Entscheidungsstichwort (Thema)
Sperrzeit
Beteiligte
…, Klägerin und Revisionsklägerin |
Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg, Regensburger Straße 104, Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
G r ü n d e :
I
Streitig ist eine vierwöchige Sperrzeit vom 3. bis 28. November 1986.
Die 1955 geborene Klägerin arbeitete zuletzt als Verwaltungsangestellte beim Ruhrverband in Essen. Nachdem ihr Lebensgefährte eine Stelle im Kreis Tübingen gefunden hatte, erkundigte sich die Klägerin beim Arbeitsamt (ArbA) Reutlingen - Dienststelle Tübingen - unter Hinweis auf einen beabsichtigten Umzug nach geeigneten Arbeitsplätzen in dem dortigen Raum für eine Tätigkeit als Sachbearbeiterin, Verwaltungsangestellte, Kontoristin oder im Bereich allgemeiner Büroarbeiten zum 1. November 1986. Ein Arbeitsangebot wurde ihr zunächst nicht unterbreitet, obwohl dem ArbA die von der Klägerin aufgrund eigener Suche später (nach einmonatiger Arbeitslosigkeit) erlangte Arbeitsstelle bei der Musikschule Tübingen gemeldet war.
Die Klägerin kündigte ihr Arbeitsverhältnis in Essen am 3. September 1986 zum 31. Oktober 1986. Am 3. November 1986 meldete sie sich beim ArbA Reutlingen arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Ab 1. Dezember 1986 arbeitete die Klägerin, die in Essen zuletzt in die Gehaltsgruppe 6b BAT eingestuft war, bei der Musikschule Tübingen, wo sie zunächst ein Arbeitsentgelt nach der Vergütungsgruppe 7 BAT und nach einem halben Jahr Probezeit nach 6b BAT erhielt.
Die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) lehnte die Gewährung von Alg für die Zeit bis zum 1. Dezember 1986 ab, da eine Sperrzeit von 12 Wochen für die Zeit vom 1. November 1986 bis zum 23. Januar 1987 eingetreten sei (Bescheid vom 13. Januar 1987; Widerspruchsbescheid vom 30. März 1987).
Das Sozialgericht (SG) hat die Bescheide aufgehoben und die BA verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 3. bis 30. November 1986 Alg zu gewähren (Urteil vom 26. August 1988). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten unter Abweisung der Klage im übrigen die angefochtenen Bescheide dahingehend geändert, daß eine Sperrzeit von vier Wochen eingetreten sei, und die BA verurteilt, Alg für den 29. November 1986 zu gewähren (Urteil vom 9. Mai 1990, veröffentlicht in Justiz 1990, 414).
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 119 Arbeitsförderungsgesetz (AFG).
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
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das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen. |
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Die Beklagte beantragt,
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die Revision der Klägerin zurückzuweisen. |
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Beide Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
II
Auf die Revision der Klägerin war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Im Revisionsverfahren war lediglich darüber zu entscheiden, ob das LSG die Klage gegen die angefochtenen Bescheide der BA hinsichtlich des Anspruchs auf Alg für die Zeit vom 3. bis zum 28. November 1986 und einer Sperrzeit von vier Wochen zu Recht abgewiesen hat, weil die BA hinsichtlich der Verminderung der Sperrzeit von zwölf auf acht Wochen ein von der Klägerin angenommenes Teilanerkenntnis abgegeben und das Urteil des LSG nicht angefochten hat, soweit es die Sperrzeit von acht auf vier Wochen mindert.
Nach § 119 Abs 1 Satz 1 AFG idF des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs-und des Bundesversorgungsgesetzes (HStruktG-AFG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl I S 3113) tritt eine Sperrzeit ua dann ein, wenn der Arbeitslose das Arbeitsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Die durch Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand vom 20. Dezember 1988 mit Wirkung vom 1. Januar 1989 erfolgte Ersetzung des Wortes "Arbeitsverhältnisses" durch "Beschäftigungsverhältnis" ist im vorliegenden Fall bedeutungslos und überdies nach dem zeitlichen Geltungsbereich auf die im November 1986 eingetretene Sperrzeit nicht anwendbar.
Der Arbeitslose hat die Arbeitslosigkeit durch Kündigung nur dann herbeigeführt, wenn die Kündigung Ursache der Arbeitslosigkeit ist (BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 3).
