Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Versicherungspflicht. Studenten. Beiträge. Abendgymnasium. Zweiter Bildungsweg. Altersgrenze. Hinderungsgründe. Ursächlichkeit. Berufstätigkeit. Betreuung. Kinder

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Studenten, wenn sowohl vor Beschreiten des Zweiten Bildungswegs als auch nach dessen Abschluß jeweils über längere Zeit Kinder betreut worden sind, aber auch eine Berufstätigkeit ausgeübt worden ist (Anschluß an BSGE 71, … = SozR 3-2500 § 5 Nr 4 und SozR 3 aaO Nr 8).

 

Normenkette

SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 9, § 190 Abs. 12; SGG §§ 162-163, 202; ZPO § 562; BAföG § 10 Abs. 3; AFG § 155; RVO § 165 Abs. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 16.12.1992; Aktenzeichen L 4 Kr 187/91)

SG Stade (Urteil vom 07.11.1991; Aktenzeichen S 4 Kr 86/90)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 16. Dezember 1992 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten um das Ende der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Studenten (KVdS).

Die 1941 geborene Klägerin verbrachte nach Abschluß der Mittleren Reife im Jahre 1958 zwei Jahre in England und begann 1960 eine Lehre als Hotelfachfrau, die sie nicht mit einer Prüfung abschloß. Aus ihrer 1961 geschlossenen ersten Ehe sind nach einer Fehlgeburt im Jahre 1962 ihre 1963, 1965, 1969 und 1971 geborenen Kinder hervorgegangen. 1974 nahm sie eine Tätigkeit als Journalistin auf, daneben besuchte sie seit 1978 ein Abendgymnasium. 1980 wurde ihre Ehe geschieden. Im Oktober desselben Jahres erlangte sie im Zweiten Bildungsweg das Abitur und die Hochschulzulassung. Nach ihren Angaben erkrankte ihre 1965 geborene Tochter bereits 1981/82 an Magersucht oder endogener Psychose und wurde nachweislich seit 1986 wegen schwerer endogener Psychose behandelt. Ende März 1988 beendete die Klägerin ihre journalistische Tätigkeit und nahm am 1. April 1988 ein Studium im sozialökonomischen Studiengang an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in Hamburg auf. Wegen Bezugs von Arbeitslosengeld war sie von April 1988 bis zum 27. Januar 1990 versicherungspflichtig und Mitglied der beklagten Ersatzkasse. Mit Bescheid vom 20. Februar 1990 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin in der KVdS bis zum 30. September 1990 zu einem Monatsbeitrag von 65,25 DM fest. Mit einem weiteren Bescheid vom selben Tage stufte die Beklagte die Klägerin mit Wirkung vom 1. Oktober 1990 als freiwilliges Mitglied in die Versicherungsklasse 409 bei einem Monatsbeitrag von 98,70 DM ein. Der gegen beide Bescheide erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 3. August 1990).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 7. November 1991 abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 16. Dezember 1992 zurückgewiesen. Die Überschreitung der Altersgrenze von 30 Jahren in der KVdS sei für die Zeit vom 1. Oktober 1990 an weder durch die Art der Ausbildung noch durch familiäre oder persönliche Gründe gerechtfertigt. Die Geburten ihrer Kinder sowie deren Versorgung und Betreuung hätten es nicht gerechtfertigt, den Zweiten Bildungsweg erst 1978 zu beginnen; spätestens 1974 sei sie hierzu in der Lage gewesen. Auch die Betreuung ihrer erkrankten Tochter sei kein ausreichender Grund dafür gewesen, daß sie mit dem Studium erst 1988 begonnen habe; denn trotz dieser Betreuung habe sie eine berufliche Tätigkeit als Journalistin ausgeübt.

Gegen das Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie eine Verletzung des § 5 Abs 1 Nr 9 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) rügt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG vom 16. Dezember 1992 und das Urteil des SG vom 7. November 1991 aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom 20. Februar 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. August 1990 insoweit aufzuheben, als die Versicherungspflicht in der KVdS zum 30. September 1990 endet, und festzustellen, daß sie über den 30. September 1990 hinaus für die Dauer ihres Studiums in der KVdS versicherungspflichtig ist.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, daß die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind. Die Klägerin ist aus der Versicherungspflicht als Studentin ausgeschieden.

