Beteiligte
Klägerin und Revisionsbeklagte |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten höheres Arbeitslosengeld (Alg).
Die verheiratete Klägerin, die am 9. Oktober 1987 ein Kind gebar, war bis zum Beginn ihres Mutterschafts- bzw. Erziehungsurlaubs unter Einreihung in die Lohnsteuerklasse IV als Pharmazeutisch-Technische Assistentin beschäftigt (letztes Monatsgehalt Juli 1987: 2.440, 40 DM brutto). Vom 23. August bis 4. Dezember 1987 bezog sie Mutterschaftsgeld, ab 5. Dezember 1987 erhielt sie Erziehungsgeld, zuletzt für die Zeit vom 1. bis 8. August 1988 in Höhe von 160,-- DM.
Für die Zeit vom 1. Februar 1988 bis einschließlich 31. Juli 1988 wählten die Klägerin und ihr Ehemann die Kombination der Steuerklassen III/V (Ehemann: III, Klägerin: V). Ab 1. August 1988 ließen die Ehegatten bei der hierfür zuständigen Gemeinde in ihre Lohnsteuerkarten wieder jeweils die Steuerklasse IV eintragen. Ein weiterer Steuerklassenwechsel fand im Jahre 1988 nicht mehr statt, doch war in der Lohnsteuerkarte 1989 der Klägerin wieder die Steuerklasse V, in der ihres Ehegatten die Steuerklasse III eingetragen.
Am 9. August 1988 nahm die Klägerin ihre Beschäftigung wieder auf und verdiente vom 9. bis 31. August 1988 1.836, 29 DM, im September 1988 2.475,-- DM/brutto. In den Monaten August und September 1988 erzielte ihr (rentenversicherungspflichtiger) Ehemann ein Arbeitseinkommen von jeweils brutto 3.772,-- DM. Mit Schreiben vom 12. August 1988 kündigte der Arbeitgeber der Klägerin das Arbeitsverhältnis zum 30. September 1988.
Ab 1. Oktober 1988 bewilligte die Beklagte der Klägerin für die Dauer von 312 Tagen Alg unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe D (Steuerklasse V) in Höhe von 200, 40 DM wöchentlich (Bescheid vom 28. Oktober 1988). Den Widerspruch der Klägerin wies sie mit der Begründung zurück, das Alg sei deshalb nicht nach der höheren, der Steuerklasse IV entsprechenden Leistungruppe A zu bemessen, weil ihr Wechsel von Steuerklasse V nach Steuerklasse IV zum 1. August 1988 nach § 113 Abs. 2 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nicht zu berücksichtigen sei. Da ihr Ehemann im August 1988 ein Arbeitsentgelt von 3.772,-- DM und sie selbst neben anteiligem Erziehungsgeld in Höhe von 160,-- DM ein Arbeitsentgelt von 1.836, 29 DM erzielt, also insgesamt über 1.996, 29 DM verfügt habe, sei die Steuerklassenkombination IV/IV ab August 1988 nicht die günstigste Kombination gewesen; die gewählte Kombination wäre erst dann günstiger gewesen, wenn die Klägerin mehr als 2.260,-- DM verdient hätte (Widerspruchsbescheid vom 25. November 1988).
Mit Bescheid vom 7. August 1989 hat die Beklagte die Bewilligung von Alg im Hinblick auf eine von der Klägerin am 7. August 1989 aufgenommene Beschäftigung mit Wirkung von diesem Tage an aufgehoben. Mit Bescheid vom 13. Dezember 1989 bewilligte sie wegen erneuter Arbeitslosigkeit der Klägerin das Alg für die Zeit ab 8. November 1989 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 1. Januar 1990 Alg weiter. Auch jetzt legte die Beklagte bei der Berechnung des Alg - entsprechend der nunmehr auf der Lohnsteuerkarte der Klägerin eingetragenen Steuerklasse V - die Leistungsgruppe D zugrunde.
Das Sozialgericht (SG) hat der gegen den Bescheid vom 28. Oktober 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 1988 erhobenen Klage stattgegeben und die Beklagte unter Änderung des angefochtenen Bescheides verurteilt, "der Klägerin Alg unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse IV/1 zu zahlen" (Urteil vom 8. November 1989).
Auf die vom SG zugelassene Berufung hat das Landessozialgericht (LSG), das der Ansicht war, der Bescheid vom 13. Dezember 1989 sei Gegenstand des Rechtsstreits geworden, das Urteil des SG abgeändert und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 28. Oktober 1988 in der Gestalt des Widerspuchbescheides vom 25. November 1988 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1988 unter Anrechnung bereits erbrachter Zahlungen Alg in Höhe von wöchentlich 254, 40 DM zu gewähren. Insoweit hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, im übrigen aber die Klage, "auch soweit sie sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 1989 richtet, abgewiesen" (Urteil vom 12. Februar 1991).
Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, zugunsten der Klägerin greife für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1988 die Regelung des § 113 Abs. 2 Satz 3 AFG ein, wonach es für die Bestimmung der maßgeblichen Leistungsgruppe nicht auf das Verhältnis der tatsächlichen Arbeitslöhne von Ehegatten im Zeitpunkt eines Lohnsteuerklassenwechsels ankomme, wenn der Lohnausfall den Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung begründe. Dem Erziehungsgeld sei jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art der Charakter einer lohnsteuerfreien Lohnersatzleistung beizulegen. Das Erziehungsgeld solle nämlich den wirtschaftlichen Nachteil einer Einschränkung der Erwerbstätigkeit während der Betreuung und Erziehung eines Kindes in seiner ersten Lebensphase teilweise ausgleichen (Hinweis auf BSG SozR 7833 § 3 Nr. 1; BT-Drucks 10/3792 S. 1, 13). Damit habe beim Wechsel der Steuerklasse am 1. August 1988 ein Lohnausfall bestanden, der eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung begründete. Es sei deshalb der von der Klägerin zuletzt erzielte monatliche Arbeitslohn zugrunde zu legen. Danach habe am Tag des Steuerklassenwechsels kein offensichtliches Mißverhältnis i.S. des § 113 Abs. 2 Satz 2 AFG vorgelegen. Die Arbeitslöhne der Klägerin (von mindestens 2.440, 40 DM) und ihres Ehemannes (3.772,-- DM) hätten den eingetragenen Steuerklassen IV/IV entsprochen. Dies ergäbe sich aus der für 1988 geltenden "Tabelle zur Steuerklassenwahl".
Für die Zeit ab 1989 sei § 113 Abs. 2 Satz 2 AFG indessen nicht anzuwenden, da die Eintragung der Steuerklassen III/V für die Zeit ab 1. Januar 1989 keinen Wechsel im Sinne dieser Vorschrift darstellten. Somit sei ab 1. Januar 1989 für die Berechnung der Höhe des Alg die in der Lohnsteuerkarte der Klägerin eingetragene Lohnsteuerklasse V maßgebend.
Die Beklagte rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 113 Abs. 2 Sätze 2, 3 AFG und trägt vor, der Anspruch auf Erziehungsgeld sei weder durch den Ausfall des Arbeitslohnes "begründet"
worden, was § 113 Abs. 2 Satz 3 AFG für die dort genannten lohnsteuerfreien Lohnersatzleistungen verlange, noch stelle das Erziehungsgeld überhaupt eine Lohnersatzleistung dar. Deswegen komme es auch nicht darauf an, ob im Einzelfall ein Beschäftigungsverhältnis tatsächlich unterbrochen und Erziehungsgeld bezogen oder nur wegen Einkommensanrechnung nicht bezogen worden sei. Die Frage, ob das Erziehungsgeld Lohnersatzfunktion habe, sei abstrakt an Hand der dem Erziehungsgeld vom Gesetzgeber beigelegten Zweckbestimmung, nicht aber im Hinblick auf die konkreten Lebensumstände im Einzelfall zu beantworten. Danach habe das Erziehungsgeld keine Lohnersatzfunktion; es werde nicht aus Anlaß entgangenen Arbeitsentgelts, sondern für die Betreuung und Erziehung eines Kindes gewährt. Seine Höhe orientiere sich nicht proportional, sondern im Gegenteil disproportional an der Höhe vorangegangener Einkünfte, was dem Zweck, den Lohnausfall auszugleichen, gerade zuwider laufen müßte. Im übrigen werde neben Erziehungsgeld auch Arbeitslosenhilfe gezahlt und Mutterschaftsgeld auf das Erziehungsgeld in bestimmtem Umfang nicht angerechnet; dies sei bei Lohnersatzleistungen regelmäßig anders.