Die Arbeitslosigkeit der Klägerin ist nach den Feststellungen des LSG auf die Kündigung der Klägerin und auf ein Fehlverhalten der BA zurückzuführen. Die BA hat es unterlassen, der Klägerin im Juli 1986 oder im September 1986 die ihr bekannte Stelle bei der Musikschule Tübingen anzubieten. Hätte die BA dies getan, wäre die Klägerin nach den Feststellungen des LSG schon zum 1. November eingestellt und damit ihre Arbeitslosigkeit vermieden worden. Das LSG führt zwar zum Ursachenzusammenhang zunächst lediglich aus, dieser werde auch dann nicht beseitigt, wenn man davon ausgehe, die Klägerin hätte in diesem Fall bereits zum 1. November 1986 die Arbeit bei der Musikschule aufnehmen können. Das kann nur im Sinne einer bloßen Unterstellung verstanden werden. Das Urteil ergibt jedoch an anderer Stelle, daß das LSG über eine bloße Unterstellung hinausgehen und eine Tatsachenfeststellung treffen wollte. Nach den Ausführungen zum wichtigen Grund heißt es nämlich (auf Seite 10 des Urteilsabdrucks), der Umstand, daß es die Beklagte unterlassen habe, der Klägerin die ihr gemeldete Arbeitsstelle bei der Musikschule Tübingen zu nennen, was nach den Gesamtumständen des Falles zur Einstellung der Klägerin bereits am 1. November 1986 geführt hätte, lasse den Eintritt der Sperrzeit unberührt.
Die BA war nach § 14 Abs 1 Satz 1 AFG verpflichtet, das ihr vorliegende Stellenangebot der Klägerin zu unterbreiten. Dem Einwand der BA, nach Ansicht der Vermittlerin sei diese Stelle wegen der geringen Vergütung nicht zumutbar gewesen, hat das LSG zu Recht entgegengehalten, daß unter den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, die Klägerin werde diese Stelle von vornherein nicht in Betracht ziehen.
Rechtlich ist als Ursache der Arbeitslosigkeit nur die pflichtwidrige Unterlassung der BA und nicht (auch) die Kündigung der Klägerin anzusehen. Der Auffassung des LSG, die Unterlassung der BA habe die von der Klägerin in Gang gesetzte Kausalkette nicht unterbrochen und sei auch nicht allein wesentlich für den tatsächlichen Eintritt der Arbeitslosigkeit geworden, vermag der Senat nicht zuzustimmen. Die Ursächlichkeit ist auch im Rahmen des § 119 AFG, wenn mehrere Bedingungen wie hier zusammenwirken, im Sinne der wesentlichen Bedingung zu prüfen. Im Schrifttum wird zwar überwiegend die Auffassung vertreten, § 119 AFG verlange in den Sperrzeittatbeständen der Nr 1 lediglich eine Ursächlichkeit im Sinne der zivilrechtlichen Adäquanztheorie (Eckert in GK-AFG, § 119 RdZiff 25; Heuer in Hennig/ Kühl/ Heuer, AFG, § 119 Anm 6; Schönefelder/ Kranz/ Wanka AFG, § 119 RdZiff 7). Dem scheint das LSG gefolgt zu sein. Sein Hinweis auf die Bedeutung der durch einen Unfall verursachten tödlichen Verletzung eines Menschen für dessen Tod, wenn ein Garant den Eintritt des Todes durch positives Tun hätte verhindern können, läßt dies jedenfalls vermuten.
Das BSG hat bisher noch nicht entschieden, ob der hier maßgebende Sperrzeittatbestand in Anwendung der Ursachenlehre von der wesentlichen Bedingung oder nach der Adäquanztheorie zu prüfen ist. Nach der bisherigen Rechtsprechung kommt es auf die Verursachung des Eintritts derjenigen Arbeitslosigkeit an, für die eine Leistung wegen Arbeitslosigkeit geltend gemacht wird; das ist grundsätzlich nach dem tatsächlichen Geschehensablauf zu beurteilen (BSG SozR 4100 § 119 Nr 24 S 110; zuvor BSG Urteil vom 25. August 1981 - 7 RAr 44/80 - BB 1982, 559 und BSG Urteil vom 12. April 1984 - 7 RAr 28/83 - SozSich 1984, 388). Die bei der Prüfung der Ursächlichkeit jeweils verwandten Formulierungen weisen zwar teilweise auf die Adäquanztheorie hin (zB die Formulierung "außerhalb aller Wahrscheinlichkeit" im angeführten Urteil vom 25. August 1981). Das kann indes ebensowenig wie Hinweise auf die Ursachenlehre der wesentlichen Bedingung in anderen Entscheidungen (zB "wesentliche Ursache" in SozR 4100 § 119 Nr 24 S 110 und Nr 28 S 126 sowie Urteil vom 12. April 1984 SozSich 1984, 388) als Entscheidung für die eine oder andere Kausallehre verstanden werden.