Als die Klägerin 1988 im Alter von 46 Jahren mit ihrem Studium begann, richtete sich die Versicherungspflicht der Studenten nach den damals noch geltenden Vorschriften des Zweiten Buchs der Reichsversicherungsordnung (RVO). Dieses war durch das Gesetz über die Krankenversicherung der Studenten (KVSG) vom 24. Juni 1975 (BGBl I 1536) um die KVdS erweitert worden. Nach § 165 RVO wurden – unabhängig von ihrem Alter – eingeschriebene Studenten der staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen für den Fall der Krankheit versichert (Abs 1 Nr 5); Voraussetzung hierfür war, daß die Studenten nicht nach Absatz 1 Nr 1 bis 4 dieser Vorschrift (insbesondere als Arbeitnehmer) oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften (zB als Arbeitslose nach § 155 des Arbeitsförderungsgesetzes ≪AFG≫) versicherungspflichtig waren (§ 165 Abs 6 Satz 2 RVO).

Mit dem am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen Gesundheits-Reformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) ist die Versicherungspflicht der Studenten eingeschränkt worden. Seither (nach der Übergangsregelung des Art 56 Abs 6 GRG seit 1. April 1989) sind Studenten nach § 5 Abs 1 Nr 9 Halbs 1 SGB V grundsätzlich nur noch bis zum Abschluß des 14. Fachsemesters, längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres versicherungspflichtig. Nach § 5 Abs 7 Satz 1 SGB V iVm § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V sind Studenten nicht als solche versicherungspflichtig, wenn sie ua als Leistungsempfänger der Arbeitslosenversicherung nach näherer Bestimmung des AFG versicherungspflichtig sind.

Die Klägerin, die bis zum 27. Januar 1990 Arbeitslosengeld bezog, war nach § 155 AFG für den Fall der Krankheit versicherungspflichtig und gehörte während dieser Zeit weder nach dem früheren noch nach dem neuen Recht der KVdS an. Für die anschließende Zeit hat die Beklagte ihre Versicherungspflicht in der KVdS in einem ihrer Bescheide vom 20. Februar 1990 bis zum 30. September 1990 festgestellt. Ob dies zu Recht geschehen ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden; denn der Bescheid ist insofern nicht angefochten.

Über den 30. September 1990 hinaus hat die Versicherungspflicht der Klägerin in der KVdS nicht bestanden. Die 1941 geborene Klägerin war zu diesem Zeitpunkt weit über 30 Jahre alt. Die Ausnahmeregelung, die Halbs 2 des § 5 Abs 1 Nr 9 SGB V enthält, greift nicht ein. Diese Vorschrift sieht für Studenten nach Abschluß des 14. Fachsemesters oder Vollendung des 30. Lebensjahres eine Versicherungspflicht nur noch vor, wenn die Art der Ausbildung oder familiäre sowie persönliche Gründe, insbesondere der Erwerb der Zugangsvoraussetzungen in einer Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungswegs, die Überschreitung der Altersgrenze oder eine längere Fachstudienzeit rechtfertigen. Im Entwurf des GRG sind die unverändert Gesetz gewordene Begrenzung der Versicherungspflicht und die Ausnahmen davon wie folgt begründet worden (BR-Drucks 200/88 = BT-Drucks 11/2237, jeweils S 159 zu § 5): “Die Versicherungspflicht der Studenten (Absatz 1 Nr 9) wird, um Mißbräuche zu vermeiden, auf eine Höchstdauer der Fachstudienzeit und auf ein Höchstalter begrenzt. Damit soll auch der Tendenz, das Hochschulstudium zu verlängern, entgegengewirkt werden. Die Ausnahmeregelung in Halbsatz 2 ist eng auszulegen. Persönliche oder familiäre Gründe sind zB Erkrankung, Behinderung, Schwangerschaft, Nichtzulassung zur gewählten Ausbildung im Auswahlverfahren, Eingehen einer insgesamt mindestens achtjährigen Dienstverpflichtung als Soldat oder Polizeivollzugsbeamter im Bundesgrenzschutz auf Zeit bei einem Dienstbeginn vor Vollendung des 22. Lebensjahres, Betreuung von behinderten oder aus anderen Gründen auf Hilfe angewiesenen Kindern.”

Die Entwicklung der KVdS bis zu dieser Neuregelung und die hierfür gegebene Gesetzesbegründung sind in dem Urteil des erkennenden Senats vom 30. September 1992 (SozR 3-2500 § 5 Nr 4, demnächst auch in BSGE Bd 71) näher dargelegt. Dort ist auch ausgeführt, daß der Gedanke der Mißbrauchsabwehr zwar den Anstoß für die Begrenzung der KVdS gegeben hat, die Neuregelung aber nicht auf die Abwehr einer mißbräuchlichen Begründung der Versicherung beschränkt, sondern eine allgemeine Begrenzung durch die Höchstdauer der Fachstudienzeit und das Alter vorgenommen worden ist; das Ausscheiden aus der KVdS wegen Überschreitens der Altersgrenze bedeutet deswegen keinen Vorwurf von Mißbrauch. Weiter können nach der genannten Entscheidung nur Gründe von solcher Art und solchem Gewicht die Überschreitung der Altersgrenze rechtfertigen, die nicht nur aus der Sicht des Einzelnen, sondern auch bei objektiver Betrachtungsweise die Aufnahme des Studiums verhindern oder als unzumutbar erscheinen lassen (im folgenden: Hinderungsgründe); das Studium aufzuschieben, weil dieses als zweckmäßig oder sinnvoll erscheint, reicht demgegenüber nicht aus. Demnach sind in jenem Urteil eine Berufsausbildung und anschließende Berufsausübung zwischen Abitur und Aufnahme des Studiums nicht als Hinderungsgrund anerkannt worden, auch wenn der Eintritt ins Berufsleben Erfahrungen in der Arbeitswelt vermittelt, die in einem Studium nützlich sein und später die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt verbessern können. Ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn die Aufnahme der Berufstätigkeit durch besonders schwierige familiäre oder persönliche Verhältnisse erzwungen worden ist, hatte der Senat in dem genannten Urteil nicht zu entscheiden und wurde daher offengelassen.

Auf das Vorliegen von Hinderungsgründen kommt es auch dann an, wenn die Zugangsvoraussetzungen für das Studium – wie bei der Klägerin – im Zweiten Bildungsweg erworben worden sind. Wie der Senat in einem weiteren Urteil vom 30. September 1992 (SozR 3-2500 § 5 Nr 8) entschieden hat, ist die Überschreitung der Altersgrenze von 30 Jahren auch bei Absolventen des Zweiten Bildungswegs in der Regel nicht gerechtfertigt, wenn dieser so spät beschritten worden ist, daß das anschließende Studium erst nach Vollendung des 30. Lebensjahres aufgenommen werden konnte. In dieser Entscheidung ist näher begründet, daß die auch von der Klägerin vertretene Auffassung, bei Absolventen des Zweiten Bildungswegs sei § 10 Abs 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) heranzuziehen und bei Förderung eines nach Vollendung des 30. Lebensjahres begonnenen Studiums Versicherungspflicht in der KVdS anzunehmen, unzutreffend ist. Wer die Zugangsvoraussetzungen für ein Studium im Zweiten Bildungsweg erst noch erwerben muß, ist zwar am Studium gehindert. Darin liegt aber allein noch kein Hinderungsgrund iS von § 5 Abs 1 Nr 9 Halbs 2 SGB V. Vielmehr besteht bei diesem Personenkreis nach Überschreiten der Altersgrenze Versicherungspflicht in der KVdS nur dann, wenn in der Zeit zwischen etwa der Vollendung des 20. Lebensjahres und dem Beginn des Zweiten Bildungswegs sowie zwischen dem Abitur im Zweiten Bildungsweg und dem Studienbeginn im wesentlichen durchgehend Hinderungsgründe vorgelegen haben.

Ob bei der Klägerin in der Zeit etwa nach Vollendung ihres 20. Lebensjahres (1961) und dem Beginn des Zweiten Bildungswegs (1978) derartige Hinderungsgründe bestanden haben, läßt der Senat offen. Dieses könnte für den ersten Teil dieses Zeitraums wegen der Geburt ihrer vier Kinder in den Jahren 1963, 1965, 1969 und 1971 in Betracht kommen. Im zweiten Teil dieses Zeitraums bestand möglicherweise ein Hinderungsgrund, wenn – wozu das LSG keine Feststellungen getroffen hat – eine gewisse Zeit der Berufstätigkeit, wie sie die Klägerin von 1974 bis 1978 als Journalistin ausgeübt hat, Voraussetzung für das Beschreiten des Zweiten Bildungswegs war. Hierzu hat der erkennende Senat in dem genannten Urteil vom 30. September 1992 (SozR 3-2500 § 5 Nr 8) entschieden, daß dann, wenn eine Berufstätigkeit von bestimmter Dauer rechtliche Voraussetzung für die Aufnahme in die Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungswegs gewesen ist, in dieser Zeit ein Hinderungsgrund iS von § 5 Abs 1 Nr 9 Halbs 2 SGB V in Betracht kommt. Ob aus all diesen Gründen die gesamte Zeit von 1961 bis 1978 (17 Jahre) als Hinderungszeit anerkannt werden könnte, erscheint indes als zweifelhaft, bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung.

Jedenfalls kann nicht außerdem noch die gesamte Zeit zwischen dem Abitur im Zweiten Bildungsweg (1980) und der Aufnahme des Studiums im Jahre 1988 als Hinderungszeit angesehen werden. Die Klägerin war während dieser Zeit zwischen 39 und 47 Jahren alt. Etwa in dieser Zeit sind ihre vier Kinder volljährig geworden. Allerdings ist eines der Kinder, die 1965 geborene Tochter, krank gewesen und hat – zumindest zeitweise – einer intensiven Betreuung durch die Klägerin bedurft. Weder die Betreuung der Kinder noch die besondere Betreuung der kranken Tochter haben die Klägerin jedoch daran gehindert, in der gesamten Zeit als Journalistin zu arbeiten. Das LSG hat unangefochten und damit für den Senat bindend festgestellt, daß die Klägerin, statt der Berufstätigkeit nachzugehen, auch hätte studieren können, weil ihr auch dieses teilweise zu Hause möglich gewesen wäre. Wie bereits angeführt, ist nach dem Urteil vom 30. September 1990 (SozR 3-2500 § 5 Nr 4, demnächst auch in BSGE Bd 71) die Zeit einer Berufstätigkeit vor Studienbeginn grundsätzlich nicht als Hinderungszeit angesehen worden. Die damals für möglich gehaltene Ausnahme, daß eine (vorübergehende) Berufstätigkeit durch besonders schwierige familiäre oder persönliche Verhältnisse erzwungen worden ist (zB nach einem plötzlichen Todesfall in der Familie des Abiturienten), kann bei der Klägerin für einen Zeitraum von acht Jahren zwischen ihrem 39. und 47. Lebensjahr nicht mehr angenommen werden. Sie macht geltend, sie habe sich und ihre Kinder finanziell absichern müssen. Wenn sich eine solche Notwendigkeit jedoch in ihrem Alter und für eine so lange Zeit ergab, so beruhte das auf ihrer Entscheidung, in dem Alter, in dem andere das Studium durchführen, zunächst eine Familie zu gründen, und ferner auf weiteren schicksalhaften Entwicklungen oder Entschlüssen wie Scheidung und Wiederheirat sowie der wirtschaftlichen Lage des ersten und des zweiten Ehemannes. Solche wirtschaftlichen Verhältnisse, die in den Lebensentwicklungen des Einzelnen begründet liegen, können jedenfalls in einem Lebensalter, das vom typischen Studentenalter (Lebensalter von etwa 20 bis 30 Jahren) weit entfernt ist, nicht mehr als Hinderungsgründe anerkannt werden. Dazu reicht vielmehr nach den Gesetzesmaterialien zu § 5 Abs 1 Nr 9 SGB V (BR-Drucks 200/88 = BT-Drucks 11/2237, jeweils S 159 zu § 5) nur – unter Verzicht auf eine Berufstätigkeit und ein Studium – die persönliche Betreuung jüngerer oder behinderter älterer Kinder aus.

Daß die Art der Ausbildung nicht ursächlich für den späten Beginn des Studiums ist, hat das LSG aufgrund der einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften festgestellt. Hieran ist der erkennende Senat gebunden (§§ 162, 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫, § 562 der Zivilprozeßordnung ≪ZPO≫ iVm § 202 SGG). Im übrigen wird ein derartiger Hinderungsgrund von der Revision auch nicht geltend gemacht.

Die Nichtanerkennung der Zeit von 1980 bis 1988 als Hinderungszeit iS des § 5 Abs 1 Nr 9 Halbs 2 SGB V hat zur Folge, daß die Versicherungspflicht der Klägerin in der KVdS nicht über den 30. September 1990 hinaus weiterbestehen konnte. Daran würde sich nichts ändern, wenn die Zeit von 1961 bis 1978 (Beginn des Zweiten Bildungswegs) als Hinderungszeit angesehen würde. Denn die Altersgrenze von 30 Jahren ist nicht ohne weiteres um die Zahl von Semestern hinauszuschieben, in der früher Hinderungsgründe vorgelegen haben. Hierzu führen die früheren Hinderungsgründe des § 5 Abs 1 Nr 9 Halbs 2 SGB V vielmehr nur, wenn sie die Überschreitung der Altersgrenze rechtfertigen, sie mithin für die spätere Aufnahme des Studiums (hier 1988) ursächlich waren. Die Ursächlichkeit anzuerkennender Hinderungsgründe für die späte Aufnahme des Studiums muß jeweils geprüft und festgestellt werden. Hiermit ist es nicht vereinbar, die Altersgrenze in der KVdS ohne weiteres um die Zeit anzuheben, für die vor Aufnahme des Fachstudiums Hinderungsgründe vorgelegen haben, weil dann die Ursächlichkeit nicht geprüft, sondern als gegeben unterstellt würde (vgl das Urteil vom 30. September 1992 in SozR 3-2500 § 5 Nr 7).

Diese Prüfung ergibt nach den Feststellungen des LSG bei der Klägerin, daß sie nach Erwerb der Zulassungsvoraussetzungen bei einem Studienbeginn im Jahre 1980 ihr neunsemestriges Studium jedenfalls vor 1988 abgeschlossen hätte. Über das Jahr 1988 hinaus sind demnach die für die Zeit von 1961 bis 1978 unterstellten Hinderungsgründe für eine weitere Verschiebung des Studienbeginns nicht ursächlich gewesen.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Begrenzung der KVdS hat der erkennende Senat in mehrfacher Hinsicht geprüft, sie jedoch sämtlich nicht für begründet gehalten (vgl BSG SozR 3-2500 § 5 Nrn 4, 5). Auch der Umstand, daß die Klägerin während ihrer Berufstätigkeit jahrelang Beiträge zahlendes Mitglied der Beklagten war, führt zu keinem anderen Ergebnis. Wohl zeigt dies und der berufliche und persönliche Lebensweg der Klägerin, daß sie die KVdS nicht mißbräuchlich für sich beansprucht. Wie dargelegt, ist die gesetzliche Beschränkung der Versicherungspflicht nicht auf die Mißbrauchsabwehr beschränkt und trifft daher auch solche Studenten, die aus verständlichen menschlichen und wirtschaftlichen Gründen erst (weit) nach Überschreitung der Altersgrenze ein Studium beginnen. Die KVdS steht dann jedoch über den aufgezeigten Umfang hinaus nicht mehr offen.

Der Bescheid über die Beendigung der Versicherungspflicht in der KVdS zum 30. September 1990 ist somit rechtmäßig. Der andere Bescheid vom selben Tage, mit dem die Mitgliedschaft in der freiwilligen Versicherung der Klägerin festgestellt worden ist, ist ebenfalls nicht zum Nachteil der Klägerin rechtswidrig. Da Anhaltspunkte für einen Austritt der Klägerin aus der Versicherung bei der Beklagten nicht vorliegen, ist die Mitgliedschaft der Klägerin nach § 190 Abs 12 iVm Abs 3 Satz 2 SGB V vom 1. Oktober 1990 an als freiwillige Mitgliedschaft fortgeführt worden.

Die Revision der Klägerin war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI915566

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge