Beteiligte
30. April 1997 …, Klägerin und Revisionsklägerin |
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Ruhrstraße 2, 10709 Berlin, Beklagte und Revisionsbeklagte |
Versorgungswerk der rheinland-pfälzischen Rechtsanwaltskammern, Bahnhofstr. 12, 56068 Koblenz |
Tatbestand
G r ü n d e :
I
Die Beteiligten streiten über den Fortbestand einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht.
Die 1959 geborene Klägerin nahm im Mai 1990 eine Beschäftigung als angestellte Rechtsanwältin in einer Anwaltssozietät auf und wurde am 1. Juni 1990 Pflichtmitglied eines Versorgungswerks für Rechtsanwälte. Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, bei der die Nachversicherung für die Referendarzeit durchgeführt worden war, befreite die Klägerin mit Wirkung vom 1. Juni 1990 antragsgemäß nach § 7 Abs 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung (Bescheid vom 22. August 1990). Der Bescheid enthält außer dem Ausspruch der Befreiung und ihres Beginns im vorgedruckten Text noch Angaben zur Befreiung. Ua heißt es dort: "Die Befreiung gilt für die Dauer der Pflichtmitgliedschaft und einer daran anschließenden freiwilligen Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung, soweit Versorgungsabgaben in gleicher Höhe geleistet werden, wie ohne die Befreiung Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten zu entrichten wären. Werden mehrere Beschäftigungen ausgeübt, so gilt die Befreiung nur für die Beschäftigung, auf der die Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung beruht und nach deren Arbeitsentgelt die Versorgungsabgaben zu berechnen sind." Des weiteren wurde in dem Bescheid darauf hingewiesen, daß bei Wegfall der Voraussetzungen des § 7 Abs 2 AVG die Befreiung nach § 48 Abs 1 des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren (SGB X) zu widerrufen ist.
Nachdem die Klägerin im Februar 1993 als Juristin bei einem privaten Versicherungsunternehmen angestellt worden war, verzichtete sie im Mai 1993 auf die Rechte aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und schied aus der Rechtsanwaltskammer aus. Ihre damit endende Pflichtmitgliedschaft beim Versorgungswerk setzte sie als freiwillige Mitgliedschaft fort. Daraufhin "widerrief" die Beklagte nach Anhörung der Klägerin mit Bescheid vom 23. November 1993 gemäß § 48 Abs 1 SGB X die Befreiung rückwirkend zum 6. Mai 1993. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Befreiung seien weggefallen, weil die Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer geendet habe. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch änderte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 1994 den Bescheid vom 23. November 1993 dahin, daß die Befreiung erst am 30. November 1993 ende; im übrigen wies sie den Widerspruch zurück.
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage mit Urteil vom 6. März 1995 stattgegeben. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, weil die an die Pflichtmitgliedschaft anschließende freiwillige Mitgliedschaft beim Versorgungswerk ein Fortbestehen der Befreiung rechtfertige. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) nach Beiladung des Versorgungswerks das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 23. Februar 1996). Die Beklagte habe die Befreiung mit Wirkung für die Zukunft zurücknehmen dürfen, weil mit dem Ausscheiden der Klägerin aus der Rechtsanwaltskammer und der damit verbundenen Beendigung der Pflichtmitgliedschaft beim Beigeladenen die Voraussetzungen für die Befreiung entfallen seien. Damit sei eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten. Auch der Hinweis im Befreiungsbescheid vom 22. August 1990, die Befreiung gelte auch für die Dauer einer im Anschluß an die Pflichtmitgliedschaft begründeten freiwilligen Mitgliedschaft bei der Beigeladenen, führe nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Befreiung bleibe nicht aufgrund der Übergangsvorschrift des § 231 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) bestehen, denn die Klägerin habe ihre jetzige Beschäftigung bei dem Versicherungsunternehmen erst nach dem 31. Dezember 1991 aufgenommen. Die Klägerin werde nicht in ihren Grundrechten verletzt.
Mit der Revision rügt die Klägerin, das Urteil des LSG verletze § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X sowie Art 2, Art 3, Art 12 Abs 1 und Art 14 Abs 1 des Grundgesetzes (GG).
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
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das Urteil des LSG vom 23. November 1996 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 6. März 1995 zurückzuweisen. |
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Die Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen. |
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Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Wie das LSG zutreffend entschieden hat, hat die Beklagte den Befreiungsbescheid vom 22. August 1990 mit Wirkung für die Zukunft zu Recht aufgehoben.
Einer notwendigen Beiladung des derzeitigen Arbeitgebers der Klägerin nach § 75 Abs 2 Satz 1 Alternative 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bedurfte es nicht. Denn mit dem "Widerruf" der Befreiung wird nicht unmittelbar in dessen Rechtssphäre eingegriffen, wie dies für eine notwendige Beiladung erforderlich ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 75 Nr 2 mwN). Der Befreiungsbescheid wurde unabhängig vom Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses allein deshalb aufgehoben, weil die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Rechtsanwaltskammer geendet hatte. Somit brauchte die Entscheidung - anders als bei Streitigkeiten über die Versicherungs- und Beitragspflicht Beschäftigter (vgl BSGE 25, 34, 35 = SozR Nr 9 zu § 1399 RVO; BSG SozR 1500 § 75 Nr 36 und Nr 56) - auch dem Arbeitgeber gegenüber nicht einheitlich zu ergehen.
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Dieses traf hier zu. Der Befreiungsbescheid vom 22. August 1990 stellt einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar (vgl BSGE 69, 255, 257 unten = SozR 3-1300 § 48 Nr 13 S 19, 20; BSG SozR 3-2940 § 7 Nr 2 S 5). Die Beklagte hat allerdings im Verfügungssatz des angefochtenen Bescheids den Befreiungsbescheid im Wortsinne nicht aufgehoben, sondern das Wort "widerrufen" gebraucht, das nach der Terminologie des SGB X bei der Rückgängigmachung von rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakten verwendet wird (§ 47 SGB X). Damit hat sie jedoch inhaltlich eine Aufhebung ausgesprochen.
Im Ausscheiden aus der Rechtsanwaltskammer und der damit verbundenen Aufgabe des Rechtsanwaltsberufs im Mai 1993 liegt eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X. Hierunter werden rechtserhebliche Änderungen verstanden (vgl BSG SozR 2200 § 1255a Nr 19 S 56; BSGE 59, 111, 112 = SozR 1300 § 48 Nr 19 S 36), die dazu führen, daß die Behörde unter den nach Eintritt der Änderung vorliegenden objektiven Verhältnissen den ergangenen Verwaltungsakt nicht hätte erlassen dürfen (BSG SozR 1300 § 48 Nr 22 S 50).
Bei der Klägerin waren die Voraussetzungen für die mit Wirkung vom 1. Juni 1990 erteilte Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zunächst erfüllt. Dies ergab sich bis Ende Dezember 1991 aus dem am 1. Januar 1992 außer Kraft getretenen § 7 Abs 2 AVG in der am 1. Juli 1979 in Kraft getretenen Fassung des Art 3 Nr 2 Buchst b des Gesetzes zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs vom 25. Juni 1979 (BGBl I 797). Danach wurden Personen auf ihren Antrag von der Versicherungspflicht befreit, die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe waren, wenn für die angestellten Mitglieder nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten waren und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall der Invalidität und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepaßt wurden, wobei auch die finanzielle Lage der Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen war.
Seit dem 1. Januar 1992 gilt für die Befreiung der Mitglieder von berufsständischen Versorgungseinrichtungen § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI (vgl Art 85 des Rentenreformgesetzes 1992 [RRG 1992] vom 18. Dezember 1989 [BGBl I 2261]). Nach dieser Vorschrift, deren hier maßgebliche ursprüngliche Fassung (aF) bis zum 31. Dezember 1995 gültig blieb, werden Angestellte und selbständig Tätige, die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe sind (berufsständische Versorgungseinrichtung), von der Versicherungspflicht befreit, wenn für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepaßt werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist. Die Vorschrift entspricht im wesentlichen § 7 Abs 2 AVG, was in der Begründung zu Art 1 § 6 Abs 1 Nr 1 des Entwurfs eines RRG 1992, der in dieser Fassung Gesetz geworden ist, bestätigt wird (vgl BT-Drucks 11/4124 S 151).
Die Klägerin erfüllte in der Zeit vom 1. Juni 1990 bis Ende Dezember 1991 die Voraussetzungen des § 7 Abs 2 AVG und anschließend bis Mai 1993 die des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI aF; denn sie war nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG in dem gesamten Zeitraum aufgrund landesgesetzlicher Verpflichtung als Rechtsanwältin Pflichtmitglied des Beigeladenen als eines berufsständischen Versorgungswerks iS beider Vorschriften.
Offenbleiben kann, ob in der Zeit von Januar 1992 bis Mai 1993 die Befreiung der Klägerin statt nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI aF nach der Übergangsvorschrift des § 231 Satz 1 SGB VI aF (seit 1996: § 231 Abs 1 Satz 1 SGB VI) erhalten blieb. Nach dieser am 1. Januar 1992 in Kraft getretenen Vorschrift idF des Art 1 RRG 1992 bleiben Personen, die am 31. Dezember 1991 von der Versicherungspflicht befreit waren, in derselben Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit von der Versicherungspflicht befreit. Es ist bereits fraglich, ob die Regelung überhaupt auf Befreiungen nach § 7 Abs 2 AVG Anwendung findet. Denn § 228 SGB VI, mit dem der Erste Abschnitt des Fünften Kapitels des SGB VI eingeleitet wird, legt grundsätzlich fest, daß die Vorschriften des Fünften Abschnitts, zu denen auch § 231 gehört, die Vorschriften der vorangehenden Kapitel für Sachverhalte ergänzen, die von dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschriften der vorangehenden Kapitel an nicht mehr eintreten können; letzteres trifft aber grundsätzlich für eine nach § 7 Abs 2 AVG ausgesprochene Befreiung nicht zu, weil § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI aF ein dem § 7 Abs 2 AVG im wesentlichen gleiches Befreiungsrecht vorsieht. Aber selbst wenn § 231 Satz 1 SGB VI aF hier anzuwenden wäre, führte dies wie die Anwendung des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI aF dazu, daß die Klägerin bis Mai 1993 zu Recht von der Versicherungspflicht befreit war.
Mit der Aufgabe des Rechtsanwaltsberufs und dem damit verbundenen Ausscheiden aus der Rechtsanwaltskammer im Mai 1993 endete die Pflichtmitgliedschaft der Klägerin beim beigeladenen Versorgungswerk. Von diesem Zeitpunkt an entfielen auch die Voraussetzungen für die Befreiung. Dies folgt schon daraus, daß nach § 6 Abs 5 Satz 1 SGB VI eine Befreiung ausdrücklich auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt ist. Sie erstreckt sich demnach grundsätzlich nur auf die jeweilige Beschäftigung oder die Tätigkeit, für welche sie ausgesprochen war. Auch wenn man annehmen sollte, die Befreiung der Klägerin habe in der Zeit von Januar 1992 bis Mai 1993 auf § 231 Satz 1 SGB VI aF beruht, endete sie mit der Aufgabe der Beschäftigung als angestellte Rechtsanwältin, denn nach dieser Vorschrift wird die Befreiung nur für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit aufrechterhalten, die am 31. Dezember 1991 ausgeübt wurde.
Daß die Befreiung der Klägerin nach ihrem Ausscheiden aus dem Rechtsanwaltsberuf im Mai 1993 nicht mehr gerechtfertigt war, ergibt sich auch aus § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI aF und entsprach mithin der früheren Regelung des § 7 Abs 2 AVG. So war von diesem Zeitpunkt an die Klägerin nicht mehr aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks, sondern nur noch dessen freiwilliges Mitglied. Daß ihre Beschäftigung als angestellte Juristin bei einem Versicherungsunternehmen ihrer vorherigen Beschäftigung als angestellter Rechtsanwältin inhaltlich ähnlich sein mag, rechtfertigt die Fortdauer der Befreiung nicht, weil eine Pflichtmitgliedschaft im beigeladenen Versorgungswerk nur für Rechtsanwälte als Mitglieder der Rechtsanwaltskammer, nicht aber für andere Juristen vorgeschrieben ist (vgl § 1 Abs 1 des Landesgesetzes über die rheinland-pfälzische Rechtsanwaltsversorgung vom 29. Januar 1985, GVBl S 37).