Nach der Kausallehre der wesentlichen Bedingung ist eine Bedingung als ursächlich oder mitursächlich im Rechtssinne anzusehen, wenn sie im Verhältnis zu anderen Einzelbedingungen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Diese Ursachenlehre wurde vom Reichsversicherungsamt (RVA) entwickelt. Sie gilt nach ständiger Rechtsprechung des BSG jedenfalls für die Gebiete der Kriegsopferversorgung und der Unfallversicherung (vgl BSG SozR 3100 § 30 Nr 72; BSG Urteil vom 25. Januar 1983 - 2 RU 35/82 - VersorgB 1983, 95). Der Große Senat des BSG hat in seiner Entscheidung zur Berufsunfähigkeit bei verschlossenem Teilzeitarbeitsmarkt vom 11. Dezember 1969 das Zusammenwirken der beiden Ursachen - der gesundheitlichen Schädigung und des Fehlens eines geeigneten Arbeitsplatzes - nach dieser Ursachenlehre beurteilt (BSGE 30, 167, 178 = SozR Nr 79 zu § 1246 RVO). Die Ursachenlehre der wesentlichen Bedingung ist auch in der Krankenversicherung anerkannt, etwa zum ursächlichen Zusammenhang zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit (BSGE 33, 202 = SozR Nr 48 zu § 182 RVO). In der gesetzlichen Rentenversicherung ist nunmehr die Lehre der wesentlichen Bedingung über den Bereich der Festlegung des versicherten Risikos hinaus allgemein anerkannt (BSG SozR 2200 § 1267 Nr 24 zur Verhinderung einer Erwerbstätigkeit durch Strafhaft und durch Berufsausbildung; vgl auch BSGE 47, 113 = SozR § 1251 Nr 52 zum ursächlichen Zusammenhang zwischen feindlicher Maßnahme und der Verhinderung der Rückkehr sowie SozR 5070 § 20 Nr 9 und Urteil vom 17. Dezember 1986 - 11a RA 44/85 - SozSich 1987, 286 zum verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalt). Die angeführte Rechtsprechung verdeutlicht, daß die Ursachenlehre der wesentlichen Bedingung insbesondere jeweils zur Abgrenzung des versicherten Risikos herangezogen wird.
Das Zusammenwirken mehrerer Ursachen ist auch im Recht der Arbeitsförderung grundsätzlich nach der Ursachenlehre der wesentlichen Bedingung zu beurteilen. Es besteht kein hinreichender Anlaß, § 119 AFG hiervon auszunehmen. Die Sperrzeitregelung in § 119 AFG beruht auf der Erwägung, daß die Versichertengemeinschaft - bei der Alhi die Allgemeinheit - gegen Risikofälle geschützt werden muß, deren Eintritt der Betroffene selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft (BSGE 60, 50, 51 = SozR 4100 § 119 Nr 27; BSGE 49, 197, 199 = SozR 4100 § 119 Nr 11; BSGE 47, 101, 104 = SozR 4100 § 119 Nr 5). Die Abwehr solcher Risiken legt mithin letztlich das versicherte Risiko fest. Hierzu ist die Ursachenlehre der wesentlichen Bedingung in besonderem Maße geeignet.
Der Einwand, daß in § 119 AFG nicht die Lage eines Geschädigten Ausgangspunkt der Betrachtung sei, sondern daß, wie im Zivilrecht, der Handelnde im Mittelpunkt der Überlegung steht und gefragt wird, welche Folgen einer Handlung ihm zugerechnet werden können (Eckert in GK-AFG § 119 RdNr 25), vermag eine Ausnahme von der für das Sozialrecht entwickelten Kausallehre nicht zu rechtfertigen. Das BSG hat zwar zur Abwehr des Risikos manipulierter Arbeitslosigkeit ausgeführt, dem Arbeitslosen werde ein Teil der Aufwendungen aufgebürdet, die er der Versichertengemeinschaft durch sein Verhalten verursache (BSGE 49, 197, 199 = SozR 4100 § 119 Nr 11). Der Gedanke, daß insoweit der Versichertengemeinschaft Schadensersatz für die unberechtigte Inanspruchnahme geleistet werde, vermag die Anwendung der Adäquanztheorie nicht zu rechtfertigen. Einmal tritt nach § 119 AFG die Sperrzeit in der jeweils angeordneten Länge auch dann ein, wenn die vom Arbeitslosen verursachte Arbeitslosigkeit von kürzerer Dauer war (BSG SozR 4100 § 119 Nr 24), was über einen Schadensersatz hinausgeht. Zum anderen würde der Gesichtspunkt des Schadensersatzes die Ursachenlehre der wesentlichen Bedingung nicht ausschließen. Im Recht der Unfallversicherung wird nicht nur der ursächliche Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Betrieb (haftungsbegründende Kausalität), sondern auch der Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Eintritt des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) nach der Ursachenlehre der wesentlichen Bedingung beurteilt (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand: 1. September 1989, S 479 h VIII, BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 4). In der Unfallversicherung ist nunmehr unter Aufgabe gegenteiliger Rechtsprechung anerkannt, daß in Anwendung des § 553 RVO auch der Zusammenhang zwischen einer Selbsttötung und den Folgen eines Arbeitsunfalls nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu bewerten ist (BSG SozR 3-2200 § 553 Nr 1). Auch der dem Regelungsgegenstand des § 119 AFG nahestehende Gesichtspunkt der selbstgeschaffenen Gefahr wird im Recht der Unfallversicherung nach der Ursachenlehre der wesentlichen Bedingung beurteilt (vgl BSGE 64, 159, 161 f = SozR 2200 § 548 Nr 93).
Der Begriff der rechtlich wesentlichen Bedingung ist ein Wertbegriff (BSG Urteil vom 25. Januar 1983 - 2 RU 35/82 - VersorgB 1983, 95), der auch Billigkeitserwägungen umschließt. Die Rechtsprechung hat auf dieser Grundlage in anderem Zusammenhang schon eine vom Bürger schuldhaft gesetzte Bedingung wegen einer gleichfalls kausalen Pflichtwidrigkeit der Behörde als nicht ursächlich angesehen: Ist eine Fristversäumung darauf zurückzuführen, daß der Leistungsberechtigte ein Schriftstück fahrlässig an eine unzuständige Behörde oder ein unzuständiges Gericht adressiert hat, und ist die Versäumung der Frist auch darauf zurückzuführen, daß die unzuständige Behörde pflichtwidrig die zeitgerechte Weiterleitung an die zuständige Stelle unterlassen hat, so ist die Fristversäumung nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BSG unverschuldet, da die schuldhaft unrichtige Adressierung für die Versäumung der Frist nicht ursächlich ist (BSGE 38, 248, 258 = SozR 1500 § 67 Nr 1; BSG Urteil vom 11. November 1976 - 10 RV 83/76 - SozSich 1977, 150). Die hiergegen erhobene Kritik (BVerwGE 55, 62; vgl auch BVerwG Urteil vom 27. April 1990 - 4 C 10/87 - NJW 1990, 2639; BGH Beschluß vom 7. Oktober 1987 - IVb ZB 99/87 VersR 1988, 251), nach der die besondere Schutzwürdigkeit der Leistungsempfänger im Prozeßrecht nicht nach der Ursachenlehre der wesentlichen Bedingung berücksichtigt werden kann, läßt die Beurteilung der Kausalität im materiellen Leistungsrecht unberührt.
Der Senat hat bei der wertenden Prüfung der Kausalität neben dem Fehlverhalten der BA das Gewicht der Gründe für einen Umzug und die Vorkehrungen für das Erlangen eines Anschlußarbeitsplatzes berücksichtigt. Der Umzug zum Lebensgefährten war ein gewichtiger Grund, die Arbeitsstelle zu wechseln. Zwar ist es im Unterschied zum Fall des berufsbedingten Ortswechsels eines Ehegatten dem Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft im Grundsatz zuzumuten, sein Interesse an einem baldigen Zusammenleben in der Weise zurückzustellen, daß er die Trennung solange in Kauf nimmt, bis er ein Anschlußarbeitsverhältnis gefunden hat (BSG Urteil vom 27. September 1989 - 11 RAr 127/88 - SozSich 1990, 193; BSGE 64, 202 = SozR 4100 § 119 Nr 34). Das schließt es indes nicht aus, die aufgezeigten Interessen bei der Prüfung der Kausalität zu berücksichtigen. Ferner war zu beachten, daß die Klägerin sich schon frühzeitig mit der BA in Verbindung gesetzt und diese schon zwei Monate vor der Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses und nicht erst nach Eintritt der Arbeitslosigkeit mit der Vermittlung beauftragt hat (vgl hierzu BSGE 64, 202, 208 = SozR 4100 § 119 Nr 34). Unter diesen Umständen stellt die Kündigung im Hinblick auf den Vorrang der Vermittlung keine wesentliche Bedingung der Arbeitslosigkeit dar, auch wenn die BA das ihr mögliche Vermittlungsangebot weder vorsätzlich noch absichtlich unterlassen hat, wie vom LSG zum Gesichtspunkt der Treuwidrigkeit festgestellt (vgl hierzu auch BSGE 4, 197, 199 = SozR 4100 § 119 Nr 11).
Zum Vorrang der Vermittlung hat der erkennende Senat schon in den Fällen der Erstattung des Alg durch den Arbeitgeber nach § 128a AFG darauf hingewiesen, die Aufgabe der BA bestehe nicht in erster Linie darin, Erstattungspflichten festzustellen; Hauptaufgabe bleibe auch in diesen Fällen die Vermittlung des Arbeitslosen, während die Verhängung von Sanktionen nur bei Behinderung dieser Hauptaufgabe in Betracht komme (SozR 3-4100 § 128a Nr 1). Entsprechend ist in den Fällen der Arbeitsaufgabe nicht vorrangig eine Sperrzeit festzustellen, sondern der Arbeitslose in Arbeit zu vermitteln (vgl hierzu den in § 5 AFG festgelegten Vorrang der Vermittlung vor der Leistungsgewährung). Das verleiht einem Verstoß gegen die Vermittlungspflicht, der für den Eintritt der Arbeitslosigkeit ursächlich wird, selbst dann besondere Bedeutung, wenn der BA kein Verschulden zur Last fällt.
Wegen der fehlenden Kausalität hat das SG die angefochtenen Bescheide zu Recht in dem hier streitigen Umfang aufgehoben. Der Senat braucht daher nicht abschließend zu entscheiden, ob der Klägerin für die Aufgabe ihres Beschäftigungsverhältnisses in Essen bei Berücksichtigung des Fehlverhaltens der BA ein wichtiger Grund zur Seite stand. Es liegt nahe, die angeführte Rechtsprechung des BSG zum wichtigen Grund beim Zuzug zum Verlobten dahin fortzuführen, daß die Zurückstellung privater Belange dem Arbeitslosen jedenfalls dann nicht mehr zugemutet wird, wenn er bei pflichtgemäßem Verhalten der BA nachweislich einen Arbeitsplatz am erstrebten Wohnort gefunden hätte. Der Annahme eines wichtigen Grundes steht jedenfalls nicht entgegen, daß der Klägerin bei Ausspruch ihrer Kündigung das Fehlverhalten der BA nicht bekannt war. Es ist erforderlich, aber auch genügend, daß objektiv ein wichtiger Grund vorlag (SozR 4100 § 119 Nr 3). Es reicht einerseits nicht aus, daß der Arbeitslose irrigerweise solche Umstände als gegeben angesehen hat, und schon gar nicht, wenn er die tatsächlich richtig erkannten Umstände fehlerhaft als wichtigen Grund bewertete (BSGE 66, 94, 101 f = SozR 4100 § 119 Nr 36). Andererseits ist beim Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht erforderlich, daß der Arbeitslose ihn kannte (vgl SozR 4100 § 119 Nr 28).
Auf die Revision der Klägerin war daher das Urteil erster Instanz wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.BUNDESSOZIALGERICHT
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