werden. Muß ein für die Auswirkungen einer falschen Ernährung noch nicht einsichtsfähiges Kind krankheitsbedingt zum Essen angehalten werden, etwa weil es aus Gesundheitsgründen notwendig ist, Widerwillen erregende Speisen oder Speisen in großen Mengen - über den Appetit hinaus - einzunehmen, sind die hierdurch erforderlichen Maßnahmen der Pflegeperson als Unterstützung (§ 14 Abs. 3 SGB XI) der Aufnahme der Nahrung zu werten. Dies gilt nicht nur dann, wenn es ins einzelne gehender Aufforderungen bedarf, die Nahrung zum Munde zu führen, zu kauen und zu schlucken; es reicht das - unter Umständen durchaus zeitaufwendige - Anhalten zum Essen, um einen entsprechenden Widerstand des Kindes zu überwinden. Ein rein passives Bereithalten von Nahrung kann hierzu jedoch nicht gezählt werden. Für die vom Kläger auch zum Hilfebedarf im Bereich der Ernährung gerechnete Überwachung der Medikamentenaufnahme ist hingegen nach dem Streitstand nicht ersichtlich, inwieweit diese einer Katalogverrichtung zugeordnet werden könnte.
Der nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI erforderliche Pflegeaufwand von 90 Minuten/Tag kann ferner unter Berücksichtigung erforderlicher Hilfen im Bereich der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI - selbständiges Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung) erreicht werden. Beim Kläger kommt eine Hilfe beim Aufstehen in Betracht. Er trägt u.a. vor, er müsse unmittelbar nach dem Aufstehen inhalieren, dem folge die Lymphdrainage und dann das Abhusten. Hilfe bedürfe er insoweit zur Vorbereitung des Inhaliergerätes, zur abschließenden Reinigung, zur Lymphdrainage und zur Durchführung der verschiedenen Abhusttechniken.
Auch hierzu fehlen Feststellungen des LSG. Dieses hat jene Maßnahmen nicht für berücksichtigungsfähig gehalten, da sie nicht unmittelbar der Wahrnehmung einer der in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen des täglichen Lebens dienten. Auch dem kann nicht voll zugestimmt werden. Wie bereits erwähnt, sind bei der Bemessung des Pflegebedarfs nach den §§ 14, 15 SGB XI krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, insbesondere wenn sie zur Aufrechterhaltung von Grundfunktionen erforderlich sind, zur Grundpflege zu zählen, soweit sie Bestandteil der Hilfe für die sogenannten Katalog-Verrichtungen sind oder im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dieser Hilfe erforderlich werden. Die Tätigkeiten, die im einzelnen vom "Aufstehen" umfaßt werden, erschließen sich aus einer Auslegung jenes Begriffes unter Berücksichtigung des mit ihm zusammen als Verrichtung des Bereichs Mobilität aufgeführten "Zu-Bett-Gehens". Im Gegensatz zu dem bloßen Bewegungsablauf des Hinlegens (oder Ins-Bett-Legens), umfaßt das Zu-Bett-Gehen weitere Vorbereitungen der Nachtruhe, etwa das Aufdecken des Bettes und das Löschen des Lichts, ebenso jedoch auch die eventuell erforderliche Fixierung eines unruhigen Patienten. Damit aber gehören zum Aufstehen auch solche Tätigkeiten, mit denen Folgen der Nachtruhe beseitigt werden, um zum Tagesablauf übergehen zu können.
Als Bestandteil der Hilfe für das Aufstehen zählt der Senat dementsprechend auch die Hilfe bei solchen Verrichtungen, die - unmittelbar - nach einem selbständig durchgeführten Verlassen des Bettes dazu dienen, daß - mukoviszidosespezifische - Beeinträchtigungen gerade infolge der Nachtruhe (zB Schleimansammlungen in den Körperorganen) beseitigt werden, und die aus medizinischen Gründen nicht auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden können. In diesem Sinne sieht sich der Senat im Einklang mit der Erläuterung unter Nr. 3.5.1 der PflRi, wonach z.B. das Abklopfen bei Mukoviszidose-Kindern als Unterstützung einer pflegerelevanten Verrichtung des täglichen Lebens (hier: Aufstehen) bei der Feststellung des Pflegebedarfs berücksichtigt werden kann (zur Bindung der Gerichte an die PflRi im einzelnen Udsching in: Festschrift für Krasney, 1997, S. 677, 683 ff.). Als Bestandteil der Hilfe beim so verstandenen "Aufstehen" kann eine Maßnahme jedoch nicht bereits deswegen gewertet werden, weil die Pflegeleistung "aus Anlaß" dieser - ansonsten selbständig ausgeführten - Katalog-Verrichtung erbracht wird. Nicht jede jeweils morgens, bei oder nach dem Aufstehen durchgeführte pflegerische Maßnahme kann als Hilfe für das Aufstehen eingeordnet werden. Damit wäre die Berücksichtigung solcher Maßnahmen allein davon abhängig, wann diese im Tagesverlauf - aus welchen Gründen auch immer - erbracht werden. Nicht jede Reinigung der Atemwege ist nach diesen Maßstäben bereits einer Katalog-Verrichtung zuzuordnen.
Unter die Hilfe für das selbständige Aufstehen in diesem Sinne fällt jedoch die vom Kläger insoweit angeführte Vorbereitung des Inhaliergerätes sowie die anschließende Reinigung jedenfalls dann nicht, wenn weder die Vorbereitung des Geräts (zB dessen Montage) noch seine Reinigung nur im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Aufstehen erfolgen können. Dann liegt hinsichtlich dieser Tätigkeiten von vornherein nicht der erforderliche zeitliche und sachliche Zusammenhang mit der Katalog-Verrichtung vor.
Nach dem Streitstand fehlen Anhaltspunkte dafür, daß im erläuterten Sinne beim Kläger Hilfen für weitere Verrichtungen des § 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI, etwa für das Zu-Bett-Gehen, erforderlich sind. Hinsichtlich der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI - Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung, Beheizen) setzt der Kläger - für das Bereiten von Zwischenmahlzeiten, das Bereiten und die Überwachung der Einnahme hochkalorischer Nahrung - insgesamt 30 Minuten/Tag an.
Auch hierzu äußert sich das LSG nicht, da es davon ausgeht, daß der Hilfebedarf des Klägers im Bereich der Grundpflege (§ 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI) die Erheblichkeitsgrenze von mehr als 45 Minuten täglich (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI) nicht erreiche. Auch die insoweit erforderlichen Feststellungen sind daher nachzuholen. Hier wäre z.B. ein Zeitaufwand für das Zubereiten der beim Kläger krankheitsbedingt zusätzlich erforderlichen Nahrung ("Kochen") einzubeziehen oder ein zusätzlich erforderliches Wechseln oder Waschen der Wäsche infolge vermehrter Salzausscheidungen. Für den zu berücksichtigenden Umfang der beim Kläger notwendigen Hilfen gilt allgemein die Regel, daß zum einen der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend ist (§ 15 Abs. 2 SGB XI) sowie, daß der anzusetzende Umfang (Zeitaufwand) für die Hilfen sich nicht daran orientiert, welche Hilfen dem Kläger mit welchem Zeitaufwand tatsächlich erbracht werden. Vielmehr ist insoweit auf einen objektiven Maßstab - bezogen auf den individuellen Pflegebedarf des Klägers - abzustellen; dies gilt einerseits für die notwendigen Hilfemaßnahmen (eine tatsächliche Über- oder Unterversorgung hat unberücksichtigt zu bleiben), andererseits sind auch für den jeweils erforderlichen Zeitaufwand Standardwerte anzusetzen: § 15 Abs. 3 SGB XI i.d.F. des 1. SGB XI-ÄndG stellt auf den Zeitaufwand ab, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die festgelegten Hilfeleistungen nach § 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 4 SGB XI benötigt.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen
BSGE, 276 |
MedR 1998, 512 |
NDV-RD 1999, 26 |
PflR 1999, 23 |
SozSi 1999, 256 |