Die freiwillige Mitgliedschaft der Klägerin beim Versorgungswerk berechtigte weder zur Erteilung noch zur Aufrechterhaltung einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. Denn wenn § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI aF (§ 7 Abs 2 AVG) für die Befreiung eine durch Gesetz angeordnete oder auf Gesetz beruhende Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk voraussetzt, so ist damit nur eine Pflichtmitgliedschaft gemeint. Ferner ist nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI aF (§ 7 Abs 2 AVG) Voraussetzung für die Befreiung, daß nach näherer Maßgabe der Satzungen der Versorgungseinrichtungen einkommensbezogene Beiträge zu entrichten sind. Letzteres ist in der Satzung des beigeladenen Versorgungswerks nur für die Pflichtmitglieder sichergestellt, nicht aber für freiwillige Mitglieder. Diese sind weder gesetzlich noch nach der Satzung verpflichtet, regelmäßig Beiträge zu entrichten, die sich nach dem Einkommen richten.
Der Aufhebung der Befreiung bei nur freiwilliger Mitgliedschaft eines Versicherten in einem berufsständischen Versorgungswerk, der nicht mehr der von dieser Einrichtung geschützten Berufsgruppe angehört, steht das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. September 1963 (BSGE 20, 37 = SozR Nr 3 zu § 7 AVG) nicht entgegen. Diese Entscheidung betraf einen angestellten Arzt, bei dem die Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung wegen Umzugs in ein anderes Bundesland geendet hatte und der bei Aufrechterhaltung seiner ärztlichen Tätigkeit als freiwilliges Mitglied weitergeführt wurde. Das Urteil ist schon deshalb nicht auf das vorliegende Verfahren übertragbar, weil hier die Klägerin - anders als der Arzt des früheren Verfahrens - nach Ausscheiden aus der Pflichtmitgliedschaft beim Versorgungswerk nicht mehr der Berufsgruppe angehörte, für die es errichtet worden ist. Hinzu kommt, daß die genannte Entscheidung zu dem (ursprünglichen) § 7 Abs 2 AVG (aF) idF des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 23. Februar 1957 (BGBl I 88) ergangen ist. Nach § 7 Abs 2 AVG aF kam es für die Befreiung nicht darauf an, daß die Rentenleistungen des Versorgungswerks der Art nach denen der gesetzlichen Rentenversicherung entsprachen. Auch wurden einkommensabhängige Beiträge nicht vorausgesetzt. Im übrigen trat bis zur Abschaffung der Jahresarbeitsverdienstgrenze in der Angestelltenversicherung ab 1968 bei angestellten Ärzten häufig der Fall ein, daß sie ein über dieser Grenze liegendes Gehalt hatten oder jedenfalls künftig erwarten konnten. Unter diesen Umständen wurde mit der Fortdauer der Befreiung bei Ausscheiden eines Arztes aus einer Versorgungseinrichtung als Pflichtmitglied und Weiterführung als freiwilliges Mitglied ein für angestellte Ärzte damals typischer Status der Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung aufrechterhalten. Nachdem seit 1968 alle Angestellten rentenversicherungspflichtig sind und damit die Versicherungspflicht für alle Angestellten typisch ist, spricht auch dieses nunmehr dafür, bei nur freiwilliger Mitgliedschaft in einer Versorgungseinrichtung die Fortdauer einer Befreiung zu verneinen. Schließlich steht auch das Urteil des BSG vom 16. Dezember 1975 (BSGE 41, 93 = SozR 2400 § 10 Nr 1) dem hier gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Dort ging es nicht - wie hier - um die Rechtmäßigkeit der Aufhebung eines Befreiungsbescheides. Vielmehr wurde eine Ärztin, die nach § 7 Abs 2 AVG aF von der Versicherungspflicht befreit war, dann aber ihre Berufstätigkeit aufgegeben hatte, auch während der beruflosen Zeit als befreit angesehen, weil der Befreiungsbescheid nach Aufgabe der Berufstätigkeit nicht aufgehoben worden war.
Soweit § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI eine wegen der Pflichtmitgliedschaft in einer Versorgungseinrichtung bestehende Befreiung nach § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI auch auf andere versicherungspflichtige Beschäftigungen oder Tätigkeiten als die, wegen der befreit worden ist, erstreckt, kann dies bei der Klägerin nicht zu einer Fortdauer der Befreiung führen. Zweifelhaft ist bereits, ob § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI hier überhaupt anwendbar ist. Jedenfalls ist die neue Beschäftigung der Klägerin als Angestellte eines Versicherungsunternehmens weder im voraus zeitlich begrenzt, noch gewährleistet das beigeladene Versorgungswerk für die Zeit dieser Beschäftigung den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften.
Die Aufhebung des Befreiungsbescheids vom 22. August 1990 nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X war entgegen der Ansicht der Revision nicht deshalb rechtswidrig, weil sich aus ihm ein Fortbestehen der Befreiung für die Dauer der freiwilligen Mitgliedschaft beim Versorgungswerk auch bei Ausscheiden aus dem Rechtsanwaltsberuf herleiten ließe.
Die rechtliche Regelung iS des § 31 Satz 1 SGB X (Verfügungssatz), die der Befreiungsbescheid enthält, liegt allein in der Befreiung von der Versicherungspflicht und der Bestimmung ihres Beginns. Wie der Senat zu einem gleichartigen Bescheid bereits entschieden hat (BSG SozR 3-2940 § 7 Nr 2 S 4), stellen die Ausführungen zur Fortdauer der Befreiung bei freiwilliger Mitgliedschaft im Versorgungswerk weder eine rechtliche Regelung iS des § 31 Satz 1 SGB X noch eine Nebenbestimmung (Befristung, Bedingung oder Auflage) iS des § 32 SGB X dar. Vielmehr handelt es sich nur um einen von mehreren Hinweisen, mit denen die Beklagte den Befreiungsbescheid erläutert hat. Dies ergibt sich auch daraus, daß die Beklagte auf § 48 SGB X Bezug genommen und damit zum Ausdruck gebracht hat, daß die Befreiung nicht durch künftig eintretende Sachverhalte von selbst endet, sondern durch eine Aufhebung des Befreiungsbescheids mit Bescheid beendet wird. Die Klägerin kann das Fortbestehen der Befreiung auch nicht aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verlangen. Selbst wenn man in dem genannten Hinweis eine fehlerhafte Beratung sähe, dürften seine die Klägerin belastenden Folgen nicht dadurch beseitigt werden, daß von einer Aufhebung des Befreiungsbescheides abgesehen wird. Da beim Herstellungsanspruch das Sozialrechtsverhältnis so gestaltet werden soll, wie es ohne Pflichtverletzung bestanden hätte, läßt sich mit seiner Hilfe ein pflichtwidriges Verwaltungshandeln nur ausgleichen, soweit die begehrte Amtshandlung rechtlich zulässig ist (vgl BSG SozR 3-2940 § 124 Nr 1 S 4 mwN). Die Nichtaufhebung des Befreiungsbescheids wäre aber rechtswidrig und daher unzulässig, weil die Beklagte verpflichtet ist, ihn bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Hiervon hat sie in rechtlich einwandfreier Weise Gebrauch gemacht.
Die Klägerin wird durch die Aufhebung des Befreiungsbescheids nicht in ihren Grundrechten verletzt. Die Eigentumsgarantie des Art 14 GG ist nicht verletzt. Die Befreiung selbst genießt nicht den Schutz der Eigentumsgarantie, weil sie keine Rechtsposition darstellt, die auf Eigenleistungen des Versicherten beruht (vgl BVerfGE 69, 272 = SozR 2200 § 165 Nr 81). Es liegt auch kein den Art 14 GG verletzender Eingriff in die erworbene Anwartschaft auf Leistungen des beigeladenen Versorgungswerks vor; denn eine dort erworbene Anwartschaft bleibt von der nunmehr eingetretenen Versicherungspflicht in der Rentenversicherung unberührt. Der Klägerin ist auch keine Rechtsposition des Inhalts eingeräumt worden, die Anwartschaft im Versorgungswerk unbelastet von einer Versicherungspflicht in der Rentenversicherung aufbauen zu können. Sie mußte vielmehr damit rechnen, daß berufliche Veränderungen zur Beendigung der Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk und zur Beendigung der Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung führten. Die hierbei möglicherweise entstehenden Nachteile verkennt der Senat nicht. Sie liegen bei der Klägerin darin, daß ihr einerseits noch drei Jahre nach Aufhebung der Befreiung keine Anwartschaft auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zustand (§ 43 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und § 44 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB VI) und andererseits keine ausreichende entsprechende Anwartschaft beim Versorgungswerk besteht. Derartige Nachteile, die im Falle der Klägerin durch freiwillige Beiträge zum Versorgungswerk gemindert werden konnten, sind aber bei der gleichzeitigen Zulassung verschiedener Vorsorgesysteme wie berufsständischer Versorgung und gesetzlicher Rentenversicherung und einem Beschäftigungswechsel, wie ihn die Klägerin vorgenommen hat, unvermeidbar. Der Gesetzgeber ist unter Beachtung der Belange der Solidargemeinschaft der Versicherten in der Rentenversicherung von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, für die verschiedenen Fälle möglicher Systemwechsel jeweils Regelungen zu treffen, die den Betreffenden vor jedem Nachteil schützen. Insbesondere ist der Gesetzgeber wegen der Verschiedenheit der Systeme, der unterschiedlichen Versicherungsrisiken und der Finanzierung der Renten aus dem jeweiligen Beitragsaufkommen verfassungsrechtlich nicht gehalten, bestehende Rentenanwartschaften bei Ausscheiden aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung von dieser auf die gesetzliche Rentenversicherung zu übertragen. Das Grundrecht auf Freiheit der Berufswahl (Art 12 Abs 1 Satz 1 GG) ist ebenfalls nicht verletzt. Als Vorschriften, die eine Doppelpflichtversicherung vermeiden helfen, stehen § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI aF und § 6 Abs 5 SGB VI weder in engem Zusammenhang mit der Wahl oder Ausübung eines Berufs noch weisen sie eine deutlich erkennbare berufsregelnde Tendenz auf (vgl BVerfGE 52, 42, 54; 70, 191, 214; BSG SozR 3-5428 § 4 Nr 1). Auch ist das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit des Art 2 Abs 1 GG nicht verletzt, weil die mangels fortbestehender Befreiung eingetretene Versicherungspflicht der Klägerin in ihrem jetzigen Beschäftigungsverhältnis (§ 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI) Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung ist, welche die freie Entfaltung der Persönlichkeit iS einer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit begrenzt (vgl BVerfGE 29, 221, 241-243 = SozR Nr 7 zu Art 2 GG). Schließlich ist auch der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG nicht dadurch verletzt, daß die Klägerin sich nicht wie eine angestellte Rechtsanwältin, die Pflichtmitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung ist, von der Versicherungspflicht befreien lassen kann. Vom BVerfG ist anerkannt, daß für Angehörige einer bestimmten Berufsgruppe durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes ohne Verstoß gegen das GG die Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung vorgeschrieben werden darf (vgl BVerfGE 10, 354 und BVerfG NJW 1990, 1653). Werden somit dem Berufsstand der Rechtsanwälte - anders als den übrigen Juristen - aufgrund landesgesetzlicher Regelungen ohne Verfassungsverstoß besondere Pflichten auferlegt, so erscheint es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar, daß sich nur ein diesen Pflichten unterliegender angestellter Rechtsanwalt von der zusätzlich auf ihm lastenden Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen kann, während der nicht dem genannten Berufsstand angehörende angestellte Jurist nicht mit einer derartigen doppelten Pflicht belastet ist und daher auch keiner Entlastung durch ein Befreiungsrecht bedarf.
Hiernach war die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen
Haufe-Index 517688 |
DStR 1998, 906 |