Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs – Abfindung – tarifvertraglicher Ausschluß der ordentlichen Kündigung – Sozialplanabfindung – ordentliche Kündigungsfrist – fingierte einjährige Kündigungsfrist – teleologische Reduktion
Leitsatz (amtlich)
1. Ist ein Arbeitnehmer nur noch für den Fall ordentlich kündbar, daß ein für ihn geltender Sozialplan vorliegt, und sieht der Sozialplan für ihn eine Abfindung vor, kann die aus dem Sozialplan gezahlte Abfindung zum Ruhen seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld auch dann führen, wenn das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet worden ist.
2. Die in diesem Fall einzuhaltende einjährige Kündigungsfrist des § 117 Abs 2 S 4 AFG ist teleologisch auf die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers zu reduzieren, wenn ohne die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung wegen des Sozialplans zugleich die Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund vorgelegen hätten (§ 117 Abs 2 S 3 Nr 2 Alt 2 AFG).
Stand: 7. Mai 2001
Normenkette
AFG § 117 Abs. 2 Fassung: 1996-07-23, Abs. 2 S. 3 Nr. 2 Alt. 2 Fassung: 1992-12-18, S. 4 Fassung: 1981-12-22; SGB III § 143a
Beteiligte
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. Juli 1999 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Streitig ist, ob die dem Kläger im Zusammenhang mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Sozialplans gewährte Abfindung nach § 117 Abs 2 Satz 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zum Ruhen seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1. April bis 20. Mai 1997 führt.
Der 1938 geborene Kläger war seit Januar 1964 bei der Firma G bzw zuletzt – nach einer Betriebsübernahme – bis zum 31. März 1997 bei der Firma A. S. GmbH als Stahlschlosser beschäftigt. Maßgeblich für das Arbeitsverhältnis des Klägers war der Gemeinsame Manteltarifvertrag (GMTV) für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie Rheinland-Pfalz vom 31. Oktober 1986/5. Dezember 1997. Nach § 22 Ziff 1 Satz 2 GMTV beträgt die Kündigungsfrist des Arbeitgebers gegenüber Arbeitern und Angestellten nach einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit, berechnet ab dem vollendeten 25. Lebensjahr, von mehr als zwölf Jahren sechs Monate jeweils zum Schluß eines Kalendervierteljahres. § 22 Ziff 2 Satz 1 GMTV bestimmt, daß in Betrieben mit in der Regel mindestens 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern einem Arbeitnehmer, der das 55., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet und dessen Arbeitsverhältnis in dem Unternehmen zu diesem Zeitpunkt mindestens zehn Jahre ununterbrochen bestanden hat, das Arbeitsverhältnis nur noch aus wichtigem Grunde gekündigt werden kann. Nach § 22 Ziff 2 Satz 2 gilt dies nicht bei
- Vorliegen eines für den betroffenen Arbeitnehmer geltenden Sozialplanes,
- Änderungskündigungen zum Zwecke innerbetrieblicher Versetzungen und Versetzungen im Rahmen des Unternehmens bzw Konzerns, wenn damit keine Veränderung des Wohnsitzes erforderlich wird.
Zwischen dem Betriebsrat und der A. S. GmbH, die damals etwa 140 Arbeitnehmer beschäftigte, wurde am 19. September 1996 gemäß §§ 111, 112 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ein Sozialplan vereinbart. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Arbeitgeberin das Beschäftigungsverhältnis am 23. September 1996 zum 31. März 1997 bei Zahlung einer nach diesem Sozialplan für den Kläger vorgesehenen Abfindung in Höhe von 22.750,00 DM. Bei seinem Ausscheiden am 31. März 1997 waren die Lohnabrechnungszeiträume September 1996 bis Februar 1997 abgerechnet, in denen der Kläger ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von insgesamt 24.524,13 DM erzielt hatte.
Am 25. März 1997 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 1. April 1997 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Die Beklagte bewilligte Alg ab 21. Mai 1997 in Höhe von 402,60 DM wöchentlich und teilte dem Kläger mit Bescheid vom 3. April 1997 mit, das Alg ruhe wegen der Abfindung bis zum 20. Mai 1997. Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 1997), Klage (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Koblenz vom 29. Januar 1998) und Berufung (Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Rheinland-Pfalz vom 13. Juli 1999) hatten keinen Erfolg. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, nach § 117 Abs 2 Satz 4 AFG iVm § 242x Abs 3 Nr 1 AFG sei die hier im Rahmen eines Sozialplans gewährte Abfindung zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen. Die Beklagte habe den Ruhenszeitraum zutreffend berechnet. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG bestünden nicht.
Mit seiner Revision rügt der Kläger einen Verstoß gegen § 117 Abs 2 und Abs 3 AFG. Nach dem hier anzuwendenden GMTV habe die maßgebliche ordentliche Kündigungsfrist sechs Monate zum Kalendervierteljahr betragen (§ 22 Ziff 1 Satz 2 GMTV). Diese Frist sei durch die Kündigung vom 23. September 1996 zum 31. März 1997 eingehalten worden. Das LSG habe § 22 Ziff 2 GMTV in unzutreffender Weise dahingehend ausgelegt, dem Kläger habe nur noch gegen Abfindung ordentlich gekündigt werden können. Die Kündigungsmöglichkeit für den Arbeitgeber habe nach § 22 Ziff 2 Satz 2 Buchst a GMTV aber bereits dann wieder eingesetzt, wenn ein Sozialplan vorgelegen habe. Dem Kläger habe mithin keineswegs nur gegen Zahlung einer Entlassungsentschädigung gekündigt werden können, sondern unter der – hier eingetretenen – Bedingung eines abgeschlossenen Sozialplanes, der dem § 112 BetrVG gerecht werde und nach § 111 BetrVG zulässig gewesen sei. Den Materialien zur Neufassung des § 117 AFG durch das Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (AFKG) sei nicht zu entnehmen, daß hiermit auch Fälle betroffen sein sollten, wonach ordentliche Kündigungen tarifvertraglich nur unter der Bedingung ausgeschlossen seien, daß ein Sozialplan nicht bestehe. Die Regelung des § 22 Ziff 2 Satz 1 iVm § 22 Ziff 2 Satz 2 Buchst a GMTV sei so zu qualifizieren, daß die Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer zeitweise so lange ausgeschlossen sei, bis ein nach dem BetrVG zulässiger Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen bzw aufgestellt werde.
Im übrigen hätten auch die Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund vorgelegen. Die Arbeitgeberin habe dem Kläger unter Zustimmung des Betriebsrates wegen der Schließung der Abteilung Formenbau und wegen einer fehlenden Versetzungsmöglichkeit in ein anderes Unternehmen der A.-Gruppe gekündigt. Dies folge auch aus dem Kündigungsschreiben vom 23. September 1996. Insoweit habe das LSG den Sachverhalt nicht aufgeklärt. Die Feststellung des LSG, die Voraussetzungen für eine solche fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund hätten nicht vorgelegen, ließen sich weder aus dem Vortrag der Parteien noch aus den Feststellungen des SG oder LSG entnehmen.
Entgegen der Auffassung des LSG bestünden auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 117 Abs 2 Satz 4 AFG. Die gesetzliche Regelung führe zu einer gleichheitswidrigen Besserstellung nicht tarifgebundener Arbeitnehmer. Das Argument, die unterschiedlichen Folgen für das Ruhen von Alg im Rahmen des Sozialplans könnten und müßten dadurch ausgeglichen werden, daß für die ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmer eine höhere Abfindung ausgewiesen werde, stelle keinen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung dar. Im übrigen sei im vorliegenden Fall eine entsprechend höhere Abfindungszahlung für ordentlich nicht mehr kündbare Arbeitnehmer auch nicht erfolgt. Ebenso bestünden verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Tarifautonomie (Art 9 Abs 3 Grundgesetz ≪GG≫), weil der Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien durch § 117 Abs 2 Satz 4 in unzulässiger Weise eingeengt werde. Letztlich führe § 117 Abs 2 Satz 4 AFG dazu, daß tarifgebundene Arbeitnehmer, denen aufgrund einer tarifvertraglichen Regelung nicht mehr ordentlich gekündigt werden könne, hinsichtlich der Abfindung arbeitsförderungsrechtlich schlechter stünden als Arbeitnehmer, die weiterhin uneingeschränkt ordentlich kündbar seien. Dieses Ergebnis führe mittelbar zu einem Druck, aus einer Gewerkschaft auszutreten oder ihr nicht beizutreten.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. Juli 1999 und des Sozialgerichts Koblenz vom 29. Januar 1998 aufzuheben, den Bescheid über die Bewilligung des Alg sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. April 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Mai 1997 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. April bis 20. Mai 1997 Alg zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend. Mit der zum 1. Januar 1982 erfolgten Einfügung des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG habe der Gesetzgeber eine spezielle Regelung für den Fall einer aufgrund eines Sozialplanes gewährten Abfindung treffen wollen. Den Gesetzesmaterialien sei zu entnehmen, daß diese Regelung solche tarifvertraglichen Bestimmungen erfassen sollte, in denen – wie hier – die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung erst durch Zubilligung einer Abfindung aufgrund eines Sozialplanes eröffnet worden sei. Der Vortrag des Klägers, es sei auch eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund möglich gewesen, sei in der Revisionsinstanz ausgeschlossen. Im übrigen hätten die Voraussetzungen für die fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund nach den Feststellungen des LSG auch nicht vorgelegen.
II
Die Revision des Klägers ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.
Zutreffend hat das LSG allerdings entschieden, daß die aufgrund eines Sozialplans gezahlte Abfindung – entgegen der Rechtsansicht der Revision – nicht gänzlich aus dem Anwendungsbereich des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG ausgenommen werden kann. Dies folgt aus der Systematik und dem Zweck der in § 117 Abs 2 AFG getroffenen Regelungen, dem erkennbaren Willen des historischen Gesetzgebers des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG sowie schließlich auch aus der Rechtsnatur bzw dem Wesen des Sozialplans (hierzu unter 1.).
Nach den bisherigen Feststellungen des LSG läßt sich nicht abschließend beurteilen, ob die Voraussetzungen des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG erfüllt sind, dh ob der Kläger „nur noch bei Zahlung einer Abfindung ordentlich kündbar war” oder ob daneben – aufgrund des § 22 Ziff 2 Satz 2 Buchst b GMTV, der eine Änderungskündigung zuläßt – eine Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung auch ohne Abfindung bestand, die die Anwendung des Satzes 4 ausschließt (hierzu unter 2.).
Ebenfalls läßt sich nicht beurteilen, ob beim Kläger im Hinblick auf die behauptete Teilbetriebstillegung die Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund vorgelegen hätten, wenn der Ausschluß der ordentlichen Kündigung unterstellt würde (§ 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Alt 2 AFG). Das LSG hat die Voraussetzungen dieser Regelung verneint, ohne dazu tatsächliche Feststellungen zu treffen. Wäre die vorgenannte Frage zu bejahen, müßte die in § 117 Abs 2 Satz 4 AFG vorgesehene fiktive Kündigungsfrist von einem Jahr aufgrund des Regelungszwecks und Sinnzusammenhangs der Sätze 1, 3 und 4 des § 117 Abs 2 AFG sowie aus verfassungsrechtlichen Gründen teleologisch auf die Frist reduziert werden, die nach § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Alt 2 AFG für die befristete außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund vorgesehen ist, nämlich auf die ordentliche Kündigungsfrist (hierzu unter 3.). Käme das LSG zu dem Ergebnis, daß bei der gebotenen fallbezogenen Betrachtungsweise die Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grunde vorgelegen hätten, würde der Alg-Anspruch des Klägers nicht ruhen, weil die dann maßgebliche ordentliche Kündigungsfrist tatsächlich eingehalten worden ist.
1. Der Kläger beansprucht Alg für die Zeit vom 1. April bis 20. Mai 1997, für die die Beklagte unter Berufung auf § 117 Abs 2 Satz 4 AFG die Leistungsgewährung infolge des Ruhens wegen der gewährten Abfindung abgelehnt hat. Maßgeblich ist hier gemäß § 242x Abs 3 Nr 1 AFG (idF des AFRG vom 24. März 1997 – BGBl I 594) § 117 Abs 2 AFG (idF, die Abs 2 zuletzt durch das Gesetz zur Förderung eines gleitenden Überganges in den Ruhestand vom 23. Juli 1996, BGBl I 1078, erhalten hat). Hat nach dieser Regelung der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Alg vom Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte (§ 117 Abs 2 Satz 1 AFG). Diese Frist beginnt mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tage der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 117 Abs 2 Satz 2 AFG). Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, so gilt 1. bei zeitlich unbegrenztem Ausschluß eine Kündigungsfrist von 18 Monaten, 2. bei zeitlich begrenztem Ausschluß oder bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund die Kündigungsfrist, die ohne den Ausschluß der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre (§ 117 Abs 2 Satz 3 AFG). Kann dem Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistungen ordentlich gekündigt werden, so gilt eine Kündigungsfrist von einem Jahr (§ 117 Abs 2 Satz 4 AFG).
Diese Regelungen verfolgen – wie § 117 AFG insgesamt – den Zweck, Doppelleistungen zu vermeiden. Lohnersatzleistungen nach dem AFG werden – wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits mehrfach ausgesprochen hat – nicht benötigt, solange trotz Arbeitslosigkeit kein Verdienstausfall eintritt (BSGE 46, 20, 25 = SozR 4100 § 117 Nr 2; BSGE 50, 121, 125 = SozR 4100 § 117 Nr 3; BSG SozR 4100 § 117 Nr 13, S 59; BSG SozR 4100 § 117 Nr 26, S 142; BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 12 S 82). Ausgehend von diesem Zweck liegt § 117 Abs 2 AFG folgende, auf einer typisierenden Betrachtung beruhende Systematik zugrunde:
- § 117 Abs 2 Satz 1 AFG betrifft den Grundfall, daß für den Arbeitgeber (arbeitsrechtlich) eine ordentliche Kündigung möglich ist, aber bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses (durch Kündigung/Aufhebungsvertrag) eine seiner ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Frist nicht eingehalten wird. In diesen Fällen einer „vorzeitigen” Beendigung des Arbeitsverhältnisses geht der Gesetzgeber typisierend davon aus, daß eine wegen der Beendigung gewährte Abfindung Ersatz für ausgefallenes Arbeitsentgelt enthält bzw die Abfindung teilweise zum Ausgleich von Arbeitsentgelt gewährt wird, das der Arbeitslose verdient hätte, wenn die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten worden wäre. Deshalb ruht der Anspruch auf Alg für die Dauer der nicht eingehaltenen Kündigungsfrist (vom Ende des Arbeitsverhältnisses bis zu dem Tag, an dem es bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist geendet hätte).
§ 117 Abs 2 Sätze 3 und 4 AFG betreffen bestimmte Fallgruppen, in denen die ordentliche Kündigung kraft Gesetzes oder Vertrages uneingeschränkt oder eingeschränkt ausgeschlossen ist. In derartigen Fällen hat der Gesetzgeber im Hinblick auf die Vermeidung des Doppelbezugs von Arbeitsentgelt und Alg anstelle fehlender Kündigungsfristen für den Arbeitgeber (arbeitsförderungsrechtlich) Kündigungsfristen fingiert, deren jeweilige Dauer nach der Intensität des erreichten Kündigungsstatus gestaffelt ist und jeweils anzeigt, inwieweit das Arbeitsverhältnis bei Nichteinhaltung dieser Frist als „vorzeitig” beendet gilt.
- Ist die ordentliche Kündigung für den Arbeitgeber (arbeitsrechtlich) zeitlich uneingeschränkt ausgeschlossen, so gilt gemäß § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 1 AFG eine Kündigungsfrist von 18 Monaten, die dem erreichten Status eines ordentlich Unkündbaren Rechnung trägt. Wird diese Frist nicht eingehalten, ruht der Anspruch auf Alg vom Ende des Arbeitsverhältnisses bis zu dem Tag, an dem dieses bei Einhaltung der genannten (fingierten) Kündigungsfrist geendet hätte.
- Ist die ordentliche Kündigung für den Arbeitgeber (arbeitsrechtlich) zeitlich befristet ausgeschlossen oder ist eine der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechende Frist nur deshalb einzuhalten, weil die (besonderen) Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund vorliegen (BAGE 48, 220), so gilt – arbeitsförderungsrechtlich – die ordentliche Kündigungsfrist, die ohne den Ausschluß der ordentlichen Kündigung gegolten hätte (§ 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 AFG).
Ist die ordentliche Kündigung nur mit der Einschränkung „bei Zahlung einer Abfindung” möglich, so gilt gemäß § 117 Abs 2 Satz 4 AFG eine Kündigungsfrist von einem Jahr. Wird diese fingierte Kündigungsfrist nicht eingehalten und ist damit das Arbeitsverhältnis iS von § 117 Abs 2 Satz 1 und Satz 2 AFG „vorzeitig” aufgelöst, ruht das Alg vom Ende des Arbeitsverhältnisses bis zu dem Tag, an dem dieses bei Einhaltung dieser fingierten Frist geendet hätte.
Liegen die speziellen Tatbestandsvoraussetzungen des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG vor, so können nicht gleichzeitig die Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund vorliegen. Denn der Tatbestand des § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Alt 2 AFG setzt voraus, daß eine ordentliche Kündigung überhaupt nicht mehr möglich, während bei § 117 Abs 2 Satz 4 AFG das Recht zur ordentlichen Kündigung lediglich eingeschränkt ist.
Der Senat legt § 117 Abs 2 Satz 4 AFG nach Sinn und Zweck des Abs 2 und seinem systematischen Zusammenhang mit den in § 117 Abs 2 Satz 1 bis Satz 3 AFG enthaltenen Regelungen so aus, daß § 117 Abs 2 Satz 4 AFG von vornherein nicht die Fälle erfaßt, in denen der Arbeitgeber im Hinblick auf das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) mangels ausreichender Kündigungsgründe im Einzelfall nicht (wirksam) ordentlich kündigen kann und sich die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Abfindung „erkaufen” muß. Erfaßt sind vielmehr nur Fälle, in denen die ordentliche Kündigung für den Arbeitgeber vertraglich grundsätzlich ausgeschlossen ist und nur für Fälle (wieder)eröffnet wird, bei denen eine Abfindung gezahlt wird. Sind aber für den Arbeitgeber – realisierbare – alternative Möglichkeiten der ordentlichen Kündigung auch ohne Abfindung eröffnet, so ist die Anwendung des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG ausgeschlossen, mit der Folge, daß bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist ein Ruhen des Alg-Anspruchs nicht in Betracht kommt. Erfaßt werden sollen nach der Entstehungsgeschichte der Regelung des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG vor allem Fälle der vorliegenden Art, in denen dem Arbeitgeber tarifvertraglich die ordentliche Kündigung nur noch für den Fall des Bestehens eines Sozialplanes vorbehalten ist und der Sozialplan für den betroffenen Arbeitnehmer eine Abfindung vorsieht (so bereits BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 15).
Insbesondere die historische Entwicklung belegt den Willen des Gesetzgebers, mit § 117 Abs 2 Satz 4 AFG gerade Fälle der vorliegenden Art zu erfassen. Vorläufer des § 117 AFG war § 96 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG). Nach dieser Regelung mußte das Arbeitsamt individuell prüfen, ob und inwieweit in einer Abfindung Arbeitsentgeltanteile enthalten waren. Diese (sehr aufwendige) Praxis sollte mit Einführung des AFG vereinfacht werden (s Entwurf des AFG vom 16. November 1967 – BT-Drucks V/2291, S 23 und 82 zu § 106 Abs 2). Dessen Entwurf sah zunächst bei Gewährung einer Abfindung ein Ruhen des Alg-Anspruchs ohne Berücksichtung irgendwelcher Freibeträge oder individueller Besonderheiten vor. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurde die Regelung teilweise differenziert (s den Bericht des Ausschusses für Arbeitzu BT-Drucks V/4110, S 20 zu § 106 Abs 2 iVm BT-Drucks V/4110, S 51, 52). Dazu wird ua ausgeführt: „Es wird ausdrücklich bestimmt, daß die Gewährung einer Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld zur Folge hat, wenn das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag, Vergleich oder nach einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen unbegründeten außerordentlichen Kündigung durch Urteil vorzeitig … beendet worden ist, …. Damit ist klargestellt, daß zB Abfindungen, die durch Urteil nach den §§ 7 und 8 des KSchG zugesprochen werden, sowie Leistungen aus betrieblichen Sozialplänen und Leistungen aus tariflichen Rationalisierungsabkommen, die nach ordentlicher Kündigung gewährt werden, ohne Einfluß auf den Anspruch auf Alg sind” (zu BT-Drucks V/4110, S 20). Die vorgesehene Regelung trat mit Gesetz vom 25. Juni 1969 als § 117 AFG in Kraft. Nach dieser Rechtslage führten Tarifvertragsklauseln, die bei unkündbaren Arbeitnehmern das Recht zur ordentlichen Kündigung nur in Verbindung mit einem Sozialplan, der konkret Abfindungen vorsah, wieder eröffneten, nicht zum Ruhen des Alg-Anspruches. Dies hatte der erkennende Senat mit Urteil vom 28. Mai 1980 (BSGE 50, 121 = SozR 4100 § 117 Nr 3) zu einer Tarifvertragsregelung, die der hier streitigen inhaltlich entspricht, klargestellt, und ausgeführt, nach dem Tarifvertrag sei in diesem Falle von einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch ordentliche Kündigung auszugehen. Aufgrund der eingehaltenen Kündigungsfrist trete das Ruhen des Alg-Anspruches nicht ein (BSG aaO).
Als Reaktion auf diese Rechtslage hat der Gesetzgeber mit dem AFKG vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) einen neuen Satz 4 in § 117 Abs 2 AFG eingefügt. Zur Begründung hierzu hat er ausgeführt: „Arbeitnehmer, denen nur bei Zahlung einer Abfindung ordentlich gekündigt werden darf, wird eine fiktive Kündigungsfrist von einem Jahr zugeordnet. Diese Regelung berücksichtigt, daß der Kündigungsschutz dieser Arbeitnehmer geringer ist als bei Arbeitnehmern, denen in keinem Fall ordentlich gekündigt werden kann, jedoch stärker als bei Arbeitnehmern, denen auch ohne Zahlung einer Abfindung ordentlich gekündigt werden kann” (BT-Drucks 9/846, S 44 zu Nr 35 Buchst b Doppelbuchst bb). Ferner wurde mit der Einfügung des Satzes 4 zugleich die nach § 117 Abs 2 Satz 3 AFG vorgesehene Kündigungsfrist von einem Jahr für zeitlich unbefristet unkündbare Arbeitnehmer auf 18 Monate verlängert und dies ua damit begründet, diese Frist sei doppelt so lang wie die im Entwurf der Kommission für ein Arbeitsgesetzbuch vorgesehene gesetzliche Kündigungsfrist. Hiermit werde berücksichtigt, daß diese Arbeitnehmer einen außergewöhnlich starken Kündigungsschutz hätten und deshalb der in der Abfindung enthaltene Arbeitsentgeltanteil besonders groß sei (s BT-Drucks 9/846, S 44 zu Nr 35 Buchst b Doppelbuchst aa). Der Gesetzgeber hat hier also eine Abstufung vorgenommen zwischen ordentlich nicht mehr kündbaren, eingeschränkt ordentlich kündbaren (nämlich nur noch bei Zahlung einer Abfindung ordentlich kündbaren) und uneingeschränkt ordentlich kündbaren Arbeitnehmern (s zu dieser historischen Entwicklung auch die Darstellung in dem Vorlagebeschluß des 11. Senats des BSG an das Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫ vom 13. März 1990 – 11 RAr 107/89 –, NZA 1990, 917).
Der Gesetzgeber hat für die Fälle der nur noch bei Zahlung einer Abfindung ordentlich kündbaren Arbeitnehmer ein Ruhen des Alg vorgesehen, weil hier bereits durch vertragliche Gestaltung des Kündigungsrechts die Lösung eines an sich ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitsverhältnisses bei Zahlung einer Abfindung eröffnet wird und er in dieser Abfindung – wie bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses iS des § 117 Abs 2 Satz 1 AFG – die Vermutung gerechtfertigt sah, daß die Abfindung nicht nur als Ausgleich für den Verlust eines sozialen Besitzstandes vorgesehen ist, sondern auch als Ausgleich für untergehende Arbeitsentgeltansprüche (so auch der 11. Senat des BSG in seinem Vorlagebeschluß vom 13. März 1990 aaO). Daß der Gesetzgeber hierbei vor allem Gestaltungen im Auge hatte, die zur Freisetzung älterer, an sich unkündbarer Arbeitnehmer gegen Abfindung führen, wird deutlich, wenn man den mit § 117 Abs 2 Satz 4 AFG gleichzeitig in das AFG aufgenommenen § 128 AFG in die Betrachtung mit einbezieht. Bezüglich der Änderungen in § 117 Abs 2 Satz 3 und Abs 3 Satz 1 AFG sowie der Einfügung des Satzes 4 in § 117 Abs 2 AFG hat der Gesetzgeber ausgeführt, diese Regelungen ergänzten die neue Vorschrift des § 128 und hätten vor allem dann Bedeutung, wenn ältere Arbeitnehmer, deren ordentliche Kündigung dauernd ausgeschlossen sei, bereits vor Vollendung des 59. Lebensjahres freigesetzt würden (BT-Drucks 9/846 S 44 zu Nr 35b und c). Zu § 128 AFG heißt es: „Dadurch soll insbesondere der in den letzten Jahren ständig zunehmenden Übung entgegengewirkt werden, die gesetzliche Regelung über das vorgezogene Altersruhegeld für Arbeitslose zur Änderung der betrieblichen Personalstruktur zu nutzen …. Insbesondere Großbetriebe haben Betriebsvereinbarungen getroffen, nach denen sich der Arbeitgeber zur Zahlung hoher Abfindungen und zur Aufstockung des Alg bis zur Höhe des letzten Nettoarbeitsentgelts während der einjährigen Arbeitslosigkeit verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer nach Vollendung des 59. Lebensjahres den Betrieb verläßt. Dies hat zu einer erheblichen finanziellen Belastung der Arbeitslosen- und Rentenversicherung geführt” (BT-Drucks 9/9846, S 45 zu Nr 40 Abs 1 und 2).
Mit den Neuregelungen des § 117 Abs 2 und des § 128 AFG durch das AFKG sollte insgesamt der Praxis entgegengewirkt werden, im Rahmen von Betriebsvereinbarungen/Sozialplänen gegen Zahlung von Abfindungen an sich unkündbare Arbeitnehmer freizusetzen und damit ua auch die Arbeitslosenversicherung zu belasten, weil diese älteren Arbeitnehmer erfahrungsgemäß nur sehr schwer bzw nicht mehr vermittelbar sind und damit ein erhöhtes Risiko für die Arbeitsverwaltung darstellen. Auch § 117 Abs 2 Satz 4 AFG entspricht diesem Zweck, die finanziellen Folgen der Praxis, ältere, an sich unkündbare Arbeitnehmer gegen Abfindung freizusetzen, für die Arbeitslosenversicherung zumindest in gewissen Grenzen zu halten. Im übrigen hat auch die arbeitsförderungsrechtliche Literatur diese historische Sichtweise uneingeschränkt geteilt. Zumindest wurden keine Zweifel daran geäußert, daß es Wille des Gesetzgebers des AFKG war, mit § 117 Abs 2 Satz 4 AFG zum 1. Januar 1982 Abfindungen aufgrund eines Sozialplanes, der eine ordentliche Kündbarkeit erst wieder eröffnet, zu erfassen (vgl nur Düe in Niesel, AFG, 2. Aufl, RdNr 39 zu § 117; Gagel, AFG, RdNr 134a zu § 117 AFG, 13. Lieferung 1998; ders, SGB III, RdNr 58 zu § 143a SGB III; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, RdNr 55 zu § 143a SGB III).
Daß Sozialplanabfindungen gänzlich aus dem Anwendungsbereich des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG herausfallen – wie neuerdings teilweise in der Literatur vertreten wird (vgl nur Gagel, NZS 2000, S 327) –, entspricht weder dem Willen des historischen Gesetzgebers noch läßt sich dies zwingend aus Funktion und Zweck des Sozialplans ableiten. Es mag zutreffen (vgl Gagel, aaO), daß der Sozialplan ein Ordnungsinstrument des kollektiven Arbeitsrechts ist, der einen gerechten Ausgleich auch unter den Arbeitnehmern sicherstellen und der die soziale Abfederung der betrieblichen Umgestaltung ermöglichen soll. Zutreffend mag auch sein, daß in diesem Bereich Manipulationen zu Lasten der Arbeitslosenversicherung weniger Bedeutung haben. Die Verhinderung von Manipulationen ist aber nicht eigentlicher Zweck des § 117 AFG, sondern vorrangig die Verhinderung des Doppelbezugs von Arbeitsentgelt und Alg, für die auch dann Anlaß besteht, wenn ältere, an sich unkündbare Arbeitnehmer im Zusammenhang mit sozialplanpflichtigen Betriebsänderungen (wesentlicher Personalabbau) „vorzeitig” freigesetzt werden. Auch Sozialpläne sind dem Allgemeininteresse verpflichtet; die Folgen von Betriebsänderungen für die betroffenen Arbeitnehmer können jedenfalls nicht ohne weiteres auf die Allgemeinheit (Arbeitslosenversicherung) abgewälzt werden. Bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Nichteinhaltung der fingierten Kündigungsfrist) indizieren gezahlte Abfindungen, daß in ihnen Arbeitsentgelt enthalten ist. Dies ist zugleich die Rechtfertigung dafür, daß auch Sozialplanabfindungen, die bei kündigungsrechtlichen Gestaltungen iS des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG gezahlt werden, in einem bestimmten, typisierten Umfang zum Ruhen des Alg-Anspruchs führen.
Entgegen der Ansicht der Revision bedeutet die nach § 22 Ziff 2 Satz 2 Buchst a GMTV eröffnete – abstrakte – Möglichkeit, ordentlich grundsätzlich auch ohne Abfindung kündigen zu können, keine alternative Kündigungsmöglichkeit, die von vornherein die Anwendung des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG ausschließt. Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits entschieden hat, muß zwar der abzuschließende Sozialplan für den zu entlassenden Arbeitnehmer nicht zwingend eine Abfindung vorsehen (vgl BAG, Urteil vom 9. Mai 1985 – 2 AZR 16/84 –, NZA 1986, 743; AP Nr 1 zu § 4 TVG Verdienstsicherung). Im Rahmen der Prüfung des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG ist jedoch – wie auch bei § 117 Abs 2 Satz 3 AFG – eine fallbezogene Betrachtungsweise geboten, dh es ist zu prüfen, ob im konkreten Falle die aufgrund des bestehenden Sozialplans eröffnete Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung nur „bei” Abfindung möglich war, weil eben der Sozialplan für den betroffenen Arbeitnehmer – hier den Kläger – eine Abfindung vorsah (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 15). Dem Zweck dieser Regelung würde es zuwiderlaufen, wenn schon die abstrakte Möglichkeit zur Kündigung ohne Abfindung die Anwendung des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG ausschlösse (ähnlich der 11. Senat des BSG in SozR 3-4100 § 117 Nr 15). Denn dann könnte § 117 Abs 2 Satz 4 AFG bei Tarifvertragsregeln der genannten Art nie zur Anwendung kommen bzw liefe leer, obwohl im konkreten Fall von der Möglichkeit der ordentlichen Kündigung ohne Abfindung kein Gebrauch gemacht werden konnte, weil für den Kläger im Sozialplan eine Abfindung vorgesehen war.
Schon deshalb ist in Fällen der vorliegenden Art nicht etwa auch zu prüfen, ob für den betroffenen Arbeitnehmer (den Kläger) ein Sozialplan auch ohne Abfindung hätte vereinbart werden können, was das BAG (aaO) grundsätzlich für zulässig erachtet. Denn bei Sozialplänen verbietet sich eine solche hypothetische Prüfung von vorneherein, weil ihre inhaltliche Ausgestaltung dem Ermessen der Betriebsparteien überantwortet ist. Insofern ist hier den in der Literatur neuerdings (vgl nur Gagel, NZS 2000, S 327) betonten Besonderheiten des Sozialplanes als eines kollektivrechtlichen Ordnungsinstruments durchaus insoweit Rechnung zu tragen, als die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit die im Sozialplan getroffenen Regelungen über die Zahlung einer Abfindung nicht im Rahmen des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG einer fallbezogenen Prüfung unterziehen dürfen. Maßgebend ist vielmehr nur, ob der im vorliegenden Fall vereinbarte Sozialplan für den Kläger eine Abfindung vorsieht. Das hat das LSG unangegriffen festgestellt.
2. Desgleichen schließt auch die in dem hier maßgeblichen GMTV in § 22 Ziff 2 Satz 2 Buchst b enthaltene zweite Kündigungsmöglichkeit – für den Fall einer Änderungskündigung zum Zwecke der Versetzung – die Anwendung des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG nicht generell aus. Vielmehr ist das Bestehen einer solchen Kündigungsmöglichkeit ebenfalls fallbezogen festzustellen. Das LSG hat selbst keine Feststellungen zu § 22 Ziff 2 Satz 2 Buchst b GMTV getroffen, so daß der Senat diese Regelung in vollem Umfang in seine Rechtsprüfung einbeziehen kann, und zwar unabhängig davon, ob der Revisionsvortrag richtig ist, daß inhaltsgleiche Regelungen in mehreren Tarifgebieten bewußt und gewollt zum Zwecke der Vereinheitlichung der Rechtslage vereinbart worden sind. Hätte der Arbeitgeber die in § 22 Ziff 2 Satz 2 Buchst b GMTV eröffnete Kündigungsmöglichkeit im konkreten Falle – ohne Abfindung – realisieren können, so würde die Anwendung des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG ausscheiden (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 15 S 104). Denn wäre der Arbeitnehmer innerhalb des Betriebs oder Unternehmens tatsächlich versetzbar oder umsetzbar gewesen, hätte der Arbeitgeber – alternativ – eine ordentliche Kündigung ohne Abfindung aus diesem Grunde aussprechen können (insoweit zu den tatsächlichen Anforderungen hinsichtlich des Vorliegens einer Kündigungsalternative nicht ganz eindeutig der 11. Senat des BSG in SozR 3-4100 § 117 Nr 15 S 105).
Zwar bietet das Kündigungsschreiben der Arbeitgeberin mit anliegender Stellungnahme des Betriebsrates – und hier auch schon die im Sozialplan vorgesehene Abfindung – Anhaltspunkte dafür, daß die Kündigungsmöglichkeit des § 22 Ziff 2 Satz 2 Buchst b GMTV vorliegend nicht in Betracht kam. Ob dies jedoch richtig ist, wird das LSG noch zu ermitteln haben. Würde festgestellt, daß eine Änderungskündigung im konkreten Falle nicht möglich war, wären die Voraussetzungen des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG erfüllt. Dies hätte an sich zur Folge, daß anstelle der ordentlichen Kündigungsfrist des § 117 Abs 2 Satz 1 AFG eine fingierte Kündigungsfrist von einem Jahr gilt, so daß bei Nichteinhaltung dieser Kündigungsfrist, wie im vorliegenden Falle, das Alg bis zu dem Tag ruht, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der Jahresfrist geendet hätte, also bis 23. September 1997 (was freilich nur vorbehaltlich der Beschränkungen des Ruhenszeitraums gemäß § 117 Abs 3 AFG gilt).
3. Allerdings müßte – wovon bereits der 11. Senat des BSG in seinem Vorlagebeschluß an das BVerfG im Jahre 1990 ausgegangen ist (aaO) – diese fingierte Kündigungsfrist von einem Jahr aus Gründen der Gesetzessystematik sowie aus verfassungsrechtlichen Gründen teleologisch reduziert werden, wenn die Arbeitgeberin des Klägers – ohne die tarifliche Kündigungsmöglichkeit bei Vorliegen eines Sozialplans – im Hinblick auf die Teilbetriebsstillegung das Recht und damit die Möglichkeit einer fristgebundenen Kündigung aus wichtigem Grund gehabt hätte (§ 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Alt 2 AFG). § 117 Abs 2 Satz 4 AFG bedarf hier der Hinzufügung einer Einschränkung, die der immanenten Teleologie des § 117 Abs 2 AFG entspricht (zu den Voraussetzungen einer solchen einschränkenden Auslegung aufgrund des Regelungszwecks und Sinnzusammenhangs des Gesetzes vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl 1991, S 391ff). Der mit Wirkung vom 1. Januar 1993 (durch das Gesetz zur Änderung der Fördervoraussetzungen im AFG und anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992, BGBl I 2044) neu eingefügte Normteil des § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Alt 2 AFG war durch die Rechtsprechung des BAG veranlaßt (insbesondere BAGE 48, 220), wonach ein Arbeitnehmer, dessen ordentliche Kündigung zeitlich unbegrenzt ausgeschlossen ist, ausnahmsweise unter Einhaltung einer Frist außerordentlich gekündigt werden kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen kann und die Fortzahlung des Entgelts zu einer unzumutbaren Belastung des Arbeitgebers führen würde. In diesen Fällen ist arbeitsrechtlich die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten, weil anderenfalls ordentlich kündbare Arbeitnehmer besser behandelt würden als unkündbare Arbeitnehmer. Folglich ist auch sozialrechtlich die fingierte Kündigungsfrist auf die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist beschränkt worden.
Die Neufassung des § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 AFG zum 1. Januar 1993 war zudem durch den bereits mehrfach zitierten Vorlagebeschluß des 11. Senats des BSG aus dem Jahre 1990 (aaO) beeinflußt, weil das BSG die ausnahmslos geltende fiktive arbeitsförderungsrechtliche Kündigungsfrist von 18 Monaten für verfassungswidrig hielt, wenn dem unkündbaren Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des BAG aufgrund einer Betriebstillegung bzw -einschränkung ausnahmsweise aus wichtigem Grund fristgebunden hätte gekündigt werden können.
Ob die Voraussetzungen für eine solche Kündigung vorgelegen hätten, hat das LSG nicht geprüft. Es hat diese Voraussetzungen zwar bereits im Tatbestand seines Urteils ausdrücklich verneint, ohne dies jedoch näher zu begründen. Dieses Vorgehen des LSG stand durchaus in Übereinstimmung mit der oben (vgl 1) dargelegten Systematik der einzelnen Tatbestände des § 117 Abs 2 AFG. Denn wenn – wie im vorliegenden Falle – noch eine ordentliche Kündigung möglich ist, kommt an sich nur § 117 Abs 2 Satz 4 AFG, nicht aber § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Alt 2 AFG zur Anwendung. Eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund, auf die § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Alt 2 AFG abstellt, setzt nämlich arbeitsrechtlich voraus, daß eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist. Gleichwohl wird das LSG – hypothetisch – zu prüfen haben, ob die weiteren Voraussetzungen einer fristgebundenen außerordentlichen Kündigung vorgelegen haben. Denn wenn sich herausstellt, daß der Arbeitgeber im konkreten Fall – ohne die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung wegen des Sozialplans – außerordentlich mit Auslauffrist hätte kündigen können, würde nach § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Alt 2 AFG als arbeitsförderungsrechtlich fingierte Kündigungsfrist nur die ordentliche Kündigungsfrist gelten, die im Falle des Klägers gemäß § 22 Ziff 1 Satz 2 GMTV sechs Monate zum Ende des Kalendervierteljahres betrug.
Da die ordentliche Frist des § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Alt 2 AFG im Regelfall kürzer ist als die Jahresfrist des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG, besteht in solchen Fällen ein Wertungswiderspruch hinsichtlich der Dauer der fingierten Kündigungsfristen, die nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Intensität des erreichten kündigungsrechtlichen Status wiedergeben. Wie ausgeführt, hat der Gesetzgeber des AFKG bei Einführung des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG zum 1. Januar 1982 die jeweilige Dauer der fingierten Kündigungsfrist in direkte Beziehung zu dem erreichten (arbeitsrechtlichen) Kündigungsschutzstatus gesetzt (vgl oben 1). Je höher der erreichte Kündigungsschutzstatus ist, um so länger ist die fingierte Kündigungsfrist, weil insoweit die Vermutung begründet ist, daß – bei Nichteinhaltung dieser Frist – die Abfindung in höherem Maße Ersatz für ausgefallenes Arbeitsentgelt enthält. Derjenige, der nur noch aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden kann – wenn auch fristgebunden –, hat grundsätzlich einen höheren kündigungsrechtlichen Status als derjenige, der noch ordentlich – wenn auch nur unter der Einschränkung „bei Zahlung einer Abfindung” – kündbar ist. Deshalb darf der Letztgenannte hinsichtlich der Berücksichtigung des Arbeitsentgelts bei seinem Alg-Anspruch grundsätzlich nicht schlechter stehen als derjenige, bei dem die ordentliche Kündigung schlechthin ausgeschlossen ist und nur ausnahmsweise die Voraussetzungen für eine fristgebundene außerordentliche Kündigung vorliegen. Da beide Tatbestände hinsichtlich ihrer arbeitsrechtlichen Voraussetzungen (gerade bei Betriebsstillegungen bzw -einschränkungen besteht die Notwendigkeit, einen Sozialplan zu erstellen) Überschneidungen aufweisen, andererseits die Anwendung des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG eine Anwendung des § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 AFG ausschließt (weil § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Alt 2 AFG voraussetzt, daß eine ordentliche Kündigung überhaupt nicht mehr möglich ist), kann eine am Gleichheitssatz orientierte Lösung nur dazu führen, daß die in § 117 Abs 2 Satz 4 AFG fingierte Kündigungsfrist in Fällen, in denen andernfalls auch die Voraussetzungen des § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Alt 2 AFG gegeben wären, auf die dort vorgesehene Dauer der fingierten Kündigungsfrist beschränkt wird.
Ein ähnliches Ergebnis hat bereits der 11. Senat in seinem Vorlagebeschluß vom 13. März 1990 (aaO) angedeutet und vorgeschlagen, „daß § 117 Abs 2 Satz 4 AFG nicht gilt”, wenn anderenfalls ein Recht zur außerordentlichen Kündigung wegen Betriebsstillegung bestanden hätte. Der erkennende Senat geht insoweit davon aus, daß der Gesetzgeber bei Einführung des § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Alt 2 AFG zum 1. Januar 1993 den nunmehr auftretenden Wertungswiderspruch zu § 117 Abs 2 Satz 4 AFG – wie er sich in Fällen der vorliegenden Art auftut – übersehen hat. Im übrigen nimmt die Beklagte selbst eine solche Einschränkung der Rechtsfolgen des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG vor. Nach dem Sammelerlaß Alg/Alhi (28. Ergänzungslieferung, Stand März 1997, RdNr 61 zu § 117 AFG) soll § 117 Abs 2 Satz 4 nicht zur Anwendung kommen, wenn neben einem Sachverhalt, der eine ordentliche Kündigung nur bei Zahlung einer Abfindung ermöglicht, zugleich ein weiterer Tatbestand gegeben ist, der die ordentliche Kündigung ohne Zahlung einer Abfindung im Einzelfall zuläßt. „Das gleiche gilt, wenn im Einzelfall die Voraussetzungen des § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Alt 2 AFG gegeben sind oder ohne besondere tarifvertragliche Kündigungsregelung gegeben wären”.
Das LSG wird also festzustellen haben, ob bei dem Kläger – die tarifliche Regelung in § 22 Ziff 2 Satz 2 Buchst a hinweggedacht – die Voraussetzungen für eine fristgebundene außerordentliche Kündigung wegen (Teil-)Betriebsstillegung vorgelegen hätten. Wäre dies der Fall, könnte beim Kläger auch nur die arbeitsförderungsrechtliche (= ordentliche) Kündigungsfrist des § 117 Abs 2 Satz 3 Nr 2 Alt 2 AFG gelten. Da die ordentliche Kündigungsfrist im Falle des Klägers gemäß § 22 Ziff 1 Satz 2 GMTV eingehalten ist, würde – bei entsprechend positiven Feststellungen des LSG – die fingierte Kündigungsfrist von einem Jahr gemäß § 117 Abs 2 Satz 4 AFG nicht gelten, mit der Folge, daß dann der Alg-Anspruch nicht ruhen würde.
In diesem Fäll wäre auch nicht mehr erheblich, ob § 117 Abs 2 Satz 4 AFG gegen höherrangiges Recht verstößt, wovon die Revision ausgeht. Es kann deshalb dahinstehen, ob den in der Literatur gegen die Regelung des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl Gagel, SGB III, RdNr 60 f zu § 143a SGB III; ders, NZS 2000, 327, 331 f; Masuch in Gemeinschaftskomm zum SGB III, RdNr 52 ff; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, RdNr 59 ff) zu folgen wäre. Diesen Bedenken wird ohnedies partiell durch die hier vorgenommene teleologische Reduktion der Rechtsfolgen des § 117 Abs 2 Satz 4 AFG bei (hypothetischem) Vorliegen der Möglichkeit einer fristgebundenen Kündigung aus wichtigem Grund Rechnung getragen.
Das LSG wird abschließend über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des Ausgangs des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 584616 |
BSGE 87, 250 |
BSGE, 250 |
EWiR 2001, 741 |
FA 2001, 224 |
NZA-RR 2002, 441 |
NZS 2001, 552 |
SGb 2001, 241 |
SozR 3-4100 § 117, Nr. 22 |
ZInsO 2001, 871 |
Breith. 2001, 562 |
info-also 2001, 152 |