Die Beklagte beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 12. Februar 1991 und des Sozialgerichts Oldenburg vom 8. November 1989 zu ändern und die Klage ganz abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Klägerin hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 1988 nur noch insoweit, als er die Höhe des Alg in der Zeit vom 1. Oktober 1988 bis 31. Dezember 1988 betrifft. Nur hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Soweit die Klage auf Gewährung von höherem Alg für die Zeit nach dem 31. Dezember 1988 vom LSG abgewiesen wurde, hat die hierdurch beschwerte Klägerin gegen das Berufungsurteil weder Revision noch Anschlußrevision eingelegt, so daß das Urteil des LSG in diesem Umfang rechtskräftig geworden ist.
In der Sache ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, daß das Alg der Klägerin in der Zeit vom 1. Oktober 1988 bis 31. Dezember 1988 nach der höheren Leistungsgruppe A zu bemessen war.
Nach § 111 Abs. 1 Nr. 1 AFG in der hier anwendbaren Fassung des 7. Gesetzes zur Änderung des AFG vom 20. Dezember 1985 (BGBl. I S. 2484) beträgt das Alg für Arbeitslose, die mindestens ein Kind i.S. des § 32 Abs. 1, 4 und 5 Einkommensteuergesetz (EStG) haben, sowie für Arbeitslose, deren Ehegatte ein solches Kind hat, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, 68 v.H. des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts. Die Beklagte hat der Klägerin, bei der nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Alg ab 1. Oktober 1988 dem Grunde nach vorlagen, das Alg gemäß § 111 Abs. 1 Nr. 1 AFG zutreffend mit dieser Nettolohnersatzquote gewährt. Jedoch stand der Klägerin nicht nur wöchentlich 200, 40 DM Alg zu, wie es ihr von der Beklagten bewilligt wurde, sondern wöchentlich 254, 40 DM, wie das LSG entschieden hat. Der noch streitige Alg-Anspruch der Klägerin richtet sich nämlich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nach der Leistungsgruppe D, sondern nach der Leistungsgruppe A der Anlage 2 zur AFG-Leistungsverordnung 1988 vom 3. Dezember 1987 (BGBl. I S. 2455), die für das Alg nach § 111 Abs. 1 Nr. 1 AFG bei wöchentlichen Arbeitsentgelten von 570,-- DM in der Leistungsgruppe A den letzteren Betrag ausweist.
Nach § 111 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AFG werden Arbeitnehmer je nach der in die Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse einer der Leistungsgruppen A bis E zugeordnet, um den nach der jeweiligen Steuerklasse unterschiedlich hohen Lohnsteuerabzug zu berücksichtigen. Verheiratete Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Steuerklasse V eingetragen ist, erhalten demnach Alg nach der Leistungsgruppe D, verheiratete Arbeitnehmer mit der Steuerklasse IV die günstigere Leistungsgruppe A und verheiratete Arbeitnehmer mit der Lohnsteuerklasse III die Leistungsgruppe C, die mit Rücksicht auf den in dieser Steuerklasse erfolgenden geringsten Lohnsteuerabzug die höchsten Leistungssätze aufweist.
Soweit die Höhe des Alg von der auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragenen Lohnsteuerklasse abhängt, ist grundsätzlich die Lohnsteuerklasse maßgebend, die zu Beginn des Kalenderjahres eingetragen war, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 AFG in der seit dem Haushaltsstrukturgesetz-AFG vom 18. Dezember 1975 ≪BGBl. I S. 3113≫ geltenden Fassung). Hiernach wäre die Lohnsteuerklasse IV maßgebend, die zu Beginn des Jahres 1988 auf der Lohnsteuerkarte der Klägerin eingetragen war. Indessen werden spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse berücksichtigt; das gleiche gilt, wenn auf der für ein späteres Kalenderjahr ausgestellten Lohnsteuerkarte eine andere Lohnsteuerklasse eingetragen wird (§ 113 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AFG). Diese Regelung ist jedoch nicht maßgebend für den Steuerklassenwechsel zwischen Ehegatten. Wie eine daraus folgende Änderung der Steuerklasse eines Ehegatten für die Höhe des Alg-Anspruchs zu berücksichtigen ist, ergibt sich aus der die Anwendung des § 113 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AFG ausschließenden Sonderregelung des § 113 Abs. 2 AFG, die hier in der zuletzt durch das Steuerentlastungsgesetz 1981 vom 16. August 1980 (BGBl. I S. 1381) geänderten Fassung Anwendung findet (BSG SozR 4100 § 113 Nr. 3; BSGE 61, 45, 49 = SozR 4100 § 113 Nr. 5).
Einen Steuerklassenwechsel haben die Klägerin und ihr Ehemann zum 1. Februar 1988 und erneut zum 1. August 1988 vorgenommen;
denn Steuerklassenwechsel ist jedes Auswechseln der für verheiratete Arbeitnehmer, die beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, gemäß § 38b Abs. 1 Satz 2 Nrn 2 bis 5 EStG vorgesehenen Steuerklassen (BSG SozR 4100 § 113 Nrn 3, 7; BSGE 61, 45, 49 = SozR 4100 § 113 Nr. 5).
Auch hier gilt zunächst der Grundsatz, daß bei einem Steuerklassenwechsel zwischen Ehgatten die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen für die Höhe des Alg von dem Tage an berücksichtigt werden, an dem die Änderung wirksam wird (§ 113 Abs. 2 Satz 1 AFG). Entsprechen die (neu) eingetragenen Lohnsteuerklassen an diesem Tage jedoch offensichtlich nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten, sind für die Höhe des Alg nicht diese tatsächlich eingetragenen Steuerklassen maßgebend, sondern diejenigen, die (fiktiv) diesem Verhältnis entsprechen (§ 113 Abs. 2 Satz 2 AFG). Auf den hier zunächst vorgenommenen Steuerklassenwechsel zum 1. Februar 1988 kommt es im vorliegenden Fall nicht an. Dieser Wechsel kann sich nämlich nach dem erneuten Steuerklassenwechsel zum 1. August 1988 auf das Alg ab 1. Oktober 1988 nicht mehr auswirken; denn sind die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen nicht nach § 113 Abs. 2 Satz 1 AFG zu berücksichtigen, sind gemäß Satz 2 der Vorschrift nicht die früheren Eintragungen (also diejenigen ab 1. Februar 1988), sondern die dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne der Ehegatten tatsächlich entsprechenden Lohnsteuerklassen maßgebend (BSG SozR 4100 § 113 Nr. 3). Ob der Klägerin ab 1. Oktober 1988 das Alg nach der Leistungsgruppe A zustand, hängt somit allein davon ab, ob die mit Wirkung vom 1. August 1988 eingetragene Lohnsteuerkombination IV/IV dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne der Ehegatten entsprach. Dies hat das LSG zutreffend bejaht.
Richtig ist zwar, daß die Klägerin am 1. August 1988 kein Arbeitsentgelt erzielt hat, sondern nur Erziehungsgeld bezog. Hiervon ausgehend haben die neu eingetragenen Steuerklassen für sie und ihren Ehemann (IV/IV) an diesem Tag i.S. des § 113 Abs. 2 Satz 2 AFG offensichtlich nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten entsprochen, selbst wenn man dabei noch das von der Klägerin im August erzielte Entgelt von 1.836, 29 DM in die Betrachtung einbezieht. Geänderte Lohnsteuerklassen entsprechen dem Verhältnis der Arbeitslöhne der Ehegatten zueinander nämlich nur dann, wenn der Steuerklassenwechsel objektiv geboten war, weil die bisherige Steuerklassenkombination bei den erzielten Arbeitslöhnen zu einem zu hohen Lohnsteuerabzug führte (BSG SozR 4100 § 113 Nr. 3; BSGE 61, 45, 52 = SozR 4100 § 113 Nr. 5; BT-Drucks 7/4127 S. 53 Begründung zu Art 20 Nr. 27 des Entwurfs eines Haushaltsstrukturgesetzes) oder - mit anderen Worten -, wenn die neu eingetragenen Steuerklassen den geringsten gemeinsamen Lohnsteuerabzug zur Folge haben (BSG SozR 4100 § 113 Nr. 7). Das läßt sich am einfachsten anhand der jeweiligen Tabellen zur Steuerklassenwahl beurteilen, die der Bundesminister der Finanzen und die obersten Finanzbehörden der Länder jährlich herausgeben.
Nach der für 1988 geltenden Tabelle (abgedruckt im Dienstblatt der Bundesanstalt für Arbeit, Runderlaß 120/87, Anlage Tabelle I) darf bei einem Arbeitslohn des höherverdienenden Ehegatten von (bis zu) 3.800,-- DM bei einem Kind der Arbeitslohn des anderen Ehegatten 2.260,-- DM für die Steuerklassenkombination III/V nicht überschreiten, wenn der geringste Lohnsteuerabzug erreicht werden soll. Übersteigt der monatliche Arbeitslohn des geringer verdienenden Ehegatten den Betrag von 2.260,-- DM, so führt die Steuerklassenkombination IV/IV für die Ehegatten zu einem günstigeren oder zumindest nicht höheren Lohnsteuerabzug als die Steuerklassenkombination III/V.
Daraus ergibt sich, daß der angefochtene Verwaltungsakt nicht zu beanstanden wäre, wenn es für die Feststellung der Höhe des der Klägerin ab 1. Oktober 1988 zustehenden Alg allein auf die tatsächlichen Verdienste der Eheleute W. am 1. August 1988 ankäme. Dem ist jedoch nicht so. Vielmehr ist für die Beurteilung, ob die neu eingetragenen Steuerklassen an diesem Tage offensichtlich nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten entsprechen, auf das von der Klägerin im Juli 1987 erzielte Arbeitsentgelt von monatlich 2.440, 40 DM abzustellen. Dann aber haben - wie oben dargestellt - die Lohnsteuerklassen IV/IV durchaus dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne entsprochen mit der Folge, daß sich nach der Steuerklasse IV auch das Alg der Klägerin zu richten hatte, welches demgemäß nach der Leistungsgruppe A wöchentlich 254, 40 DM betrug. Grundlage dafür ist die hier gebotene Anwendung des § 113 Abs. 2 Satz 3 AFG. Danach bleibt bei der Beurteilung der Verhältnisse der monatlichen Arbeitslöhne nach § 113 Abs. 2 Satz 2 AFG ein Ausfall des Arbeitslohnes, der den Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung begründet, außer Betracht. Dies hat nach der Rechtsprechung des Senats zur Folge, daß anhand des zuletzt vor Ausfall des Arbeitslohnes erzielten monatlichen Arbeitslohnes zu prüfen ist, ob die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten entsprechen (BSG SozR 4100 § 113 Nr. 3; zustimmend Gagel, Komm zum AFG, Stand Mai 1991, § 113 RdZiff 64; Hennig/Kühl/Heuer/Henke, Komm zum AFG, Stand Juli 1991, § 113 S. 186b/1).
Die Ansicht der Beklagten, beim Bezug von Erziehungsgeld finde § 113 Abs. 2 Satz 3 AFG keine Anwendung, geht fehl. Der Revision ist zuzugeben, daß der Charakter einer Sozialleistung als Lohnersatzleistung nicht anhand des konkreten Einzelfalles, sondern generell anhand der gesetzlichen Zweckbestimmung einer solchen Leistung zu bestimmen ist. Sicherlich ist das Erziehungsgeld nicht unmittelbar den typischen Lohnersatzleistungen, wie etwa dem Krankengeld, dem Verletztengeld oder dem Arbeitslosengeld gleichzustellen. Andererseits kann ihm aber nicht jeglicher Lohnersatzcharakter abgesprochen werden.
Das Erziehungsgeld wurde als neuartige Sozialleistung mit dem Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub vom 6. Dezember 1985 (BGBl. I S. 2154) eingeführt, konnte also bei der letzten Änderung des § 113 Abs. 2 AFG durch das Steuerentlastungsgesetz 1981 noch nicht berücksichtigt werden. Das Erziehungsgeld ist nicht danach ausgestaltet worden, tatsächliche Einkommenseinbußen konkret auszugleichen oder den tatsächlichen Betreuungsaufwand zu entschädigen; es will vielmehr die Betreuung und Erziehung eines Kindes durch eine nicht voll erwerbstätige sorgeberechtigte Person in der ersten Lebensphase des Kindes allgemein fördern (BVerfG SozR 7833 § 3 Nr. 2), indem für Mütter und Väter eine größere Wahlfreiheit zwischen der Tätigkeit für die Familie und einer Erwerbstätigkeit geschaffen wird (vgl. BT-Drucks 10/3792 S. 13; BSGE 64, 296, 300f. = SozR 7833 § 3 Nr. 1; BSGE 67, 238, 240 = SozR 3-7833 § 1 Nr. 1). Dementsprechend hat der Gesetzgeber, in die Begünstigungen durch das Bundeserziehungsgeldgesetz nicht nur selbständig Tätige und im Betrieb ihres Ehemannes helfende Frauen einbezogen, sondern auch Mütter, die vor der Geburt ihres Kindes nicht erwerbstätig waren. Daraus ergibt sich jedoch kein ausschlaggebendes Argument gegen die arbeitsförderungsrechtliche Behandlung des Erziehungsgeldes als einer Lohnersatzleistung i.S. des § 113 Abs. 2 Satz 3 AFG. Denn das Erziehungsgeld verfolgt zumindest auch den Zweck, den in aller Regel stattfindenden wirtschaftlichen Nachteil einer Einschränkung der Erwerbstätigkeit während und wegen der Betreuung und Erziehung eines Kindes auszugleichen (BSGE 67, 238, 240 = SozR 3-7833 § 1 Nr. 1 S. 3). Dem entspricht es, daß das Erziehungsgeld nur zusteht, wenn der Antragsteller in der Erziehungszeit keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 Bundeserziehungsgeldgesetz).
Auch wenn der Anspruch auf Erziehungsgeld gesetzlich durch die Erziehung des Kindes begründet wird, während § 113 Abs. 2 Satz 3 AFG nach seinem Wortlaut die durch einen konkreten Lohnausfall ausgelöste Lohnersatzleistung anspricht, hält es der Senat nach dem Zweck dieser Vorschrift für erforderlich, sie auf das Erziehungsgeld entsprechend anzuwenden, d.h. das lohnsteuerfreie Erziehungsgeld in bezug auf § 113 Abs. 2 Satz 3 AFG ebenso zu behandeln, wie die auf einem individuellen Ausfall von Arbeitslohn beruhende Lohnersatzleistung. Zumindest gilt das in einem Fall, in dem die Erziehungsgeldberechtigte - wie hier - zuvor Arbeitslohn bezogen hat, der in der begünstigten Erziehungszeit ausfällt.
Die Vorschrift des § 113 Abs. 2 AFG, die nach ihrer Einführung durch das Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des AFG und des BVG (Haushaltsstrukturgesetz-AFG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl. I 3113) durch das 5. AFG-ÄndG vom 23. Juli 1979 (BGBl. I S. 1189) und das Steuerentlastungsgesetz 1981 vom 16. August 1980 (BGBl. I S. 1381) geändert worden ist, will einer ungerechtfertigten Beeinflussung der Höhe des Anspruchs auf Alg durch einen willkürlichen Steuerklassenwechsel,
der im Lohnsteuerrecht ohne besonderen Anlaß vorgenommen werden kann, entgegengewirken. Nach den Motiven des Gesetzgebers soll der Steuerklassenwechsel nur dann berücksichtigt werden, wenn er objektiv geboten war (Begründung zu Art 20 Nr. 27 des Entwurfs eines Haushaltsstrukturgesetzes, BT-Drucks 7/4127 S. 53, sowie die Begründung zu Art 10 des Entwurfs eines Steuerentlastungsgesetzes 1981, BT-Drucks 8/3701 und 3901, jeweils S. 77). Davon ist auszugehen, wenn er vorgenommen worden ist, weil die bisherige Steuerklassenkombination bei den erzielten Arbeitslöhnen zu einem zu hohen Lohnsteuerabzug führte. Als Beispiel nennen die Motive den Fall, daß sich der Arbeitsverdienst eines Ehegatten nach der Ausstellung der Lohnsteuerkarten erheblich verändert hat (BT-Drucks 8/3701 und 3901 a.a.O.), etwa wegen Einschränkung oder Aufgabe der Beschäftigung nach der Geburt eines Kindes (BT-Drucks 7/4127 a.a.O.). Dagegen soll der Steuerklassenwechsel unbeachtlich sein, wenn er unabhängig von einer steuerlichen Zweckmäßigkeit im Zeitpunkt der Vornahme allein wegen Arbeitslosigkeit erfolgt. So hat die Bundesregierung in der Begründung zu Art 20 Nr. 27 des Entwurfs eines Haushaltsstrukturgesetzes ausgeführt, daß ein Steuerklassenwechsel nur berücksichtigt wird, "wenn er - auch ohne die Arbeitslosigkeit - objektiv geboten war" (BT-Drucks 7/4127 S. 53). Die Änderung des § 113 Abs. 2 AFG durch das Steuerentlastungsgesetz 1981 hat diese Erwägung verallgemeinert. Sie bezweckt, daß kein Steuerklassenwechsel, der allein im Hinblick auf einen Lohnausfall bei einem der beiden Ehegatten vorgenommen wird, sich auf die Höhe des Alg auswirkt, wenn der Lohnausfall einen Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung begründet. Maßstab ist in diesen Fällen allein, ob der Lohnsteuerklassenwechsel ohne den Lohnausfall tunlich gewesen wäre (BSG SozR 4100 § 113 Nr. 3). Davon ist nach der Gesetzesintention nicht mehr die Rede, wenn er von den Ehegatten unter Inkaufnahme vorläufiger steuerrechtlicher Nachteile, die im Wege des Lohnsteuerjahresausgleichs bzw. bei der Einkommensteuerveranlagung wieder ausgeglichen werden können, nur deshalb durchgeführt wird, weil die Höhe des Alg von der eingetragenen Lohnsteuerklasse abhängt. Die bei der Lohnsteuerklassenwahl steuerrechtlich ergänzend zu berücksichtigende Überlegung, daß Lohnersatzansprüche von dem zuletzt bezogenen Nettoarbeitslohn abhängen können (z.B. Krankengeld und Mutterschaftsgeld), muß bei § 113 Abs. 2 AFG folglich außer Betracht bleiben (Hennig/Heuer/Kühl/Henke a.a.O., § 113 S. 186b, 186b/1).
Gleichzeitig will § 113 Abs. 2 Satz 3 AFG jedoch vermeiden, daß ein Steuerklassenwechsel nach Verlust von Einkommen stets zu einer niedrigeren Steuerklasse und damit zu einer für den Arbeitslosen ungünstigeren Leistungsgruppe führt (Gagel, a.a.O., § 113 RdNr 64). Ein Arbeitnehmer soll hinsichtlich der Höhe seines Alg nicht dadurch einen Nachteil erleiden, daß er während des Bezugs einer lohnsteuerfreien Lohnersatzleistung die Steuerklasse im Hinblick auf den Verdienst seines Ehegatten ändert und den tatsächlichen Einkommensverhältnissen anpaßt. Anderenfalls müßten Arbeitnehmer, um nicht im Falle der Arbeitslosigkeit bei der Berechnung des Alg nach einer ungünstigeren Leistungsgruppe bemessen zu werden, eine zu Beginn des Jahres eingetragene Lohnsteuerklasse selbst dann beibehalten, wenn dies im Zeitpunkt des Ausfalls von Arbeitslohn zu steuerrechtlichen Nachteilen führen müßte. Aus der Sicht der Schutzrichtung des § 113 Abs. 2 AFG ist es deshalb unerheblich, ob der Steuerklassenwechsel vorgenommen wird, weil bei einem Ehegatten ein Ausfall von Arbeitslohn vorliegt, der nach dem Wortlaut der Vorschrift einen Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung begründet, oder ob er vorgenommen wird, weil ein Ausfall von Arbeitslohn darauf beruht, daß ein Ehegatte den Erziehungsurlaub und das Erziehungsgeld in Anspruch nimmt. In beiden Fällen verlangt es nach Auffassung des Senats der dargestellte Gesetzeszweck, zur Berechnung des Alg auf diejenige Steuerklassenkombination abzustellen, die dem Verhältnis des Arbeitslohns des einen Ehegatten zu dem des nunmehr erwerbslosen Ehegatten vor Beginn des Arbeitslohn-ausfalls entspricht.
Diese Einordnung des Erziehungsgeldes in den Rahmen des § 113 Abs. 2 Satz 3 AFG, sei es im Wege der Analogie oder der Rechtsfortbildung, liegt auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Sowohl im Hinblick auf den Zweck des § 113 Abs. 2 AFG als auch im Hinblick auf die Regelungen des Bundeserziehungsgeldgesetzes besteht kein sachlicher Grund, einen Steuerklassenwechsel, der während der Zeit eines Ausfalls von Arbeitslohn stattfindet, in dem der Arbeitnehmer Erziehungsgeld bezieht,
anders zu behandeln als den Fall, in dem eine Arbeitnehmerin beim Wirksamwerden des Lohnsteuerklassenwechsels während des Mutterschaftsurlaubes Mutterschaftsgeld bezieht. So hat der Senat im Urteil vom 20. März 1984 (BSG SozR 4100 § 113 Nr. 3) entschieden, daß die Frage, ob das Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten den neu eingetragenen Lohnsteuerklassen entspricht, auch dann nach dem zuletzt erzielten Arbeitslohn der Arbeitnehmerin zu beurteilen ist, wenn diese während des Mutterschaftsurlaubes im Anschluß an die Schutzfrist des § 8a Mutterschutzgesetz Mutterschaftsgeld bezieht. Auch dieses Mutterschaftsgeld sollte, wie die Bundesregierung zur Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubes ausgeführt hat, es der Mutter erleichtern, den Urlaub in Anspruch zu nehmen und den Ausfall des Arbeitsentgelts - nach dessen Höhe ganz oder wenigstens zum Teil - auszugleichen (BT-Drucks 8/2613 S. 9, 10 und 21). Hiervon unterscheidet sich das Erziehungsgeld im wesentlichen nur dadurch, daß es nicht auf einen konkreten Ausfall von Arbeitslohn abstellt, sondern einen solchen als in der Regel typischerweise gegeben unterstellt. Es bei der Anwendung des § 113 Abs. 2 AFG anders als jenes zu behandeln, besteht erst recht kein Anlaß, wenn während des Bezugs von Erziehungsgeld ein zuvor erzielter Arbeitslohn tatsächlich ausfällt, wie es bei der Klägerin der Fall ist. Ob dasselbe auch in anderen Fällen gilt, bleibt ausdrücklich offen.
Die Revision der Beklagten bleibt sonach ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen