Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. März 1990 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die klagende Krankenkasse verlangt vom beklagten Versorgungsträger 37,26 DM ersetzt (§ 20 Bundesversorgungsgesetz … -BVG-). Diesen Betrag wandte sie 1987 für eine erneute ambulante ohrenärztliche Behandlung anerkannter Schädigungsfolgen (§ 1 BVG) bei dem Beschädigten E. auf, der bei ihr nicht versichert ist. Das Versorgungsamt erkannte die Voraussetzungen eines Ersatzanspruchs dem Grunde nach an, lehnte aber eine Erstattung ab, weil der Betrag unter der Bagatellgrenze des § 110 Satz 2 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren -(SGB X) liege. Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten zur Zahlung verurteilt (Urteil vom 17. August 1988). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 6. März 1990). Das Berufungsgericht hält ebenfalls den Ersatzanspruch aus § 20 BVG aufgrund eines durch § 18c Abs 1 Satz 3 BVG entstandenen Auftragsverhältnisses für begründet. § 20 BVG begrenze den Anspruch nicht auf einen Mindestbetrag. Die Regelung des § 110 Satz 2 SGB X, die solches für Erstattungsverfahren nach den §§ 102 ff SGB X vorschreibe, sei nicht auf die andersartigen Ansprüche aus den speziellen Vorschriften der §§ 19 und 20 BVG anzuwenden.
Der Beklagte vertritt mit seiner – vom LSG zugelassenen -Revision weiterhin die Auffassung, die Vorschrift des § 110 Satz 2 SGB X, die zur Vermeidung von Verwaltungsaufwand geschaffen worden sei, sei hier anzuwenden. Er und der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung als Vertreter der Beigeladenen bewerten die Begleitnormen der §§ 107 ff SGB X als Teile der Grundnormen des allgemeinen Erstattungsrechts. Diese seien für alle Erstattungsfälle gültig und somit auch für die speziell in den §§ 19 und 20 BVG geregelten des Versorgungsrechts, die ihrerseits keine Abweichungen vorschrieben. Das habe der Gesetzgeber in der Begründung zur Änderung und Ergänzung des § 21 BVG durch das Kriegsopferversorgungs-Anpassungsgesetz (KOVAnpG) 1990 klargestellt. Der Beklagte hält auch einen Einzelfall iS des § 110 Satz 2 SGB X in diesem einzelnen Behandlungsfall für gegeben.
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts und des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verweist ergänzend darauf, daß der Beschädigte E. ab 1. Quartal 1986 mit Ausnahme des 2. Quartals 1987 laufend Heilbehandlungen wegen der Schädigungsfolgen erhalten habe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg.
Das SG hat zu Recht, bestätigt durch das LSG, den Beklagten zur Zahlung des geltend gemachten Erstattungsbetrages verurteilt. Die Voraussetzungen für einen solchen Erstattungsanspruch aus § 20 BVG (hier idF der Bekanntmachung vom 22. Januar 1982 – BGBl I 21 -/27. Juni 1987 – BGBl I 1545 –) wegen Aufwendungen für die ärztliche Behandlung von Schädigungsfolgen durch die Klägerin (§ 9 Nr 9, § 10 Abs 1 Satz 1, § 11 Abs 1 Satz 1 Nr 1, § 18c Abs 1 Satz 3 BVG) sind unter den Beteiligten nicht streitig. Der Beklagte kann seine Weigerung, die Aufwendungen zu ersetzen, nicht auf § 110 Satz 2 SGB X (idF vom 4. November 1982 – BGBl I 1450) stützen. Diese Vorschrift, nach der nichts zu erstatten ist, wenn im Einzelfall der Erstattungsanspruch weniger als 50,– DM beträgt, ist hier nicht anzuwenden. Die §§ 19 und 20 BVG sind Spezialvorschriften iS des § 37 SGB – Allgemeiner Teil -≪SGB I≫ (idF des Art II § 15 Nr 1 Buchstabe p des Gesetzes vom 4. November 1982) für den Bereich der Kriegsopferversorgung, die auch bezüglich der Höhe und des Umfangs den Erstattungsvorschriften des SGB X vorgehen (vgl die Definition der Spezialvorschrift in BSGE 57, 274, 276 = SozR 1300 § 48 Nr 11, die allerdings richtig lauten muß: „… Gesetzesbegriffe, der – abstrakte – Tatbestand der einen Bestimmung alle Merkmale der anderen …”).
Aus der unterschiedlichen Rechtsnatur der in den §§ 19 und 20 BVG und der in den §§ 102 ff SGB X geregelten Erstattungsansprüche ist zu schließen, daß die §§ 107 bis 114 SGB X, die die §§ 102 ff SGB X ergänzen, nicht ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung auch für die §§ 19 und 20 BVG gelten. Wie in der Begründung zum Entwurf des KOV-Anpassungsgesetzes 1990 (BT-Drucks 11/6760, S 11) angenommen worden ist, mögen die §§ 107 bis 114 SGB X sich auch auf sämtliche anderen Erstattungsansprüche als die in den §§ 102 ff SGB X geregelten beziehen, die in besonderen Teilen des SGB geregelt sind (wie zB auf § 81b BVG; dazu BSG USK 8612; zu § 105 SGB X: BSG Urteil vom 14. Februar 1990 – 9a/9 RV 17/88 = Leistungen 1990, 366 – für den Fall der orthopädischen Leistung durch die unzuständige Krankenkasse). Aber es muß sich um gleichartige handeln, auf die die §§ 107 bis 114 SGB X passen. Sie alle müssen gemeinsam dadurch gekennzeichnet sein, daß der nach sachlichem Recht zuständige Träger zunächst nicht leistet und daß der ersatzbegehrende Träger einspringt. Darin gleichen sie den zivilrechtlichen Ansprüchen wegen ungerechtfertigter Bereicherung aus den §§ 812 ff Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-(Urteil vom 14. Februar 1990). Dagegen sind in den §§ 19 und 20 BVG Ersatzansprüche wegen Leistungen aufgrund eines gesetzlichen Auftrages (§ 18c Abs 1 Satz 2 BVG), also wegen einer Leistung mit Rechtsgrund speziell geregelt, und zwar nach dem privatrechtlichen Vorbild des § 670 BGB (BSG SozR 3100 § 20 Nr 4; Urteil des Senats vom 31. Mai 1989 – 9/9a RV 12/87 – = USK 89106 zum Ausschluß von § 111 SGB X; zu einem anderen gesetzlichen Auftrag: BSG SozR 2100 § 30 Nr 2, bes. S 4). Die Tatbestände der §§ 19 und 20 iVm § 18c Abs 1 Satz 2 BVG entsprechen keinem einzigen der §§ 102 bis 105 SGB X. Jene andersartigen Regelungen entsprechen den Auftragsvorschriften im Ersten Abschnitt des Dritten Kapitels des SGB X (insbes. § 93 iVm § 91 Abs 2 bis 3 SGB X). Schon nach der systematischen Gliederung des SGB X, die diesem rechtlichen Unterschied entspricht, besteht kein Anhalt für eine Anwendbarkeit der im Zweiten Abschnitt geregelten Erstattungsvorschriften, also auch der Begleitnormen der §§ 107 bis 114 SGB X auf Erstattungsfälle aus Auftragsrecht (Wannagat/Eichenhofer, SGB X/3 § 91 Rz 4; ergänzend Rz 1 vor §§ 102 bis 114; Schroeder-Printzen, in: Schroeder-Printzen/Engelmann/Schmalz/Wiesner/von Wulffen, SGB X, 2. Aufl 1990, Anm 6 vor § 102; noch undeutlich Urteil des Senats vom 10. Dezember 1987 – 9a RVi 3/85 = USK 87/91; SozR 2200 § 205 Nr 55 S 152; SozR 3100 § 16 Nr 4 S 8). Auch nach der Auffassung der Verwaltung gilt die Regelung der Erstattung von Verwaltungskosten in § 109 SGB X nicht für Ansprüche der Krankenkassen aus § 20 BVG; sie wird von der Sondervorschrift des § 20 BVG verdrängt.
Soweit der Gesetzgeber durch das KOV-Anpassungsgesetz 1990 (vom 26. Juni 1990 – BGBl I 1211 –) mit Wirkung ab 1. Juli 1990 (Art 13 Abs 1) die Anmelde- und die Verjährungsvorschriften des § 21 BVG durch verschiedene Verweisungen auf die §§ 111, 112 und 113 SGB X ergänzt hat, handelt es sich in Wahrheit – entgegen der Annahme in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 11/6760 S 11 zu Art 4 – § 21 –, zu a) – nicht um eine „Klarstellung”, sondern um eine Gesetzesänderung. Jedenfalls hat der Gesetzgeber nur einzelne ausdrücklich genannte Vorschriften der §§ 107 bis 114 SGB X in das Recht über die Erstattung von Aufwendungen, die die Krankenkassen aufgrund des gesetzlichen Auftrages machen, einbezogen und damit gerade – zutreffend – vorausgesetzt, daß diese allgemeinen Erstattungsbestimmungen nicht allgemein für das Sondergebiet der §§ 19 und 20 BVG iVm § 18c Abs 1 Satz 2 BVG gelten.
Wenn nach der Gesetzesbegründung die „Klarstellung” durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erforderlich geworden sein soll, die die §§ 107 bis 114 SGB X nicht auf Erstattungsfälle der §§ 19 und 20 BVG ausgedehnt hat (vgl Urteil des Senats vom 31. Mai 1989 – 9/9a RV 12/87 = USK 89106; dazu ablehnende Äußerung des BMA vom 13. Dezember 1989 in BABl 1990 Heft 2 S 138) und damit von der Begründung des Gesetzes vom 4. November 1982 (BT-Drucks 9/95 S 17, A II 2 S 24 zu Art I) abgewichen sei, so hat doch der Gesetzgeber selbst für die Zukunft grundsätzlich den Besonderheiten des Auftragsverhältnisses entsprochen und dadurch die frühere rechtsgestaltende Rechtsprechung des Senats bestätigt.
Die Meinungsäußerung in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 9/95, S 19), die Vorschrift des § 91 Abs 2 SGB X (§ 92 Abs 2 des Entwurfes) über die volle Erstattung der durch die Ausführung des Auftrages entstandenen Kosten gehe der Kostenregelung des § 109 (§ 115 des Entwurfes) vor, scheint davon auszugehen, daß grundsätzlich die §§ 107 bis 114 SGB X ebenfalls für Auftragsverhältnisse gelten sollen. Sie betrifft jedoch Auftragsfälle, zu denen die in § 18c Abs 1 Satz 2 BVG iVm §§ 19, 20 BVG geregelten nicht gehören; denn § 93 SGB X erklärt § 91 Abs 2 gerade nicht für entsprechend anwendbar. Im übrigen hätte der Gesetzgeber, selbst wenn er allgemein die §§ 107 ff SGB X (§§ 113 ff des Entwurfes) auf das Auftragsrecht hätte anwenden wollen, dies durch eine entsprechende Gesetzesregelung zum Ausdruck bringen müssen.
Die gemeinsame Bezeichnung der Ersatzansprüche aus den §§ 19 und 20 BVG und der Erstattungsansprüche iS der §§ 102 ff SGB X mit „Erstattungsansprüchen” – auch in § 18c und in § 21 BVG – (Art II § 9 Nrn 2 bis 5 des Gesetzes vom 4. November 1982) genügt für sich allein nicht, um die §§ 107 ff SGB X ua für die §§ 19 und 20 BVG gelten zu lassen.
Der umstrittene Anspruch wird nicht deshalb ausgeschlossen, weil § 21 Abs 2 BVG idF des KOV-Strukturgesetzes 1990 (vom 23. März 1990 – BGBl I 582 –) eine Beziehung des § 110 Satz 2 SGB X zu den §§ 19 und 20 BVG herstellt. Nach dieser Vorschrift kann die Krankenkasse „Erstattungen nach den §§ 19 und 20 BVG auch unterhalb des in § 110 Satz 2 SGB X genannten Betrages verlangen, wenn der Gesamtbetrag des Kostennachweises diesen Betrag erreicht”. Diese Regelung läßt darauf schließen, daß nach der Vorstellung des Gesetzgebers § 110 Satz 2 SGB X auch schon vor dem Inkrafttreten dieser neuen Regelung für Fälle der §§ 19 und 20 BVG gelten sollte, auf die sich § 21 BVG bezieht. Maßgebend für die Beurteilung von Erstattungsansprüchen zwischen Sozialleistungsträgern ist aber das Recht, das zur Zeit der geltend gemachten Aufwendung galt (stRspr, zB BSG SozR 2200 § 205 Nr 55). Selbst wenn das Recht zur Zeit des Geltendmachens ausschlaggebend wäre, hätte sich die Rechtslage in diesen Fällen nicht geändert. § 21 Abs 2 BVG in der Neufassung ist erst am 1. April 1990 in Kraft getreten (Art 4 KOV-Strukturgesetz 1990; allgemein für neue anspruchsbegründende Regelungen: BSGE 49, 148, 149 = SozR 5670 Anl 1 Nr 4302 Nr 1; BSGE 55, 120, 122 = SozR 2200 § 1237 Nr 19). Das Gesetz enthält keine dem Art II § 21 des Gesetzes vom 4. November 1982 entsprechende Überleitungsvorschrift für anhängige Verfahren.
Die Vorstellung des Gesetzgebers, § 110 Satz 2 SGB X habe schon vor dem Inkrafttreten des KOV-Strukturgesetzes 1990 für Ansprüche aus den §§ 19 und 20 BVG uneingeschränkt gegolten (BT-Drucks 11/5831, Begründung S 11 f, wiederholt in BT-Drucks 11/6760, S 11 zu Nr 4 Buchstabe b), paßte im übrigen nicht zu der systemgemäßen Einschränkung des § 21 Abs 2 BVG nF, die erst neu geschaffen worden ist. Diese Sonderregelung für das Recht der KOV stellt es gerade sachgemäß auf den Mindest-Gesamtbetrag ab, den eine Krankenkasse im „Kostennachweis” verlangt. Der Kostennachweis ist aber nicht auf die Abrechnung für einen einzelnen Behandlungsfall eines Beschädigten beschränkt, den die Bagatellvorschrift des § 110 Satz 2 SGB X regelt (dazu BSGE 60, 195, 196 f = SozR 1300 § 110 Nr 1; BSG USK 8683; BSG 22. August 1990 – 8 RKn 5/90 –), sondern umfaßt alle Ersatzansprüche derselben Kasse aus den §§ 19 und 20 BVG für ein Kalendervierteljahr mit Hauptbelegen für die einzelnen Beschädigten (Verwaltungsvorschriften Nrn 4 und 5 zu § 19, Nrn 3 bis 5 zu § 20 BVG; Gesetzesbegründung, S 12). Die Besonderheiten der auf Dauer angelegten Auftragsverwaltung der Krankenkassen für die Versorgungsträger lassen keinen Bedarf für eine auf „Einzelfälle” abgestellte Bagatellvorschrift entstehen, die die Verwaltung entlasten soll. Die Krankenkassen, die die Heilbehandlung wegen der von der Versorgungsverwaltung anerkannten Schädigungsfolgen für alle Beschädigten und für jeden Beschädigten für die Dauer der Anerkennung zu erbringen haben, verursachen der Versorgungsverwaltung jeweils Verwaltungsarbeit nur für diese Gesamtheit pro Kalendervierteljahr, so daß auch für die Zukunft keine Änderung hinsichtlich der Erstattungspflicht eintreten wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen